Sozialgericht Oldenburg
Urt. v. 08.06.2004, Az.: S 5 RA 324/03

Bibliographie

Gericht
SG Oldenburg
Datum
08.06.2004
Aktenzeichen
S 5 RA 324/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50643
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Nach § 2 Satz 1 Nr. 1 - 3 SGB VI versicherungspflichtige Selbständige können sich nicht nach § 231 V SGB VI von der Versicherungspflicht befreien lassen

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht als Selbständiger.

2

Der Kläger ist seit 1975 als Masseur und med. Bademeister selbständig tätig. Bis 1998 beschäftigte der Kläger 4 geringfügig beschäftigte Angestellte . Ab 01.04.1999 hat er für diese Mitarbeiter Sozialversicherungsbeiträge gezahlt. Ab August 2000 beschäftigte der Kläger keine Arbeitnehmer mehr.

3

Am 20.09.2001 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht als Selbständiger und teilte mit, dass er das 60. Lebensjahr vollendet habe und keine versicherungspflichtigen Mitarbeiter beschäftige. Außerdem habe er sich seit 1975 ausreichend privat abgesichert . Mit Bescheid vom 25.03.2002 lehnte die Beklagte die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht ab und führte zur Begründung aus, dass der Kläger am Stichtag, dem 31.12.1998, keine versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit ausgeübt habe. Er habe dadurch, dass er 4 geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer hatte, im Sinne des Gesetzes einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt gehabt.

4

Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch vom 17.04.2002 nahm der Kläger mit Schriftsatz vom 16.01.2003 zurück.

5

Mit Bescheid vom 05.05.2003 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger ab 01.08.2000 versicherungspflichtig als Selbständiger nach § 2 Satz 1 Nr. 1 – 3 Sozialgesetzbuch (SGB) sei, weil er keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer mehr beschäftige. Mit weiterem Bescheid vom 05.05.2003 setzte die Beklagte die Beitragshöhe ab 01.08.2000 in Höhe des Regelbeitrages fest.

6

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 12.05.2003 Widerspruch und machte einen Befreiungsanspruch nach § 231 Abs. 5 SGB VI geltend.

7

Mit Bescheid vom 23.05.2003 lehnte die Beklagte die Befreiung nach § 231 Abs. 5 SGB VI ab und führte zur Begründung aus, dass der Kläger nicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 sondern nach § 2 Satz 1 Nr. 1 – 3 vorrangig versicherungspflichtig sei. Die Befreiungsmöglichkeit nach § 231 Abs. 5 SGB VI scheide für ihn deshalb aus.

8

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 27.06.2003 Widerspruch , den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2003 zurückwies. Im Widerspruchsbescheid führte die Beklagte aus, dass eine Befreiung nach 231 Abs. 5 SGB VI bei dem Kläger nicht möglich sei, weil er nicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 sondern nach § 2 Satz 1 Nr. 1 – 3 SGB VI versicherungspflichtig sei. Diese Versicherungspflicht sei vorrangig gegenüber derjenigen nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI. Die Versicherungspflicht sei im übrigen ordnungsgemäß ab 01.08.2000 festgestellt worden. Dem Kläger sei mit Bescheid vom 05.05.2003 zudem eingeräumt worden, anstatt der Regelbeiträge einkommensgerechte Beiträge nach entsprechendem Nachweis seines Einkommens in der streitigen Zeit zu zahlen.

9

Gegen diese Bescheide hat der Kläger am 12.12.2003 Klage erhoben. Er ist der Auffassung, dass der Beitragszahlungsanspruch nicht bestehe, weil er nach § 231 Abs. 5 SGB VI von der Versicherungspflicht als Selbständiger zu befreien sei. Aus dem Gesetz sei nicht ersichtlich, weshalb die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 5 SGB VI nicht auf ihn anzuwenden sei.

10

Der Kläger beantragt sinngemäß nach seinem schriftlichen Vorbringen,

11

die Bescheide der Beklagten vom 05.05.2003 sowie den Bescheid vom 23.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2003 aufzuheben und den Kläger von seiner Versicherungspflicht in seiner selbständigen Tätigkeit als Masseur und med. Bademeister nach § 231 Abs. 5 SGB VI zu befreien.

12

Die Beklagte beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Zur Begründung nimmt sie Bezug auf ihr Vorbringen in den angefochtenen Bescheiden.

15

Die Verwaltungsakte der Beklagten hat vorgelegen und ist Gegenstand des Verfahrens gewesen. Wegen der weiten Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozess- und Beiakte ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16

Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

17

Die Beklagte hat zu Recht die Versicherungspflicht des Klägers als selbständiger Masseur und med. Bademeister ab 01.08.2000 festgestellt und es ebenso abgelehnt, eine Befreiung von Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 5 SGB VI auszusprechen. 

18

Zutreffend hat die Beklagte den Kläger als Masseur und med. Bademeister als versicherungspflichtig nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI angesehen. Dieses entspricht auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG Urteil v. 04.06.1998 – B 12 KR 9/97 R; Kasseler Kommentar Gürtner § 2 SGB VI Anm. 13). Da der Kläger nach seinen eigenen Angaben seit August 2000 keine Arbeitnehmer mehr beschäftigt, ist Versicherungspflicht für diese selbständige Tätigkeit seit diesem Zeitpunkt eingetreten.

19

Eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 6 SGB VI ist von der Beklagten bestandskräftig abgelehnt worden. Die Frage der Befreiung nach dieser Vorschrift ist nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens.

20

Eine Befreiung nach § 231 Abs. 5 SGB VI scheidet - wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat - aus, weil der Kläger vorrangig nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI versicherungspflichtig ist und eine Versicherungspflicht nicht durch § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI geschaffen worden ist.

21

Nach dem Wortlaut des § 231 Abs. 5 SGB VI ist die Befreiung von der Versicherungspflicht nach dieser Vorschrift auf Personen begrenzt, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig werden. Dieser Wortlaut der Vorschrift spricht dafür, dass die Befreiungsmöglichkeit des § 231 Abs. 5 SGB VI nur für solche Personen geschaffen worden ist, die erstmals mit der Schaffung des § 2 Satz 1 Nr. 9 versicherungspflichtig geworden sind. Für diese Sichtweise spricht auch, dass der Gesetzgeber für den Personenkreis, der schon vor der Schaffung des § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VI aufgrund des § 2 Satz 1 Nr. 1 – 3 SGB VI dem Grunde nach der Versicherungspflicht unterlegen hat, nach Schaffung der Befreiungsmöglichkeit nach § 231 Abs. 5 die zusätzliche Befreiungsmöglichkeit des § 231 Abs. 6 speziell für diesen Personenkreis ins Gesetz aufgenommen hat. Beweggrund des Gesetzgebers für die Schaffung dieser Norm war, dass viele bereits vor dem 01.01.1999 nach § 2 Satz 1 Nr. 1 – 3 SGB VI versicherungspflichtige Personen erstmals durch die Schaffung der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI von ihrer Versicherungspflicht erfahren haben. Diese Personen sollten, soweit sie sich vorher ausreichend abgesichert hatten oder ein bestimmtes Alter überschritten hatten, nunmehr zeitlich begrenzt die Möglichkeit erhalten, sich von der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 1 – 3 SGB VI befreien zu lassen. Dieses wäre nicht notwendig gewesen, wenn die Befreiungsmöglichkeit des § 231 Abs. 5 SGB VI auch für diesen Personenkreis bereits gegolten hätte.

22

Zudem dürfte für den Kläger eine Befreiung nach § 231 Abs. 5 SGB VI auch schon deshalb nicht möglich gewesen sein, weil der Kläger in seiner selbständigen Tätigkeit als Masseur und med. Bademeister schon tatbestandlich nicht unter die Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 fallen konnte. Denn die Versicherungspflicht nach dieser Norm setzt voraus, dass ein Selbständiger nur für einen Auftraggeber tätig ist. Dieses wird auf den Kläger als Masseur und med. Bademeister nicht zutreffen, weil er als Selbständiger in diesem Bereich mit den Kunden stets mehrere Auftraggeber haben wird und deswegen schon nicht als Selbständiger mit einem Auftraggeber angesehen werden könnte. Diese Frage spielt für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits jedoch letztlich keine Rolle, da nach den vorstehenden Ausführungen die Befreiungsmöglichkeit des § 231 Abs. 5 auf nach § 2 Satz 1 Nr. 1 - 3 SGB VI versicherungspflichtige Selbständige nicht anwendbar ist.

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Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.

Sonstiger Langtext

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Rechtsmittelbelehrung:

25

Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.

26

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Georg-Wilhelm-Str. 1, 29223 Celle oder bei der Zweigstelle des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen,Contrescarpe 32, 28203 Bremen schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

27

Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem Sozialgericht Oldenburg, Schloßwall 16, 26122 Oldenburg, schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.

28

Die Berufungsschrift muß innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

29

Auf Antrag kann vom Sozialgericht durch Beschluß die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen werden, wenn der Gegner schriftlich zustimmt. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Oldenburg, Schloßwall 16, 26122 Oldenburg schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.

30

Ist das Urteil im Ausland zuzustellen, so gilt anstelle der oben genannten Monatsfristen eine Frist von drei Monaten.

31

Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluß ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist vom neuen, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.

32

Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

33

SGV 550 a - Rechtsmittelbelehrung Urteil bei zulässiger oder zugelassener Berufung ohne zugelassene Revision (§§ 136 Abs. 1 Nr. 7, 143, 151, 153, 161 SGG) (11.94)