Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 26.01.2007, Az.: 13 A 843/06
Benutzung; Beweislast; Eindruck; Familienmitglied; Gegenbeweis; Gesamthaushalt; Vermutung; Wirtschaftsgemeinschaft; Wohngemeinschaft; Wohnküche; Wohnung
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 26.01.2007
- Aktenzeichen
- 13 A 843/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 71810
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 18 Nr 4 WoGG
- § 173 VwGO
- § 292 S 1 ZPO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Vermutung des § 18 Nr. 4 HS 2 WoGG ist jedenfalls dann im Wege eines Erst-Recht-Schlusses auf zusammen wohnende Familienmitglieder zu erstrecken, wenn alle Familienmitglieder eine einzige Wohnküche benutzen und nach außen der Eindruck eines "Gesamthaushalts" entsteht. In diesem Fall ist der volle Gegenbeweis zu erbringen, dass ungeachtet einer Wohngemeinschaft keine Wirtschaftsgemeinschaft besteht.
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen worden ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Wohngeld. Im Zeitraum von Oktober 2004 bis zum 31. Dezember 2004 lebte der Kläger mit seiner Ehefrau ... und ihren sechs gemeinsamen Kindern ..., ..., ..., ..., ... und ... im 132 qm großen Erdgeschoss des insgesamt 184 qm großen Hauses ... Straße .. in ..., das im Eigentum ihres weiteren Sohnes ... steht. Dieser bewohnte mit seiner Ehefrau ... und der Schwiegermutter des Klägers, ..., das Obergeschoss. Dort ist neben dem seinerzeit von ... und ... bewohnten Zimmer und dem seinerzeit von ... bewohnten Raum noch ein Badezimmer vorhanden. Im Erdgeschoss befinden sich u.a. ein großes Badezimmer, ein Wohnzimmer und eine Wohnküche mit angeschlossenem Esszimmer. Die im Obergeschoss gelegenen Räume sind nur über eine Treppe aus dem Erdgeschoss zu erreichen.
Der Kläger hatte mit seinem Sohn ... bereits im Jahre 2001 einen Mietvertrag über das Erdgeschoss ab 1. Juni 2001 geschlossen. Die Beklagte gewährte dem Kläger im Hinblick darauf für die Zeit vom 1. September 2001 bis 30. September 2003 Wohngeld in unterschiedlicher Höhe. Von Oktober 2003 bis Ende September 2004 wohnte der Kläger aufgrund einer vorübergehenden Trennung von seiner Ehefrau nicht im Haus seines Sohnes ... . Während der Trennungszeit bezog seine Ehefrau zunächst weiter Wohngeld. Ab dem 1. Dezember 2003 erhielt sie Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz sowie einen besonderen Mietzuschuss in Höhe von monatlich 425,00 €. Der Kläger kehrte im Oktober 2004 wieder in den Familienhaushalt zurück. Die Sozialhilfeleistungen und der besondere Mietzuschuss an seine Ehefrau wurden zum 1. November 2004 eingestellt.
Der Kläger stellte am 15. Oktober 2004 einen Folgeantrag auf Gewährung von Wohngeld ab Oktober 2004. Am 25. November 2004 fand im Rahmen einer Widerspruchsangelegenheit betreffend Grundsicherungsleistungen für Frau ... ein Hausbesuch statt. Nach einem Vermerk der Sachbearbeiterin ... des Landkreises ... äußerten der Kläger und sein Sohn ... im Rahmen dieses Hausbesuchs, dass alle Bewohner des Hauses in der Wohnküche im Erdgeschoss gemeinsam kochen und essen würden.
Mit Bescheid vom 10. März 2005 lehnte die Beklagte den Wohngeldantrag des Klägers ab. Zur Begründung führte sie an: Der Kläger sei nicht antragsberechtigt. Antragsberechtigt sei nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 WoGG der Hauseigentümer, hier der Sohn Nadir des Klägers. Ein zum Haushalt des Antragsberechtigten zählendes Familienmitglied sei nach § 3 Abs. 5 WoGG nicht antragsberechtigt. Der Kläger rechne zum Haushalt seines Sohnes ..., da er mit diesem und den übrigen Hausbewohnern in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft lebe. Der Hausbesuch habe ergeben, dass das Haus - insbesondere die Wohnküche - von der Familie gemeinsam genutzt werde. Eine Wirtschaftsgemeinschaft liege vor, wenn sich Familienmitglieder ganz oder teilweise gemeinsam mit dem täglichen Lebensbedarf versorgen würden. Dies sei der Fall, wenn im Interesse der Einsparung von Zeit und Geld zumindest teilweise gemeinsame Güter des täglichen Lebens angeschafft bzw. besorgt würden. Hierbei komme es hauptsächlich auf die gemeinsame Versorgung, nicht auf die Kostenverteilung an. Durch die gemeinsame Nutzung der Wohnküche sei eine gegenseitige Versorgung gegeben, z.B. durch den Kauf von Lebensmitteln und die Nutzung von Energie und Wasser.
Der Kläger hat mit einem am 7. April 2005 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben. Er macht geltend: Eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen den Bewohnern des Ober- und Erdgeschosses habe im Zeitraum vom 1. Oktober 2004 bis 31. Dezember 2004 nicht bestanden. Er, seine Ehefrau und ihre sechs Kinder hätten das Erdgeschoss bewohnt, während seine Schwiegermutter, sein Sohn ... und dessen Ehefrau im Obergeschoss gewohnt hätten. Seine Familie einerseits und sein Sohn ... und dessen Ehefrau andererseits hätten unabhängig voneinander gelebt, getrennte Kassen geführt, separat eingekauft und getrennt gekocht und gegessen. Im Rahmen des Hausbesuchs müsse es zu einem Missverständnis gekommen sein. Auch sei ihm bereits in der Vergangenheit Wohngeld gewährt worden, obwohl damals sein Sohn ..., dessen Ehefrau, Frau ... und deren Tochter ... im Obergeschoss gewohnt hätten.
Der Kläger, der ursprünglich beantragt hat, die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 10. März 2005 für den Zeitraum vom 1. Oktober 2004 bis zum 31. Dezember 2004 Wohngeld in Höhe von monatlich 447,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu gewähren, beantragt nunmehr,
die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 10. März 2005 für die Monate November und Dezember 2004 Wohngeld in Höhe von monatlich 447,00 € nebst vier Prozent Zinsen seit dem 8. April 2005 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie beruft sich auf ihre Ausführungen im Bescheid vom 10. März 2005 und führt ergänzend an: Das Vorliegen einer Wohngemeinschaft könne beim Zusammenleben von elf Familienmitgliedern einer Großfamilie in einem Wohnhaus mit nur einer Küche und zwei Bädern nicht angezweifelt werden. Eine Wirtschaftsgemeinschaft liege nach § 4 Abs. 2 S. 2 WoGG vor, wenn sich Familienmitglieder ganz oder teilweise gemeinsam mit dem täglichen Lebensbedarf versorgen würden. Dies könne nach der Lebenserfahrung im Falle des gemeinsamen Bewohnens von Wohnraum unterstellt werden. In § 18 Nr. 4 WoGG werde bereits für nicht miteinander verwandte Personen, die Wohnraum gemeinsam bewohnen, eine Vermutung für das Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft aufgestellt. Diese Vermutung müsse erst recht auf Familienmitglieder zutreffen. Eine Wirtschaftsgemeinschaft setze nicht voraus, dass nur eine einzige Haushaltskasse vorhanden sei. Ausschlaggebend sei vielmehr, dass die Familienmitglieder sich im Interesse von Zeit, Geld oder sonstigen familiären Bedürfnissen zumindest teilweise gemeinsam mit Gütern des täglichen Lebens versorgen. Ein Indiz hierfür sei die gemeinsame Einnahme von Mahlzeiten. Im Rahmen des Hausbesuchs sei ausweislich des Vermerks erklärt worden, dass gemeinsam gekocht und gegessen werde. Auch nutze der Kläger das Auto seines Sohnes ... . Der Mietvertrag über das Erdgeschoss sei ein Scheinmietvertrag. Alle Familienangehörigen hätten Zugang zu sämtlichen Zimmern des Hauses ... Straße .. . Ordnungsgemäße Nebenkostenabrechnungen lägen nicht vor.
Das Gericht hat durch Vernehmung der Zeugen ..., ..., ..., ... und ... Beweis darüber erhoben, ob der Kläger von Oktober 2004 bis Dezember 2004 mit seinem Sohn ... in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft gelebt hat. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 26. Juli 2006 (Bl. 115 ff) und das Sitzungsprotokoll vom 26. Januar 2006 (Bl. 252 ff) verwiesen; wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Verfahren war gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat. Eine teilweise Klagerücknahme ist darin zu sehen, dass der Kläger sein ursprüngliches Klagebegehren - die Gewährung von Wohngeld für die Monate Oktober 2004 bis Dezember 2004 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit nur noch insoweit verfolgt, als er die Gewährung von Wohngeld für die Monate November 2004 und Dezember 2004 nebst Zinsen in Höhe von vier Prozentpunkten seit dem 8. April 2005 (einen Tag nach Klageerhebung) begehrt.
Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung von Wohngeld für die Zeit vom 1. November 2004 bis zum 31. Dezember 2004. Er ist in diesem Zeitraum nicht wohngeldantragsberechtigt gewesen. Zwar kann ein Mieter von Wohnraum grundsätzlich nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 WoGG antragsberechtigt bezogen auf Wohngeld in Form eines Mietzuschusses sein. Sind jedoch mehrere Familienmitglieder wohngeldantragsberechtigt, so ist gemäß § 3 Abs. 5 WoGG nur der Haushaltsvorstand antragsberechtigt. Ein solcher Fall liegt hier vor. Auch der Sohn ... des Klägers war von November 2004 bis Dezember 2004 als Hauseigentümer gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 1 WoGG antragsberechtigt bezogen auf Wohngeld, und zwar in Form eines sog. Lastenzuschusses. ... war im genannten Zeitraum zugleich Haushaltsvorstand im Sinne des Gesetzes. Das ist das Familienmitglied, das im Zeitpunkt der Antragstellung den größten Teil der Unterhaltskosten für die zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder trägt. In der Regel ist davon auszugehen, dass dasjenige Familienmitglied den größten Teil der Unterhaltskosten trägt, welches das höhere Einkommen besitzt (Stadler, WoGG, Komm., Stand: Juni 2006, § 3 Rz 66). Dies war im hier maßgeblichen Zeitraum Nadir U. Denn der Kläger bezog laut Bescheid der Agentur für Arbeit ... vom 26. August 2004 in den Monaten November 2004 und Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe in Höhe von monatlich 834,00 € (27,80 € x 30). Sein Sohn ... erzielte demgegenüber im November 2004 Einnahmen in Höhe von 1.565,86 € brutto (1.273,14 € netto) und im Dezember 2004 in Höhe von 1.811,25 € brutto (1.422,71 € netto).
Der Kläger rechnet auch zum Haushalt seines Sohnes ... . Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 WoGG rechnen Familienmitglieder zum Haushalt des Antragsberechtigten, wenn sie mit ihm eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft führen.
Der Kläger und sein Sohn ... lebten in den Monaten November 2004 und Dezember 2004 in einer Wohngemeinschaft. Diese liegt - wie sich aus § 4 Abs. 2 Satz 2 WoGG ergibt - vor, wenn der Antragsberechtigte und (zumindest) eine weitere Person „Wohnraum gemeinsam bewohnen" (BVerwG, Urteil vom 24. August 1990 - Az.: 8 C 65/89 - BVerwGE 85, 314). Jedenfalls die Wohnküche wurde im vorliegenden Fall von allen Hausbewohnern regelmäßig benutzt. Der Zugang in die obere Etage war nur über eine Treppe aus dem Erdgeschoss möglich. Darüber hinaus hat der Kläger ausgesagt, dass die Bewohner des oberen Stockwerks auch zu dem im Erdgeschoss befindlichen Wohnzimmer Zutritt hatten. Die Tatsache, dass einzelne Familienmitglieder jeweils einen Raum des Hauses ausschließlich in Besitz gehabt haben, steht der Annahme des Vorliegens einer Wohngemeinschaft nicht entgegen (BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1977 - Az.: V C 62/75 - BVerwGE 52, 11; Stadler, a.a.O., § 4 Rz 20).
Bewohnen Familienmitglieder Wohnraum gemeinsam, kann nach der Lebenserfahrung grundsätzlich unterstellt werden, dass sie sich auch gemeinsam mit dem täglichen Lebensbedarf versorgen und einen Familienhaushalt in Form einer Wirtschaftsgemeinschaft bilden. In § 18 Nr. 4 HS. 2 WoGG wird für Personen, die keine Familienmitglieder sind und Wohnraum gemeinsam bewohnen, die Vermutung für das Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft aufgestellt. Diese Vermutung ist jedenfalls dann im Wege eines Erst-Recht-Schlusses auf zusammen wohnende Familienmitglieder zu erstrecken, wenn - wie es hier der Fall ist - alle Familienmitglieder eine einzige Wohnküche benutzen und sich nach außen durch einen Sammelbriefkasten und eine einzige funktionstüchtige Klingel der Eindruck eines gemeinschaftlichen Haushalts ergibt (vgl. für eine uneingeschränkte Anwendung von § 18 Nr. 4 HS 2 WoGG auf Familienmitglieder: Buchsbaum / Großmann / Hartmann, a.a.O., § 4 Rz 43; Stadler, a.a.O., § 4 Rz 30; VG München, a.a.O.; vgl. auch VG Hamburg, Gerichtsbescheid vom 6. Oktober 1998 - 16 VG 2545/98 -, juris, wonach eine getrennte Haushaltsführung nur bei einem atypischen räumlichen Getrenntleben der Familienmitglieder anzunehmen sein soll; a.A. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. September 1985 - 11 S 741/83 -, VBlBW 1986, 386). In einem solchen Fall entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine zumindest teilweise gegenseitige Versorgung stattfindet.
Es handelt sich bei § 18 Nr. 4 HS 2 WoGG um eine sog. Rechtsvermutung, nach der eine Tatsache (hier: Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft) als feststehend zu behandeln ist, wenn eine andere Tatsache (hier: Bestehen einer Wohngemeinschaft) feststeht. Stellt das Gesetz für das Vorhandensein einer Tatsache eine solche Vermutung auf, ist nach der über § 173 VwGO anzuwendenden Regel des § 292 Satz 1 ZPO der Beweis des Gegenteils, nämlich der Beweis, dass die vom Gesetz vermutete Tatsache nicht vorliegt, zulässig, es sei denn - was hier nicht der Fall ist -, das Gesetz schreibe etwas anderes vor. Zur Widerlegung der vom Gesetz vermuteten Tatsache muss der volle Beweis dafür erbracht werden, dass diese Tatsache nicht vorliegt; es genügt nicht, die Vermutung nur zu erschüttern (BVerwG, Urteil vom 24. August 1990 - a.a.O.).
Diese gesetzliche Vermutung greift hier zu Lasten des Klägers ein. Der volle Gegenbeweis, dass keine Wirtschaftsgemeinschaft bestanden hat, ist ihm nicht gelungen. Er hat nicht zur Überzeugung des Gerichts beweisen können, dass ungeachtet des Bestehens einer Wohngemeinschaft in den Monaten November 2004 und Dezember 2004 keine Wirtschaftsgemeinschaft zwischen ihm und seinem Sohn ... bestanden hat.
Familienmitglieder führen nach § 4 Abs. 2 Satz 2 WoGG eine Wirtschaftsgemeinschaft, wenn sie sich ganz oder teilweise gemeinsam mit dem täglichen Lebensbedarf versorgen. Dies ist der Fall, wenn sie sich im Interesse der Einsparung von Zeit und Geld zumindest teilweise gemeinsam mit Gütern des täglichen Lebensbedarfs versorgen und in diesem Sinne „aus einem Topf wirtschaften“ (BVerwG, Urteil vom 24. August 1990, a.a.O.; siehe auch VG Oldenburg, Urteil vom 9. Januar 2003 - 5 A 2654/01 -, juris). Dies setzt nicht voraus, dass nur eine einzige gemeinsame Kasse besteht oder eine getrennte Kassenführung und anteilige Kostentragung vereinbart ist. Die Fragen, wer wann welchen Anteil dieser Kosten deckt, berühren nicht das „Wirtschaften aus einem Topf,“ sondern betreffen die „Speisung“ des Topfes (BVerwG, Urteil vom 24. August 1990, a.a.O.). Beim gemeinsamen Wirtschaften kommt es nicht allein oder in erster Linie darauf an, wer für die Kosten der Bereitstellung von Gütern des gemeinsamen Lebensbedarfs aufkommt, sondern dass sich Familienmitglieder gemeinsam versorgen. Zur hauswirtschaftlichen Versorgung gehören u.a. das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, die Bereitstellung sonstiger Gebrauchsgegenstände (VG München, Urteil vom 20. Mai 1999 - M 30 K 98.683 -, juris; Buchsbaum/Großmann/Hartmann, WoGG, Komm., 2. Aufl., Lfg 2/01, § 4 Rz 44) sowie die gemeinsame Essenseinnahme (Stadler, a.a.O., § 4 Rz 21). Unerheblich ist, ob die einzelnen Familienmitglieder entgeltlich oder unentgeltlich mit dem täglichen Lebensbedarf versorgt werden (Stadler, a.a.O., § 4 Rz 21). Es ist auch nicht erforderlich, dass alle Familienmitglieder in gleicher Weise oder überhaupt zur Versorgung beitragen. Vielmehr hängt es von der jeweiligen Aufgabenverteilung im Familienhaushalt und den Möglichkeiten der einzelnen Familienmitglieder ab, ob und in welchem Umfang sie selbst aktiv an der Versorgung mitwirken oder eher versorgt werden.
Der Kläger, seine Ehefrau ..., seine Schwiegertochter ... und sein Sohn ... haben zwar übereinstimmend ausgesagt, dass er und seine Ehefrau einerseits und sein Sohn ... und dessen Ehefrau andererseits im Wesentlichen getrennt gewirtschaftet haben. Allerdings haben der Kläger und sein Sohn ... eingeräumt, es sei durchaus auch vorgekommen, dass gemeinsam gegessen wurde. Bezogen auf die Häufigkeit der gemeinsamen Mahlzeiten kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Aussagen des Klägers und der Zeugen. Während der Kläger einräumte, dass teilweise mehrfach in der Woche gemeinsam gegessen worden sei und es andererseits Wochen gegeben habe, in denen nicht gemeinsam gegessen worden sei, wurde man nach Aussage des Zeugen ... regelmäßig ca. alle zehn Tage gemeinsam gegessen. Demgegenüber haben die Zeuginnen ... und ... beteuert, dass - abgesehen von gemeinsamen Grillabenden im Garten bei schönem Wetter - nie gemeinsam gekocht und gegessen worden sei. Angesichts dieser nicht übereinstimmenden Aussagen hat das Gericht nicht die Überzeugung gewinnen können, dass nur in Ausnahmefällen gemeinsam gegessen worden ist.
Darüber hinaus hat der Zeuge ... bekundet, es sei auch vorgekommen, dass man sich ab und zu Kleinigkeiten aus dem jeweils anderen Kühlschrank genommen habe und sich beim Einkaufen kleinere Verbrauchsgüter mitgebracht habe. Der Kläger hat ausgesagt, dass gelegentlich auch die Ehefrau seines Sohnes ... seiner eigenen Ehefrau bei der Zubereitung der Mahlzeiten geholfen habe. Gerade die Zeuginnen ... und ..., denen die Haushaltsführung im eigentlichen Sinne oblag, haben demgegenüber trotz wiederholten, langanhaltenden Befragens kategorisch an einer strikten Trennung in den Bereichen Einkaufen, Kochen und Essen festgehalten. Angesichts dieser Widersprüche ist das Gericht auch nicht davon überzeugt, dass bezogen auf das Einkaufen, die Bereitstellung von Lebensmitteln und das Zubereiten der Mahlzeiten keine auch nur teilweise gegenseitige Versorgung stattgefunden hat.
Der Kläger hat ferner eingeräumt, er habe das Auto seines Sohnes ... in einem wesentlichen Umfang mitbenutzt. Sein Sohn Nadir habe sich häufig von seinem Bruder ... mitnehmen lassen, so dass er das Auto seines Sohnes ... zur freien Verfügung gehabt habe, wenn er es nutzen wollte. Auch hierbei handelt es sich um eine gemeinsame Versorgung mit einem Gebrauchsgut des täglichen Lebens, das in einem wesentlichen Umfang für den täglichen Lebensbedarf, insbesondere zu Einkäufen, eingesetzt worden ist.
Unabhängig davon ist unklar geblieben, ob, seit wann und in welcher Höhe der Kläger für die Monate November 2004 und Dezember 2004 überhaupt Miete und Nebenkosten an seinen Sohn ... gezahlt hat und ob insoweit genau abgerechnet worden ist. Nach den vorgelegten Kontoauszügen hat der Kläger in diesen Monaten keine Überweisungen an seinen Sohn ... getätigt. Die von seinem Konto vorgenommenen Barabhebungen liegen mit 700,00 € im November 2006 und 650,00 € im Dezember 2006 unter den in der am 4. November 2004 bei der Beklagten eingereichten Mietbescheinigung seines Sohnes ... genannten Mietkosten von 916,91 Euro (613,55 Euro Kaltmiete zzgl. 303,36 Euro Nebenkosten), wobei zu berücksichtigen ist, dass der Kläger von den Barabhebungen auch seinen allgemeinen Lebensunterhalt zu bestreiten hatte. Er konnte weiter nicht genau sagen, ab wann er nach seinem Einzug im Oktober 2004 wieder Miete an seinen Sohn gezahlt hat und ob er beim Wiedereinsetzen der Mietzahlungen auch Nebenkosten an seinen Sohn ... gezahlt hat. Weder er noch sein Sohn ... konnten sich daran erinnern, wie hoch im Rahmen der endgültigen Jahresabrechnungen in den letzten Jahren die zusätzlichen Nebenkostenzahlungen des Klägers an seinen Sohn ... gewesen sind. Es steht daher nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass in den Monaten November 2004 und Dezember 2004 jeweils die volle Miete gezahlt und auch die Nebenkosten exakt errechnet, umgelegt und gezahlt worden sind und insoweit nicht durch ein teilweises Entgegenkommen des Sohnes ... des Klägers im Interesse der Einsparung von Zeit und Geld „aus einem Topf gewirtschaftet“ worden ist.
Die Klage war somit bezogen auf den Hauptantrag abzulehnen. Auch der Zinsantrag bleibt daher ohne Erfolg.