Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 28.02.2000, Az.: 2 W 9/00
Zuordnung des Schuldners zum Regel- oder Verbraucherinsolvenzverfahren; Verbraucherinsolvenzverfahren für nicht oder nur geringfügig wirtschaftlich selbstständig tätige Personen; Statthaftigkeit der sofortigen weiteren Beschwerde in Fällen gerichtlicher Auflagen nach § 305 Abs. 3 S. 1 Insolvenzordnung (InsO) zur Beibringung von Unterlagen und Erklärungen; Beschwerde gegen Einordnung des Verfahrens als Verbraucherinsolvenzverfahren bei Betrieb eines Handelsgewerbes; Scheitern eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens als Voraussetzung für Einleitung des Verbraucherinsolvenzverfahrens; Verbraucherinsolvenzverfahren zur Abwicklung einer kaufmännischen Tätigkeit im Zeitpunkt der Antragstellung; Fiktion der Rücknahme des Insolvenzantrages bei Nichtvorlage der erforderlichen Unterlagen; Rücknahmefiktion im Regelinsolvenzverfahren; Anwendbarkeit der Vorschriften des Regelinsolvenzverfahrens bei vollkaufmännischer Tätigkeit
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 28.02.2000
- Aktenzeichen
- 2 W 9/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 31989
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2000:0228.2W9.00.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hameln - 23.11.1999 - AZ: 36 IK 65/99
- LG Hannover - 16.12.1999 - AZ: 20 T 2281/99
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 1 HGB
- § 304 Abs. 1 InsO
- § 305 InsO
Fundstellen
- DZWIR 2000, 334-337
- EWiR 2000, 739
- InVo 2000, 234-237
- KTS 2000, 381-382
- NZI 2000, 229-231
- NZI 2001, 57
- NZI 2001, 7
- OLGReport Gerichtsort 2000, 180-182
- ZIP 2000, 802-805 (Volltext mit red. LS)
- ZInsO 2000, 217 (amtl. Leitsatz)
- ZInsO 2000, 647 (amtl. Leitsatz)
Amtlicher Leitsatz
- 1.
§ 305 Abs. 3 Satz 2 InsO ist grundsätzlich unanwendbar, wenn der Schuldner einen Eröffnungsantrag im Regelinsolvenzverfahren gestellt hat.
- 2.
Dies gilt auch, wenn das Insolvenzgericht mit Hinweisen auf die Einschlägigkeit des Verbraucherinsolvenzverfahrens, die der Schuldner jedoch nicht aufnimmt, auf den Insolvenzantrag reagiert.
- 3.
Das Insolvenzgericht darf den Schuldner auf die Vorschriften des Verbraucherinsolvenzverfahrens nur dann verweisen, wenn eine nachhaltige Aufgabe der zuvor ausgeübten selbstständigen gewerblichen Tätigkeit feststellbar ist.
Tenor:
- I.
Die sofortige weitere Beschwerde wird zugelassen.
- II.
Auf die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners werden der Beschluss des Landgerichts Hannover vom 16. Dezember 1999 und das Verfahren des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - Hameln mit der Verfügung vom 23. November 1999 aufgehoben.
- III.
Die Sache wird zur weiteren Behandlung an das Amtsgericht Hameln zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der Schuldner, der am 18. November 1999 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen gestellt hat, betrieb bis zum 16. November 1999 ein Transportunternehmen in Güternah und Güterfernverkehr, dessen Entwicklung nach seiner Darstellung seit März 1999 negativ verlief, weil er zu diesem Zeitpunkt seinen Hauptauftraggeber verlor. Im November 1999 reduzierte der Antragsteller das Unternehmen deshalb auf zwei Arbeitnehmer, die noch im Güterfernverkehr tätig sind und Fahraufträge nach ... durchführen. Insoweit erzielt der Antragsteller nach seiner Darstellung in der Antragschrift noch einen Umsatz von monatlich 20.000 DM. Nach einer Forderungsaufstellung des Antragstellers hat er 24 Gläubiger, denen er noch etwa 685.000 DM schuldet. Der Antragsteller hat gleichzeitig mit dem Antrag auf Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens beantragt, ihm Restschuldbefreiung zu gewähren.
Mit Verfügung vom 23. November 1999 hat das Amtsgericht Hameln - Insolvenzgericht - den Antragsteller darauf hingewiesen, dass die Insolvenzordnung für nicht oder nur geringfügig wirtschaftlich selbstständig tätige Personen ein eigenes Verbraucherinsolvenzverfahren vorsehe, dessen Voraussetzungen für ihn gegeben seien. Er werde deshalb aufgefordert, binnen eines Monats die Bescheinigung über das Scheitern eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens und die Antragsunterlagen für ein Verbraucherinsolvenzverfahren mit einem Schuldenbereinigungsplan vorzulegen. Erfülle er diese Auflagen nicht, so gelte sein Antrag als zurückgenommen nach § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO.
Nach Erhalt dieser Aufforderung haben die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 3. Dezember 1999 Beschwerde gegen die Einordnung des Verfahrens als Verbraucherinsolvenzverfahren eingelegt und dazu ausgeführt, dass die Einordnung rechtsfehlerhaft sei, weil der Antragsteller bis zum Datum der Antragstellung ein Handelsgewerbe i.S.d. § 1 Abs. 1 HGB n.F. betrieben und aufgrund seines Handelsgewerbes als Spediteur dem Begriff des "Musskaufmanns" im Sinne des früheren Rechts entsprochen habe. Bei der Anwendung des § 304 Abs. 1 InsO sei an die alte Begriffsbestimmung des Musskaufmanns anzuknüpfen. Diesem solle der Weg des Verbraucherinsolvenzverfahrens im Rahmen seiner Sanierung verschlossen bleiben. Das Verbraucherinsolvenzverfahren sei zur Abwicklung einer kaufmännischen Tätigkeit im Zeitpunkt der Antragstellung nicht geeignet. Der Zwang zur außergerichtlichen Schuldenbereinigung behindere eine zügige Gesamtvollstreckung eher, als dass er sie fördere. Der Umsatz, den der Antragsteller mit dem rettungsfähigen Kern seines bisherigen Unternehmens noch erziele, nicht als geringfügige wirtschaftliche Tätigkeit i.S.d. § 304 InsO einzuordnen.
Mit Beschluss vom 16. Dezember 1999 hat das Landgericht die sofortige Beschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, das Rechtsmittel sei ausnahmsweise zulässig, weil die Verfügung des Insolvenzgerichts, mit der es den Antragsteller dem Verbraucherinsolvenzverfahren zugeordnet habe, ohne rechtliches Gehör des Antragstellers ergangen sei. Damit sei dessen Antrag auf Einleitung eines Regelinsolvenzverfahrens in nicht gehöriger Form konkludent abgelehnt worden und das Insolvenzgericht habe dem Antragsteller die förmliche Anfechtungsmöglichkeit nach §§ 6, 34 InsO genommen. Das Insolvenzgericht sei verpflichtet gewesen, den Antragsteller zuvor auf seine Bedenken gegen die Voraussetzungen des Regelinsolvenzverfahrens hinzuweisen und ihm Gelegenheit zu geben, seinen Antrag umzustellen. Beim Festhalten an der Auffassung, dass ein Regelinsolvenzverfahren durchgeführt werden müsse, hätte es dem Antragsteller eine rechtsmittelfähige Entscheidung nicht verweigern dürfen.
In der Sache sei die sofortige Beschwerde aber unbegründet, weil das Insolvenzgericht zu Recht die Voraussetzungen des Verbraucherinsolvenzverfahrens als gegeben angesehen habe. Die vom Antragsteller dargelegte wirtschaftliche Betätigung sei geringfügig i.S.d. § 304 InsO. Dies ergebe sich aus seinen Angaben zum Betriebsumfang und vermögen, zur Zahl der Arbeitnehmer, der Auftraggeber und des monatlichen Umsatzes. Die nicht ganz geringe Zahl der Gläubiger und die Höhe der Gesamtverschuldung stünden der Annahme einer geringfügigen wirtschaftlichen Tätigkeit nicht entgegen. Ob dies bis zum Wegfall des Hauptauftraggebers im März 1999 anders gewesen sei, könne dahingestellt bleiben, da insoweit auch die Angaben des Antragstellers nicht ausreichten, um abschließend über diese Frage zu entscheiden.
Gegen diesen am 29. Dezember 1999 zugestellten Beschluss richtet sich der Antragsteller mit seiner am 5. Januar 2000 beim Landgericht eingegangenen sofortigen weiteren Beschwerde, mit der er die Zulassung der weiteren Beschwerde beantragt.
Der Antragsteller macht geltend, das Landgericht habe das Tatbestandsmerkmal "geringfügig" in § 304 Abs. 1 InsO unzutreffend ausgelegt. Geringfügig bedeute, dass allenfalls noch monatliche Umsätze erzielt werden würden, die - nach Steuern - den sozialhilferechtlichen Regelsatz nicht überstiegen. Welchen Bewertungsmaßstab das Landgericht konkret angewendet habe, sei nicht zu erkennen. Soweit man seitens des Insolvenzgerichts telefonisch darauf hingewiesen habe, dass die Grenze zwischen dem Regelinsolvenzverfahren und dem Verbraucherinsolvenzverfahren bei einem Jahresumsatz von 500.000 DM und fünf dauerhaft beschäftigten Arbeitnehmern gezogen werde, handele es sich nicht um nachvollziehbare rechtliche und betriebswirtschaftliche Unterscheidungsmerkmale. Es drohe eine Divergenz zu der Rechtsprechung anderer Insolvenzgerichte, namentlich des Amtsgerichts Hannover, die geringere wirtschaftliche Tätigkeiten als Unterscheidungskriterium zugrunde legten.
Außerdem sei zu beanstanden, dass auf die Betriebsgröße bei Antragstellung abgestellt werde. Hierfür finde sich kein gesetzlicher Anhaltspunkt. § 304 Abs. 2 InsO sehe im Gegenteil vor, dass eine geringfügige selbstständige Tätigkeit nur dann gegeben sei, wenn der Umfang eines Gewerbebetriebes nicht erforderlich sei. Das Vorhandensein eines Gewerbebetriebes müsse deshalb maßgebliches Kriterium für die Unterscheidung zwischen Regel und Verbraucherinsolvenzverfahren sein.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners ist zuzulassen.
Zwar hat das Landgericht die sofortige Beschwerde des Schuldners nur ausnahmsweise als zulässig angesehen, weil das Insolvenzgericht dem Schuldner die Möglichkeit zur sofortigen Beschwerde gegen die Ablehnung seines Eröffnungsantrags nach §§ 6, 34 InsO ohne Anhörung und ohne Hinweis auf die Möglichkeit der Umstellung seines Antrags auf das Verbraucherinsolvenzverfahren genommen und im Fall seines Beharrens auf seinem ursprünglichen Begehren durch die Versagung eines Beschlusses eine rechtsmittelfähige Entscheidung verweigert habe. Diese im Ergebnis zutreffenden Ausführungen des Landgerichts stellen aber nicht nur die Voraussetzungen für die ausnahmsweise Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde dar, sondern geben dem Antragsteller vielmehr das Recht zur uneingeschränkten Einlegung der sofortigen Beschwerde. Das Insolvenzgericht hätte den Antrag nicht nach § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO als erledigt ansehen dürfen, nachdem der Antragsteller der Aufforderung, die für einen Insolvenzantrag nach § 305 Abs. 1 InsO erforderlichen Unterlagen vorzulegen, nicht nachgekommen ist. § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO, der die Rücknahme des Insolvenzantrags fingiert, wenn der Schuldner einer Aufforderung des Insolvenzgerichts nicht nachkommt, die nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 InsO vorzulegenden Erklärungen und Unterlagen zu ergänzen, ist grundsätzlich unanwendbar, wenn der Schuldner einen Eröffnungsantrag im Regelinsolvenzverfahren gestellt hat. Dies gilt auch, wenn das Insolvenzgericht mit Hinweisen auf die Einschlägigkeit des Verbraucherinsolvenzverfahrens, die der Schuldner jedoch nicht aufnimmt, auf den Insolvenzantrag reagiert. Auch in diesem Fall muss das Insolvenzgericht eine Entscheidung über den Eröffnungsantrag des Schuldners treffen, der der sofortigen Beschwerde nach §§ 6, 34 InsO unterliegt (s. auch Pape, ZIP 1999, 2037, 2039 f.). Im Regelinsolvenzverfahren gibt es keine Rücknahmefiktion. In diesem Verfahren ist der Schuldner vielmehr stets zu bescheiden, wobei der Inhalt einer Entscheidung nach einer entsprechenden Anhörung des Schuldners auch sein kann, dass der Antrag zurückgewiesen wird, weil der Schuldner die Voraussetzungen für das Regelinsolvenzverfahren nicht erfüllt und damit ins Verbraucherinsolvenzverfahren gehört (zum zwingenden Charakter der Zuordnung des Schuldners zum Regel oder Verbraucherinsolvenzverfahren vgl. zuletzt Uhlenbruck, DZWIR 2000, 15, 16). Unterlässt das Insolvenzgericht eine solche Entscheidung, weil es der Auffassung ist, die Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO sei einschlägig, ist auch ohne einen entsprechenden Beschluss die sofortige Beschwerde statthaft.
Auf die unterschiedlich beantwortete Frage, ob die Statthaftigkeit der sofortigen weiteren Beschwerde voraussetzt, dass die sofortige Beschwerde statthaft ist (so etwa BayObLG, Beschl. v. 3. November 1999 - 4 Z BR 3/99; OLG Köln, Beschl. v. 3. Januar 2000 - 2 W 224/99 sowie 2 W 225/99), kommt es dann nicht mehr an. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob bereits die Tatsache einer Entscheidung des Insolvenzgerichts im Insolvenzverfahren, über die das Landgericht als Beschwerdegericht zu entscheiden hatte, unabhängig von dem spezifisch insolvenzrechtlichen Inhalt der Entscheidung und der Einschlägigkeit des Rechtsweges der InsO ausreicht, um zur Statthaftigkeit der sofortigen weiteren Beschwerde zu kommen (so OLG Karlsruhe, ZInsO 2000, 102[OLG Karlsruhe 29.12.1999 - 11 W 177/99]; OLG Stuttgart, Beschl. v. 14. Januar 2000 - 8 W 374/99 und 375/99; wohl auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 20. Dezember 1999 - 26 W 124/99), oder ob zwingend ein Beschwerdeverfahren nach der InsO vorausgegangen sein muss.
Ebenfalls dahingestellt bleiben kann die von der Mehrzahl der Oberlandesgerichte inzwischen positiv beantwortete Frage, ob eine sofortige Beschwerde und damit auch eine sofortige weitere Beschwerde dann statthaft ist, wenn das Insolvenzgericht dem Schuldner in einer Auflage nach § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO die Beibringung von Unterlagen und Erklärungen - etwa des Angebots einer "angemessenen" Befriedigungsquote oder der Beibringung einer qualifizierten Bescheinigung über das Scheitern der außergerichtlichen Schuldenbereinigung - aufgibt, die nach dem Gesetz nicht verlangt werden können (für die Statthaftigkeit der sofortigen weiteren Beschwerde in diese Fällen BayObLG, Beschl. v. 3. November 1999 - 4 Z BR 3/99; Beschl. v. 2. Dezember 1999 - 4 Z BR 8/99; OLG Karlsruhe, ZInsO 2000, 102[OLG Karlsruhe 29.12.1999 - 11 W 177/99]; OLG Köln, ZIP 1999, 1929 = DZWIR 2000, 29; SchleswigHolsteinisches OLG, Beschl. v. 1. Februar 2000 - 1 W 51/99; anders nur OLG Frankfurt, Beschl. v. 20. Dezember 1999 - 26 W 124/99, das schon die Erstbeschwerde für unstatthaft hält). Vorliegend geht es nicht um die Frage der Zulässigkeit von Rechtsmitteln bei einem ursprünglich in Verbraucherinsolvenzverfahren gestellten Antrag.
Auch die weiteren Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind erfüllt. Soweit in den im Ergebnis übereinstimmenden Entscheidungen von Insolvenzgericht und Beschwerdegericht eine fehlende Divergenz gesehen werden könnte, kommt es hierauf nicht an, weil § 568 Abs. 2 Satz 2 InsO nicht einschlägig ist (vgl. bereits Senatsbeschluss vom 10. Februar 2000 - 2 W 101/99).
Die Möglichkeit einer Gesetzesverletzung, deren Nachprüfung zur Sicherung eine einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, hat der Schuldner dargetan. Die Frage, ob ein Schuldner, der eine - in früherem Sinne - vollkaufmännische Tätigkeit eingeschränkt hat, unmittelbar, bevor er einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hat, im Hinblick auf diese Einschränkung seiner Tätigkeit dem Regel oder dem Verbraucherinsolvenzverfahren zuzuordnen ist, stellt nicht nur eine Würdigung im Einzelfall dar, sondern hat vielmehr grundsätzliche Bedeutung. Da § 304 für die Zuordnung des Schuldners zum Verbraucherinsolvenzverfahren voraussetzt, dass der Schuldner keiner oder nur einer geringfügigen selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht, wird mit der Behauptung, die Vorinstanzen hätten unbeachtet gelassen, dass der Schuldner weiterhin kaufmännisch tätig sei und deshalb eine Subsumtion unter § 304 Abs. 1 InsO nicht in Betracht komme, auch die Möglichkeit einer Gesetzesverletzung vorgetragen.
III.
Die sofortige weitere Beschwerde ist auch begründet.
Das Insolvenzgericht hat den Schuldner zu Unrecht auf die Vorschriften des Verbraucherinsolvenzverfahrens verwiesen. Im Hinblick auf die Darlegungen des Schuldners zur Weiterführung seiner zuvor ausgeübten kaufmännischen Tätigkeit hätte es den Schuldner nicht auf die Vorschriften des Verbraucherinsolvenzverfahrens verweisen dürfen. Vielmehr lag zum Zeitpunkt der Antragstellung eine nachhaltige Aufgabe der zuvor ausgeübten selbstständigen gewerblichen Tätigkeit noch nicht vor, sodass das Insolvenzgericht die Eröffnungsvoraussetzungen im Regelinsolvenzverfahren zu prüfen gehabt hätte und nach Rückgabe der Akten zu prüfen haben wird.
Zwar ist die Frage, auf welchen Zeitpunkt es ankommt, wenn der Schuldner vor Stellung des Insolvenzantrags eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat, die er im Hinblick auf das Insolvenzverfahren aufgegeben hat, äußerst streitig, wenn der Schuldner nach Aufgabe seiner selbstständigen Tätigkeit einen Insolvenzantrag stellt. Insoweit werden von der Maßgeblichkeit des Ursprungs der Verbindlichkeiten, die der Schuldner zu befriedigen hat, bis hin zur ausschließlichen Maßgeblichkeit der Verhältnisse des Schuldners zum Zeitpunkt der Antragstellung oder sogar erst der Entscheidung über den Insolvenzantrag die unterschiedlichsten Auffassungen vertreten (s. zu der Problematik Fuchs, ZInsO 1999, 185; Kirchhof, ZInsO 1998, 54; Klaas, ZInsO 1999, 545; Kögel, DZWIR 1999, 235; Müller, NZI 1999, 172; Pape, NWB Fach 14, S. 2402; ders. ZIP 1999, 2038; Uhlenbruck, DZWIR 2000, 16; Wimmer, ZInsO 1999, 559; Landfermann, in: Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, § 304 Rn. 3 ff.; Krug/Haarmeyer, in: Smid, InsO, § 304 Rn. 2 ff.; Römermann, in: Nerlich/ Römermann, InsO, § 304 Rn. 3 ff.; Wenzel, in: Kübler/ Prütting, InsO, § 304 Rn. 3 ff.; Kohte, in: Kohte/Ahrens/ Grothe, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenzverfahren, § 304 Rn. 3 ff.). Die vorgenannten Zitatstellen, bei denen die Auffassung überwiegt, dass es auf die Verhältnisse des Schuldners zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung ankommt (so jetzt auch SchleswigHolsteinisches Oberlandesgericht, Beschl. v. 1. Februar 2000 - 1 W 53/99 und 1 W 56/99; ebenso AG Köln, DZWIR 2000, 80; Bork, ZIP 1999, 301, 303; Vallender, ZIP 1999, 125, 129; Wenzel, in: Kübler/Prütting, InsO, § 304 Rn. 4) beschäftigen sich aber nur mit der Frage, welchem Verfahren der Schuldner zuzuordnen ist, wenn er eine vorhergehende gewerbliche Tätigkeit zum Zeitpunkt der Antragstellung endgültig aufgegeben hat. Die Auffassung, auch in dieser Situation sei die Frage entscheidend, ob die Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer gewerblichen Tätigkeit oder aus einer nicht oder nur geringfügig gewerblichen Tätigkeit stammten (so etwa LG Kassel, ZInsO 1999, 421[LG Kassel 25.05.1999 - 3 T 325/99]; LG Leipzig, DZWIR 2000, 79 m. A. mm. Kögel; Klaas, ZInsO 1999, 545) stellt eine nur vereinzelt vertretene Ansicht dar, der auch der Senat nicht folgt, weil es nicht angemessen wäre, einen Schuldner nur deshalb dem Regelinsolvenzverfahren zu unterwerfen, weil die Verbindlichkeiten, die er vor vielen Monaten oder Jahren begründet hat, aus einer selbständigen Tätigkeit stammen, ohne das noch ein Gewerbebetrieb fortzuführen oder auch nur abzuwickeln wäre.
Soweit unterschiedliche Auffassungen zu der Frage vertreten werden, ob die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Stellung des Insolvenzantrages (so etwa AG Köln, NZI 1999, 241; AG Frankfurt, InVo 1999, 313; Vallender, ZIP 1999, 125, 129; Kögel, DZWIR 1999, 235, 240; Hess, InsO, § 304 Rn. 12; Wenzel, in: Kübler/Prütting, InsO, § 304 Rn. 4) oder erst der Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Insolvenzantrag (in diesem Sinne Bork, ZIP 1999, 301, 304; Fuchs, ZInsO 1999, 185, 188; Kohte, in: Kohte/Ahrens/Grote, Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiungsverfahren, § 304 Rn. 17) maßgeblich sind, kann diese Frage hier dahingestellt bleiben. Diese unterschiedlichen Auffassungen spielen für den vorliegenden Fall keine entscheidende Rolle. Hier ist nämlich in Rechnung zu stellen, dass der Schuldner seine frühere gewerbliche Tätigkeit bei Antragstellung nicht vollständig aufgegeben hatte, sondern vielmehr weiterhin einen Speditionsbetrieb unterhielt, mit dem er einen monatlichen Umsatz von etwa 20.000 DM erwirtschaftete. Bei dieser Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass im Insolvenzverfahren nur die Folgen einer früheren, zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits aufgegebenen wirtschaftlichen Tätigkeit zu bereinigen sind. Vielmehr ist weiterhin eine wirtschaftliche Tätigkeit gegeben, die über die Geringfügigkeit i.S.d. § 304 InsO hinausgeht.
Zwar kann nach der Neufassung der §§ 1 ff. HGB (dazu Koller/Roth/Morck, HGB, 2. Aufl., München 1999, § 1 Rn. 1 ff.; Karsten Schmidt, in: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Ergänzungsband, § 1 Rn. 1 ff.) nicht mehr ohne weiteres festgestellt werden, inwieweit der Betrieb des Schuldners ein kaufmännisches Unternehmen darstellt. Bei einer nicht vollständig aufgegebenen ehemals vollkaufmännischen Tätigkeit spricht aber die im Rahmen des § 304 Abs. 1 InsO gebotene Gesamtwürdigung für die Anwendbarkeit der Vorschriften des Regelinsolvenzverfahrens. Ob die wirtschaftliche Tätigkeit, die zumindest bislang ein kaufmännisches Unternehmen erforderte, nachhaltig aufgegeben worden ist, kann nur schwer festgestellt werde. Solange die bisherigen Betriebsstrukturen noch vorhanden sind, kommt jederzeit eine Ausweitung des Betriebes in Betracht, die wiederum eine Führung nach kaufmännischen Grundsätzen erfordert. Bei der Durchführung des Insolvenzverfahrens geht es dann nicht nur um die Befriedigung bestehender Verbindlichkeiten wie bei einer schon längere Zeit zurückliegenden Geschäftsaufgabe des Schuldners, sondern um die Entscheidung, ob ein bestehendes Unternehmen fortzuführen, gegebenenfalls auch durch einen Insolvenzplan zu sanieren oder aber zu beenden und abzuwickeln ist.
In all diesen Aspekten unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von der üblichen Konstellation, dass der Schuldner seine kaufmännische Tätigkeit zu einem früheren Zeitpunkt aufgegeben hat und nur noch über die Frage zu befinden ist, ob die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Stellung des Eröffnungsantrags bzw. der Verfahrenseröffnung oder die Herkunft der Verbindlichkeiten maßgebend sind. Dieser Fall ist deshalb grundsätzlich anders zu behandeln und den Regeln des Verbraucherinsolvenzverfahrens zu unterwerfen.
Im Hinblick auf die nicht vollständig erfolgte Aufgabe der Tätigkeit des Schuldners hätten sich Amts und Landgericht hier mit der Frage der Einbeziehung der Regelungen des HGB in die Abgrenzung näher auseinander setzen müssen. Zwar hat das Landgericht Recht, wenn es in seine Überlegungen zur Abgrenzung die Zahl der Arbeitnehmer, der Auftraggeber und des monatlichen Umsatzes mit einbezieht. Auch kann die nach zutreffender Auffassung des Landgerichts nicht geringe Zahl von Gläubigern und die Höhe der Gesamtverschuldung, die ebenfalls erheblich ist, für sich allein die Anwendbarkeit der Vorschriften des Regelinsolvenzverfahrens nicht rechtfertigen. Das Landgericht hat aber die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs des Schuldners, wenn auch in verringertem Umfang, nicht ausreichend berücksichtigt. Dies muss hier im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung den Ausschlag geben. Andernfalls könnte bei einer nur teilweisen Aufgabe der gewerblichen Tätigkeit kaum mehr eine klare Abgrenzung zwischen Verbraucherinsolvenz und Regelinsolvenzverfahren vorgenommen werden, da schon Nuancen der Aufgabe der bisherigen Tätigkeit über die Verfahrenszuordnung entscheiden könnten. Der Senat sieht deshalb in einer derartigen Konstellation die Fortsetzung der gewerblichen Tätigkeit als entscheidendes Merkmal für die Verfahrenszuordnung an, es sei denn, die bisherige Tätigkeit stelle auch schon eine geringfügige wirtschaftliche Betätigung i.S.d. § 304 Abs. 4 InsO dar.
IV.
Der Senat sieht keine Veranlassung, die Sache im Hinblick auf die Entscheidungen des ... Oberlandesgerichts vom 1. Februar 2000 (Az. 1 W 53 und 56/99), in denen das Oberlandesgericht bei einer früheren gewerblichen Tätigkeit des Schuldners die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung für ausschlaggebend gehalten hat, dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen. Eine Abweichung von den Entscheidungen des ... Oberlandesgerichts liegt nicht vor. In den dort entschiedenen Fällen hatte der Schuldner seine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit bereits vier Jahre bzw. sechs Monate vor Antragstellung vollständig aufgegeben, sodass keine bloße Einschränkung der selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners vorlag. Für diesen Fall ist auch der Senat der Auffassung, dass unzweifelhaft die Regelungen der §§ 304 ff. InsO eingreifen, da gar keine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit mehr vorliegt. Für eine Abwicklung des Verfahrens nach den Vorschriften der Regelinsolvenz besteht dann kein Bedürfnis mehr.