Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 21.05.2008, Az.: 11 A 485/06

Zur Verfassungsmäßigkeit des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
21.05.2008
Aktenzeichen
11 A 485/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 46011
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2008:0521.11A485.06.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 17.11.2008 - AZ: 10 LA 260/08

Amtlicher Leitsatz

Die Zurechnungsregel des § 104a Abs. 3 AufenthG ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

Gründe

1

Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen.

2

1.

Ein solcher ergibt sich zunächst im Hinblick auf die allgemein schwierige Lage im Kosovo und den Gesundheitszustand der Klägerin, soweit es dessen Entwicklung im Heimatland betrifft, nicht aus § 25 Abs. 1 bis 3 AufenthG. Denn das für solche sog. zielstaatsbezogene Gesichtspunkte nach §§ 5 Abs. 1 Satz 1, 24 Abs. 2 AsylVfG allein zuständige Bundesamt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1997 - 9 C 13.96 -, BVerwGE 105, 322 ff. [BVerwG 11.11.1997 - 9 C 13/96]; Urteil vom 25. November 1997 - 9 C 58.96 -, BVerwGE 105, 383 ff. [BVerwG 25.11.1997 - 9 C 58.96] ) hat hinsichtlich der Klägerin für den Beklagten als Ausländerbehörde gem. §§ 4, 42 AsylVfG verbindliche negative Entscheidungen zu Art. 16a Abs. 1 GG sowie §§ 51 Abs. 1, 53 AuslG (= § 60 AufenthG) getroffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2006 - 1 C 14.05 - InfAuslR 2007, 4 [BVerwG 27.06.2006 - BVerwG 1 C 14.05]<5>; OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 12. Oktober 2005 - 8 ME 158/05 und 163/05 -).

3

2.

Ein Anspruch nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG scheidet aus, weil die Klägerin einen Daueraufenthalt erstrebt (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 17. November 2006 - 10 ME 222/06 - <Seite 3>). Da sie die erstmalige Erteilung und damit nicht die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis begehrt, greift auch die Regelung des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG nicht ein.

4

3.

Es besteht auch kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Nach der Vorschrift kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist.

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a)

Die freiwillige Ausreise der Klägerin in den Kosovo ist nicht deshalb unmöglich, weil sie derzeit über keinen gültigen Pass verfügt.

6

Nach den Erlassen des Nds. Innenministeriums vom 23. September und 25. Juni 2004 kann der Klägerin unabhängig davon ein EU-Laissez-Passer für die Rückkehr erteilt werden. Dieses wird nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 29. November 2007 (Seite 25) bei den Einreisekontrollen anerkannt. Der Beklagte kann der Klägerin im Falle einer freiwilligen Ausreise ein EU-Laissez-Passer ohne weiteres ausstellen.

7

Außerdem besteht die Möglichkeit, ihr einen Reiseausweis für Ausländer auszustellen, mit welchem auch Reisen, Rückführungen und die freiwillige Rückkehr in die Republik Kosovo durchgeführt werden können; auch dieses Dokument wird für die Einreise von der kosovarischen Grenzpolizei anerkannt (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Münster vom 17. März 2008 - 508-03-516.20 KOS -).

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b)

Der Ausreise der Klägerin steht auch ihr gesundheitlicher Zustand nicht entgegen, weil sich Anhaltspunkte für das Bestehen einer nicht nur vorübergehenden Reiseunfähigkeit nicht bieten.

9

Maßgeblich ist für dieses inlandsbezogene Abschiebungshindernis, ob die beachtliche Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich der Gesundheitszustand schon unmittelbar durch die (freiwillige) Ausreise und Abschiebung selbst oder die damit verbundenen Handlungen bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Ausländer in den Verantwortungsbereich der Behörden seines Heimatlandes gelangt, wesentlich verschlechtert, d.h. die Maßnahme deutlich über die körperlichen oder psychischen Folgen hinausgeht, die eine Rückkehr für jeden Ausländer zeitigt (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 23. März 2006 - 10 ME 228/05 - Asylmagazin 5/2006, S. 27 <28>; Beschluss vom 25. Januar 2006 - 10 LA 124/04 - <S. 4>; OVG Münster, Beschluss vom 1. September 2004 - 18 B 2560/03 - <juris>; Beschluss vom 18. August 2004 - 19 B 1687/04 - <juris>; VGH Mannheim, Beschluss vom 15. Oktober 2004 - 11 S 2297/04 - <juris>; Beschluss vom 10. Juli 2003 - 11 S 1622/02 - InfAuslR 2003, 423 <424>) .

10

Aus den in den Verwaltungsvorgängen des Beklagten befindlichen Unterlagen kann auf das Bestehen einer Reiseunfähigkeit bei der Klägerin nicht geschlossen werden. Zum einen stammen die fraglichen ärztlichen Bescheinigungen aus der Zeit von Juni 1996 bis Juni 1997 und sind daher mangels Aktualität schon nicht geeignet, die Frage nach einer derzeit vorhandenen möglichen Reiseunfähigkeit der Klägerin zu beantworten. Zum anderen verhält sich keines der Atteste inhaltlich zur Frage der Reisefähigkeit der Klägerin. Neuere ärztliche Bescheinigungen hat die Klägerin weder im verwaltungsbehördlichen noch im gerichtlichen Verfahren vorgelegt; soweit sie in diesem Zusammenhang jeweils auf eine "Anlage 1" verwiesen hat, fehlt eine solche. Auch in der mündlichen Verhandlung sind keine Unterlagen eingereicht worden. Allein durch ihre Behauptung, sie leide an einer chronischen schweren Migräne und habe zwei Herzinfarkte erlitten, wird das Bestehen einer dauerhaften Reiseunfähigkeit nicht belegt.

11

c)

Eine Unmöglichkeit der Ausreise besteht insbesondere nicht im Hinblick darauf, dass die UNMIK derzeit Abschiebungen von Angehörigen der Volksgruppe der Roma grundsätzlich nicht akzeptiert, so dass die Klägerin geduldet wird.

12

Maßgeblich ist, wie sich aus dem Wortlaut ("Ausreise") und der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/420, S. 80), noch deutlicher als aus § 30 Abs. 3 und 4 AuslG, ergibt, ob (neben der Abschiebung) die freiwillige Ausreise des Ausländers aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Unerheblich ist dagegen, aus welchen Gründen eine Abschiebung des Ausländers scheitert (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2006 a.a.O.).

13

UNMIK ist bereit, Angehörige der Minderheiten auf strikt freiwilliger Basis wieder aufzunehmen. Bis Dezember 2006 haben hiervon mehr als 15 400 Personen Gebrauch gemacht (vgl. Lageberichte des Auswärtigen Amtes vom 30. August 2005, S. 15, 19, 25, vom 22. November 2005, S. 18 und 24, vom 29. Juni 2006, S. 14 ff., sowie vom 15. Februar 2007, S. 17). Dies zeigt, dass UNMIK nicht die Rückkehr von Angehörigen der Minderheiten an sich als Sicherheitsrisiko einstuft, sondern lediglich die zwangsweise Rückführung gegen den Willen der Betroffenen.

14

Der Ansicht, dass sich das Land Niedersachsen der Auffassung der UNMIK zur Rückkehrmöglichkeit der Roma angeschlossen habe, vermag die Kammer nicht zu folgen. Nach dem Erlass des Nds. Innenministeriums vom 25. Juni 2004 (S. 4) wird aufgrund der Haltung der UNMIK lediglich von einem tatsächlichen Abschiebungshindernis ausgegangen (vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. Oktober 2005 - 8 ME 163/05 -; Beschluss vom 22. Dezember 2004 - 13 LA 572/04 -). Aus einer abgestimmten Niederschrift über die Gespräche zwischen einer deutschen Delegation und Vertretern von UNMIK am 25. und 26. April 2005 sowie den Erlassen des Niedersächsischen Innenministeriums vom 22. März 2006, 3. Mai 2005, 23. September und 25. Juni 2004 wird deutlich, dass die deutsche Seite - entsprechend der hiesigen Rechtslage - seit langem auf eine schnellere und umfassende Rückführung der aus dem Kosovo stammenden Personen drängt. Es besteht mithin in Niedersachsen keine Abschiebestopp-Regelung im Sinne der §§ 60 Abs. 7 Satz 3, 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 24. Mai 2006 - 10 LA 163/05 - <S. 7 f.>).

15

Eine Unmöglichkeit der freiwilligen Ausreise kann auch sonst aus den hier geltend gemachten zielstaatsbezogenen die Sicherheitslage für bestimmte Minderheiten betreffenden Erwägungen nicht festgestellt werden. Nach der maßgeblichen Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/420 a.a.O.) wird zwar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die subjektive Möglichkeit und damit auch die Zumutbarkeit der freiwilligen Ausreise zu prüfen sei (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2006 a.a.O., S. 6). Über die nach § 60 AufenthG zu beurteilenden zielstaatsbezogenen Gesichtspunkte hat jedoch - wie bereits ausgeführt - für den Beklagten als Ausländerbehörde gem. §§ 4, 42 AsylVfG bindend das Bundesamt (negativ) entschieden (vgl. BVerwG a.a.O., S. 7).

16

Dass die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG erteilt werden soll, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist, kann ebenfalls eine andere Beurteilung nicht rechtfertigen. Denn es handelt sich insoweit nicht um eine Bestimmung der hier in Rede stehenden Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung des Aufenthaltstitels, sondern um eine Regelung der Rechtsfolgen. Grundsätzlich steht nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG im Falle der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Ermessen der Behörde ("kann"), welches jedoch nach Ablauf der genannten Frist regelmäßig dahin auszuüben ist ("soll"), die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2006 a.a.O., S. 7).

17

Soweit der 4. Senat des Nds. Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 6. Februar 2004 - 4 ME 494/03 -) davon ausgeht, dass bei Angehörigen der Minderheiten aus dem Kosovo eine Rückkehr aus humanitären Gründen im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht zumutbar sei, kann dies auf die strengeren Regelungen des § 25 Abs. 5 AufenthG nicht übertragen werden (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 8 LA 84/04 - <S. 4>).

18

Diese Auffassung des Gerichts entspricht insgesamt auch derjenigen des Nds. Oberverwaltungsgerichts (Urteil vom 17. April 2007 - 10 LC 262/05 - <juris>; Beschluss vom 24. Mai 2006 a.a.O.; Beschluss vom 24. Oktober 2005 - 8 LA 123/05 -).

19

d)

Auch folgt mit Rücksicht auf den langen Aufenthalt der Klägerin aus Art. 8 EMRK kein rechtliches Ausreisehindernis. Nach Abs. 1 der genannten Vorschrift wird u.a. das Privatleben geschützt. Abs. 2 ermöglicht aber Eingriffe u.a. dann, wenn dies gesetzlich vorgesehen und für die öffentliche Ordnung notwendig ist, wobei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist.

20

Maßgeblich ist dabei zum einen, inwieweit eine Integration des Ausländers in Deutschland gelungen ist, zum anderen ist die Möglichkeit seiner Reintegration in das Heimatland in den Blick zu nehmen. Gesichtspunkte sind dabei die Dauer des Aufenthalts in Deutschland und inwieweit dieser rechtmäßig gewesen ist, die deutschen Sprachkenntnisse und eine soziale Eingebundenheit in die hiesigen Lebensverhältnisse, wie sie etwa in der Innehabung eines Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes, in einem festen Wohnsitz, einer Sicherstellung des ausreichenden Lebensunterhalts einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel und dem Fehlen von Straffälligkeit zum Ausdruck kommt. Die Frage einer möglichen Reintegration im Heimatland bemisst sich nach Kriterien wie der Kenntnis der dortigen Sprache, der Existenz dort lebender Angehöriger sowie sonstiger Bindungen an das Heimatland. Geboten ist bei alledem eine familienbezogene Betrachtung (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 1. November 2007 - 10 PA 96/07 -; Beschluss vom 17. November 2006 - 10 ME 222/06 -; Beschluss vom 1. September 2006 - 8 LA 101/06 -; Beschluss vom 11. Mai 2006 - 12 ME 138/06; Beschluss vom 11. April 2006 - 10 ME 58/06 -; Beschluss vom 18. April 2006 - 1 PA 64/06; VGH Mannheim, Beschluss vom 10. Mai 2006 - 11 S 2354/05 - <juris, Rn. 17>; OVG Koblenz, Beschluss vom 24. Februar 2006 - 7 B 10020/06.OVG - InfAuslR 2006, 274 ff. [OVG Rheinland-Pfalz 24.02.2006 - 7 B 10020/06.OVG]; OVG Münster, Beschluss vom 27. März 2006 - 18 B 787/05 - Asylmagazin 5/2006, S. 26 <27>).

21

Bei Anwendung dieser Grundsätze spricht Überwiegendes gegen einen weiteren Verbleib der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland. Die Klägerin hat zu keiner Zeit einen Aufenthaltstitel besessen. Sie befindet sich zwar bereits seit über 17 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland. Trotzdem ist ihre wirtschaftliche Integration nicht gelungen. Denn der Lebensunterhalt der Klägerin und ihrer Familie ist dauerhaft nicht durch Erwerbstätigkeit, sondern durch öffentliche Sozialleistungen gesichert worden. Erheblich ins Gewicht fällt auch, dass der Ehemann der Klägerin, mit welchem sie in häuslicher Gemeinschaft lebt, wiederholt straffällig geworden ist. Ausweislich der Auskunft aus dem Zentralregister ist dieser zwischen September 1991 und Mai 2002 insgesamt acht Mal strafgerichtlich verurteilt worden, darunter einmal zu einer Freiheitsstrafe von 1 Monat und 2 Wochen wegen Verstoßes gegen das AsylVfG in zwei Fällen und weitere sieben Mal zu Geldstrafen zwischen 10 und 40 Tagessätzen. Ob die Klägerin angesichts ihres langen Aufenthalts über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt, lässt sich den zur Verfügung stehenden Akten nicht entnehmen. Sie ist jedenfalls offensichtlich des Schreibens nicht mächtig, denn die von ihr eingereichten Dokumente, wie zum Beispiel Anträge, Vollmachten etc., hat sie stets mit drei Kreuzen, zum Teil auch unter Hinzusetzung ihres Vornamens in Druckbuchstaben, unterschrieben. Alle mit der Klägerin zusammenlebenden Familienmitglieder waren nie im Besitz von Aufenthaltstiteln und sind ausreisepflichtig. Die Klägerin spricht die albanische Sprache und ist erst im Alter von 20 Jahren in die Bundesrepublik Deutschland gelangt und damit in kultureller Hinsicht in der Lage, sich wieder im Kosovo zurechtzufinden.

22

4.

Schließlich besteht derzeit auch kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß der Altfallregelung des § 104a AufenthG (zur Berücksichtigung in einem laufenden gerichtlichen Verfahren vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 7. September 2007 - 8 PA 84/07 - m.w.N. <juris>; BVerwG, Urteil vom 4. September 2007 - 1 C 43.06 -, InfAuslR 2008, 333 [EGMR 23.06.2008 - EGMR (Große Kammer) Nr. 1638/03]), weil dem § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG entgegensteht. Hat nämlich ein in häuslicher Gemeinschaft lebendes Familienmitglied Straftaten im Sinne des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG begangen, führt dies zur Versagung der Aufenthaltserlaubnis nach der Altfallregelung für andere Familienmitglieder. So liegt der Fall hier. Denn der mit der Klägerin in häuslicher Gemeinschaft lebende Ehemann ist insgesamt acht Mal strafgerichtlich verurteilt worden, so dass der Versagungsgrund des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG erfüllt ist. Alle Verurteilungen hatten vorsätzliche Straftaten des Ehemannes der Klägerin zum Gegenstand. Im Einzelnen handelte es sich dabei um Überlassung eines Kraftfahrzeugs an eine Person ohne Fahrerlaubnis, Vergehen gegen die AO sowie gegen das PflichtVersG (Amtsgericht W. vom 27. September 1991), Verstoß gegen das AsylVfG tatmehrheitlich mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Urkundenfälschung (Amtsgericht J. vom 25. Mai 1992), Verstoß gegen das AsylVfG in zwei Fällen (Amtsgericht J. vom 28. Oktober 1992), Vergehen gegen das PflichtVersG in Tateinheit mit Vergehen gegen die AO sowie in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (Amtsgericht V. vom 18. März 1993), wiederholtes Vergehen gegen das AsylVfG (Amtsgericht J. vom 20. April 1994), wiederholte Zuwiderhandlung gegen eine Aufenthaltsbeschränkung nach dem AsylVfG (Amtsgericht J. vom 5. September 1995), Unterschlagung (Amtsgericht J. vom 14. Februar 2000) und vorsätzlichen unerlaubten Umgang mit gefährlichen Abfällen (Amtsgericht J. vom 15. Mai 2002). Gemäß § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG bleiben nur Geldstrafen, nicht aber Freiheitsstrafen außer Betracht. Durch Urteil des Amtsgerichts J. vom 28. Oktober 1992 ist der Ehemann der Klägerin jedoch zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat und zwei Wochen verurteilt worden, wobei die Strafe auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt und die Bewährungszeit bis zum 4. Mai 1997 verlängert wurde. Im Übrigen bleiben Geldstrafen auch nur dann grundsätzlich außer Betracht, wenn sie insgesamt 50 Tagessätze oder 90 Tagessätze wegen Straftaten, die nach dem AufenthG oder dem AsylVfG nur von Ausländern begangen werden können, nicht überschreiten. Die Geldstrafen, die der Ehemann der Klägerin allein wegen der Delikte, die keine Verstöße gegen das AsylVfG betreffen, erhalten hat, ergeben zusammen genommen schon 85 Tagessätze, wobei die Verurteilung vom 25. Mai 1992 durch das Amtsgericht J., welche neben einem Verstoß gegen das AsylVfG auch (tatmehrheitlich) vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Urkundenfälschung zum Gegenstand hatte, noch nicht einmal mitgezählt ist. Sämtliche Verurteilungen können auch jetzt noch vorgehalten werden, da sie - weitere Straffreiheit vorausgesetzt - erst im Jahre 2012 getilgt werden, vgl. §§ 36, 46 Abs. 1 Nr. 2, 47 Abs. 3, 51 Abs. 1 BZRG. Der Umstand, dass die Straftaten des Ehemannes der Klägerin bereits mehrere Jahre zurückliegen, jedenfalls vor Inkrafttreten der Altfallregelung sowie überwiegend auch vor Beginn des maßgeblichen Stichtags für die Berechnung der Aufenthaltsdauer begangen worden sind, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG sieht für die Berücksichtigung der dort genannten Straftaten eine Einschränkung in zeitlicher Hinsicht nicht vor. Allein maßgeblich sind die o.g. Tilgungsbestimmungen.

23

Nach § 104a Abs. 3 Satz 2 AufenthG gilt § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG für den Ehegatten eines Ausländers, der Straftaten im Sinne des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG begangen hat, zwar nicht, wenn der Ehegatte die Voraussetzungen des § 104a Abs. 1 AufenthG im Übrigen erfüllt und es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, ihm den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer besonderen Härte im Sinne der genannten Regelung sind jedoch weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

24

Die Zurechnungsregel des § 104a Abs. 3 AufenthG ist mit höherrangigem Recht vereinbar (ebenso: OVG Berlin-Brandenburg , Beschluss vom 18. Januar 2008 - 12 S 6.08 - <juris>; a.A. AG Bernau, Beschluss vom 3. August 2007 - 5 Ls 212 Js 18621/06 (21/07) - InfAuslR 2008, 179; Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, Rn. 56 ff. zu § 104a). Der Gesetzgeber hat mit der Altfallregelung aus humanitären Gründen langjährig zumeist ohne Aufenthaltstitel in Deutschland lebenden Ausländern eine Vergünstigung eingeräumt, zu der er verfassungsrechtlich nicht verpflichtet war. Ihm ist daher bei der Regelung der Voraussetzungen ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen, der seine Grenze lediglich im Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) findet. Der Bestimmung des § 104a Abs. 3 AufenthG liegen ausreichende sachliche Erwägungen zu Grunde. Die Zurechnungsregelungen berücksichtigen nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/5065 S. 202), dass Kinder das aufenthaltsrechtliche Schicksal ihrer Eltern teilen, ein negativer Einfluss auf die übrigen in häuslicher Lebensgemeinschaft lebenden Familienmitglieder nicht auszuschließen ist und die bei Straffälligkeit von Kindern denkbare Verletzung von Aufsichts- und Erziehungspflichten. Ferner ist zu berücksichtigen, dass anderenfalls im Hinblick auf Art. 6 GG häufig auch ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht des an sich nach § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG ausgeschlossenen Ausländers entstehen würde, die Vorschrift also teilweise leer laufen würde. Zudem entspricht die Vorschrift der familienbezogenen Betrachtungsweise im Rahmen der Prüfung, ob ein Ausreisehindernis im Hinblick auf den durch Art. 8 EMRK gewährleisteten Schutz des Privatlebens besteht (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 1. September 2006 - 8 LA 101/06 -).

25

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 154 Abs. 1, 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.