Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 13.07.2000, Az.: 1 U 35/00
Schadensersatz wegen Nichtanmeldung von Kurzarbeit
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 13.07.2000
- Aktenzeichen
- 1 U 35/00
- Entscheidungsform
- Anerkenntnisurteil
- Referenz
- WKRS 2000, 28885
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2000:0713.1U35.00.0A
Rechtsgrundlage
- § 43 Abs. 2 GmbHG
Fundstellen
- GmbHR 2001, 76 (amtl. Leitsatz)
- KGReport Berlin 2001, 5
- OLGR Düsseldorf 2001, 5
- OLGR Frankfurt 2001, 5
- OLGR Hamm 2001, 5
- OLGR Köln 2001, 5
- OLGReport Gerichtsort 2000, 329-330
- OLGReport Gerichtsort 2001, 5
Prozessführer
Frau U... E..., ...
Prozessgegner
Firma S... F... M... GmbH, ...
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Der GmbH-Geschäftsführer haftet nur, wenn er sein unternehmerisches Ermessen überschreitet; er kann auf eine wirtschaftliche Herausforderung flexibel reagieren und unter mehreren vertretbaren unternehmerischen Möglichkeiten wählen.
- 2.
Dem Geschäftsführer kann daher nicht ohne weiteres haftungsbegründend vorgeworfen werden, er habe es in wirtschaftlicher schwerer Zeit unterlassen, Kurzarbeit anzumelden.
In dem Rechtsstreit
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29. Juni 2000
durch
die Richter ... und ... sowie
die Richterin ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9. Februar 2000 verkündete Urteil des Landgerichts Osnabrück geändert: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.000,DM nebst 4 % Zinsen seit dem 2. September 1997 zu zahlen.
Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Für die Klägerin ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 6.000,DM abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
Für die Beklagte ist das Urteil ebenfalls vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 14.000,DM abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
Für die Klägerin übersteigt der Wert der Beschwer 60.000,DM.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte als ihre ehemalige Geschäftsführerin auf Schadensersatz mit der Behauptung in Anspruch, die Beklagte habe ihre Pflichten als Geschäftsführerin in mehrfacher Hinsicht verletzt.
Die Klägerin war vom 1. Januar 1978 bis zu ihrer Abberufung am 12. Dezember 1996 als Mitgeschäftsführerin bzw. alleinige Geschäftsführerin der Beklagten tätig. Die Beklagte befasst sich geschäftlich mit der Herstellung von Förderanlagen, Maschinen und sonstigen technischen Geräten an den Standorten B... und Q....
Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe auf eine ungünstige wirtschaftliche Entwicklung der Firma, ablesbar vor allem anhand einer ungenügenden Auslastung der Kapazitäten, nicht pflichtgemäß reagiert. Insbesondere habe sie - die Beklagte - es unterlassen, für die Betriebsstätten in B... und Q... während des Zeitraums August 1995 - August 1996 Kurzarbeit anzumelden. Hierdurch sei ein Schaden in Höhe von 740.524, 60 DM entstanden. Ferner habe die Beklagte Mitarbeiter der Klägerin für private Zwecke herangezogen. Durch diesen pflichtwidrigen Einsatz von Firmenmitarbeitern sei ein weiterer Schaden in Höhe von 8.424, 09 DM verursacht worden. Die Klägerin hat überdies noch weitere Schadenspositionen geltend gemacht.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 777.743, 63 DM nebst 7, 75 % Zinsen seit dem 2. September 1997 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat ihre Haftung verneint. Es sei nicht geboten gewesen, Kurzarbeit anzumelden. Bestehende Aufträge, die teilweise mit kurzen Lieferterminen verbunden gewesen seien, hätten einer Reduzierung der Beschäftigung entgegengestanden. Im Übrigen sei sie berechtigt gewesen, Mitarbeiter der Klägerin für kleinere Privatgänge heranzuziehen.
Das Landgericht ist dem Vortrag der Klägerin im Wesentlichen gefolgt. Die Beklagte sei der Klägerin wegen der Nichtanmeldung von Kurzarbeit und wegen des Einsatzes von Mitarbeitern für Privatzwecke zum Schadensersatz verpflichtet. Hinsichtlich der Höhe des "Lohn" Schadens hat das Landgericht die Zahlen übernommen, die die Klägerin mit der Klageschrift in einer Tabelle "Lohn und Gehaltssummen für die Jahre 1995 und 1996" vorgelegt hat.(Bd.I Bl.18).
Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt.
Die Beklagte vertritt den Standpunkt, die Klägerin habe die geltend gemachten Ansprüche nicht substantiiert dargelegt. In der Sache habe sie sich auch nicht schadensersatzpflichtig gemacht. Die Beklagte beruft sich auf einen ihr als Geschäftsführerin zustehenden weiten Ermessensspielraum, der es ihr erlaubt habe, von der Anmeldung von Kurzarbeit abzusehen. Die Ergebnisentwicklung der GmbH sei unter Berücksichtigung konjunktureller Schwankungen sowie der Tatsache, dass die GmbH an die Erben des Firmengründers über 6.000.000, DM habe zahlen müssen, keineswegs so dramatisch gewesen, dass die Anmeldung von Kurzarbeit zwingend erforderlich geworden sei. Im Übrigen hätten die rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld nicht, jedenfalls nicht in dem von der Klägerin reklamierten Umfang, vorgelegen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Wie das Landgericht richtig gesehen habe, sei die Beklagte im Zeitraum August 1995 bis August 1996 verpflichtet gewesen, die Personalkosten angesichts der sinkenden betrieblichen Auslastung durch Anmeldung von Kurzarbeit zu reduzieren. Die Beklagte habe sich über die Krise der GmbH nicht hinreichend informiert und Warnungen z.B. des Betriebsrats nicht frühzeitig genug beachtet. Die materiellen Voraussetzungen für die Bewilligung von Kurzarbeitergeld hätten in vollem Umfang vorgelegen.
Die Beklagte hat hinsichtlich der Position "Einsatz von Mitarbeitern für Privatzwecke" anerkannt, der Klägerin 4.000,DM zu schulden. In Höhe von 4.424, 09 DM hat die Klägerin die Klage insoweit zurückgenommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung hat ganz überwiegend Erfolg. Die Beklagte ist lediglich verpflichtet, der Klägerin den anerkannten Betrag in Höhe von 4.000,DM zu zahlen. Weiter gehende Ansprüche hat die Klägerin nicht.
Die Klägerin hat nämlich nicht substantiiert dargelegt, dass die Nichtanmeldung von Kurzarbeit durch die Beklagte einen zum Schadensersatz gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG führenden Pflichtverstoß dargestellt hat.
Die Klägerin hat ihren diesbezüglichen Vortrag nach Grund und Höhe nicht genügend vereinzelt, obwohl das Problem der fehlenden Schlüssigkeit bereits in der Berufungsbegründung angesprochen und vom Senat in der Verfügung vom 16. Mai 2000 vertieft worden ist. Schließlich hat der Senat der Klägerin noch im Senatstermin vom 29. Juni die Möglichkeit gegeben, ihre Darstellung nachzubessern. Auch dies ist nicht geschehen.
Streitwertbeschluss:
Für die Klägerin übersteigt der Wert der Beschwer 60.000,DM.