Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.04.2006, Az.: 16 K 240/05
Zulässigkeit der Rückkehr zu § 13a Einkommenssteuergesetz (EStG) ab Vorliegen dessen Voraussetzungen ; Ermittlung des Gewinns aus Landwirtschaft und Forstwirtschaft nach Durchschnittssätzen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 24.04.2006
- Aktenzeichen
- 16 K 240/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 16456
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2006:0424.16K240.05.0A
Rechtsgrundlagen
- § 13a EStG
- Abschnitt 129 Abs. 3 S. 4 Einkommensteuerrichtlinien 2000
- § 141 Abs. 2 S. 2 AO
Fundstellen
- EFG 2006, 1244 (Volltext mit red. LS)
- NWB 2007, 3982 (Kurzinformation)
- NWB direkt 2007, 5
- Jurion-Abstract 2006, 228616 (Zusammenfassung)
Verfahrensgegenstand
Einkommensteuer 2000
Tenor:
Die Rückkehr zu § 13 a EStG ist nicht erst ab dem VZ zulässig, der auf den Zeitpunkt folgt, zu dem der Stpfl. das FA auf das erneute Vorliegen der Voraussetzungen des § 13 a Abs. 1 Nr. 1-4 EStG aufmerksam gemacht hat (Gegen R 129 Abs. 3 Satz 4 EStR 2000).
Revision zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Frage, ob eine Rückkehr zur Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen gem. § 13 a EStG erst ab dem Wirtschaftsjahr möglich ist, das auf den Zeitpunkt folgt, zu dem der Steuerpflichtige das Finanzamt auf das Wiedervorliegen der Voraussetzungen des § 13 a EStG hingewiesen hat.
Die Kläger sind verheiratet und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Ehemann ist Landwirt.
Der Kläger ermittelte zunächst den Gewinn nach Durchschnittssätzen. Nachdem die selbstbewirtschaftete Fläche die Grenze von 20 ha überschritt, forderte der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 31. März 1999 auf, ab 1. Juli 1999 den tatsächlichen Gewinn des Betriebes zu ermitteln.
Für das Wirtschaftsjahr 1999/2000 legte der Kläger keine Gewinnermittlung vor. Daraufhin nahm der Beklagte eine Richtsatzschätzung vor und schätzte einen Gewinn in Höhe von 54.800,- DM.
Ab 1. November 1999 verpachtete der Kläger Flächen von gut 20 ha an andere Landwirte, so dass der Umfang der selbstbewirtschafteten Flächen mit 18,9168 ha wieder die Grenze von 20 ha unterschritt. Der Viehbestand mit 42 Vieheinheiten lag - wie im Übrigen auch schon im vorangehenden Wirtschaftsjahr - ebenfalls unter der für die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen maßgeblichen Grenze von 50 Vieheinheiten. Eine Verpflichtung, gem. §§ 140, 141 AO Bücher zu führen, hat weder im Streitjahr, noch jemals zuvor bestanden.
Mit Schreiben vom 5. März 2001 wies der Kläger darauf hin, dass wieder die Voraussetzungen für die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen vorlagen und begehrte mit der Einkommensteuererklärung 2000, ab dem Wirtschaftsjahr 2000/2001 den Gewinn nach § 13 a EStG zu ermitteln. Der Beklagte stellte sich demgegenüber auf den Standpunkt, dass die Voraussetzungen der Gewinnermittlung nach § 13 a EStG erst ab dem Wirtschaftsjahr 2001/2002 vorliegen würden, weil der Kläger erst nach dem Beginn des Wirtschaftsjahres 2000/2001 auf die Änderung der Verhältnisse hingewiesen habe. Der Beklagte berief sich insoweit auf die Regelung in den Einkommensteuerrichtlinien R 129 Abs. 3 Satz 4. Da der Kläger keine Gewinnermittlung einreichte, nahm der Beklagte erneut eine Richtsatzschätzung vor und schätzte für das Wirtschaftsjahr 2000/2001 einen Gewinn in Höhe von 36.400,- DM. Diesen berücksichtigte er im Einkommensteuerbescheid 2000 vom 3. März 2003. Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.
Mit ihrer Klage begehren die Kläger weiterhin, den Gewinn für das Wirtschaftsjahr 2000/2001 nach Durchschnittssätzen zu ermitteln. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 13 a EStG würden vorliegen. Eine rechtliche Grundlage für die Richtlinienbestimmung in R 129 Abs. 3 Satz 4 bestehe nicht.
Die Kläger beantragen,
unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2000 vom 3. März 2003 in der Gestalt vom 11. August 2005 und der Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2005 Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft im Wirtschaftsjahr 2000/2001 gemäß § 13 a EStG in Höhe von 23.832,76 DM zu berücksichtigen und die Einkommensteuer 2000 entsprechend herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass eine Rückkehr zur Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen nach Ergehen einer Aufforderung zur Ermittlung des tatsächlichen Gewinns nach § 13 a Abs. 1 Satz 2 EStG erst von dem Wirtschaftsjahr an möglich sei, das auf die Mitteilung des Wiedervorliegens der Voraussetzungen des § 13 a EStG folge. Dass die materiellen Voraussetzungen des § 13 a EStG wieder vorlägen, sei nicht ausreichend.
Im Verlaufe des Klageverfahrens haben die Kläger eine Anlage KAP zur Einkommensteuererklärung nachgereicht. Daraufhin änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2000 mit Datum vom 11. August 2005 hinsichtlich der Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der Gewinn für das Wirtschaftsjahr 2000/2001 ist nach Durchschnittssätzen zu ermitteln.
Gem. § 13 a Abs. 1 ist der Gewinn für einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittssätzen zu ermitteln, wenn (1) der Steuerpflichtige nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet ist, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen und (2) die selbstbewirtschaftete Fläche der landwirtschaftlichen Nutzung ohne Sonderkulturen nicht 20 ha überschreitet und (3) die Tierbestände insgesamt 50 Vieheinheiten nicht übersteigen und (4) der Wert der selbstbewirtschafteten Sondernutzungen nicht mehr als 2.000,- DM je Sondernutzung beträgt.
Diese vier Voraussetzungen des § 13 a Abs. 1 EStG lagen, wie vom Beklagten auch nicht in Abrede gestellt wird, sämtlichst zu Beginn des Wirtschaftsjahres 2000/2001 wieder vor, nachdem im Verlaufe des vorangehenden Wirtschaftsjahres die selbstbewirtschaftete Fläche nach Flächenverpachtungen unter die Grenze von 20 ha gesunken war.
Da der Kläger auch nicht gem. § 13 a Abs. 2 EStG beantragt hat, den Gewinn nicht nach § 13 a Abs. 3 - 6 EStG, sondern statt durch Betriebsvermögensvergleich oder Einnahmeüberschussrechnung zu ermitteln, ist der Gewinn des Betriebes ab dem Wirtschaftsjahr 2000/2001 erneut nach § 13 a Abs. 3 - 6 EStG zu bestimmen.
Das Gericht sieht keine Rechtsgrundlage für die Verwaltungsauffassung in Abschnitt 129 Abs. 3 Satz 4 Einkommensteuerrichtlinien 2000, dass der Gewinn erst dann wieder nach Durchschnittssätzen zu ermitteln ist, wenn der Steuerpflichtige bis zum Beginn dieses Jahres nachgewiesen hat, dass die Voraussetzungen des § 13 a Abs. 1 EStG wieder erfüllt sind (im Ergebnis ebenso Littmann/Bitz/Pust, § 13 a Rn. 34; Kirchhof/Söhn, § 13 a B 9 b; anders inzwischen auch EStR 2003, R 129 Abs. 3 S. 4). § 13 a EStG räumt dem Landwirt kein Wahlrecht ein, bei Vorliegen gewisser tatbestandlicher Voraussetzungen seinen Gewinn nach Durchschnittssätzen zu ermitteln, sondern sieht diese Gewinnermittlungsmethode zwingend vor ("Der Gewinn ist nach den Absätzen 3 bis 6 zu ermitteln"). Soll trotz Wiedervorliegens der materiellen Voraussetzungen des § 13 a Abs. 1 - 4 EStG eine andere Gewinnermittlungsmethode bis zur entsprechenden Mitteilung gegenüber der Finanzbehörde weiterhin verbindlich bleiben, so hätte es dafür einer gesetzlichen Grundlage bedurft. Eine solche ist jedoch nicht vorhanden.
Bestätigt wird die hier vertretene Rechtsauffassung im Übrigen auch durch einen Umkehrschluss aus der - im Streitfall mangels Buchführungspflicht nicht einschlägigen - Regelung in § 141 Abs. 2 Satz 2 AO. Danach endet die Verpflichtung zur Buchführung erst mit dem Ablauf des Wirtschaftsjahres, das auf das Wirtschaftsjahr folgt, in dem die Finanzbehörde feststellt, dass die Voraussetzungen der Buchführungspflicht nicht mehr vorliegen. Diese Regelung zeigt, dass sich der Gesetzgeber der Problematik des Streitfalles prinzipiell bewusst ist. Wenn der Gesetzgeber für den Fall der Buchführungspflicht den Wechsel zu einer anderen Gewinnermittlungsmethode ausdrücklich von der Feststellung des Wegfalls der Voraussetzungen der Buchführungspflicht durch die Finanzbehörde abhängig macht, für die parallele Problematik der Rückkehr zur Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen hingegen keine analoge Bestimmung trifft, so ist daraus zu folgern, dass im zweiten Fall die entsprechende Feststellung nicht erforderlich ist.
Die Höhe der im Streitjahr 2000 zu berücksichtigenden Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft ergibt sich wie folgt:
Gewinn Wirtschaftsjahr 2000/2001 | |
---|---|
Hektarwert: 790,- DM | |
18,9168 ha x 700,- DM/ha | |
DM | 13.241,76 |
Vereinnahmte Pachtzinsen: | |
DM | 10.591,00 |
Summe: | |
DM | 23.832,76 |
Einkünfte Land- und Forstwirtschaft 2000: | |
1/2 Gewinn 2000/2001 | |
DM | 1.916,38 |
Zuzüglich 1/2 Gewinn Wirtschaftsjahr 1999/2000 | |
DM | 27.400,00 |
Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (abgerundet) | |
DM | 39.316,00 |
Dem Beklagten wird gem. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO die Errechnung der festzusetzenden Steuer übertragen, weil deren Ermittlung einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Das Gericht lässt die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu, weil die Entscheidung von den Einkommensteuerrichtlinien abweicht und ihr damit über den Streitfall hinausgehe Bedeutung zukommt.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).