Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 08.03.2022, Az.: 1 B 274/21

Abschiebung; Amtsarzt; Amtsärztliche Untersuchung; Aufklärungspflichten; Ergänzende fachärztliche Stellungnahme; Psychatrisches Gutachten; Suizidgefahr

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
08.03.2022
Aktenzeichen
1 B 274/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59825
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Ausländerbehörde ist in Anwendung des § 24 VwVfG i. V. m. § 1 NVwVfG verpflichtet, den Ausländer amtsärztlich zu untersuchen und erforderliche (fach-)ärztliche Stellungnahmen oder Gutachten einzuholen, wenn und soweit sich aus ärztlichen oder psychologischen Äußerungen, dem Vortrag des Ausländers oder aus sonstigen Erkenntnisquellen ausreichende Indizien für eine Reiseunfähigkeit (hier: aufgrund von Suizidgefahr) ergeben. In diesem Fall genügt eine amtsärztliche Auswertung der vorliegenden ärztlichen oder psychologischen Äußerungen nicht.

Tenor:

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, den Antragsteller im Hinblick auf seine Reisefähigkeit amtsärztlich zu untersuchen und dabei erforderliche fachärztliche Ergänzungsgutachten einzuholen und zu berücksichtigen. Bis zur Vorlage des amtsärztlichen Gutachtens wird der Antragsgegner verpflichtet, den Antragsteller zu dulden.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Der Antragsteller und der Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.

Der Wert des Streitgegenstands wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Dem Antragsteller wird ab Antragstellung ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin B. aus B-Stadt beigeordnet, soweit er im Hilfsantrag Erfolg hat. Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Die Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten im Prozesskostenhilfeverfahren werden nicht erstattet.

Gründe

Der Antrag des 1975 geborenen pakistanischen Antragstellers vom 21.12.2021,

dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, aufenthaltsbeendende Maßnahmen einstweilen einzustellen und dem Antragsteller eine Duldung gemäß § 60a AufenthG zu erteilen,

hilfsweise dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, die Reisefähigkeit des Antragstellers zu überprüfen, den Antragsteller in dem dafür erforderlichen Zeitraum zu dulden und aufenthaltsbeendende Maßnahmen nur dann fortzuführen, wenn dessen Reisefähigkeit ärztlich festgestellt worden ist,

hat nur teilweise Erfolg. Die Anträge sind im Haupt- und Hilfsantrag zulässig, aber nur im Hilfsantrag auch begründet.

Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands kann in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis auch dann getroffen werden, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Dazu ist gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft zu machen, dass der Antragsteller zur Abwendung dieser Nachteile auf sofortige gerichtliche Hilfe angewiesen ist (sog. Anordnungsgrund) und dass ein materieller Anspruch auf diese Regelung besteht (sog. Anordnungsanspruch). Im Unterschied zum Beweis verlangt die bloße Glaubhaftmachung keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Die tatsächlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs müssen jedoch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben sein und bei der dann vorzunehmenden vollen Rechtsprüfung zu dem Anspruch führen.

1.

Es besteht ein Anordnungsgrund, da der Antragsteller aufgrund des bestandskräftigen Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 08.06.2017 vollziehbar ausreisepflichtig ist, ihm die Abschiebung gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 Abs. 1 AufenthG angedroht worden ist und der Antragsgegner beabsichtigt, ihn abzuschieben. Ein erster Abschiebeversuch erfolgte bereits am XX.XX.XXXX, bei welchem der Antragsteller nicht angetroffen wurde.

2.

Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch im Hinblick auf den Hilfsantrag glaubhaft gemacht.

Eine Abschiebung ist gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG auszusetzen, solange sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.

Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung ist unter anderem gegeben, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers allein durch die Ortsveränderung voraussichtlich wesentlich verschlechterte oder eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmalig entstünde (Transportunfähigkeit oder Reiseunfähigkeit im engeren Sinne), aber auch dann, wenn das ernsthafte Risiko zu gewärtigen wäre, dass – außerhalb des Transportvorgangs – unmittelbar durch die Abschiebung als solche und unabhängig vom Zielstaat sich der Gesundheitszustand des Abzuschiebenden wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechterte (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne), ohne dass derlei Gefahren durch Vorkehrungen im Rahmen einer besonderen Gestaltung des Abschiebevorgangs ausgeschlossen oder minimiert werden könnten (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 07.09.2017 – 13 ME 157/17 –, juris Rn. 4). Hierunter fällt auch, wenn dem Ausländer bei seiner Ankunft im Zielstaat eine Gefährdung im Sinne des oben aufgezeigten Maßstabs droht, weil es an einer erforderlichen, unmittelbar nach der Ankunft einsetzenden Versorgung und Betreuung fehlt (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29.11.2010 – 18 B 910/10 –, juris Rn. 16; VG B-Stadt, Beschluss vom 15.11.2017 – 1 B 71/17 –, n. V.). Es geht also nicht nur darum, während des eigentlichen Abschiebevorgangs selbstschädigende Handlungen eines aufgrund einer psychischen Erkrankung suizidgefährdeten Ausländers zu verhindern; eine Abschiebung hat vielmehr auch dann zu unterbleiben, wenn sich durch den Abschiebevorgang die psychische Erkrankung (wieder) verschlimmert, eine latent bestehende Suizidalität akut wird und deshalb die Gefahr besteht, dass der Ausländer unmittelbar vor oder nach der Abschiebung sich selbst tötet (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21.06.2016 – 2 M 16/16 –, juris Rn. 4).

a)

Der Hauptantrag ist unbegründet. Die Reiseunfähigkeit des Antragstellers ist nicht glaubhaft gemacht.

Nach § 60a Abs. 2c AufenthG wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

Die vorgelegten aktuellen fachärztlichen Stellungnahmen/Arztbriefe des E. Fachklinikums B-Stadt, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie (06.09.2019, 19.03.2020, 20.08.2020, 11.05.2021, 01.12.2021) und der Universitätsmedizin B-Stadt, F.: Psychosoziale Medizin, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie (11.04.2018 und 09.07.2019) widerlegen die nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG vermutete Reisefähigkeit nicht.

Die fachärztlichen Stellungnahmen/Arztbriefe diagnostizieren u. a. eine rezidivierende depressive Störung (jeweils gegenwärtige schwere Episode), eine posttraumatische Belastungsstörung sowie Somatisierungsstörung und schildern Suizidgedanken des Antragstellers. So heißt es im vorläufigen (aktuellsten) Entlassungsbericht des E. Fachklinikums vom 01.12.2021, dass vor dem Hintergrund der psychiatrischen Diagnosen im Falle einer Abschiebung mit suizidalen Handlungen des Antragstellers zu rechnen sei (Bl. 236 d. BA 002).

Dies allein macht die Reiseunfähigkeit aber nicht glaubhaft. Unabhängig davon, ob der genannte vorläufige Entlassungsbrief die Voraussetzungen des § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG erfüllt, folgt aus den Feststellungen nicht die Reiseunfähigkeit des Antragstellers.

Denn neben dem Vorliegen einer konkreten Gefahr ist zu verlangen, dass diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder effektiv gemindert werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.09.2014 – 2 BvR 1795/14 –, juris Rn. 11). Sofern im konkreten Einzelfall eine entsprechende tatsächliche Gestaltung der Abschiebung möglich ist, die die aufgrund der bestehenden Suizidalität bestehende Gesundheits- und Lebensgefahr durch gewisse Vorkehrungen ausschließt, liegt keine Reiseunfähigkeit vor (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.02.1998 – 2 BvR 185/98 –, juris Rn. 4).

Der genannte vorläufige Entlassungsbericht erfüllt die danach notwendigen Voraussetzungen nicht, weil er sich nicht dazu verhält, ob eine Reisefähigkeit mit präventiven Vorkehrungen gegeben wäre.

b)

Der Hilfsantrag ist hingegen begründet. Der Antragsgegner ist verpflichtet, die Reisefähigkeit des Antragstellers durch eine amtsärztliche Untersuchung samt Einholung einer ergänzenden (fach-)ärztlichen Stellungnahme oder eines (fach-)ärztlichen Gutachtens überprüfen zu lassen, und den Aufenthalt des Antragstellers vorübergehend zu dulden.

Die Ausländerbehörde ist in Anwendung des § 24 VwVfG i. V. m. § 1 NVwVfG verpflichtet, den Sachverhalt weiter aufzuklären, wenn und soweit sich aus ärztlichen oder psychologischen Äußerungen, dem Vortrag des Ausländers oder aus sonstigen Erkenntnisquellen ausreichende Indizien für eine Reiseunfähigkeit ergeben. Ist das der Fall, wird regelmäßig eine amtsärztliche Untersuchung samt der Einholung einer ergänzenden (fach-)ärztlichen Stellungnahme oder eines (fach-)ärztlichen Gutachtens angezeigt sein (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss 15.06.2021 – 2 M 43/21 –, juris Rn. 22; Beschluss vom 21.06.2016 – 2 M 16/16 –, juris Rn. 5; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.02.2008 – 11 S 2439/07 –, juris Rn. 9). Da bei der Frage der Reisefähigkeit das Grundrecht des Betroffenen auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) tangiert wird und sich die möglichen Folgen, die bei einer trotz Reiseunfähigkeit durchgeführten Abschiebung entstehen, häufig nicht oder nur schwer rückgängig machen lassen, ist der Erlass einer Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO nicht erst dann geboten, wenn die Reiseunfähigkeit des Ausländers positiv feststeht, sondern bereits dann, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Ausländer wegen einer (psychischen) Erkrankung nicht reisefähig ist (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss 15.06.2021, a. a. O. m. w. N.). So ist bei substantiiert vorgetragenen oder sonst bekannt gewordenen Anhaltspunkten für eine Suizidgefahr als Folge einer psychischen Erkrankung – wie bei anderen psychischen Erkrankungen – im Regelfall schon vor Beginn einer Abschiebung ein (amts-)ärztliches – psychologisch-psychotherapeutisches oder psychiatrisches – Gutachten einzuholen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.02.2008, a. a. O.). In Anwendung dieser Grundsätze kann der Antragsteller erst abgeschoben werden, wenn seine (ggf. auch eingeschränkte) Reisefähigkeit in entsprechender Weise festgestellt worden ist.

Es liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller wegen einer (psychischen) Erkrankung nicht reisefähig sein könnte.

Wie bereits dargestellt, führt der aktuellste Entlassungsbericht des E. Fachklinikums vom 01.12.2021 aus, dass vor dem Hintergrund der psychiatrischen Diagnosen im Falle einer Abschiebung mit suizidalen Handlungen des Antragstellers zu rechnen sei. Auch im ärztlichen Entlassungsbrief vom 19.03.2020 heißt es schon, dass die Reisefähigkeit ggf. durch ein umfassendes Gutachten beurteilt werden müsse (Bl. 166 d. BA 002). Die Kammer lässt ausdrücklich offen, ob die Entlassungsberichte die Anforderungen an qualifizierte ärztliche Bescheinigungen (§ 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG) erfüllen. Jedenfalls geben diese in Zusammenschau mit den übrigen Stellungnahmen/Arztbriefen, den regelmäßigen längeren Aufenthalten auf Stationen des E. Fachklinikums und dem Vorbringen des Antragstellers Anlass, die Reisefähigkeit des Antragstellers umfassend zu überprüfen.

Der Antragsteller ist nach Aktenlage seit dem 05.06.2017 in ambulanter Betreuung des E. Fachklinikums. Von Beginn an wurden schwere depressive Episoden (ICD-10: F32.2) und eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10: F 43.1) diagnostiziert (Bl. 39 ff., 63 f. d. GA im Verfahren 2 A 491/17). Hinzu kamen eine Somatisierungsstörung (ICD-10: F 45.0), eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung: impulsiver Typ (ICD-10: F60.30), und die schweren depressiven Episoden wurden als rezidivierend beschrieben (siehe etwa die ärztlichen Berichte des E. Fachklinikums vom 19.03.2020 und 20.08.2021). Der Antragsteller befand sich vom 26.08.2019 bis zum 06.09.2019, vom 28.07.2020 bis zum 20.08.2020, vom 19.03.2021 bis zum 12.05.2021 und ab dem 18.10.2021 in stationärer Behandlung im E. Fachklinikum. Unter anderem Suizidgedanken waren stets ein Grund für die stationäre Behandlung des Antragstellers. Zudem steht der Antragsteller nach Anregung des E. Fachklinikums aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Northeim vom XX.XX.XXXX (G.) unter Betreuung.

Die vom Antragsteller angegeben Suizidgedanken sind angesichts der diversen fachärztlichen Stellungnahmen/Arztbriefe auch ausreichend glaubhaft gemacht.

Im Rahmen der stationären Behandlungen des Antragstellers kompensierte er Zurückweisungen und Enttäuschungen oftmals entweder mit Suizidalität, Anspannungszuständen oder Somatisierung (Bl. 206 d. BA 002). Die Nachricht des Abschiebungsversuches erreichte den Antragsteller während eines stationären Aufenthaltes im November 2021. Er äußerte dazu, dass er – wenn er zuhause gewesen wäre – aus dem Fenster gesprungen wäre. Nachfolgend sei eine massive Verschlechterung seines psychischen Zustandes eingetreten, insbesondere habe er depressiv dekompensiert und mit einem parasuizidalem Hunger- und Durststreik reagiert.

Eine danach notwendige und den oben dargestellten Anforderungen entsprechende amtsärztliche Untersuchung ist bislang nicht erfolgt. Zwar hat die Amtsärztin des Antragsgegners, Frau Dr. H., mehrfach (zuletzt am 07.12.2021, Bl. 219 d. BA 002) unter Auswertung der vorgelegten fachärztlichen Stellungnahmen/Arztbriefe die Reisefähigkeit des Antragstellers unter bestimmten Bedingungen (ärztliche Begleitung, Sicherheitsbegleitung und Fortführung ggf. einzunehmender Medikamente) angenommen. Der Antragsteller ist aber nie amtsärztlich unter Einholung einer ergänzenden fachärztlichen Stellungnahme untersucht worden. Unabhängig davon ist auch nicht ersichtlich, dass Frau Dr. H. über die fachliche Qualifikation für die Erstellung eines psychologisch-psychotherapeutischen oder psychiatrischen Gutachtens verfügt (vgl. zur fachliche Qualifikation: VG Karlsruhe, Beschluss vom 29.05.2015 – 7 K 2513/15 –, juris). Damit ist der Antragsgegner seiner im vorliegenden Einzelfall bestehenden Pflicht zur weiteren Sachverhaltsaufklärung durch amtsärztliche Begutachtung des Antragstellers nicht hinreichend nachgekommen.

Es mag zwar sein, dass sich die Einschätzung der Amtsärztin Frau Dr. H. zur bedingten Reisefähigkeit nach der amtsärztlichen Untersuchung unter Einholung einer ergänzenden fachärztlichen Stellungnahme so bewahrheitet, es ändert aus Sicht der Kammer aber nichts an der festgestellten Verpflichtung des Antragsgegners zur entsprechenden Untersuchung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 2 und 3 sowie 39 Abs. 1 GKG i. V. m. Ziffern 8.3 und 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt bei Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, Anh. § 164, Rn. 14). Danach ist der hälftige Auffangstreitwert, d. h. 2.500 Euro, der Festsetzung zugrunde zu legen. Der Hilfsantrag erhöht den Streitwert nicht (§ 45 Abs. 1 Satz 2 GKG). Nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG betreffen die geltend gemachten Ansprüche denselben Gegenstand, da Haupt- und Hilfsantrag teilidentisch sind.

Die beantragte Prozesskostenhilfe kann nur im tenorierten Umfang bewilligt werden, wobei die Kammer im Hinblick auf die Bemessung der Prozesskostenhilfe die Kostenquote im Eilverfahren für maßgeblich hält. Im Übrigen ist der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung abzulehnen, weil dem Antrag insoweit auch nach der im Prozesskostenhilfeverfahren nur vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.02.2007 – 1 BvR 474/05 –, NVwZ-RR 2007, 361, 362) unter Berücksichtigung des Zwecks der Prozesskostenhilfebewilligung die gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht nicht zukommt (vgl. zu im Hauptsacheverfahren einerseits und im Prozesskostenhilfeverfahren andererseits anzulegenden unterschiedlichen Maßstäben: BVerfG, Beschluss vom 08.07.2016 – 2 BvR 2231/13 –, juris Rn. 10 ff.). Insoweit ist die Entscheidung gebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 1 Abs. 1 GKG und § 166 VwGO i. V. m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).