Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 20.06.2023, Az.: 1 WF 61/23
Entscheidung über die Vergütung des Verfahrenspflegers im familiengerichtlichen Verfahren; Erstattung von zur Verständigung mit der Familie notwendigen Dolmetscherkosten; Nachholung der Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde gem. § 58 FamFG durch das Beschwerdegericht
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 20.06.2023
- Aktenzeichen
- 1 WF 61/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 23767
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2023:0620.1WF61.23.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Helmstedt - 24.03.2023 - AZ: 4 F 207/22
Rechtsgrundlagen
- Art. 3 Abs. 3 GG
- § 58 FamFG
- § 61 FamFG
- § 158 c Abs. 1 FamFG
- § 1 JVEG
- § 11 RPflG
- § 567 ZPO
- § 292 FamFG
Fundstellen
- FamRB 2023, 369-370
- FamRZ 2023, 1307
- MDR 2023, 1210-1211
- NJW-RR 2023, 1044-1047
- NZFam 2023, 896
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Ist erkennbar, dass das erstinstanzliche Gericht irrtümlich von der Statthaftigkeit eines zulassungsfreien Rechtsmittels ausgegangen ist, so ist die Entscheidung über das Vorliegen eines Zulassungsgrundes durch das Beschwerdegericht nachzuholen.
- 2.
Die Kosten für die Hinzuziehung eines Dolmetschers sind dem Verfahrensbeistand neben der Vergütungspauschale zu erstatten, wenn die Hinzuziehung zur Verständigung mit der Familie und damit zur Sicherung eines rechtsstaatlichen Verfahrens erforderlich war und das Gericht dem Verfahrensbeistand daher die Dolmetscherhinzuziehung vorab ausdrücklich gestattet hatte. § 158 c Abs. 1 Satz 3 FamFG steht dem bei verfassungskonformer Auslegung nicht entgegen.
In der Familiensache
betreffend die elterliche Sorge für
1. N. H., geb. am 01.01.2005,
2. N. H., geb. am 23.11.2007,
3. R. H., geb. am 01.12.2012 und
4. M. H., geb. am 18.06.2015,
sämtlich wohnhaft: ./.
weitere Beteiligte:
1. Die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Braunschweig, Münzstraße 17, 38100 Braunschweig,
Geschäftszeichen: A 204 9/22
- Beschwerdeführerin -
2. Herrn A. D.,
- Verfahrensbeistand/Beschwerdegegner -
3. Frau M. H.,
- Kindesmutter -
4. Herr S. N.,
- Kindesvater -
5. Landkreis H. Geschäftsbereich Jugend,
Geschäftszeichen: 51.222,
- Jugendamt -
hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Braunschweig durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht M., die Richterin am Oberlandesgericht W. und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. E. am 20. Juni 2023 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Bezirksrevisorin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Helmstedt vom 24.03.2023 wird zurückgewiesen.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; die Beteiligten haben ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Das Beschwerdeverfahren betrifft die Vergütung des Verfahrensbeistands für seine Tätigkeit in dem erstinstanzlich geführten Sorgerechtsverfahren.
Das Verfahren betraf die Prüfung der Erforderlichkeit etwaiger sorgerechtlicher Maßnahmen nach § 1666 BGB in Anbetracht der Verurteilung des von der Kindesmutter geschiedenen Kindesvaters wegen Verbreitung und Besitzes kinderpornografischer Schriften durch das am 13.11.2021 rechtskräftig gewordene Urteil des Amtsgerichts Köln zu Az. 535 Ds 134/21. Die Familie stammt aus Afghanistan. Mit Beschluss vom 11.04.2022 hat das Amtsgericht Herrn A. D. zum Verfahrensbeistand für die minderjährigen Kinder N., N., R. und M. H. bestellt und ihm aufgegeben, auch Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen der Kinder zu führen. Der Verfahrensbeistand teilte dem Familiengericht mit Schreiben vom 21.04.2022 mit, er halte nach Sichtung der Unterlagen die Hinzuziehung eines Dolmetschers für die afghanische Sprache für erforderlich, und bat hierfür um gerichtliche Genehmigung. Mit Verfügung vom 25.04.2022 hat die Richterin am Amtsgericht die erbetene Genehmigung erteilt und den Verfahrensbeistand hierüber schriftlich informiert. Dieser führte am 28.05.2022 Gespräche mit den Kindern sowie mit beiden Eltern unter Mitwirkung einer Dolmetscherin, die hierfür beim Amtsgericht unter dem 24.06.2022 eine Rechnung in Höhe von 404,60 € eingereicht hat (4 Stunden à 85,00 € zzgl. MwSt). Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat daraufhin eine Stellungnahme der Bezirksrevisorin zur Frage der Erstattungsfähigkeit von Auslagen des Verfahrensbeistands für die Hinzuziehung eines Dolmetschers eingeholt. Diese hat mit Schreiben vom 11.07.2022 auf die diesbezüglich uneinheitliche Rechtsprechung hingewiesen und mitgeteilt, ihres Erachtens seien die insoweit geltend gemachten Aufwendungen vorliegend durch die Pauschalvergütung des Verfahrensbeistands mit abgegolten. Ferner sei die Dolmetscherin nicht selbst antragsberechtigt, da sie nicht vom Gericht, sondern vom Verfahrensbeistand hinzugezogen worden sei. Auf entsprechende Aufforderung des Gerichts hat der Verfahrensbeistand die Dolmetscherrechnung unter dem 29.07.2022 seinerseits erneut eingereicht. Daneben hat er mit weiterem Schreiben vom 10.10.2022 die Festsetzung und Zahlung der Vergütungspauschale von 2.200,00 € beantragt, die durch Verfügung der Urkundsbeamtin antragsgemäß veranlasst worden ist.
Mit dem durch die verfahrenszuständige Richterin am Amtsgericht gefassten Beschluss vom 24.03.2023 hat das Amtsgericht die Erstattung der Kosten der hinzugezogenen Dolmetscherin für das Gespräch am 28.05.2022 gegenüber dem Verfahrensbeistand angeordnet und zur Begründung auf die vorherige gerichtliche Gestattung sowie die Erforderlichkeit der Hinzuziehung zur Sicherung eines rechtsstaatlichen und fairen Verfahrens verwiesen. In der beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung wird die Erinnerung als statthafter Rechtsbehelf bezeichnet. Mit Schreiben vom 06.04.2023 hat die Bezirksrevisorin hiergegen fristwahrend das zulässige Rechtsmittel eingelegt, welches sie nach erfolgter Akteneinsicht mit Schreiben vom 24.04.2023 als Erinnerung gegen die Festsetzung der dem Verfahrensbeistand zu erstattenden Auslagen bezeichnet und zur Begründung auf ihre Stellungnahme vom 11.07.2022 Bezug genommen hat.
Mit Nichtabhilfebeschluss vom 19.05.2023 hat das Amtsgericht das Rechtsmittel als sofortige Beschwerde i.S.v. § 567 ZPO ausgelegt, die in Anbetracht der Beschwer von 404,62 € zulässig, jedoch der Sache nach aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses nicht begründet sei.
II.
Das als Beschwerde auszulegende Rechtsmittel der Bezirksrevisorin ist zulässig, aber nicht begründet.
1.
Das Rechtsmittel der Bezirksrevisorin gegen den Beschluss vom 24.03.2023 ist als Beschwerde i.S.v. § 58 FamFG auszulegen, die vorliegend aufgrund der vom Senat nachzuholenden Zulassung statthaft und auch im Übrigen zulässig ist.
Die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts betrifft die Festsetzung der Vergütung des Verfahrensbeistands nach § 158c Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 292 Abs. 1 FamFG. Entscheidungen nach § 292 FamFG fallen gemäß §§ 3 Nr. 2a und b, 14 RPflG in die funktionelle Zuständigkeit des Rechtspflegers (vgl. Sternal/Giers, FamFG, 21. Auflage 2023, § 292 Rn. 11). Zulässiges Rechtsmittel gegen Beschlüsse nach § 292 FamFG ist die Beschwerde gemäß §§ 58 ff. FamFG, da es sich bei der Entscheidung über die Entschädigung des Betreuers bzw. des Verfahrensbeistands um eine das Vergütungsfestsetzungsverfahren abschließende Endentscheidung handelt (vgl. Sternal/Giers, a.a.O., § 292 Rn. 19; Sternal/Göbel, a.a.O., § 58 Rn. 22; Prütting/Helms/Fröschle, FamFG, 6. Auflage 2023, § 292 Rn. 56). Übersteigt der Beschwerdewert nicht die Grenze von 600,00 €, so ist die Beschwerde allerdings gemäß § 61 Abs. 1 FamFG nur zulässig, wenn das erstinstanzliche Gericht sie zugelassen hat. Anderenfalls ist gemäß § 11 Abs. 2 RPflG die Rechtspflegererinnerung zulässig, sofern die Entscheidung durch den Rechtspfleger getroffen wurde.
Vorliegend hat die Abteilungsrichterin die Entscheidung nach § 292 Abs. 1 FamFG an sich gezogen. Dies berührt nach § 8 Abs. 1 RPflG zwar nicht die Wirksamkeit des Beschlusses, hat aber zur Folge, dass eine Rechtspflegererinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG nicht statthaft ist, da keine Entscheidung eines Rechtspflegers vorliegt. Auch die sofortige Beschwerde nach § 567 ZPO, für deren Zulässigkeit der Beschwerdewert gemäß § 567 Abs. 2 ZPO oberhalb von 200,00 € liegen müsste, ist hier nicht statthaft. Dieses Rechtsmittel ist in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, mithin auch in Kindschaftssachen, nur eröffnet, wenn es im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist, was hier nicht der Fall ist. Aus der Generalklausel des § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO kann sich die Statthaftigkeit hingegen nur in Ehe- und Familienstreitsachen nach § 113 Abs. 1 ZPO ergeben (vgl. Sternal/Göbel, a.a.O., § 58 Rn. 110). Das einzige in Betracht kommende Rechtsmittel ist hier somit die Beschwerde nach § 58 FamFG. Deren Zulässigkeit hängt jedoch gemäß § 61 Abs. 1 FamFG von deren Zulassung ab, da es sich bei der Vergütungsfestsetzung um eine vermögensrechtliche Angelegenheit handelt und der Beschwerdewert nicht 600,00 € übersteigt, sondern entsprechend der geltend gemachten Dolmetscherkosten nur 404,60 € beträgt.
Die vom Amtsgericht unterlassene Entscheidung über das Vorliegen eines Zulassungsgrundes ist vorliegend ausnahmsweise nachträglich durch den Senat zu treffen. Gemäß § 61 Abs. 2 FamFG muss die Zulassung der Beschwerde grundsätzlich durch das erstinstanzliche Gericht ausgesprochen werden, welches von Amts wegen zu prüfen hat, ob ein Zulassungsgrund nach § 61 Abs. 3 Nr. 1 FamFG vorliegt. Dies kann auch im Rahmen des Abhilfeverfahrens nach einer Rechtspflegererinnerung erfolgen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.01.2010 - 8 WF 14/10, juris Rn. 11). Trifft das Gericht in einem Beschluss keine ausdrückliche Entscheidung über die Zulassung, so wird damit regelmäßig dessen Unanfechtbarkeit zum Ausdruck gebracht, da die Nichtzulassung keines ausdrücklichen Ausspruchs bedarf (vgl. Sternal/Göbel, a.a.O., § 61 Rn. 37; Prütting/Helms/Abramenko, a.a.O., § 61 Rn. 15 m.w.N.). Ein späteres Nachholen der Zulassung ist grundsätzlich unzulässig. Hatte das erstinstanzliche Gericht jedoch aus seiner Sicht keine Veranlassung, sich mit der Frage der Zulassung der Beschwerde zu befassen, weil es eine die Grenze von 600,00 € übersteigende Beschwer angenommen hat, dann ist die Entscheidung über das Vorliegen eines Zulassungsgrundes durch das Beschwerdegericht nachzuholen (vgl. BGH, Beschluss vom 16.12.2020 - XII ZB 26/20, juris Rn. 13; Prütting/Helms/Abramenko, a.a.O., Rn. 18; Sternal/Göbel, a.a.O., Rn. 41). Gleiches muss gelten, wenn erkennbar ist, dass das Gericht aus anderen Gründen irrtümlich von der Statthaftigkeit eines zulassungsfreien Rechtsmittels ausgegangen ist (vgl. Sternal/Göbel, a.a.O., § 61 Rn. 41; Dutta/Jacoby/Schwab/Müther, FamFG, 4. Auflage 2021, § 61 Rn. 17 m.w.N.). So liegt es auch hier. Das Amtsgericht ist ausweislich der dem angefochtenen Beschluss beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung zunächst irrtümlich von der Statthaftigkeit einer Erinnerung ausgegangen. Im Nichtabhilfebeschluss ist sodann ausgeführt, dass das eingelegte Rechtsmittel als nach § 567 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ausgelegt werde. Somit hat das Amtsgericht erkennbar zu keinem Zeitpunkt die Veranlassung gesehen, eine Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde nach § 61 Abs. 2 und 3 FamFG zu treffen.
Die damit vom Senat nachzuholende Prüfung des Vorliegens eines Zulassungsgrundes i.S.v. § 61 Abs. 3 Nr. 1 FamFG führt zur Zulassung der Beschwerde, da die zu entscheidende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Beschwerdegerichts erfordert.
2.
In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg. Die Entscheidung des Familiengerichts, dem Verfahrensbeistand neben seiner Pauschalvergütung auch die für die Hinzuziehung eines Dolmetschers zu den Gesprächen am 28.05.2022 entstandenen Auslagen zu erstatten, hat auch im Lichte des Beschwerdevorbringens Bestand. § 158 c Abs. 1 S. 3 FamFG steht dem bei verfassungskonformer Auslegung nicht entgegen.
Nach § 158 c Abs. 1 S. 1 und 2 FamFG erhält der berufsmäßig tätige Verfahrensbeistand für die Wahrnehmung seiner Aufgaben in jedem Rechtszug eine Pauschalvergütung. Diese deckt nach § 158 c Abs. 1 S. 3 FamFG auch Ansprüche auf Ersatz anlässlich der Verfahrensbeistandschaft entstandener Auslagen ab. Dies gilt unabhängig von der Höhe der angefallenen Aufwendungen und kann - etwa bei außergewöhnlich hohen Fahrtkosten - dazu führen, dass in Einzelfällen keine bzw. keine angemessene Vergütung für den tatsächlich geleisteten Aufwand mehr verbleibt (vgl. BGH, Beschluss vom 13.11.2013 - XII ZB 612/12, juris Rn. 8 f.; OLG München, Beschluss vom 28.10.205 - 11 WF 1365/15, juris Rn. 10). Diese Folge ist jedoch mit Blick auf die bewusste gesetzgeberische Entscheidung gegen ein aufwandsbezogenes Vergütungssystem grundsätzlich hinzunehmen. In Anbetracht des Umstandes, dass die Vergütungspauschalen für jedes vom Verfahrensbeistand vertretene Kind, für jede betroffene Angelegenheit sowie für jeden Rechtszug gesondert anfallen, ermöglicht die Vergütung nach Fallpauschalen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine für Verfahrensbeistände insgesamt auskömmliche Mischkalkulation und begegnet daher vom Ansatz her im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BGH, Beschluss vom 09.01.2013 - XII ZB 667/12, juris Rn. 12 ff.).
Auch Dolmetscherkosten, die für die Verständigung des Verfahrensbeistands mit einem nicht deutschsprachigen Verfahrensbeteiligten entstehen, fallen unter den Begriff "Aufwendungen" und sind daher nach Wortlaut und Systematik des Gesetzes mit der Pauschalvergütung abgegolten (vgl. OLG München, a.a.O., juris Rn. 11; OLG Hamm, Beschluss vom 03.04.2014 - 6 WF 241/13, juris Rn. 6; Toussaint/Felix, Kostenrecht, 53. Auflage 2023, § 158 c FamFG Rn. 36; Staudinger/Dürbeck, BGB, Neubearb. 2019, Stand 06.03.2022, § 1684 Rn. 426). Ohne statistische Erhebungen zur Häufigkeit und Höhe erforderlicher Dolmetscherkosten lässt sich auch nicht feststellen, dass die Einbeziehung dieser Auslagen in die Fallpauschale einer insgesamt auskömmlichen Mischkalkulation entgegensteht und die Grenze des Zumutbaren überschreitet (vgl. auch OLG München, a.a.O., juris Rn. 15 f.; OLG Hamm, a.a.O., juris Rn. 8). Gerade das vorliegende Verfahren zeigt vielmehr, dass trotz der Dolmetscherkosten i.H.v. gut 400,00 €, die im Falle der Vertretung nur eines Kindes die Vergütungspauschale von 550,00 € beinahe aufzehren würden, dem Verfahrensbeistand hier aufgrund der Vertretung von vier Kindern ein Vergütungsanteil i.H.v. knapp 1.800,00 € verbleibt, der in Anbetracht des zeitlichen Aufwands für das Aktenstudium, einen vierstündigen außergerichtlichen und einen gerichtlichen Termin sowie zur Abgeltung weiterer Auslagen wie Fahrtkosten insgesamt jedenfalls auskömmlich ist.
Gleichwohl ist nach der Würdigung des Senats aus verfassungsrechtlichen Gründen zumindest im Falle einer vorherigen gerichtlichen Genehmigung dafür Sorge zu tragen, dass der Verfahrensbeistand erforderlich gewordene Dolmetscherkosten nicht aus seiner Fallpauschale zu begleichen hat.
In der Praxis wird dies teilweise dadurch gewährleistet, dass die Hinzuziehung eines Dolmetschers durch den Verfahrensbeistand bei vorheriger ausdrücklicher gerichtlicher Gestattung mit einer Heranziehung durch das Gericht selbst gleichgesetzt wird und die Kosten demzufolge nach §§ 1, 4 JVEG unmittelbar an den Dolmetscher erstattet werden (so OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.10.2013 - 5 WF 249/13, juris Rn. 5; Sternal/Schäder, a.a.O, § 158 c Rn. 11; Prütting/Helms/Hammer, a.a.O., § 158 c Rn. 7). Hierfür spricht, dass es dann, wenn das Gericht die Hinzuziehung eines Dolmetschers zur Verständigung des Verfahrensbeistands mit den Beteiligten für erforderlich hält, keinen Unterschied machen kann, ob es um die Wahrnehmung eines Gerichtstermins oder um ein Gespräch mit dem Verfahrensbeistand geht. In beiden Fällen muss es den betroffenen Verfahrensbeteiligten zur Gewährleistung eines rechtsstaatlichen, fairen Verfahrens ermöglicht werden, sich in adäquater Weise verständlich zu machen (OLG Frankfurt, a.a.O.; Menne, FamRB 2014, 294). Im vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht jedoch diesen Weg nicht gewählt. Vielmehr hat die Amtsrichterin den Verfahrensbeistand nach Einreichung der Rechnung durch die Dolmetscherin darauf hingewiesen, diese sei gegenüber dem Gericht nicht selbst antragsberechtigt, woraufhin er die Rechnung seinerseits erneut eingereicht hat. Dem darin liegenden Vergütungsantrag hat das Amtsgericht dann stattgegeben, wobei ausdrücklich die Kostenerstattung an den Verfahrensbeistand und nicht an die Dolmetscherin angeordnet worden ist. Im Unterschied zu dem vom OLG Frankfurt entschiedenen Fall kann der hier betroffene Beschluss daher nicht in eine Vergütungsfestsetzung zu Gunsten der Dolmetscherin nach § 4 JVEG umgedeutet werden. Vor diesem Hintergrund ist hier nicht abschließend zu entscheiden, ob einen solche Vorgehensweise aus rechtsstaatlichen Gründen zulässig wäre (so OLG Frankfurt, a.a.O.; Zöller/Lorenz, ZPO, 34. Auflage 2022, § 158c FamFG Rn. 1; Keuter, FamRZ 2018, 14, 16; Menne, FamRB 2014, 294) oder ob es dafür an einer Rechtsgrundlage fehlen würde (so OLG Hamm Beschluss vom 14.04.2023 - 6 WF 15/23, juris Rn. 14; Staudinger/Dürbeck, a.a.O. Rn. 426).
Vorliegend ist lediglich von Relevanz, dass die im hiesigen Verfahren gewählte Verfahrensweise, nach der dem Verfahrensbeistand die Kosten, die durch die erforderliche und vorab gerichtlich genehmigte Hinzuziehung eines Dolmetschers entstanden sind, zusätzlich zu der Vergütungspauschale als Auslagen erstattet wurden, bei verfassungskonformer, einschränkender Auslegung von § 158 c Abs. 1 S. 3 FamFG rechtlich zulässig war.
Das Gericht hat zur Wahrung eines rechtsstaatlichen Verfahrens und zur Vermeidung einer nachteiligen Ungleichbehandlung nicht deutschsprachiger Verfahrensbeteiligter dafür Sorge zu tragen, dass diese ihre Verfahrensrechte angemessen wahrnehmen können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.08.2003 - 2 BvR 2032/01, juris Rn. 16 f.). Bei Kindern aus nicht deutschsprachigen Familien gehört hierzu auch, ihnen und ihren Eltern die Verständigung mit dem Verfahrensbeistand zu ermöglichen, dessen gesetzliche Aufgabe nach § 158 b Abs. 1 FamFG in der Feststellung und Einbringung der Interessen des Kindes in das familiengerichtliche Verfahren besteht. Diese Aufgabe kann ein Verfahrensbeistand nur dann sachgerecht wahrnehmen, wenn er sich mit den von ihm vertretenen Kindern - und im Falle eines erweiterten Auftrags nach § 158 b Abs. 2 FamFG auch mit deren Eltern und ggf. weiteren Bezugspersonen - auch außerhalb von Gerichtsterminen unterhalten kann. Wenn es dem Verfahrensbeistand obliegen würde, hierfür auf eigene Kosten selbst zu sorgen, dann bestünde die Gefahr einer unzureichenden Interessenvertretung und zumindest mittelbaren Benachteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund (vgl. Keuter, FamRZ 2014, 1971, 1973; Dutta/Jacoby/Schwab/Lack, FamFG, 4. Auflage 2021, § 158 c Rn. 17; ebenso die Stellungnahme der Kinderrechtekommission des Deutschen Familiengerichtstags e.V. vom 13.09.2020 zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder zu § 158c Abs. 1 RefE). Denn entweder würde sich kaum ein geeigneter Verfahrensbeistand finden, der bereit ist, in Verfahren tätig zu werden, in denen absehbar Dolmetscherkosten erforderlich werden - insbesondere, wenn nur ein Kind zu vertreten ist. Oder aber die Verfahrensbeistände würden ihre Standards senken, auf Gespräche vor der gerichtlichen Verhandlung verzichten oder sich mit Übersetzungen durch Freunde oder Angehörige der Kinder zufriedengeben, ohne eine Gewähr für deren Richtigkeit zu haben (vgl. Keuter, a.a.O.). In beiden Fällen würde es Kindern aus nicht deutschsprachigen Familien erschwert, ihre Interessen im familiengerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen, worin eine gegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verstoßende Benachteiligung läge. Um diese Folgen zu vermeiden, sind einem Verfahrensbeistand die Kosten eines von ihm hinzugezogenen Dolmetschers - im Unterschied zu sonstigen notwendigen Auslagen - neben der Pauschalvergütung jedenfalls dann zu erstatten, wenn sie - wie hier - durch das Gericht ausdrücklich als erforderlich eingeordnet werden.
Die Gesetzesmaterialien stehen einer solchen Auslegung nicht entgegen. So wird in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Entwurf des FGG-Reformgesetzes vom 23.06.2008, mit dem die Vergütungspauschalen eingeführt wurden, zum einen das Ziel der Stärkung der Kinderrechte betont und zum anderen auf die mit der Einführung der Fallpauschalen bezweckte auskömmliche Mischkalkulation und wünschenswerte Annäherung an die Rechtsanwaltsvergütung hingewiesen (vgl. BT-Drs. 16/9733, S. 294). Mit dem Ziel einer Stärkung der Kinderrechte lässt sich eine Abgeltung erforderlicher Dolmetscherkosten durch die Fallpauschalen aus den oben genannten Gründen kaum in Einklang bringen. Zumindest aber ist der Begründung kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass die Kosten für einen Dolmetscher bei außergerichtlichen Gesprächen mit Beteiligten zwingend der Verfahrensbeistand zu tragen hat (vgl. ebenso Keuter, FamRZ 2014, 1971, 1972). Aus der Intention der weitest möglichen Verringerung des Abrechnungs- und Kontrollaufwands lässt sich dies nicht ableiten (so jedoch Sternal/Schäder, FamFG, 21. Auflage 2023, § 158c Rn. 11), da es im Übrigen bei der Abgeltung sämtlicher Tätigkeiten und Aufwendungen durch die Fallpauschalen bleibt und allein die Einreichung und Überprüfung von Dolmetscherrechnungen keinen erheblichen Aufwand verursacht. Der Umstand, dass mit der Neustrukturierung der Regelungen zu den Aufgaben und der Rechtsstellung des Verfahrensbeistands in §§ 158 bis 159 FamFG durch das Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder vom 16.06.2021 die Vorschriften zur Vergütung - entgegen der Empfehlung des Deutschen Familiengerichtstags - weitgehend unverändert in § 158 c FamFG übernommen wurden, widerspricht der hier vorgenommenen Auslegung ebenfalls nicht. Denn mit der Erstattungsfähigkeit von Dolmetscherkosten und der Problematik einer Benachteiligung von Kindern aus nicht deutschsprachigen Familien befasst sich die Begründung des Regierungsentwurfs an keiner Stelle (vgl. RegE_Bekaempfung_sex_Gewalt_Kinder.pdf;jsessionid=3C0F59584924ACAA4D875F117B230FF9.1_cid324 (bmj.de), speziell zu § 158 c FamFG dort S. 66).
Hinzu kommt vorliegend, dass sich der Verfahrensbeistand im Falle einer ausdrücklichen vorherigen richterlichen Gestattung der Dolmetscherhinzuziehung auch auf den im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen kann und darauf vertrauen darf, die durch die Hinzuziehung eines Dolmetschers entstehenden Kosten nicht selbst tragen zu müssen (vgl. zu diesem Gedanken auch OLG Frankfurt, a.a.O.; offenlassend OLG München, a.a.O., juris Rn. 11).
Nach diesen Grundsätzen hat das Amtsgericht vorliegend zu Recht die Erstattung der durch die Hinzuziehung einer Dolmetscherin entstandenen Auslagen des Verfahrensbeistands angeordnet, da die Dolmetscherbeauftragung seitens der Richterin zur Sicherung eines rechtsstaatlichen, fairen Verfahrens als erforderlich erachtet und dem Verfahrensbeistand gegenüber vor dessen Tätigwerden ausdrücklich genehmigt worden war.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 84, 81 FamFG. Da es sich um eine Beschwerde der Staatskasse gegen eine Vergütungsfestsetzung handelt, entspricht es der Billigkeit, von der Erhebung von Gerichtskosten und der Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten abzusehen.
Gemäß § 70 Abs. 2 FamFG ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Rechtsbeschwerde zuzulassen.