Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.07.1994, Az.: 4 L 1547/94
Voraussetzungen der wirksamen Entlassung eines auf Grund einer Alkoholkrankheit schwerbehinderten Arbeitnehmers; Voraussetzungen einer fristgemäßen Entscheidung einer Hauptfürsorgestelle; Maßgebliche Kriterien zur Bestimmung des Beginns der Frist einer Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zur einer außerordentlichen Kündigung; Maßgebliche Kriterien bei der Ermessensausübung der Hauptfürsorgestelle im Rahmen der Beurteilung der Zulässigkeit der Kündigung eines Schwerbehinderten; Umfang der Fürsorgepflicht eines Arbeitgebers gegenüber alkoholkranken Arbeitnehmern
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 27.07.1994
- Aktenzeichen
- 4 L 1547/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1994, 14043
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1994:0727.4L1547.94.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Göttingen - 18.01.1994 - AZ: 2 A 2359/92
Rechtsgrundlagen
- § 21 Abs. 3 S. 1 SchwbG
- § 21 Abs. 3 S. 2 SchwbG
- § 18 Abs. 1 SchwbG
- § 18 Abs. 2 SchwbG
- § 21 Abs. 2 S. 1 Halbs. 1 SchwbG
Amtlicher Leitsatz
Die Zustimmungsfiktion des § 21 Abs. 3 Satz 2 SchwbG tritt nicht ein, wenn der ablehnende Bescheid innerhalb der Zwei-Wochen-Frist den Machtbereich der Hauptfürsorgestelle verlassen hat (wie BAGE 44, 22).
Zu den Anforderungen an die Ermessenserwägungen, die die Hauptfürsorgestelle anzustellen hat, wenn ein Arbeitgeber beabsichtigt, das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers, bei dem Alkoholkrankheit als Schwerbehinderung festgestellt ist, wegen eines alkoholbedingten Fehlverhaltens außerordentlich zu kündigen.
In der Verwaltungsrechtssache
hat der 4. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juli 1994
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Klay,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Zeisler und Claus sowie
die ehrenamtliche Richterin Krämer und
den ehrenamtlichen Richter Kockartz
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen - 2. Kammer - vom 18. Januar 1994 wird zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch den Beklagten und den Beigeladenen durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 150,- DM abwenden, wenn diese nicht jeweils vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin erstrebt die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem schwerbehinderten Beigeladenen.
Der am 25. Januar 1948 geborene Beigeladene ist seit dem 22. Mai 1974 in der Verwaltung der Klägerin beschäftigt. Auf seinen Antrag vom 21. Februar 1992 wurde er durch Bescheid des Versorgungsamtes ... vom 18. August 1992 mit einem Grad der Behinderung von 60 als Schwerbehinderter anerkannt. Das Versorgungsamt stellte die folgenden Behinderungen fest: 1. Psychische Störungen und Alkoholkrankheit; 2. Wirbelsäulenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen.
Der Beigeladene wurde zweimal wegen mangelhafter Arbeitsleistung abgemahnt. Er wird im Lohn- und Vergütungsbüro der Klägerin mit einer unterdurchschnittlich hohen Zahl von Fällen befaßt. Etwa seit Mitte der 80er Jahre hatte er sich steigernde Alkoholprobleme. Vom 1. Mai bis zum 18. Juni 1990 unterzog er sich in der Abteilung Psychiatrie der Klägerin einer Alkoholentgiftung und einer Psychotherapie.
Am 25. Februar 1992 beantragte die Klägerin, einer fristlosen Kündigung des mit dem Beigeladenen abgeschlossenen Angestelltenvertrages zuzustimmen. Zur Begründung gab sie an: Der Beigeladene habe wiederholt, zuletzt Ende 1991/Anfang 1992, erhebliche Arbeitsrückstände auflaufen lassen, obwohl er nur eine reduzierte Anzahl von Konten zu verwalten habe. Am Morgen des 7. Februar 1992, einem Freitag, habe er sich mit der Begründung arbeitsunfähig gemeldet, er leide unter Brechdurchfall. Gegen 12.15 Uhr sei er jedoch von einer zuverlässigen Mitarbeiterin, die sich seinerzeit in Mutterschutzurlaub befunden habe, dabei beobachtet worden, wie er in stark alkoholisiertem Zustand eine Gaststätte in der Innenstadt ... verlassen und ein Taxi bestiegen habe. Am 11. Februar 1992, einem Dienstag, auf den 7. Februar 1992 angesprochen, habe der Beigeladene geleugnet, die Gaststätte betrunken verlassen zu haben. Er habe sich wie folgt eingelassen: Er sei tatsächlich krank gewesen und habe die Innenstadt ... aufgesucht, um sich dort Geld zum Erwerb der notwendigen Medikamente zu besorgen. Dort sei ihm erneut übel geworden. Er habe sich in die Gaststätte geschleppt, um sich dort von einem Taxi abholen zu lassen. Diese Einlassung sei aufgrund der Beobachtungen der Mitarbeiterin nicht glaubhaft.
Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihr, der Klägerin, nun nicht mehr zuzumuten. Die Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz sei nicht möglich.
Nach Anhörung der zu beteiligenden Stellen und des Beigeladenen sowie nach Durchführung der Einigungsverhandlung lehnte die Hauptfürsorgestelle den Antrag durch Bescheid vom 10. März 1992 im wesentlichen mit folgender Begründung ab: Der Beigeladene habe sich dazu bereit erklärt, sich einer Alkohollangzeittherapie zu unterziehen. Der Klägerin könne zugemutet werden, deren Ergebnis abzuwarten.
Den Widerspruch der Klägerin wies der Widerspruchsausschuß (I. Kammer) beim Landessozialamt - Hauptfürsorgestelle - durch Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 1992 zurück. Darin wird u. a. ausgeführt: Zwischen Kündigungsgrund und Schwerbehinderung (psychische Störungen und Alkoholkrankheit) bestehe ein Zusammenhang. Deswegen sei über den Antrag auf Erteilung der Zustimmung nicht nur nach Abwägung der einander widerstreitenden Interessen, sondern auch unter Berücksichtigung einer gesteigerten Fürsorgepflicht der Klägerin zu entscheiden. Dieser sei es daher zumindest zuzumuten, das Ergebnis der vier- bis sechsmonatigen Therapie abzuwarten, die der Beigeladene am 8. September 1992 angetreten habe. Das sei auch in der "Übereinkunft zur Vorgehensweise bei Suchterkrankungen an der Universität ..." so vorgesehen, die 1991 zwischen dem Präsidenten der Klägerin und deren Gesamtpersonalrat erzielt worden sei. Einen wichtigen Grund, der die außerordentliche Kündigung rechtfertigte, könne auch der Widerspruchsausschuß nicht sehen; denn das bisherige Verhalten des Beigeladenen könne - auch im Zusammenhang mit dem Vorfall vom 7. Februar 1992 - nicht ohne Rücksicht auf diese Alkoholerkrankung gewürdigt werden.
Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin im wesentlichen vorgetragen:
Sie habe bereits das Ergebnis der Heilmaßnahme im Jahre 1990 abgewartet. Neue Therapieversuche gewährleisteten einen wesentlichen Erfolg nicht. Das zeige sich auch daran, daß der Beigeladene bereits am 18. März und 14. April 1993 wieder Anlaß zur Annahme gegeben habe, er konsumiere Alkohol, obwohl er erst am 22. Februar 1993 aus der Klinik entlassen worden sei.
Die angegriffenen Entscheidungen seien außerdem deshalb zu beanstanden, weil darin der Vorfall vom 7. Februar 1992 isoliert statt - wie richtig - im Zusammenhang mit der Vorgeschichte (mangelhafte Arbeitsleistungen) gewürdigt worden sei.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
den Bescheid des beklagten Amtes vom 10. März 1992 und den Widerspruchsbescheid des Widerpruchsausschusses bei der Hauptfürsorgestelle im beklagten Amt vom 1. Dezember 1992 aufzuheben sowie das beklagte Amt zu verpflichten, die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beigeladenen zu erteilen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beigeladene hat sich nicht geäußert.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit im wesentlichen folgender Begründung abgewiesen:
Die Klage sei schon deshalb unbegründet, weil der Antrag auf Zustimmung erst nach Ablauf der Zweiwochenfrist gestellt worden sei. Fristbeginn sei der 7. Februar 1992 gewesen, an dem die Klägerin von dem Vorfall vom selben Tage Kenntnis erlangt habe. Die Tatsache, daß der Beigeladene die Klägerin erst später von seinem Antrag nach dem Schwerbehindertengesetz unterrichtet habe, ändere daran nichts.
Im übrigen hätte die Klage auch aus materiellen Gründen voraussichtlich Erfolg nicht haben können. Zwischen Behinderung und Kündigungsgrund bestehe ein Zusammenhang. Die sonach gebotene Abwägung der einander widerstreitenden Interessen hätten die Hauptfürsorgestelle und der Widerspruchsausschuß ohne der Klägerin nachteilige Fehler vorgenommen.
Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin vor: Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts habe sie den Zustimmungsantrag rechtzeitig gestellt. Denn zu den für den Fristbeginn maßgeblichen Tatsachen gehöre auch die Kenntnis davon, daß der Arbeitnehmer schwerbehindert sei oder die Feststellung beim Versorgungsamt beantragt habe. Letzteres habe ihr der Beigeladene erst am 24. Februar 1992 mitgeteilt. Im übrigen beginne die Frist erst ab dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem dem Arbeitnehmer Gelegenheit gegeben worden sei, zu den Tatsachen Stellung zu nehmen, die der Arbeitgeber zur Grundlage seiner beabsichtigten Kündigung machen wolle. Hier habe die Frist also frühestens am 11. Februar 1992 zu laufen begonnen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und nach ihrem erstinstanzlich gestellten Antrag zu erkennen.
Der Beklagte und der Beigeladene beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angegriffene Urteil und den Widerspruchsbescheid.
Wegen der Einzelheiten von Vortrag und Sachverhalt wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Auf die Beurteilung der Rechtslage ist ohne Einfluß, daß der Bescheid der Hauptfürsorgestelle vom 10. Februar 1992 der Klägerin am 11. Februar 1992 und damit am Tag nach Ablauf der in § 21 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (i.d.F. der Bekanntmachung vom 26. August 1986, BGBl. I S. 1421 - SchwbG -) genannten Frist zugestellt worden ist. Dies hat nicht zur Folge, daß die Zustimmung als erteilt gilt. Das ist gemäß § 21 Abs. 3 Satz 2 SchwbG nur dann der Fall, wenn die Hauptfürsorgestelle innerhalb von zwei Wochen vom Eingang des Antrages an eine Entscheidung nicht getroffen hat. "Getroffen" in diesem Sinne ist eine Entscheidung (schon) dann, wenn der behördeninterne Entscheidungsvorgang abgeschlossen ist und die Entscheidung den Machtbereich der Behörde verlassen hat; die Bekanntgabe (der Zugang) der Entscheidung innerhalb der Zweiwochenfrist wird nicht gefordert. Das ergibt sich nicht nur aus dem Sprachgebrauch und der Systematik des Gesetzes, das in seinem § 18 Abs. 1 und 2 zwischen dem Treffen der Entscheidung und ihrer Zustellung unterscheidet. Dies entspricht auch seinem Sinn und Zweck, der Hauptfürsorgestelle den ohnehin knapp bemessenen Zeitraum von zwei Wochen in vollem Umfang als Entscheidungsfrist zu erhalten und nicht durch das Erfordernis zu schmälern, die Entscheidung innerhalb dieser Frist auch noch bekanntgeben zu müssen (so BAG, Urt. v. 16. März 1983, BAGE 44, 22 = br 1984, 39, 40 zur 10-Tage-Frist des § 18 Abs. 3 SchwbG a. F.; ebenso OVG Münster, Urt. v. 5. September 1989, BB 1990, 1909, 1910) [OVG Nordrhein-Westfalen 05.09.1989 - 13 A 2300/88]. Die letzte Überlegung hat trotz des Umstandes Gültigkeit, daß die Entscheidungsfrist von zunächst sieben auf zehn Tage, durch Art. 1 Nr. 16 a des Ersten Gesetzes zur Änderung des Schwerbehindertengesetzes (vom 24. Juli 1986, BGBl. I S. 1110) dann auf zwei Wochen verlängert worden ist. Das ist nicht geschehen, um den Hauptfürsorgestellen zu ermöglichen, die Entscheidung innerhalb dieser Frist auch noch zuzustellen, sondern weil sich nach Einschätzung des Gesetzgebers die bisherige Frist "zur Überprüfung und Entscheidung" (nicht also: ... und ihrer Bekanntgabe) in der Praxis als zu kurz erwiesen hatte (vgl. den Regierungsentwurf zu diesem Gesetz, BT.-Drucks. 10/3138, S. 21 zu Nr. 16). Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (aaO) auch insoweit an, als danach aus Gründen der Rechtssicherheit hinzukommen muß, daß die Entscheidung dem Arbeitgeber entweder (formlos) mitgeteilt worden ist oder in sonstiger Weise - insbesondere durch Übergabe an die Post - den Machtbereich der Behörde verlassen hat. Denn nur so läßt sich sicherstellen, daß der Prozeß der Entscheidungsfindung innerhalb der Zweiwochenfrist tatsächlich abgeschlossen wird und nach Ablauf der Frist nur noch der formale Akt der Bekanntgabe der Entscheidung hinzukommt.
Danach ist hier die Zustimmungsfiktion des § 21 Abs. 3 Satz 2 SchwbG nicht eingetreten. Denn der Bescheid vom 10. Februar 1992 ist ausweislich des Postausgangsstempels am selben Tage zur Post gegeben worden und der Klägerin am Folgetag zugegangen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Unzutreffend ist allerdings seine Einschätzung, das habe schon deshalb zu geschehen, weil die Klägerin die Frist des § 21 Abs. 2 SchwbG nicht gewahrt habe. Diese Frist begann vielmehr (frühestens) am 11. Februar 1992 zu laufen und endete dann am 25. Februar 1992, an dem der Antrag auf Zustimmung beim Beklagten einging.
Nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SchwbG kann die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen beantragt werden. Die Frist beginnt nach Satz 2 der Bestimmung mit dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kentnnis erlangt. Zur Beurteilung dieser Voraussetzungen sind die Grundsätze heranzuziehen, die zur Anwendung des § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB entwickelt worden sind (vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 7. Aufl., § 179 III 2; Cramer, Schwerbehindertengesetz, Kommentar, 4. Aufl. 1992, § 15 Anm. 4). Danach setzt die Kenntnis von dem konkreten, die Kündigung(sabsicht) auslösenden Anlaß ("Vorfall") allein den Lauf der Frist nicht in Gang. Der Kündigungsberechtigte muß vielmehr eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen haben, so daß ihm die Entscheidung darüber möglich ist, ob ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zuzumuten ist. Dazu gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Dem Kündigungsberechtigten ist daher ein - kurzer - Zeitraum einzuräumen, in dem er nähere Ermittlungen anstellen, insbesondere den Arbeitnehmer anhören kann. Das gilt zwar auch ("insbesondere"), nicht jedoch ausschließlich für die Fälle sog. Verdachtskündigungen. Vielmehr besteht auch in anderen Fällen das Bedürfnis, den Sachverhalt namentlich durch Anhörung des Betroffenen weiter aufzuklären. Die andernfalls unausweichliche Konsequenz wäre, den Arbeitgeber auf tatsächlich nicht verläßlicher Grundlage zur Kündigung und so (möglicherweise) zur unzumutbaren Belastung des Arbeitsverhältnisses zu zwingen. Weitere Ermittlungen hindern den Lauf der Frist nur dann nicht, wenn der Betroffene das ihm vorgeworfene Verhalten ausdrücklich einräumt und weiterer Anlaß zu Ermittlungen daher objektiv nicht besteht; stellt sie der Arbeitgeber dann gleichwohl an, so schieben sie den Fristbeginn nicht hinaus (vgl. zum Vorstehenden BAGE 24, 341, 345 [BAG 06.07.1972 - 2 AZR 386/71] und 347 f.; BAG NJW 1989, 733, 734).
Hier hatte die Klägerin im Sinne der zitierten Grundsätze jedenfalls ausreichenden Anlaß, den Beigeladenen zu dem Vorwurf, er spiegele Arbeitsunfähigkeit nur vor, anzuhören. Diese Annahme basierte allein auf den Beobachtungen einer Mitarbeiterin und gründete ganz wesentlich auf deren wertender Beobachtung, der Beigeladene sei beim Verlassen der Gaststätte am ... in ... "stark/schwer alkoholisiert" gewesen. Es war nicht auszuschließen, daß das beobachtete Verhalten des Beigeladenen seine Ursache in anderen Umständen hatte, die ein Fernbleiben von der Arbeit rechtfertigten. Daher bestand ausreichender Anlaß, dem Beigeladenen Gelegenheit zu geben, seine Version des Geschehens zu schildern.
Diese Gelegenheit hat ihm die Klägerin am 11. Februar 1992 in der "gebotenen Eile" (BAGE 24, 341, 347) [BAG 06.07.1972 - 2 AZR 386/71] gegeben. Der Beigeladene hatte am Montag, dem 10. Februar 1992, Urlaub; früher als geschehen konnte er daher nicht angehört werden. Begann die Frist damit (frühestens) erst am 11. Februar 1992 zu laufen, so konnte sie auch erst (frühestens) am 25. Februar 1992 enden.
Es kommt hinzu, daß die Klägerin erst am 24. Februar 1992 vollständig Kenntnis von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen i. S. des § 21 Abs. 2 SchwbG erhielt. Dazu gehört auch die Kenntnis davon, daß der Arbeitnehmer schwerbehindert ist oder eine entsprechende Festellung des Versorgungsamtes beantragt hat. Das hat der Senat mit Urteil vom 13. April 1994 - 4 L 6200/93 - unter Hinweis auf BAGE 39, 59 (66 f.) [BAG 14.05.1982 - 7 AZR 1221/79] entschieden. Die gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichts und des Beklagten führte zu einem Ergebnis, das mit dem vom Schwerbehindertengesetz verfolgten Zweck nicht zu vereinbaren wäre, die miteinander konkurrierenden Interessen gerecht auszugleichen. Denn es ist zu beachten, daß weder das Versorgungsamt noch der Arbeitnehmer verpflichtet sind, den Arbeitgeber von der Feststellung der Schwerbehinderung oder von einem dahingehenden Antrag zu unterrichten. Der Arbeitnehmer ist auch nicht verpflichtet, sich auf den Schutz des Schwerbehindertengesetzes zu berufen. Tut er es doch, so darf dies dem Arbeitgeber nicht jede Chance nehmen, von der Hauptfürsorgestelle eine materiell begründete Entscheidung darüber zu erhalten, ob seine Interessen an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses den spezifisch schwerbehindertenrechtlich begründeten Interessen des Arbeitnehmers am Bestand des Arbeitsverhältnisses vorgehen. Das geschähe aber, wenn man die Frist des § 21 Abs. 2 SchwbG unabhängig davon laufen lassen wollte, ob der Arbeitgeber überhaupt Kenntnis von der Schwerbehinderteneigenschaft und damit Anlaß hatte, das Zustimmungsverfahren einzuleiten (vgl. dazu auch Wiegand, SchwbG, Komm., § 15 Rdnrn. 54 ff.).
Im Ergebnis ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts aber zu bestätigen. Die Ablehnung der erstrebten Zustimmung ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Die Erteilung der Zustimmung hat im Ermessen der Hauptfürsorgestelle gestanden. Jedenfalls in der für die gerichtliche Überprüfung maßgebenden Widerspruchsentscheidung (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO sowie BVerwG, Beschl. v. 22. Januar 1993, Buchholz 436.61§ 15 SchwbG Nr. 7) hat die Hauptfürsorgestelle die der Ausübung des Ermessens gezogenen Grenzen eingehalten und von der Ermächtigung der §§ 21 Abs. 1, 15 SchwbG in einer ihrem Zweck entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (§ 114 VwGO).
Zu Recht ist der Widerspruchsausschuß zu der Auffassung gelangt, daß die Zustimmung nicht gemäß § 21 Abs. 4 SchwbG erteilt werden "soll". Der dies ausschließende Zusammenhang von Behinderung und angegebenem Kündigungsgrund besteht schon dann, wenn das dem Behinderten vorgeworfene Verhalten durch die Behinderung mittelbar hervorgerufen wird oder eine solche mittelbare Kausalität aufgrund der Eigenart der Behinderung jedenfalls nicht auszuschließen ist (Senat, Urt. v. 9. März 1994 - 4 L 3927/92 - unter Hinweis auf die Gesetzesgeschichte; ebenso Neubert/Beck, Schwerbehindertengesetz, Handkommentar 1988, § 21 RdNr. 11; Neumann/Pahlen, Schwerbehindertengesetz, Kommentar, 8. Aufl., § 21 RdNrn. 22 und 23). Für diese Betrachtung sind nur diejenigen Behinderungen maßgeblich, die das Versorgungsamt gemäß § 4 SchwbG festgestellt hat.
Es bedarf näherer Darlegungen nicht, daß zwischen den unter Nr. 1 des Bescheides des Versorgungsamtes ... vom 18. August 1992 festgestellten Behinderungen und dem Verhalten, das die Klägerin zum Anlaß für die außerordentliche Kündigung nehmen will (Schlechterfüllung der Aufgaben, Vortäuschung von Arbeitsunfähigkeit zum Zwecke ungestörten Alkoholkonsums) sogar ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Wer in zunehmendem Umfang Alkohol konsumiert, hat in aller Regel Schwierigkeiten in der vollständigen Erledigung seiner beruflichen Obliegenheiten und gibt, wenn sich das - wie hier - über die Alkoholerkrankung hinaus zur Behinderung verfestigt hat, der Neigung nach, während der Arbeitszeit zu trinken statt Dienst zu tun.
Gemäß § 21 Abs. 1 i.V.m. § 15 SchwbG hatte die Hauptfürsorgestelle daher unter zweckentsprechender Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs. 1 SGB I) über den Antrag zu entscheiden. Der Widerspruchsausschuß hat seine der Klägerin ungünstige Entscheidung im wesentlichen mit den Erwägungen begründet, der Klägerin sei zuzumuten (gewesen), den Abschluß einer Heilmaßnahme abzuwarten, zu deren Durchführung der Beigeladene bereit gewesen sei, und die Maßnahmen durchzuführen, die in der Vereinbarung zur Vorgehensweise bei Suchterkrankungen an der Universität ... vorgesehen seien. Diese Erwägungen überschreiten die der Ausübung des Ermessens gezogenen Grenzen nicht.
Im Rahmen der Ermessensausübung sind das Interesse der Klägerin, die vorhandenen Arbeitsplätze wirtschaftlich zu nutzen, gegen das Interesse des Beigeladenen, seinen Arbeitsplatz zu behalten, abzuwägen (BVerwGE 29, 140, 141) [BVerwG 28.02.1968 - V C 33/66]. Ziel dieser Abwägung hat die Herstellung einer praktischen Konkordanz zu sein. Einerseits muß die Hauptfürsorgestelle bestrebt sein, dem Arbeitgeber möglichst viel von seiner Gestaltungsfreiheit zu erhalten; das gilt auch dann, wenn dies eine öffentlich-rechtliche juristische Person ist (vgl. BVerwGE 48, 264, 269) [BVerwG 05.06.1975 - V C 57/73]. Andererseits soll dem Arbeitnehmer entsprechend dem Charakter des Schwerbehindertengesetzes ("Fürsorgegesetz") so weit geholfen werden, daß er gegenüber Gesunden nicht ins Hintertreffen gerät (BVerwGE 29, 140, 141) [BVerwG 28.02.1968 - V C 33/66]. Dieser Schutz ist ihm in verstärktem Maße zu gewähren, d. h. dem Arbeitgeber sind besonders große Einschränkungen seiner Dispositionsfreiheit zuzumuten, wenn ein dem Schwerbehinderten zum Vorwurf gemachtes Verhalten gerade in der Behinderung seine Ursache findet (BVerwGE 39, 36, 38) [BVerwG 27.10.1971 - V C 78/70]. Dies rechtfertigt sich nicht zuletzt aus der Erwägung, daß ein Arbeitnehmer, der wegen behinderungsbedingten Verhaltens seinen Arbeitsplatz verloren hat, auf dem Arbeitsmarkt nur sehr geringe Chancen hat, eine neue Arbeitsstelle zu finden. Das gilt in besonderem Maße bei einem (u. a.) wegen Alkoholkrankheit schwerbehinderten Arbeitnehmer. Der Fürsorgegedanke des Schwerbehindertengesetzes greift bei diesem außerdem deshalb in besonderem Maße ein, weil der Arbeitsplatz eine der letzten Stützen ist, die ihn vor dem endgültigen Abgleiten in das gesellschaftliche Abseits bewahren kann.
Bei dieser Abwägung haben die Hauptfürsorgestellen und die Verwaltungsgerichte den vom Arbeitgeber angeführten Kündigungsgrund zugrunde zu legen. Etwas anderes gilt möglicherweise nur für den Fall, daß dem Arbeitgeber ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses offensichtlich nicht zur Seite steht (BVerwGE 90, 287, 293 f.) [BVerwG 02.07.1992 - 5 C 51/90]. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier ersichtlich nicht vor. Das ergibt sich nicht nur daraus, daß eine unbestritten zuverlässige Mitarbeiterin das Verhalten beobachtet hat, welches die Klägerin zum Anlaß für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nehmen will. Dies folgt auch daraus, daß die Erklärung des Beigeladenen für das am 7. Februar 1992 um 12.15 Uhr beobachtete Verhalten zumindest so fragwürdig ist, daß ihre Richtigkeit nicht als offensichtlich angenommen werden kann.
Das Verbot, (grundsätzlich) allein den Arbeitsgerichten vorbehaltene Prüfungen zusätzlich im Zustimmungsverfahren anzustellen, bedeutet indes nicht, daß Gesichtspunkte, die (möglicherweise) auch im Kündigungsschutzverfahren relevant sind, schon deshalb im Zustimmungsverfahren nicht berücksichtigt werden dürfen (BVerwGE 90, 287, 295) [BVerwG 02.07.1992 - 5 C 51/90], Es bestehen daher nicht grundsätzliche Bedenken dagegen, hier die Erwägungen anzustellen, die nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Rahmen des § 1 KSchG auf der (dritten) Prüfungsstufe "Abwägung der einander widerstreitenden Interessen" maßgeblich zu sein haben (vgl. dazu BAG, Urt. v. 22. Februar 1980, BAGE 33, 1, 11 ff. [BAG 22.02.1980 - 7 AZR 295/78] = AP § 1 KSchG 1969 "Krankheit" Nr. 6; BAG Urt. v. 7. Juli 1981, AP § 616 BGB Nr. 53 unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 9. Januar 1980, NJW 1980, 1347, 1348 [BVerwG 09.01.1980 - 1 D 40/79]; BAG Urt. v. 9. April 1987 AP § 1 KSchG 1969 "Krankheit" Nr. 18). Das sind die Gesichtspunkte, die nach Auffassung des Senats auch bei der Würdigung zu beachten sind, ob und in welchem Umfang ein (u. a.) wegen Alkoholismus schwerbehinderter Arbeitnehmer vom Arbeitgeber trotz alkoholbedingten Fehl Verhaltens Maßnahmen zum Erhalt seines Arbeitsplatzes verlangen kann. Diese Grundsätze lassen sich - gleich zugeschnitten auf das Schwerbehindertenrecht - etwa so zusammenfassen:
Das Maß dessen, was der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber an Rücksichtnahme, d. h. Hinnahme behinderungsbedingter Fehlleistungen und Hilfe bei der Überwindung schwerbehinderungsbedingter Einbußen an Arbeitskraft, verlangen kann, richtet sich erstens nach der für den Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides (BVerwG. Beschl. v. 22. Januar 1993, Buchholz 436.61 § 15 SchwbG Nr. 7) anzustellenden Prognose, ob auch in Zukunft mit alkoholbedingter (vorgetäuschter) Arbeitsunfähigkeit oder Leistungseinschränkung zu rechnen ist. Dafür ist die Bereitschaft des Schwerbehinderten, an einer Therapie mitzuwirken, ebenso von Belang wie die Art der Alkoholkrankheit, die ihn behindert. Zweitens ist von Interesse, in welchem Umfang der Arbeitgeber das ihm Zumutbare unternommen hat, den Arbeitnehmer von dieser Behinderung zu befreien bzw. die alkoholbedingten Probleme so weit in den Griff zu bekommen, daß der/ein Arbeitsplatz (u.U. nach Änderungskündigung als milderes Mittel) erhalten bleibt. Es entspricht der Neigung alkoholabhängiger und deswegen behinderter Arbeitnehmer, ihre Probleme nicht wahrhaben zu wollen und nichts Entscheidendes zu ihrer Behandlung zu unternehmen. Gerade gegenüber dem alkoholbedingt schwerbehinderten Arbeitnehmer trifft den Arbeitgeber daher verstärkt die Fürsorgepflicht, die Probleme offenzulegen und gemeinsam nach Lösungswegen zu suchen, statt die Probleme (weiter) zu vertuschen (vgl. dazu jüngst Toppmöller/Knöbel, br 1994, 38 ff, insb. 40 ff). Das gilt vor allem dann, wenn der Arbeitnehmer - wie hier - aufgrund privater und beruflicher Probleme zunehmend dem Alkohol zugesprochen hat, dessen Konsum also Folge, nicht Ursache dieser Schwierigkeiten ist (sog. Gamma-Alkoholismus).
Daraus ergibt sich hier, daß - bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch - die angegriffene Entscheidung des Widerspruchsausschusses nicht zu beanstanden ist. Richtig ist zwar, daß die Prognose künftigen Fehlverhaltens eher zum Nachteil des Schwerbehinderten ausgeht, wenn er nach abgeschlossener Entziehungskur rückfällig wird und triftige Erklärungen für diesen Rückfall fehlen. Hier ist aber zu beachten, daß die im Mai/Juni 1990 durchgeführte Maßnahme schon wegen ihrer kurzen Dauer (6 Wochen nach der Entgiftung ohne anschließende Nachsorge) nicht eine abgeschlossene Therapie gewesen ist. Im Arztbrief vom 27. Juni 1990 (Bl. 60 ff. d. Beiakte) stellten die Ärzte, die den Beigeladenen seinerzeit behandelt hatten, eine eher ungünstige Prognose. Einer Selbsthilfegruppe, in der der (möglicherweise) erzielte Therapieteilerfolg hätte stabilisiert werden können, gehörte der Beigeladene nicht an. Er hegte nur die Absicht, sich wegen der weiteren Behandlung an Herrn Dr. ... zu wenden. Diesen hat er indes erst nach dem dieses Verfahren auslosenden Vorfall aufgesucht (siehe den Arztbrief des Herrn Dr. ... vom 13. April 1992, Bl. 64 d. Beiakte).
Kann die im Mai/Juni 1990 durchgeführte Maßnahme schon von daher nicht als abgeschlossene Therapie bezeichnet werden, dann kann der Vorfall vom 7. Februar 1992 auch nicht als ein "Rückfall" bewertet werden, der zu einer dem Beigeladenen nachteiligen Prognose über die Erfolgsaussichten einer Therapie zwingt.
Dies ist noch aus einem weiteren, zugleich im Bereich der zweiten Erwägung anzusiedelnden Grund nicht gerechtfertigt. Sowohl nach Darstellung des Beigeladenen (siehe dessen Stellungnahme vom 14. März 1992, Bl. 18 d. Beiakte) als auch nach Einschätzung des Herrn Dr. Gensicke (a.a.O.) ist der Alkoholabusus des Beigeladenen die Folge nicht nur privater, sondern auch beruflicher Probleme (sog. sekundärer, d. h. auf andere Ursachen folgender Alkoholismus). Die gesteigerte Fürsorgepflicht - bei deren Erfüllung im übrigen die lange Dauer der Betriebszugehörigkeit des Beigeladenen zu berücksichtigen ist - legte der Klägerin auf, dem Beigeladenen Hilfe bei der Lösung der Probleme zu geben, die in ihrem Bereich auftraten. Es reichte nicht aus, daß die Maßnahme im Jahre 1990 in einem ihrer Institute durchgeführt wurde, ohne daß ihre Personalabteilung sie während dieser und der sich anschließenden Zeit unterstützte. Ihrer gesteigerten Fürsorgepflicht hat die Klägerin bis zur Entscheidung über den Widerspruch gegen die Versagung der Zustimmung nicht genügt. Es reichte nicht aus, nur das Arbeitspensum des Beigeladenen zu reduzieren. Erforderlich war vielmehr, die Alkoholprobleme offen anzusprechen und in Zusammenarbeit beispielsweise mit Suchtberatungsstellen zu versuchen, den Teufelskreis von Versagen im Beruf und Alkoholabusus zu durchbrechen. Das ist in der Übereinkunft zur Vorgehensweise bei Suchterkrankungen an der Universität ... so vorgesehen und nach den zitierten Gerichtsentscheidungen sowie den neueren medizinischen Erkenntnissen über die Möglichkeiten, die Alkoholerkrankung zu bekämpfen (s. Toppmöller/Knöbel, aaO), auch erforderlich, um die Folgen einer Alkoholkrankheit einigermaßen wirksam in den Griff zu bekommen. Denn es ist für diese Krankheit typisch, daß der (mit erheblicher Mühe) entgiftete und "trockengestellte" Arbeitnehmer nicht ohne weitere, insbesondere von Arbeitgeberseite gewährleistete Unterstützung befähigt ist, entsprechend seiner Einsicht zu handeln und die zumindest latente (körperliche oder psychische) Gewöhnung an den Alkohol zu überwinden. Insoweit ist erneut darauf hinzuweisen, daß gerade Arbeitnehmer, die wegen Alkoholkrankheit schwerbehindert sind und denen aufgrund alkoholbedingten Verhaltens außerordentlich gekündigt worden ist, auf dem Arbeitsmarkt so gut wie keine Chance haben, einen anderen Arbeitsplatz zu erhalten. Zu Recht hat daher die Hauptfürsorgestelle in ihrer Widerspruchsentscheidung auf diese Übereinkunft verwiesen und die Klägerin damit für verpflichtet gehalten, mehr zu tun, als nur eine eher halbherzig unternommene Entziehungskur zu dulden und den Behinderten weniger arbeiten zu lassen.
Ohne Erfolg verweist die Klägerin darauf, daß der Beigeladene schon kurze Zeit nach Abschluß der durchgeführten Therapie, nämlich im März und April 1993, wieder Alkohol zu sich genommen habe. Dieses der Widerspruchsentscheidung folgende Verhalten ist nicht von Belang, weil es hier allein auf die Frage ankommt, wie die Prognose nach der bei Erlaß der Widerspruchsentscheidung gegebenen und erkennbaren Sachlage auszufallen hatte.
Nur ergänzend ist daher darauf hinzuweisen, daß die Klägerin auch nach der Widerspruchsentscheidung noch nicht ausreichende Bemühungen unternommen haben dürfte, auf die Alkoholkrankheit des Beigeladenen einzugehen. Nach den oben wieder - gegebenen Grundsätzen ist sie wegen des Kausalzusammenhangs zwischen Behinderung und Kündigungsgrund verpflichtet, in verstärktem Umfang Bemühungen zu entfalten, die in ihrem Bereich aufgetretenen Ursachen des Alkoholmißbrauchs abzustellen, den Beigeladenen bei der Überwindung seiner Krankheit durch eine abgestufte Folge von Gesprächen (vertrauensvolles Gespräch mit dem unmittelbaren Vorgesetzten; Einschaltung des nächsthöheren Vorgesetzten; eindringliche Ermahnung zu Wohlverhalten und Kooperation bis hin zur Abmahnung und ernsthaften Androhung, bei weiterer Ablehnung der Kooperation werde die Kündigung unausweichlich sein) zu unterstützen und währenddessen auftretende Arbeitsminderleistungen hinzunehmen. Die Kündigung ist stets nur das äußerste, letzte Mittel. Es dürfte daher nicht ausgereicht haben, wenn die Klägerin dem Beigeladenen die Durchführung einer Therapie lediglich gestattete und diesen dann bei entsprechendem Verdacht ("Fahne") auf Alkoholkonsum ansprach. Der Fürsorgegedanke des Schwerbehindertengesetzes zwingt sie vielmehr bei einem Arbeitnehmer, der nicht nur alkoholkrank, sondern deswegen sogar behindert ist, dazu, auf solche Rückschläge (etwa im Verbund mit einer Selbsthilfegruppe) zu reagieren. Erst wenn solche Bemühungen ohne Erfolg bleiben und sich absehen läßt, daß der Schwerbehinderte diese helfende Hand des Arbeitgebers wiederholt und endgültig nicht ergreift, überwiegt das Interesse des Arbeitgebers, seine Freiheit zur Disposition über den Arbeitsplatz wiederzuerlangen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3, 167 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da er einen Antrag gestellt hat und damit ein Kostenrisiko eingegangen ist (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) und es sich überdies um einen Fall notwendiger Beiladung handelt.
Gründe, die Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO zuzulassen, bestehen nicht.
Zeisler
Claus