Amtsgericht Gifhorn
Urt. v. 16.09.2008, Az.: 2 C 175/08 (VI)

Abrechnung; Abrechnungsfrist; Auszahlung; deklaratorisch; Einwand; Entgegennahme; erteilt; Guthaben; Interesse; korrigiert; Mieter; Mietparteien; Mietrecht; Mietrechtsreform; Nebenkosten; Rechtsgrund; Rückforderung; Schuldanerkenntnis; Vermieter; Voraussetzung; Wohnraummietrecht; Zahlung

Bibliographie

Gericht
AG Gifhorn
Datum
16.09.2008
Aktenzeichen
2 C 175/08 (VI)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 55008
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
LG - 19.12.2008 - AZ: 7 S 206/08

Tenor:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 139,78 € nebst Jahreszinsen hierauf in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.08.2007 zu zahlen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Berufung gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Tatbestand:

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur teilweisen Rückzahlung eines vom Kläger gezahlten Guthabenbetrags aus einer Nebenkostenabrechnung.

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Der Kläger als Vermieter und der Beklagte als Mieter schlossen im August 2002 einen Mietvertrag über eine in x gelegene Wohnung. Im März 2007 erteilte der Kläger dem Beklagten eine Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2006. Das sich aus dieser Abrechnung ergebende Guthaben von 444,98 € zahlte der Kläger an den Beklagten aus. Im Mai 2007 übersandte er dem Beklagten eine korrigierte Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2006. Diese wies ein Guthaben des Beklagten in Höhe von nur noch 304,68 € aus.

3

Nachdem der Kläger ursprünglich eine Verurteilung des Beklagten zur Rückzahlung eines Betrages von 140,30 € begehrt gehabt hatte, beantragt er nunmehr unter Klagerücknahme im Übrigen,

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den Beklagten zu verurteilen, an ihn 139,78 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB aus 139,78 € seit dem 01.08.2007 zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er ist der Ansicht, dass die Auszahlung durch den Kläger und die Entgegennahme des Betrages von 444,98 € durch den Beklagten ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis bzw. einen Verzichtsvertrag darstelle und der Kläger deshalb zumindest aus Vertrauensschutzgründen an einer Korrektur der Nebenkostenabrechnung gehindert sei. Mit der Auszahlung und Entgegennahme des Guthabenbetrages sei die Abrechnung für das Jahr 2006 abgeschlossen gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist begründet.

I.

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1. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 139,78 € aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB.

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Die Voraussetzungen für einen derartigen Zahlungsanspruch sind erfüllt. Der Kläger hat dem Beklagten einen Betrag von 444,98 € ausgezahlt, obwohl diesem lediglich ein Anspruch auf Zahlung eines Guthabens in Höhe von 305,20 € zugestanden hat. Letzteres ergibt sich aus der im Mai 2007 übersandten korrigierten Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2006 sowie aus der teilweisen Klagerücknahme in Höhe von 0,52 €. Materiell-rechtliche Einwände gegen diese korrigierte Nebenkostenabrechnung hat der Beklagte nicht erhoben. Da diese nach der erfolgten teilweisen Klagerücknahme auch nicht weiter zu beanstanden ist, ist der Beklagte demnach um einen Betrag von 139,78 € ungerechtfertigt bereichert. In diesem Umfang hat der Kläger auf eine nicht bestehende Schuld und damit ohne Rechtsgrund geleistet. Der Kläger war auch nicht aus rechtlichen Gründen gehindert, die ursprüngliche im März 2007 erteilte Nebenkostenabrechnung zu Lasten des Beklagten zu ändern. Zwar ist der Fall, dass der Vermieter zunächst eine Abrechnung erteilt und diese dann anschließend korrigiert, in § 556 BGB nicht geregelt. Nach der Rechtsprechung des BGH ( NJW 2008, S. 1150 f. und NJW 2005, S. 219 ff. ) ist ein solches Vorgehen aber grundsätzlich möglich und zulässig. Der BGH hat lediglich die nach Ablauf der Frist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB vorgenommene Korrektur einer bereits erteilten Abrechnung als nicht gesetzeskonform angesehen. Der Kläger hat allerdings die Abrechnung im Mai 2007 und damit innerhalb der in § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB genannten Frist korrigiert. Diese Korrektur ist rechtlich zulässig. Die Auszahlung des in der ursprünglichen Abrechnung ausgewiesenen Guthabens und die Entgegennahme dieses Betrages durch den Beklagten ist nämlich weder als deklaratorisches Schuldanerkenntnis noch als Verzichtsvertrag mit der Folge, dass nachträgliche Einwendungen der Mietparteien ausgeschlossen sind, zu werten. Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis setzt voraus, dass die Vertragsparteien das Schuldverhältnis ganz oder teilweise dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien entziehen wollen und sich dahingehend einigen ( BGH NJW-RR 2007, S. 530 [BGH 11.01.2007 - VII ZR 165/05] ). Es ist bereits zweifelhaft, ob vor der Auszahlung des Guthabens durch den Kläger ein Streit oder eine Ungewissheit über die Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2006 zwischen den Parteien bestanden hat und deshalb die Voraussetzung für ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis erfüllt ist. Jedenfalls kann aber bei einer schlichten Zahlung einer Mietpartei auf der Grundlage einer Nebenkostenabrechnung seit dem Inkrafttreten der Mietrechtsreform zum 01.09.2001 ohne Hinzutreten weiterer Umstände von einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis nicht mehr ausgegangen werden. Vor dem Inkrafttreten des § 556 BGB am 01.09.2001 ist im Bereich der Nebenkostenabrechnung die Annahme eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses vor allem damit begründet worden, dass beide Mietparteien ein berechtigtes Interesse daran haben, dass alsbald Klarheit über die Verpflichtungen aus einem abgeschlossenen Abrechnungszeitraum hergestellt wird ( Schmidt-Futterer/Langenberg : Mietrecht, 7. Aufl. 1999, § 546 BGB Rdnr. 358 ). Deshalb konnte allein die bloße Zahlung einer Mietpartei auf der Grundlage einer Nebenkostenabrechnung als deklaratorisches Schuldanerkenntnis gewertet werden, weil vermieden werden sollte, dass oft noch nach Jahren über die betreffende Nebenkostenabrechnung zwischen den Parteien gestritten wird. Dieser Argumentation ist durch die in § 556 Abs. 3 BGB getroffenen Regelungen die Grundlage entzogen. Denn die Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB und der durch § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB angeordnete Ausschluss von Nachforderungen nach Ablauf dieser Frist dienen der Abrechnungssicherheit für den Mieter und sollen Streit vermeiden ( BGH NJW 2008, S. 1150, 1151 ; NJW 2006, S. 903 f. und NJW 2005, S. 219, 220 [BGH 17.11.2004 - VIII ZR 115/04] ). Eine Nachforderung im Sinne dieser Regelungen ist auch dann anzunehmen, wenn der Vermieter einen Betrag fordert, der das Ergebnis einer bereits erteilten Abrechnung übersteigt ; dies gilt auch dann, wenn dieses Ergebnis ein Guthaben des Mieters ist ( BGH NJW 2008, S. 1150, 1151 [BGH 12.12.2007 - VIII ZR 190/06] ). Die Vorschrift des § 556 Abs. 3 BGB schließt zwar die Begründung eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses vor Ablauf der Abrechnungsfrist nicht aus. Davon kann aber nur dann ausgegangen werden, wenn die besonderen Umstände des Einzelfalls den Schluss darauf zulassen, dass die Mietparteien mit der Auszahlung und Entgegennahme des Betrages bereits vor Ablauf der Abrechnungsfrist eine abschließende Regelung treffen wollten. Die bloße Zahlung und Entgegennahme des Betrages genügt aus den o.g. Gründen nicht. Derartige besondere Umstände sind jedoch weder ersichtlich noch vom Beklagten dargelegt worden. Aus den o.g. Erwägungen kann sich der Beklagte auch nicht mit Erfolg auf einen Verzichtsvertrag oder auf Vertrauensschutz berufen.

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2. Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus den §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB. Aufgrund des Mahnschreibens des Klägers vom 10.07.2007 befand sich der Beklagte seit dem 01.08.2007 mit der Rückzahlung des Betrages von 139,78 € im Verzug.

II.

12

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO. Die teilweise Klagerücknahme wirkt sich kostenrechtlich nicht zum Nachteil des Klägers aus, weil seine Zuvielforderung verhältnismäßig geringfügig war und keine höheren Kosten veranlasst hat.

13

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 und 2 ZPO.

III.

14

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit ist gemäß § 511 Abs. 4 Satz 1 ZPO die Berufung gegen das Urteil zuzulassen.