Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 21.08.2019, Az.: 1 A 151/18
Arbeitsvertrag; Auflage; Interessenkonflikte; Vergaberecht; Widerruf
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 21.08.2019
- Aktenzeichen
- 1 A 151/18
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2019, 70000
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 49 Abs 3 S 1 Nr 2 VwVfG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Maßgeblich für die Auslegung einer Auflage zu einem Bewilligungsbescheid ist entsprechend §§ 133, 157 BGB, wie der Empfänger sie ausgehend von ihrem Wort-laut und ihrem objektiven Gehalt nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der für ihn erkennbaren Umstände verstehen musste. Verwendet die Behörde in der Aufgabe Rechtsbegriffe des Vergaberechts, kann sie sich nicht darauf berufen, dass sie jenseits des Anwendungsbereichs des Vergaberechts einen allgemeinen Rechtsgedanken prägen wollte.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf einer Zuwendung und gegen die Erhebung von Kosten für den Widerrufsbescheid.
Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verein, der seit 1982 mit Sitz in A-Stadt besteht und sich dem Natur- und Umweltschutz widmet. Seit 2004 organisiert er ein Rebhuhnschutzprojekt im Landkreis A-Stadt, das von 2009 bis 2014 aus öffentlichen Mitteln gefördert wurde.
Am 23.11.2015 stellte der Kläger, vertreten durch das damalige Vorstandsmitglied Dr. D. E., beim Beklagten einen Antrag auf Förderung eines Vorhabens „Qualifizierung von Akteuren zur Initiierung regionaler Rebhuhnschutzprojekte in Niedersachsen“ nach der Förderrichtlinie „Erhalt und Entwicklung von Lebensräumen und Arten – EELA“. Ziel des Vorhabens war es, das regionale Rebhuhnschutzprojekt durch Schulungen der relevanten Akteure, insbesondere von Landwirten, auf Niedersachsen auszuweiten.
Der Kläger beantragte als Hauptbestandteil der Förderung die Personalkostenübernahme für einen Projektleiter und einen Mitarbeiter im Umfang von je einer halben Stelle mit der Wertigkeit TV-L 13. In der dem Antragsformular beigegebenen Vorhabenbeschreibung wurden das Vorstandsmitglied Dr. E. sowie das Vereinsmitglied F. als zukünftige Stelleninhaber benannt (BA 001, Bl. 20). Auf einen Hinweis des Beklagten, dass die beantragten Stellen öffentlich ausgeschrieben werden müssten und nicht mit den im Antrag genannten Personen besetzt werden könnten, kündigte das Vorstandsmitglied Dr. E. an, die Stellen auf der Internetplattform „G.“ auszuschreiben (Email vom 05.04.2016, BA 001, Bl. 35). Der Kläger korrigierte außerdem den Antrag unter dem 26.05.2016 dahingehend, dass die beantragten Stellen ohne namentliche Nennung der vorgesehenen Inhaber beschrieben wurden.
Zu dem Förderantrag gehört nach dem dafür vorgesehenen Formular u.a. das Merkblatt „Interessenkonflikte öffentliche Auftraggeber“. In dem Merkblatt mit Stand 09.10.2015 heißt es, es werde „allen öffentlichen Auftraggebern im Zusammenhang mit der ELER-Förderung ausgehändigt, um über die rechtlichen Vorgaben zum Umgang mit Interessenkonflikten aufzuklären“. In dem Merkblatt werden nach allgemeinen Hinweisen § 16 der Vergabeverordnung (in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.02.2003, zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 15.10.2013), Artikel 57 der VO (EU, EURATOM) Nr. 966/2012 und § 41 NKomVG wiedergegeben. In der dem Antrag als Anlage 1 beigegebenen Allgemeinen Erklärung der antragstellenden Person/en heißt es unter Ziff. 4.5: „Ich erkläre/Wir erklären, dass ich/wir das Merkblatt zu Interessenkonflikten ausgehändigt bekommen habe/n, bei Vorliegen eines Interessenkonfliktes entsprechende Abhilfemaßnahmen ergreife/n und meine/unsere zuständige Bewilligungsbehörde darüber informiere/n.“
Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 23.06.2016 antragsgemäß für den Zeitraum vom 23.06.2016 bis zum 31.05.2018 eine Zuwendung in Höhe von 153.140 EUR, abzurufen durch Auszahlungsanträge in drei Teilbeträgen zum 31.01.2017, 31.01.2018 und 31.07.2018. Die Förderung sollte mit Mitteln des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und aus Landesmitteln erfolgen und 80 % der Projektkosten abdecken. Die übrigen 20 % sollte der Kläger selbst aufbringen.
Zu den Allgemeinen Nebenbestimmungen des Bescheids zählten nach Ziff. 6.1. die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P). Unter Ziff. 6.2 wurde ein Vorbehalt der nachträglichen Aufnahme, Änderung oder Ergänzung einer Auflage ausgesprochen. Unter Ziff. 6.8 „Ausschreibung und Vergabe“ wurde die Beachtung der Vergabevorschriften des öffentlichen Auftragswesens für verbindlich erklärt. Nach Ziff. 6.10 erging die Bewilligung unter der Auflage, dass die „Vorschriften zu Interessenkonflikten (s. Merkblatt zur Antragstellung)“ beachtet werden.
Auf Antrag verlängerte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 06.09.2016 den Bewilligungszeitraum bis zum 30.06.2018. Mit dem zweiten Änderungsbescheid vom 16.11.2016 genehmigte der Beklagte auf Antrag die Anschaffung eines Beamers für Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit. In diesem Bescheid wurden Allgemeine Nebenbestimmungen neu gefasst, nämlich unter Ziff. 6.8. „Interessenkonflikte“ – dies unter Beifügung eines „Merkblatts Interessenkonflikte im Vergabeverfahren“ –, sowie unter den Ziffern 6.9. „Publizität“ und 6.15. „Zweckbindung“. Mit dem dritten Änderungsbescheid vom 23.05.2017, der aus Anlass des ersten Mittelabrufs durch den Kläger erging, änderte der Beklagte die zu verwendenden Vordrucke für den Mittelabruf und den Verwendungsnachweis. Außerdem wurden auch mit diesem Bescheid die Allgemeinen Nebenbestimmungen geändert: Unter Ziff. 6.1 wurden die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) (ANBest-ELER) (BA 001, Bl. 400) zum Bestandteil des Bescheides gemacht und Abweichungen von den AnBest-P für gegenstandslos erklärt. Unter Ziff. 6.7. „Ausschreibung und Vergabe“ wurden die Regelungen zu Vergabeverfahren neu gefasst.
Der Kläger schrieb bereits im März 2016 auf der Internetplattform „G.“ die Mitarbeiterstelle mit einer Bewerbungsfrist bis Mitte April und im Juni 2016 die Projektleiterstelle mit einer Bewerbungsfrist bis Mitte Juli aus. Auf die Mitarbeiterstelle bewarben sich 25 Personen, darunter H. F., auf die Projektleiterstelle 19 Personen, darunter Dr. E.. Ausweislich einer Notiz auf der Auswahlmatrix (BA 001, Bl. 646) beschloss der Vorstand am 18.04.2016, zum Bewerbungsgespräch für die Mitarbeiterstelle aufgrund eines anhand der Auswahlkriterien ausgemachten Qualifikationsvorsprungs H. F. einzuladen. Das Gespräch fand ausweislich dieser Notiz am 29.06.2016 statt, der Arbeitsvertrag wurde zum 01.07.2016 geschlossen. Bereits zuvor, nämlich am 04.04.2016, hatte das Vorstandsmitglied Dr. E. erklärt, sein Amt ab dem 01.04.2016 ruhen zu lassen. Dass er nicht mehr Vorstandsmitglied war, wurde am 19.06.2017 in das Vereinsregister des Amtsgerichts A-Stadt eingetragen (GA Bl. 119). In der Vorstandssitzung vom 18.07.2016 (BA 001, Bl. 644) wurde Dr. E. als Projektleiter ausgewählt. Ausweislich des Protokolls nahmen an der Sitzung H. F. sowie drei weitere Personen teil, während Dr. E. entschuldigt war. Den Arbeitsvertrag mit Dr. E. schloss der Kläger zum 01.08.2016 ab.
Unter dem 27.01.2017 rief der Kläger unter Beigabe eines Verwendungsnachweises fristgerecht die erste Tranche der Zuwendung in Höhe von 28.127,95 EUR ab. Der Verwendungsnachweis enthielt u.a. Gehaltsabrechnungen von Dr. E. und H. F.; Arbeitsverträge wurden nachgereicht. Der Beklagte forderte den Kläger daraufhin zur Vorlage von Unterlagen über die Stellenausschreibung auf, die der Kläger Ende April 2017 vorlegte. Im Rahmen einer Vor-Ort-Kontrolle im August 2017 erhielt der Beklagte weitere Unterlagen zur Stellenausschreibung.
Einen zweiten Auszahlungsantrag des Klägers vom 25.07.2017 über 28.885,16 EUR prüfte der Beklagte nicht mehr. Vielmehr widerrief er nach Anhörung des Klägers mit Bescheid vom 14.12.2017 den Zuwendungsbescheid vom 23.06.2016 in der Fassung vom 16.11.2016 mit Wirkung für die Vergangenheit und verweigerte die Auszahlung der beantragten Mittel.
Zur Begründung des Widerrufs verwies der Beklagte auf die Auflage aus dem Bewilligungsbescheid zur Einhaltung von § 44 LHO und der dazu ergangenen Verwaltungsvorschriften, insbesondere der Pflicht zu einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung. Gegen diese Auflage habe der Kläger verstoßen. Sowohl die persönliche Zuverlässigkeit des Klägers als auch das satzungsgemäße Verhalten seien hier nicht gegeben. Es bestehe vielmehr der Verdacht, der Kläger habe sich in die Nähe eines versuchten Subventionsbetruges gebracht. Die beantragten EELA-Mittel seien ausdrücklich nicht dafür gedacht, laufende Personalkosten oder sonstigen Verwaltungsaufwand der Schutzgemeinschaft zu fördern. Im Übrigen habe der Zuwendungsempfänger die Gewähr dafür zu bieten, dass er Interessenkonflikte im Umgang und beim Empfang öffentlicher Mittel vermeide. Hierzu gebe es ein Merkblatt der Bewilligungsstelle. Nach Ziff. 4.5 der allgemeinen Erklärungen zum Förderantrag bestätige jeder Fördermittelempfänger außerdem, dass nach seinem besten Wissen und Gewissen kein Interessenkonflikt bei der durchzuführenden, mit öffentlichen Mitteln unterstützten Maßnahme bestehe und die Annahme eines Interessenkonfliktes andernfalls unverzüglich mitgeteilt werde. Da es sich bei den Stelleninhabern um aktive Vereinsmitglieder gehandelt habe, hätte ein Interessenkonflikt besonders sorgfältig vermieden werden müssen. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass Herr Dr. E. seine Vorstandstätigkeit seit dem 01.04.2016 ruhen lasse. Es sei nicht gewährleistet, dass der Beschluss über die Stellenbesetzung rechtmäßig zustande gekommen sei. Im Rahmen der Ermessensausübung sei zu berücksichtigen, dass es sich um ein Projekt mit hoher naturschutzrechtlicher Bedeutung gehandelt habe und der Kläger auch angegeben habe, die Nichtauszahlung der Zuwendung könne zu finanziellen Problemen führen. Der Gesichtspunkt der hohen Bedeutung des Projektes sei allerdings schon Tatbestandsvoraussetzung für eine Förderung. Demgegenüber sei zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen, dass der Kläger in Kenntnis seiner Pflichten ein undurchsichtiges Auswahlverfahren durchgeführt habe und der Eindruck entstehe, er habe seinen Vereinsangehörigen einen finanziellen Vorteil verschaffen wollen. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers bestehe nicht, weil der Kläger mehrfach auf das Problem der Stellenbesetzung hingewiesen worden sei. Der Umstand, dass der Kläger den Arbeitsvertrag mit Dr. E. seit Oktober 2017 aus finanziellen Gründen ruhen lasse, entlaste ihn nicht.
Mit weiterem Bescheid vom 14.12.2017 setzte der Beklagte die Kosten für die Widerrufsentscheidung auf 598,50 EUR fest und forderte den Kläger zur Zahlung bis zum 19.01.2018 auf.
Der Kläger hat am 18.01.2018 Klage gegen den Kostenfestsetzungsbescheid und am 19.01.2018 Klage gegen den Widerrufsbescheid erhoben. Er macht geltend, aus dem Zuwendungsbescheid ergebe sich an keiner Stelle, dass Vorstands- oder Vereinsmitglieder von vornherein als mögliche Mitarbeiter des geförderten Projektes ausgeschlossen seien, wenn diese als bestmögliche Bewerber in einem ordnungsgemäß durchgeführten Auswahlverfahren feststünden. Auch sei er weder telefonisch noch schriftlich darauf hingewiesen worden, dass es ein Bewerbungsverbot gebe. In dem Telefonat mit einer Mitarbeiterin der Beklagten vom 24.02.2016 sei darüber gesprochen worden, dass die zu besetzenden Stellen ausgeschrieben werden müssten und Dr. E. nicht automatisch berücksichtigt werden könne. Außerdem sei die Mitarbeiterin des Beklagten, die den Widerrufsbescheid vom 14.12.2017 unterzeichnet habe, nicht zeichnungsberechtigt. Im Übrigen sei auch die Akte unvollständig. Über das Telefonat existiere kein Vermerk. Eine Email von Dr. E. an eine Mitarbeiterin vom 05.04.2016 fehle, in dem es heiße: „(Anrede), mit Frau (…) haben wir übrigens besprochen, dass wir uns auch selber auf die Stelle bewerben werden.“ Dass es zu keinem Zeitpunkt um ein Bewerbungsverbot gegangen sei, belege auch der weitere Email-Verkehr mit dem Beklagten. Zum Auswahlverfahren gehe der Beklagte fälschlich von einer Einflussnahme von Herrn F. aus, der als einfaches Vereinsmitglied an der Vorstandssitzung teilgenommen habe und deshalb gar nicht stimmberechtigt gewesen sei. Herr Dr. E. wiederum sei ab dem 01.04.2016 von den Aufgaben eines Mitglieds des geschäftsführenden Vorstands des Klägers zurückgetreten. Beide seien objektiv die besten Bewerber gewesen. Nach Ende der Bewerbungsfrist für die beiden auf der Seite „G.“ ausgeschriebenen Stellen habe er eine Gesamtmatrix der Bewerbungen erstellt, die einen deutlichen Vorsprung der beiden Stelleninhaber vor den weiteren Bewerbern ergeben habe. Die Matrix sei Grundlage der Vorstandssitzung gewesen, auf die hin Herr Dr. E. als einziger Bewerber auf die Projektleiterstelle und Herr F. als einziger Bewerber auf die Mitarbeiterstelle jeweils zum Gespräch eingeladen worden seien. Dies habe der Leiter der staatlichen Vogelschutzwarte bestätigt, der die Bewerbermatrix auf Bitten des Klägers im September 2017 überprüft habe. Schließlich werde auf die Jahresfrist für den Widerruf nach § 49 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 4 VwVfG verwiesen; der Beklagte habe von der Stellenbesetzung mit Herrn F. seit dem 01.07.2016, spätestens aber seit dem 11.08.2016 Kenntnis gehabt, von der mit Herrn Dr. E. seit dem 05.04.2016. Zu den genannten Zeitpunkten hätten die Herren den Beklagten per Email jeweils informiert.
Die Kammer hat die beiden Verfahren in der mündlichen Verhandlung vom 21.08.2019 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem führenden Aktenzeichen 1 A 151/18 verbunden.
Nachdem die Beteiligten das Verfahren in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich des zunächst geltend gemachten Auszahlungsanspruch des Klägers von mehr als 57.013,11 EUR übereinstimmend für erledigt erklärt haben,
beantragt der Kläger nunmehr,
den Bescheid des Beklagten vom 14.12.2017 über den Widerruf des Bewilligungsbescheids aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über seine Anträge vom 27.01.2017 über einen Teilbetrag von 28.127,95 EUR und vom 25.07.2017 über einen Teilbetrag von 28.885,16 EUR unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden,
sowie den Kostenbescheid des Beklagten vom 14.12.2017 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt insoweit,
die Klage abzuweisen,
und vertieft zur Begründung die Argumentation aus dem streitgegenständlichen Bescheid. Es gehe um die vom Vorstand des Klägers vorgenommene Personalauswahl und die Dokumentation dieser Entscheidung. Er hätte die Stellen in weiteren Medien ausschreiben müssen, um geeignete Kandidaten zu ermitteln. Wegen des offensichtlichen Interessenkonflikts hätte der Kläger vor der Stellenzusage mindestens Kontakt mit dem Beklagten aufnehmen müssen. Eine Besetzung der Stellen mit Vereinsmitgliedern sei jedenfalls nicht zulässig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 21.08.2019 verwiesen.
Entscheidungsgründe
A.
Nach den übereinstimmenden Teil-Erledigungserklärungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich des Auszahlungsanspruchs des Klägers, soweit dieser den bereits vor Erlass des Widerrufsbescheids vom 14.12.2017 zur Auszahlung beantragten Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 57.013,11 EUR übersteigt, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO insoweit einzustellen.
B.
Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet.
I.
Die Anfechtungsklage gegen den Widerrufsbescheid vom 14.12.2017 ist begründet; der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.
1.
Rechtsgrundlage für den Widerruf des Zuwendungsbescheids ist § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG. Danach kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige Geldleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat. § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG ist hier dem Grunde nach anwendbar, obgleich die Zuwendung (auch) auf Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.12.2013 über die Förderung der ländlichen Entwicklung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) (ABl. EU Nr. L 347, S. 487) erfolgte. Auch in Ansehung der in Art. 5 VO (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 549) vorgesehenen Kofinanzierung durch das Land Niedersachsen (s. Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Vorhaben zur Erhaltung, Entwicklung und Wiederherstellung von Lebensräumen und Arten der ländlichen Landschaften im Land Niedersachsen und in der Freien Hansestadt Bremen (Förderrichtlinie „Erhalt und Entwicklung von Lebensräumen und Arten – EELA“) für die neue EU-Förderperiode 2014 bis 2020, RdErl. d. MU v. 28.08.2015, Nds. MBl. S. 1199 ff.) handelt es sich um eine einheitliche und untrennbare Beihilfe auf unionsrechtlicher Grundlage (vgl. VGH BW, Urt. v. 07.04.2014 - 10 S 870/13 -, juris Rn. 36). Die VO (EU) Nr. 1305/2013 kennt aber keine Rechtsgrundlage für den Widerruf von derartigen Zuwendungen, die vorrangig anzuwenden wären. Damit bleibt es bei der Anwendung der nationalstaatlichen Widerrufsvorschriften, hier § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG.
Die Tatbestandsvoraussetzungen von § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG sind nicht gegeben. Der Zuwendungsbescheid vom 23.06.2016 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 06.09.2016, 16.11.2016 und 23.05.2017 enthielt Auflagen i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG hinsichtlich der Behandlung von Interessenkonflikten. Auflagen sind danach Bestimmungen, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird. Der Beklagte beruft sich zu Unrecht auf einen Verstoß des Klägers gegen Auflagen.
1.1.
Ein Verstoß gegen die Auflage über Interessenkonflikte liegt nicht vor. Eine solche Auflage gab es zwar, der Kläger fällt aber nicht in ihren Anwendungsbereich.
Der Regelungsinhalt der Auflage Ziff. 6.10. aus dem Bescheid vom 23.06.2016, geändert durch Auflage Ziff. 6.8. des zweiten Änderungsbescheids vom 16.11.2016, ergibt sich aus dem Merkblatt mit Stand 01.07.2016 (BA 001, Bl. 161), das dem letztgenannten Bescheid beigegeben war. Zum Zeitpunkt des für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2017 war dies die geltende Auflage.
Die Auflage zu Interessenkonflikten wurde durch den zweiten Änderungsbescheid vom 16.11.2016 dahingehend geändert, dass ab Bekanntgabe dieses Bescheids das „Merkblatt Interessenkonflikte im Vergabeverfahren“ mit Stand vom 01.07.2016 galt und das frühere Merkblatt ersetzte. Zwar wird nach dem Wortlaut des zweiten Änderungsbescheids Ziff. 6.8. des Bescheids vom 23.06.2016 abgeändert. Diese Ziffer bezieht sich auf „Ausschreibung und Vergabe“. Es drängt sich aber aus dem Zusammenhang der Änderungsbescheide auf, dass es sich bei der Benennung der Ziff. 6.8. im zweiten Änderungsbescheid um einen redaktionellen Fehler handelte. Zum einen ist es fernliegend anzunehmen, dass die Vorgaben der Ziff. 6.8. des Ausgangsbescheids ersatzlos gestrichen werden sollten und dazu zwei Auflagen zu Interessenkonflikten (Ziff. 6.8. neu und Ziff. 6.10.) mit ähnlichem Inhalt nebeneinander bestehen sollten. Zum anderen geht Ziff. 6.7. (im Ausgangsbescheid „Umsatzsteuer“) des dritten Änderungsbescheids vom 23.05.2017 davon aus, dass es weiterhin eine Auflage „Ausschreibung und Vergabe“ gab, die geändert bzw. ergänzt werden sollte. Das ist mit der Lesart einer Ersetzung von Ziff. 6.8. „Ausschreibung und Vergabe“ durch den zweiten Änderungsbescheid nicht zu vereinbaren.
In dem Merkblatt, das mit „Interessenkonflikte im Vergabeverfahren“ überschrieben ist, heißt es:
„Dieses Merkblatt wird allen Auftraggeberinnen/Auftraggebern, die zur Einhaltung förmlichen Vergaberechts oder zur Einholung von Mindestangeboten im Zusammenhang mit der ELER-Förderung (Begünstigte) verpflichtet sind, bekannt gegeben, um über die rechtlichen Vorgaben zum Umgang mit Interessenkonflikten bei der Auftragsvergabe aufzuklären. Die Inhalte sind für alle Auftraggeberinnen/Auftraggeber bindend. Der Erhalt dieses Merkblattes ist entsprechend Nr. 4.5 der „Allgemeinen Erklärung zum Förderantrag“ zu bestätigen. Zuwiderhandlungen gegen Nr. 4.5 der „Allgemeinen Erklärung zum Förderantrag“ und/oder Verstöße gegen die Maßgaben dieses Merkblattes können sowohl Verwaltungssanktionen im Förderverfahren als auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Grundlage für die Prüfung möglicher oder bestehender Interessenkonflikte zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union ist Art. 57 VO (EU, EURATOM) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 25.10.2012, wo es in Absatz 2 heißt:
,[E]s besteht ein Interessenkonflikt, wenn ein Finanzakteur oder eine sonstige Person […] aus Gründen der familiären oder privaten Verbundenheit, der politischen Übereinstimmung oder der nationalen Zugehörigkeit, des wirtschaftlichen Interesses oder aus anderen Gründen, die auf einer Gemeinsamkeit der Interessen mit dem Begünstigten beruhen, seine bzw. ihre Aufgaben nicht unparteiisch und objektiv wahrnehmen kann.‘
Auftraggeberinnen/Auftraggeber sind Finanzakteure im Sinne dieser Vorschrift und müssen somit Interessenkonflikte, die die sachgerechte Verwendung der Mittel beeinträchtigen können, ausschließen. Interessenkonflikte können auch bei den Beschäftigten einer Auftraggeberin bzw. eines Auftraggebers auftreten und werden dieser/diesem gegebenenfalls zugerechnet.
[…]
Wird eine vergaberechtliche Entscheidung durch eine Person getroffen, die einem Interessenkonflikt unterliegt und hatte dieser bestehende Interessenkonflikt Auswirkungen auf die getroffene Entscheidung, stellt dies einen Vergabefehler dar, der der/dem Begünstigten zugerechnet wird. Nicht das Vorliegen eines Interessenkonfliktes ist rechtswidrig, sondern die Beteiligung einer von ihm betroffenen Person an einem Verfahren, obwohl ein Interessenkonflikt besteht.
Als Folge eines bestehenden Interessenkonfliktes kommen Rückforderungen oder Verwaltungssanktionen, z.B. in Form eines Förderausschlusses (100-%-Fehler) und/oder eine strafrechtliche Verfolgung wegen Subventionsbetruges gemäß § 264 StGB i.V.m. § 6 SubVG in Betracht.
Auch das Nichtanzeigen eines bestehenden Interessenkonfliktes bei der Bewilligungsstelle kann vergleichbare Rechtsfolgen haben.“
Das Merkblatt weist weiter auf Befangenheitsregelungen in § 16 Vergabeverordnung, § 41 Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz, § 42 Beamtenstatusgesetz und § 3 Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes hin. Schließlich fordert es die Adressaten auf, in Zweifelsfällen den Kontakt zur Bewilligungsbehörde zu suchen, um Verfahrensfehler auszuschließen. Als präventives Mittel zur Beilegung oder Vermeidung eines Interessenkonfliktes werden beispielhaft der Ausschluss der/des Beschäftigten von der Teilnahme am Entscheidungsprozess, die Beschränkung des für den Entscheidungsprozess relevanten Informationszugangs oder die Änderung des Aufgabenbereichs des/der Beschäftigten genannt.
Nach dem Verständnis des Beklagten, wie es die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung herausarbeitete, unterlag der Kläger den Verpflichtungen zur Vermeidung von Interessenkonflikten bei dem Abschluss von Arbeitsverträgen, die aus den Mitteln der EELA-Richtlinie gefördert wurden. Dabei war aus Sicht der Beklagtenvertreterin die Ausschreibung der Stellen zur Vermeidung des Interessenkonfliktes nicht ausreichend, wovon der Kläger aber ausgegangen war (dazu unten vor 1.2.). Auf der anderen Seite sollten – abweichend von der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids – die späteren Stelleninhaber Dr. E. (Projektleiter) und F. (Projektmitarbeiter) von der Bewerbung nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Auch beanstandete die Beklagtenvertreterin nicht das Verfahren der Stellenbesetzung des Projektleiters, weil hieran ausweislich des Protokolls der Vorstandssitzung des Klägers vom 18.07.2016 und nach dem klägerischen Vortrag im Übrigen Dr. E. nicht beteiligt war. Beanstandet wurde allerdings die Stellenbesetzung des Projektmitarbeiters. Nach dem Vortrag des Vorstandsmitglieds I. war der spätere Stelleninhaber F. hieran jedenfalls insoweit beteiligt, als er an der Vorstandssitzung vom 18.04.2016 teilnahm, in deren Rahmen die Auswertung der Bewerbungen besprochen wurde. Bei der konkreten Auswahlentscheidung der Vorstandsmitglieder soll er dann – der Übung des Vereins bei Personalentscheidungen entsprechend – den Raum verlassen haben. Mit der Beteiligung des Vereinsmitglieds und späteren Stelleninhabers am Entscheidungsverfahren (wenn nicht, wie von der Beklagtenvertreterin gemutmaßt, an der eigentlichen Entscheidung zu seinen Gunsten) soll der Kläger einem Interessenkonflikt unterlegen sein, weil er ein eigenes Interesse an der Übernahme einer entlohnten Funktion im Verein durch eigene Mitglieder gehabt habe. Ob der Vortrag insoweit zutreffend ist und ob aus rechtlicher Sicht diese Maßnahme einen Interessenkonflikt ausschließt, kann dahingestellt bleiben, weil die Personalauswahl für die geförderte Mitarbeiterstelle nicht der Auflage über Interessenkonflikte unterfällt.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das eigene Verständnis des Verfassers vom Inhalt der Auflage für deren Auslegung nicht maßgeblich ist. Maßgeblich für die Auslegung ist entsprechend §§ 133, 157 BGB vielmehr, wie der Empfänger sie ausgehend von ihrem Wortlaut und ihrem objektiven Gehalt nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der für ihn erkennbaren Umstände verstehen musste (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2017 – 10 C 3.16 -, BVerwGE 158, 199, Rn. 13 = juris Rn. 13; Urt. v. 20.06.2013 - 8 C 46.12 -, = juris Rn. 27; Urt. v. 27.06.2012 - 9 C 7.11 -, BVerwGE 143, 222, Rn 18 = juris Rn. 18; Urt. v. 02.09.1999 - 2 C 22.98 -, BVerwGE 109, 283, 286 = juris Rn. 20; Sächs. OVG, Urt. v. 25.10.2017 - 1 A 214/16 -, juris Rn. 38). Ausgehend hiervon konnte der Kläger schon aufgrund des Wortlauts der Auflage in Verbindung mit dem Merkblatt „Interessenkonflikte im Vergabeverfahren“ davon ausgehen, dass jedenfalls Arbeitsverträge von der Auflage nicht erfasst sind.
Arbeitsverträge sogenannter öffentlicher Auftraggeber unterfallen – anders als Dienstleistungsverträge – nämlich von vornherein nicht dem Vergaberecht. Nach § 107 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GBW) sind Arbeitsverträge vom Anwendungsbereich des Teils 4 des Gesetzes (Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen) ausgenommen. Mit dieser Bereichsausnahme hat der Gesetzgeber Art. 10 lit. g der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe (ABl. EU L 94, S. 65) umgesetzt. Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 25.10.2018 (C-260/17, juris Rn. 29) klargestellt, dass der Abschluss von Arbeitsverträgen vom Anwendungsbereich des Vergaberechts ausgenommen ist. Arbeitsverträge im Sinne der Bereichsausnahme definiert der EuGH als Verträge, mit denen eine öffentliche Stelle, um selbst Dienstleistungen zu erbringen, Mitarbeiter beschäftigt, die gegen Vergütung Leistungen nach Weisung erbringen. Erfasst werden auch befristete Arbeitsverhältnisse (ebd., Rn. 33). Auftraggeber, die zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben Arbeitsverträge schließen – wie im dort entschiedenen Fall öffentlich getragene Krankenhäuser für Gastronomie, Essensverteilung und Reinigung – erbringen diese Leistungen ausschreibungsfrei mit Eigenmitteln.
Im Übrigen fällt der Kläger auch nicht unter den Begriff des öffentlichen Auftraggebers, wie ihn der Beklagte in dem Merkblatt vom 01.07.2016, aber auch in dem ursprünglich dem Bewilligungsbescheid beigegebenen Merkblatt vom 09.10.2015 verwandt hat. Auch dieser Begriff ist vergaberechtlich geprägt und in § 99 GWB legaldefiniert. Darunter fallen auch juristische Personen des Privatrechts, zu denen der als eingetragener Verein verfasste Kläger nach § 21 BGB zählt, allerdings nur unter den weiteren Voraussetzungen von § 99 Nr. 2 oder Nr. 4 GWB fallen. In Betracht kommt im Anwendungsbereich von § 99 Nr. 2 GWB die Anwendung von lit. a. Danach sind öffentliche Auftraggeber juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern sie überwiegend von Gebietskörperschaften oder Verbänden im Sinne von § 99 Nr. 3 GWB finanziert werden. Der Kläger nimmt schon keine Aufgabe im Allgemeininteresse im Sinne der Vorschrift wahr, weil hiermit nicht jedwede gemeinnützigen Ziele gemeint sind, sondern Aufgaben der Daseinsvorsorge (vgl. Dörr, in: Burgi/Dreher, Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. I: GWB 4. Teil, § 99 Rn. 23). Ob es darüberhinausgehend an der überwiegenden Staatsfinanzierung des Klägers fehlt, kann damit offen bleiben. Bezugsgröße für die Bemessung des Finanzierungsanteils ist die Gesamtheit der Mittel, über die der betreffende Rechtsträger verfügt, nicht etwa die Finanzierung des konkreten Auftrags (vgl. Dörr, a.a.O., Rn. 54). Wie das Vorstandsmitglied I. in der mündlichen Verhandlung ausführte, finanziert sich der Kläger im Wesentlichen aus Mitgliedsbeiträgen. Wie das Gesamtaufkommen der Mittel des Klägers zu den Zuwendungen der öffentlichen Hand steht, musste nicht aufgeklärt werden. Auf die Projektfinanzierung stellt wiederum § 99 Nr. 4 GWB ab, allerdings nimmt der Kläger keine in der Regelung umschriebenen Aufgaben wahr.
Mit dem Verweis auf vergaberechtliche Entscheidungen im Merkblatt hat sich der Beklagte selbst inhaltlich auf die Reichweite des Vergaberechts gebunden. Der Wortlaut des Merkblatts „Interessenkonflikte im Vergabeverfahren“, der sich ausdrücklich nur auf Vergabeverfahren bezieht, steht nach Überzeugung der Kammer auch einer Auslegung im Sinne des Beklagten entgegen. Wie die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung ausführte, soll sich aus dem Merkblatt ein allgemeiner Rechtsgedanke ergeben, der die Beteiligung von befangenen Personen an Entscheidungsprozessen oder Entscheidungen über die (spätere) Verwendung von EELA-Fördermitteln ausschließt. Dazu soll die weitere Verpflichtung treten, bei dem Verdacht eines Interessenkonfliktes die Bewilligungsbehörde zu kontaktieren und mit Hilfe deren Beratung den Interessenkonflikt zu vermeiden. Sofern der Beklagte der Auflage diesen Inhalt hätte beigeben wollen, hätte er dies ausdrücklich formulieren müssen.
Der Kläger musste auch nicht wegen der Umstände des vorliegenden Falls davon ausgehen, dass die Auflage zu Interessenkonflikten die ihr vom Beklagten beigegebene weite Bedeutung hatte. Dagegen spricht schon, wie ausgeführt, der Wortlaut des Merkblatts vom 01.07.2016. Aber auch die Kommunikation zwischen dem Kläger und dem Beklagten im Vorfeld der Bewilligung der Förderung war nicht so eindeutig, wie der Beklagte meint. Zum ersten nahmen die Mitarbeiterinnen des Beklagten in ihren Emails zu keinem Zeitpunkt Bezug auf eine Verpflichtung zur Vermeidung von Interessenkonflikten bei der Stellenbesetzung. Zum zweiten waren Inhalt der Kommunikation die gewünschte Stellenausschreibung und die spätere Stellenbesetzung, nicht aber die Beteiligung von Vereinsmitgliedern am Besetzungsverfahren. Das Telefonat zwischen Dr. E. und einer Mitarbeiterin des Beklagten vom 24.02.2016 (BA 001, Bl. 27) sowie der Email-Verkehr zwischen Dr. E. und einer anderen Behördenmitarbeiterin (BA 001, Bl. 35, 53) hatten den Inhalt, dass die Stellen, die aus Fördermitteln finanziert werden sollten, ausgeschrieben und nicht mit dem Vorstandsmitglied Dr. E. und dem Vereinsmitglied F. besetzt werden sollten. Diese Hinweise konnte – drittens – der Kläger ohne weiteres so verstehen, dass eine Besetzung der Stellen mit den Genannten nicht ausgeschlossen sein sollte, sondern sie nur nicht von vornherein bei der Antragstellung als Stelleninhaber geführt werden sollten. Für ein solches Verständnis, das der Kläger nach Angaben des in der mündlichen Verhandlung anwesenden Vorstandsmitglieds I. auch tatsächlich hatte, spricht insbesondere der Email-Verkehr vom 05.04.2016. Dort fragte die Mitarbeiterin des Beklagten: „Frau (…) gegenüber haben Sie telefonisch zugesichert, dass die Personalstellen ausgeschrieben werden und nicht, wie in der Vorhabensbeschreibung vorgesehen durch Sie selbst und Herrn (…) besetzt werden. Könnten Sie dies noch einmal schriftlich formulieren, damit ich es den Antragsunterlagen hinzufügen kann und es dann auch im Antrag richtig dargestellt ist?“ (BA 001, Bl. 35). Hierauf antwortete Dr. E. am selben Tag: „Die Stellen werden bei G. ausgeschrieben.“. Zur Stellenbesetzung äußerte er sich nicht. Darauf erhielt er gleichwohl die Antwort „Vielen Dank!“ (BA 001, Bl. 53). Dies konnte der Kläger als Bestätigung sehen, mit der avisierten Ausschreibung alles Erforderliche veranlasst zu haben.
1.2.
Der Beklagte beruft sich auch zu Unrecht auf einen Verstoß des Klägers gegen eine Auflage mit dem Inhalt von Ziff. 1.2. der Verwaltungsvorschriften zu § 44 LHO vom 11.07.1996 (Nds. MBl. S. 1868) in der (am 31.08.2016 außer Kraft getretenen) Fassung vom 14.09.2015. Nach dieser Regelung dürfen Zuwendungen nur solchen Empfängern bewilligt werden, bei denen eine ordnungsgemäße Geschäftsführung gesichert erscheint und die in der Lage sind, die zweckentsprechende Verwendung der Mittel bestimmungsgemäß nachzuweisen. Eine Auflage des Inhalts ist dem Bescheid nicht beigegeben. In Betracht käme damit nur ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG. Danach kann ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen. § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG ermächtigt nur zum Widerruf für die Zukunft und ist für die mit Bescheid vom 14.12.2017 getroffene Entscheidung keine taugliche Ermächtigungsgrundlage.
2.
Auch ein Fall der Zweckverfehlung, der nach § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG zum Widerruf eines Zuwendungsbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit berechtigt, liegt nicht vor. Der Beklagte verweist im Widerrufsbescheid darauf, dass mit dem Abschluss von Arbeitsverträgen mit Dr. E. und H. F. die bewilligten Fördermittel nicht für das geförderte Projekt verwandt werden sollten, sondern für laufende Personalkosten des Klägers. Für diese Vermutung, die die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung nicht weiterverfolgt hat, spricht nichts. Nach den Angaben des in der mündlichen Verhandlung anwesenden Vorstandsmitglieds des Klägers waren beide Herren zu keinem Zeitpunkt außerhalb von gesondert geförderten Projekten Angestellte des Vereins und waren damit auch nicht mit laufenden Verwaltungsaufgaben betraut. Diese werden vielmehr von ehrenamtlich tätigen Vereinsmitgliedern der Geschäftsstelle des Klägers erledigt. Die Kammer hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln. Außerdem hat der Kläger mit den Verwendungsnachweisen, die den Mittelabrufen vom 27.02.2017 und 25.07.2017 (BA 002 und BA 003) beigegeben waren, dokumentiert, dass und in welchem Umfang sich beide Personen für das geförderte Projekt engagiert haben. Es wäre am Beklagten gewesen, anhand dieser Unterlagen nachzuweisen, dass die abgerechneten Stunden nicht mit dem geförderten Projekt übereinstimmen. Das hat der Beklagte, der jedenfalls grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Widerrufsgründen trägt, aber nicht geleistet.
Nach alledem liegt ein Widerrufsgrund nicht vor.
II.
Soweit der Kläger die Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Bescheidung seiner Anträge auf Auszahlung der bewilligten Fördersumme weiterverfolgt, ist sie zulässig und begründet.
Die auf Anraten des Gerichts vorgenommene Umformulierung (§ 86 Abs. 3 VwGO) des Antrags, die vom schriftsätzlich angekündigten Antrag abweicht, den Beklagten „zu verpflichten, an den Kläger die Fördersumme auszuzahlen“, stellt keine Klageänderung oder teilweise Klagerücknahme dar. Der ursprüngliche Klageantrag war weder eindeutig als Leistungsklage noch als Verpflichtungsklage zu verstehen und wurde vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung klargestellt.
Die Verpflichtungsklage in Gestalt der Bescheidungsklage ist hier der statthafte Rechtsbehelf. Der Zuwendungsbescheid vom 23.05.2016 ist vorliegend noch kein Rechtsgrund für die Auszahlung des bewilligten Betrages in Höhe von 153.140 EUR. Vielmehr ist durch den Zuwendungsbescheid lediglich eine Entscheidung dem Grunde nach getroffen und eine Förderhöchstsumme festgelegt worden; somit steht er unter dem Vorbehalt der Prüfung des Auszahlungsbetrags. Die Festsetzung des konkreten Auszahlungsbetrags erfordert einen weiteren Verwaltungsakt, durch den der Beklagte nach Prüfung des Verwendungsnachweises den Rechtsgrund für die Auszahlung schafft (vgl. zur statthaften Klageart VG Lüneburg, Urt. v. 11.04.2018 - 5 A 330/15 -, juris Rn. 77; Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 23. Aufl. 2017, § 42 Rn. 13). Ein solcher Verwaltungsakt liegt hier nicht vor. Die (nur) auf Bescheidung der Auszahlungsanträge vom 27.01.2017 und vom 25.07.2017 gerichtete Klage bindet die Kammer. Es besteht auch ein Rechtschutzbedürfnis des Klägers, weil der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Widerrufsbescheid auch die Auszahlung der beantragten Teilzahlungen abgelehnt hat.
Die Klage ist auch begründet. Rechtsgrundlage des Bescheidungsanspruchs ist der Bewilligungsbescheid des Beklagten, der nicht wirksam widerrufen wurde und damit weiterhin Bestand hat. Der Kläger stellte die Anträge unter dem 27.01.2017 auf eine Teilzahlung von 28.127,95 EUR und unter dem 25.07.2017 auf eine weitere Teilzahlung von 28.885,16 EUR vor Ablauf der im Bewilligungsbescheid festgesetzten Antragsfrist. Der Bewilligungszeitraum endete ausweislich des Änderungsbescheids vom 06.09.2016 am 30.06.2018. Nach Ziff. 5.1. des Zuwendungsbescheids vom 23.05.2016 war der letzte mögliche Zeitpunkt für die Vorlage eines Mittelabrufes (Auszahlungsantrags) der 31.07.2018. Weiter heißt es dort: „Für Förderanträge, die nicht oder nicht in voller Höhe zu diesem letzten vorgegebenen Auszahlungszeitpunkt abgerufen werden, verfällt der Auszahlungsanspruch. Ein Anspruch auf eine spätere Auszahlung besteht nicht.“ Danach handelt es sich bei dem letzten Auszahlungszeitpunkt um eine materiell-rechtliche Frist, die die materiell-rechtliche Position der Beteiligten berührt und deren Ablauf rechtsvernichtend wirkt (vgl. zur Festlegung des Bewilligungszeitraums VG Aachen, Urt. v. 09.11.2018 - 7 K 2485/14 -, juris Rn. 90, unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 22.10.1993 - 6 C 10.92 -, juris Rn. 16). Ob die weiteren Auszahlungsvoraussetzungen vorliegen, also insbesondere die einzelnen Ausgaben des Klägers förderfähig sind und hinreichend belegt wurden, wird der Beklagte zu prüfen haben.
III.
Weil der Widerruf des Zuwendungsbescheids aus den unter B.I. dargestellten Gründen rechtswidrig ist, fehlt es auch dem Kostenbescheid an einer Rechtsgrundlage. Er ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.
Die Kostenentscheidung beruht im Umfang der Teilerledigung des Rechtsstreits auf § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO, im Übrigen auf § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.08.1998 - 4 B 75.98 -, NVwZ-RR 1999, 407, 408). Nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist über die Verfahrenskosten unter Berücksichtigung des bisherigen Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es hier, im Umfang der Teilerledigung des Rechtsstreits dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil er mit seinem Antrag auf (Entscheidung über) die Auszahlung der Fördersumme von mehr als 57.013,11 EUR (28.127,95 EUR + 28.885,16 EUR) voraussichtlich unterlegen wäre. Soweit der Kläger noch vor Ablauf der im Bescheid festgelegten Antragsfrist für Ausgaben, die im Zusammenhang mit dem geförderten Projekt in den Bewilligungszeitraum gefallen sind, nach eigenen Angaben unter dem 29.01.2018 und dem 30.07.2018 Auszahlungsanträge gestellt hat, wäre die Klage unzulässig gewesen. Der Beklagte hat nach der Widerrufsentscheidung über die Anträge nicht mehr entschieden, es fehlt also an einer ablehnenden Entscheidung der Behörde, die Streitgegenstand sein könnte. Der Kläger hat auch davon abgesehen, auf die Bescheidung hinzuwirken oder Untätigkeitsklage zu erheben. Soweit der Kläger keinen weiteren, die Fördersumme dann ausschöpfenden Auszahlungsantrag gestellt hat, wäre auch insoweit die Klage unzulässig gewesen. Im Übrigen trägt der Beklagte nach § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Kostenquote ergibt sich dabei aus dem Verhältnis der jeweiligen Kostentragungspflicht. Dabei berücksichtigt die Kammer, dass der Kläger zwar mit der Anfechtung des Widerrufs des Bewilligungsbescheids vollumfänglich Erfolg hat, der Streitgegenstand seiner Klage aber insoweit wirtschaftlich identisch ist mit dem Streitgegenstand der im Wege der Klagehäufung ebenfalls verfolgten Verpflichtungsklage, gerichtet auf Entscheidung über seinen Auszahlungsanspruch.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.