Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 28.03.2022, Az.: 2 B 55/22
Aufrechnung; Baukindergeld; Belastung; Eigenheimzulage; Lastenzuschuss; Wohngeld
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 28.03.2022
- Aktenzeichen
- 2 B 55/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 59855
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 11 Abs 2 WoGG
- § 27 Abs 2 WoGG
- § 29 WoGG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Bei der Gewährung von Wohngeld in Form des Lastenzuschusses ist die Gewährung von Baukindergeld belastungsmindernd zu berücksichtigen. In welcher Form das Baukindergeld bei der Immobilienfinanzierung eingesetzt wird, ist unerheblich.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die darlehensweise Gewährung von Wohngeld.
Sie wohnt seit mehreren Jahren mit ihrem Ehemann und fünf Kindern unter der im Rubrum genannten Anschrift in einem wohl 163 qm großen Einfamilienhaus. Dafür erhielt sie in der Vergangenheit Wohngeld in Form des Mietzuschusses. Diesen hatte ihr der Antragsgegner mit Bescheid vom 29.01.2020 für den Zeitraum Januar bis November 2020 in Höhe von monatlich 372,- Euro und - auf Antrag vom 26.10.2020 - mit Bescheid vom 15.12.2020 für den Zeitraum Dezember 2020 bis November 2021 in Höhe von monatlich 363,- Euro bewilligt.
Tatsächlich hatten die Antragstellerin und ihr Mann am 23.11.2020 das Eigentum an dem Hausgrundstück durch Auflassung und Eintragung in das Grundbuch erworben. In dem notariellen Kaufvertrag vom 02.12.2020 hieß es, der Mietvertrag werde aufschiebend bedingt mit der Kaufpreiszahlung aufgehoben; der Besitzübergang erfolge am Tag nach Eingang des Kaufpreises in Höhe von 95.000,- Euro. Die Darlehen der Kreis-Sparkasse B-Stadt zur Finanzierung des Kaufpreises in Höhe von 100.000,- und 10.000,- Euro und/oder 5.000,- Euro wurden der Antragstellerin und ihrem Mann am 06.11.2020 ausgezahlt. Der Besitzübergang erfolgte entweder schon davor oder zeitnah danach. Am 17.01.2021 beantragte die Antragstellerin die Auszahlung von Baukindergeld. Die erste von zehn Zuschussraten in Höhe von jährlich 6.000,- Euro wurde ihr von der KFW im März 2021 überwiesen.
Am 22.04.2021 beantragte die Antragstellerin erstmals Lastenzuschuss für das Haus. In ihrem Antrag gab sie das Baukindergeld als „Eigenheimzulage“ an. Ferner erklärte sie, das Baukindergeld habe sie auf einen Bausparvertrag eingezahlt. In den nächsten neun Jahren solle gleichermaßen verfahren werden. Nach Ablauf von zehn Jahren solle der Bausparvertrag aufgelöst und das Guthaben von der Kreditsumme abgezogen werden. Das Geld stehe ihr derzeit somit nicht zur Verfügung.
Am 22.10.2021 nahm der Antragsgegner durch Bescheid Nr. 1 eine Neuberechnung des Wohngeldes wegen einer Änderung der Verhältnisse vor. Zugleich hob er den Bescheid vom 15.12.2020 „ab 01.11.2020“ auf und bewilligte der Antragstellerin für den Zeitraum November bis Dezember 2020 Wohngeld in Form des Lastenzuschusses von monatlich 125,- Euro. Aus der Begründung des Bescheides geht hervor, dass der Antragsgegner davon ausging, er habe auch den Bescheid vom 29.01.2020 für den Zeitraum ab dem 01.11.2020 aufgehoben. Explizit als Regelung formuliert ist die Aufhebung dieses Bescheides nicht. Weiter heißt es in dem Bescheid Nr. 1 vom 22.10.2021: Da die Antragstellerin für den Zeitraum November bis Dezember 2020 bereits Leistungen in Höhe von 735,- Euro erhalten habe, sei eine Überzahlung in Höhe von 485,- Euro eingetreten (735 Euro - 250 Euro). Über diesen Betrag werde zusammen mit Beträgen, die für andere Bewilligungszeiträume ermittelt würden, abgerechnet. In der Begründung wird ausgeführt: Zusammen mit einem für den Zeitraum Januar 2021 bis August 2021 überzahlten Betrag in Höhe von 1.728,- Euro ergebe sich eine überzahlte Summe von 2.213,- Euro. Diese könne mit dem Wohngeldanspruch für September bis November 2021 (441,- Euro) verrechnet werden, sodass sich eine Rückforderung in Höhe von 1.772,- Euro ergebe. Diesen möge die Antragstellerin erstatten. Die Antragstellerin leistete eine Erstattung nicht.
Durch Bescheid Nr. 2 vom 22.10.2021 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin für den Zeitraum Januar bis November 2021 Lastenzuschuss in Höhe von monatlich 147,- Euro. Da die Antragstellerin für den Zeitraum Januar bis Oktober 2021 bereits Leistungen in Höhe von 2.904,- Euro (363,- Euro x 8; ab September 2021 war eine Zahlungssperre gesetzt worden) erhalten habe, sei für diesen Zeitraum eine Überzahlung in Höhe von 1.434,- Euro (2.904 Euro - 1.470 Euro) eingetreten. Über diesen Betrag werde zusammen mit Beträgen, die für andere Bewilligungszeiträume ermittelt würden, abgerechnet. Bis zur Tilgung des Überzahlungsbetrages in Höhe von zurzeit 1.919,- Euro werde das Wohngeld ab November 2021 einbehalten.
Ausweislich der beiden Bescheiden beigefügten Berechnung zog der Antragsteller das Baukindergeld in Höhe von 6.000,- Euro von der jährlichen Belastung aus der Bewirtschaftung der Immobilie ab, wodurch sich die berücksichtigungsfähige Belastung verringerte.
Gegen beide Bescheide vom 22.10.2021 erhob die Antragstellerin am 23.11.2021 fristgerecht Klage (2 A 223/21), über die noch nicht entschieden ist.
Mit Vertrag vom 27.12.2021/31.01.2022/01.02.2022 traten die Antragstellerin und ihr Mann die Ansprüche aus dem Bausparvertrag, der nach den vorliegenden Unterlagen mit 12 x 300,- Euro oder 6.000 Euro jährlich bespart werden soll, an die Kreis-Sparkasse B-Stadt zur Sicherung von deren Ansprüchen aus dem Darlehensvertrag über 100.000 Euro ab.
Auf den Weiterleistungsantrag vom 10.11.2021 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin am 07.02.2022 durch Bescheid Nr. 1 für den Monat Dezember 2021 Lastenzuschuss in Höhe von 153,- Euro. Über diesen Betrag werde zusammen mit Beträgen, die für andere Bewilligungszeiträume ermittelt würden, abgerechnet. Durch Bescheid Nr. 2 vom 07.02.2022 bewilligte der Antragsgegner für den Zeitraum Januar bis November 2022 Lastenzuschuss in Höhe von 162,- Euro monatlich. Dadurch ergebe sich für die Monate Januar und Februar 2022 ein Betrag von 324,- Euro. Über diesen Betrag werde zusammen mit Beträgen, die für andere Bewilligungszeiträume ermittelt würden, abgerechnet. Bis zur Tilgung des Überzahlungsbetrags in Höhe von derzeit 1.295,- Euro werde das Wohngeld ab dem 01.03.2022 einbehalten. Der Antragsgegner wies darauf hin, dass eine erste Auszahlung anteilig erst ab November 2022 erfolgen werde. Das Baukindergeld wurde wiederum von der jährlichen Belastung aus dem Kapitaldienst und der Bewirtschaftung abgezogen.
Dagegen hat die Antragstellerin am 22.02.2022 Klage erhoben (2 A 54/22) und um vorläufigen Rechtsschutz ersucht. Zur Begründung trägt sie vor, sie habe das Wohnhaus zum 01.11.2020 erworben. Zu Unrecht habe der Antragsgegner die jährliche Belastung um das Baukindergeld reduziert. Denn die Kreis-Sparkasse B-Stadt habe die Vergabe des Darlehensvertrags davon abhängig gemacht, dass ein Bausparvertrag abgeschlossen werde, auf den das Baukindergeld eingezahlt werde. Würde die Kreis-Sparkasse B-Stadt das Baukindergeld direkt vereinnahmen und auf das Darlehen anrechnen, wären die monatlichen Raten höher. Die Entscheidung der Bank, das Baukindergeld auf einem Bausparvertrag anzusparen, dürfe nicht zulasten der Antragstellerin gehen. Sonst würde der mit dem Baukindergeld verfolgte Zweck, Familien mit Kindern den Erwerb eines Eigenheims zu ermöglichen, konterkariert. Ein Anordnungsgrund liege darin, dass die Antragstellerin ohne finanzielle Unterstützung nicht in der Lage sei, das Haus zu halten.
Die anwaltlich vertretene Antragstellerin beantragt wörtlich,
den Bescheid Nr. 2 vom 07.02.2022 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, vorläufig und darlehensweise das bewilligte Wohngeld zzgl. weiterer 500,- Euro seit Antragstellung auszuzahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er meint, die Antragstellerin hätte den Eigentumserwerb früher mitteilen müssen. Das Baukindergeld habe er rechtmäßig behandelt. Es diene unmittelbar der Senkung der mit dem Eigentumserwerb verbundenen Belastung. Wie es in die Bau- oder Kaufpreisfinanzierung einfließe, sei unerheblich. Irrelevant sei auch die Abtretung der Ansprüche aus dem Bausparvertrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, mit dem die Antragstellerin sinngemäß beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage im Hauptsacheverfahren (2 A 54/22) darlehensweise Wohngeld in Höhe von 662 Euro ab Februar 2022 zu gewähren und ohne Einbehalt auszuzahlen,
hat keinen Erfolg.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen werden, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Da eine vorläufige Regelung nach Wesen und Zweck dieses Verfahrens grundsätzlich nicht die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen darf, kann eine Verpflichtung zur Erbringung von Geldleistungen - wie sie im vorliegenden Fall begehrt wird - in diesem Verfahren nur ausgesprochen werden, wenn der Antragsteller die tatsächlichen Voraussetzungen für den entsprechenden Anspruch (sog. Anordnungsanspruch) sowie weiterhin glaubhaft macht, er befinde sich in einer existenziellen Notlage und sei deswegen - mit gerichtlicher Hilfe - auf die sofortige Befriedigung des Anspruchs dringend angewiesen (sog. Anordnungsgrund).
1. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Wohngeld wird gemäß § 1 Wohngeldgesetz (WoGG) zur wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens als Mietzuschuss oder Lastenzuschuss für den selbst genutzten Wohnraum geleistet. Eine vorläufige Gewährung von Wohngeld im Wege der einstweiligen Anordnung kommt nur dann in Betracht, wenn ohne dessen Leistung der Teilbetrag der Miete oder der Belastung, der andernfalls durch Wohngeld finanziert würde, vom Antragsteller nicht mehr aufgebracht werden könnte und deshalb mit dem Verlust der Wohnung zu rechnen wäre (vgl. VG Göttingen, Beschluss vom 19.02.2019 - 2 B 20/19 - und vom 07.03.2018 - 2 B 28/18 -; jeweils n. v.; BayVGH, Beschluss vom 14.11.2017 - 12 CE 17.2012 -, juris Rn. 3; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.02.2013 - 12 B 107/13 -, juris Rn. 4 ff.). Dass die Erhaltung ihres Wohnraumes gefährdet ist, hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, sondern lediglich pauschal und ohne weiteren Beleg behauptet. Gegen eine akute Wohnraumgefährdung spricht bereits, dass die Raten für Zins und Tilgung der von der Kreis-Sparkasse B-Stadt gewährten Darlehen ausweislich der von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen erst ab Oktober bzw. November 2023 fällig sind.
2. Daneben hat die Antragstellerin auch einen Anordnungsanspruch allenfalls teilweise glaubhaft gemacht.
a) Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch insoweit nicht glaubhaft gemacht, als es ihr um die Gewährung und Auszahlung eines höheren Wohngeldes geht als im Bescheid Nr. 2 vom 07.02.2022 zugesprochen. Sie hat nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner die berücksichtigungsfähige Belastung zu niedrig angesetzt hat.
Nach § 11 Abs. 2 Nr. 4 WoGG bleibt die Belastung, die sich nach § 10 WoGG ergibt, zu dem Anteil außer Betracht, der durch Leistungen aus öffentlichen Haushalten oder Zweckvermögen, insbesondere Leistungen zur Wohnkostenentlastung nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz, dem Wohnraumförderungsgesetz oder entsprechenden Gesetzen der Länder, an den selbst nutzenden Eigentümer zur Senkung der Belastung gedeckt wird, soweit die Leistungen nicht von § 14 Abs. 2 Nr. 30 WoGG erfasst sind.
Zu den Transferleistungen des § 14 Abs. 2 Nr. 30 bzw. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 9 WoGG gehört das Baukindergeld nicht.
Das Baukindergeld ist ein Zuschuss für den Ersterwerb von selbstgenutztem Wohneigentum für Familien mit Kindern aus Mitteln des Bundes mit dem förderpolitischen Ziel, die im EU-Vergleich sehr niedrige Wohneigentumsquote von Familien in Deutschland zu erhöhen. Die Förderung erfolgt durch einen Zuschuss in Höhe von 1.200 Euro pro Jahr für jedes Kind unter 18 Jahren über einen Zeitraum von maximal 10 Jahren (vgl. Merkblatt Baukindergeld, www.kfw.de). Voraussetzung der Förderung ist, dass die Unterzeichnung des Kaufvertrages oder die Erteilung der Baugenehmigung zwischen dem 01.01.2018 und 31.03.2021 erfolgte (www.bmwsb.bund.de > Themen > Wohnen & Stadtentwicklung > Wohngeld & Wohnraumförderung > Baukindergeld; www.kfw.de/baukindergeld).
Das aus öffentlichen Mitteln finanzierte und in Form des verlorenen Zuschusses gewährte Baukindergeld dient demnach unmittelbar dem Zweck, die mit dem Erwerb eines gebrauchten Eigenheims der dem Neubau einer selbstgenutzten Immobilie verbundenen Kosten zu senken. Es dient damit der Senkung der Belastung, wie es § 11 Abs. 2 Nr. 4 WoGG voraussetzt, und nicht etwa allgemein der Deckung des Lebensunterhalts.
Die Berücksichtigung des Baukindergeldes widerspricht nicht dem Zweck des § 11 Abs. 2 WoGG, sondern entspricht ihm. Die Vorschrift gewährleistet, dass Wohngeld nicht für eine Belastung gewährt wird, die durch zweckgebundene Beiträge aus öffentlichen Kassen gedeckt ist (Stadler/Gutekunst/Dietrich/Bräuer/Wiedmann, WoGG, Stand: Januar 2022, § 11 Rn. 13) und soll dadurch eine Doppelbegünstigung verhindern. Die Antragstellerin wäre aber doppelt begünstigt, wenn und soweit die identischen monatlichen Belastungen sowohl durch das Wohngeld als auch durch den KFW-Zuschuss ausgeglichen würden.
Der Antragsgegner weist zutreffend auf die Vergleichbarkeit des Baukindergeldes mit der früheren Eigenheimzulage hin. Die Eigenheimzulage diente bis zum 01.01.2006 der Herstellung oder Anschaffung einer Wohnung in einem eigenen Haus oder einer eigenen Eigentumswohnung (§ 2 und § 19 Abs. 9 des Eigenheimzulagengesetzes; EigZulG) und fokussierte sich weniger auf Familien als Förderungsempfänger. Sie wurde nach Nr. 7.24 Abs. 2 Buchst. d) der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Wohngeldgesetzes 2002 (WoGVwV 2002; BAnz. 2002, Nr. 11a) als Leistung Dritter zur Aufbringung der Belastung im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 WoGG in der Fassung vom 07.07.2005, gültig vom 14.07.2005 bis 31.12.2008 (a.F; BGBl. I 2005, 2029) angesehen. Die Eigenheimzulage nach dem EigZulG wurde daher bei der Wohngeldberechnung belastungsmindernd berücksichtigt (BayVGH, Beschluss vom 24.07.2006 - 9 CE 06.1458 -, juris Rn. 24).
In welcher Form das Baukindergeld bei der Immobilienfinanzierung im jeweiligen Einzelfall eingesetzt wird, ist unerheblich. Deshalb sind die vorliegend von der Antragstellerin und ihren Banken gewählten Gestaltungen unerheblich. Irrelevant ist damit auch die mit Vertrag vom 27.12.2021/31.01.2022/01.02.2022 erfolgte Abtretung der Ansprüche aus dem Bausparvertrag, auf den das Baukindergeld eingezahlt werden soll.
Es ist nicht der Zweck des Wohngeldes, Risiken aufzufangen, die sich infolge einer großzügigen und im Wesentlichen auf eine staatliche Förderung setzenden Immobilienfinanzierung realisieren.
b) Es bleibt angesichts des fehlenden Anordnungsgrundes dahingestellt, ob die Antragstellerin insoweit einen Anordnungsanspruch hat, als es ihr um die Auszahlung des durch Bescheid Nr. 2 vom 07.02.2022 bewilligten Wohngeldes geht. Insoweit weist die Einzelrichterin allerdings auf Folgendes hin:
Es ist fraglich, ob eine rechtmäßige Aufrechnung vorliegt, die den derzeitigen Einbehalt von Wohngeld rechtfertigt.
In den Bescheiden Nr. 1 und Nr. 2 vom 22.10.2021 sowie in den Bescheiden Nr. 1 und Nr. 2 vom 07.02.2022 hat der Antragsgegner sinngemäß die Aufrechnung einer Erstattungsforderung gegen Wohngeldansprüche der Antragstellerin erklärt.
Ein Aufrechnungsverbot besteht - auch der Höhe nach - nicht. Gemäß § 29 Abs. 2 WoGG kann die Wohngeldbehörde mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachten Wohngeldes abweichend von § 51 Abs. 2 SGB I gegen Wohngeldansprüche statt bis zu deren Hälfte in voller Höhe aufrechnen.
Allerdings muss die Erstattungsforderung, mit der aufgerechnet werden soll, in der Form des Rückforderungsbescheides nach § 50 Abs. 3 SGB X geltend gemacht werden. Sie ist erst fällig, wenn der Bescheid bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet wurde (Stadler/Gutekunst/Dietrich/Bräuer/Wiedmann, WoGG, Stand: Januar 2022, § 29 Rn. 23; VG Lüneburg, Beschluss vom 28.04.2004 - 4 B 66/04 -, juris Rn. 4 f.)
aa) Dem Antragsgegner steht eine Erstattungsforderung gegenüber der Antragstellerin zu.
Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen (§ 50 Abs. 3 SGB X).
Durch Bescheid Nr. 1 vom 22.10.2021 hat der Antragsgegner den Bewilligungsbescheid vom 15.12.2020 (Bewilligungszeitraum: Dezember 2020 bis November 2021) aufgehoben. Trotz eines fehlenden expliziten Ausspruchs ist der Bescheid Nr. 1 vom 22.10.2021 dahingehend auszulegen, dass er auch den Bewilligungsbescheid vom 29.01.2020 ab November 2020 aufhebt. Indem der Bescheid Nr. 1 vom 22.10.2021 in seinem Regelungsteil auf den „Bescheid vom 15.12.2020“ „ab dem 01.11.2020“ Bezug nimmt, enthält er eine widersprüchliche, auslegungsbedürftige Aussage, da der genannte Bescheid den Monat November 2020 nicht abdeckte. Aus der Begründung des Bescheides Nr. 1 vom 22.10.2021 ergibt sich hinreichend eindeutig, dass der Antragsgegner den Bescheid vom 29.01.2020 für die Zeit ab dem 01.11.2020 und den Bescheid vom 15.12.2020 für die Zeit ab dem 01.12.2020 aufheben wollte. Der Regelungsteil des Bescheides ist daher bei verständiger Würdigung entsprechend auszulegen. Auch die Antragstellerin hat hier kein anderes Verständnis.
Die Aufhebung des Bescheides vom 29.01.2020 für die Zeit ab dem 01.11.2020 und des Bescheides vom 15.12.2020 für die Zeit ab dem 01.12.2020 beruhte auf § 27 Abs. 2 WoGG, hinsichtlich des ersten Bescheides i.V.m. § 27 Abs. 4 WoGG.
Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WoGG ist über die Leistung des Wohngeldes von Amts wegen mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse unter Aufhebung des Bewilligungsbescheides neu zu entscheiden, wenn sich im laufenden Bewilligungszeitraum nicht nur vorübergehend die zu berücksichtigende Miete oder Belastung abzüglich der Beträge zur Entlastung bei den Heizkosten um mehr als 15 Prozent verringert und dadurch das Wohngeld wegfällt oder sich verringert. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in diesem Fall der Beginn des Zeitraums, für den sich die zu berücksichtigende Miete oder Belastung abzüglich der Beträge zur Entlastung bei den Heizkosten um mehr als 15 Prozent verringert (Satz 2). Tritt die Änderung der Verhältnisse nicht zum Ersten eines Monats ein, ist mit Wirkung vom Ersten des nächsten Monats an zu entscheiden (Satz 3). Eine Neuentscheidung von Amts wegen muss innerhalb eines Jahres, nachdem die Wohngeldbehörde von der Änderung der Verhältnisse Kenntnis erlangt hat, erfolgen (Satz 6). Die Neuentscheidung ist unabhängig vom Bestehen einer Mitteilungspflicht (Satz 7). § 27 Abs. 2 WoGG gilt entsprechend, wenn sich die Änderungen auf einen abgelaufenen Bewilligungszeitraum beziehen; wobei dann andere – hier nicht relevante – Ausschlussfristen gelten (§ 27 Abs. 4 WoGG).
Durch den Erwerb des Eigentums an dem früheren Mietobjekt ist die berücksichtigungsfähige Miete und damit der Anspruch auf Mietzuschuss vollständig entfallen. Diese Änderung trat zum 01.11.2020 ein, weil die Antragstellerin selbst dieses Datum als dasjenige „des Erwerbs“ angibt. Dass die Eigentumsumschreibung im Grundbuch erst später erfolgte und der Kaufvertrag eine Auflösung des Mietverhältnisses und einen Besitzübergang erst nach Kaufpreiszahlung vorsah, die nicht vor dem 06.11.2020 erfolgte, ist daher unerheblich. Die Antragstellerin hat offenbar ab November 2020 keine Miete mehr gezahlt. Mit Wirkung zum 01.11.2020 war daher nach § 27 Abs. 2 WoGG - bezogen auf den Bescheid vom 29.01.2020 i.V.m. § 27 Abs. 4 WoGG - unter Aufhebung der Bewilligungsbescheide über die Leistung des Wohngeldes neu zu entscheiden.
Eine Anhörung vor der erneuten Entscheidung nach § 27 Abs. 2 WoGG ist, sofern eine solche angesichts der Mitteilungspflichten des § 27 Abs. 3 WoGG überhaupt erforderlich sein sollte, mit Schreiben vom 03.08.2021 erfolgt. Eine Vertrauensschutzprüfung nach § 48 SGB X findet nicht statt (zu beidem: Stadler/Gutekunst/Dietrich/Bräuer/Wiedmann, WoGG, Stand: Januar 2022, § 27 Rn. 41 f.).
Dass dem Antragsgegner bei der Neuberechnung des Wohngeldanspruchs in den Bescheiden Nr. 1 und Nr. 2 vom 22.10.2021 sowie bei der Wohngeldberechnung in den folgenden Bescheiden Nr. 1 und Nr. 2 vom 07.02.2022 Fehler unterlaufen sind, ist nicht ersichtlich; hinsichtlich der Behandlung des Baukindergeldes gelten die obigen Ausführungen. Fehler in der Berechnung der Erstattungsforderung, die sich - ohne Verrechnungen - laut Bescheid Nr. 1 vom 22.10.2021 auf 2.213,- Euro beläuft, sind ebenfalls nicht ersichtlich.
bb) Es dürfte jedoch an der Fälligkeit der Erstattungsforderung fehlen, da der Bescheid Nr. 1 vom 22.10.2021 fristgerecht angefochten wurde und daher nicht bestandskräftig ist. Dahingestellt bleibt, ob der Antragsgegner die Erstattungsforderung im Bescheid Nr. 1 vom 22.10.2020 hinreichend eindeutig im Sinne des § 50 Abs. 3 SGB X festgesetzt hat. Es wird zwar eine Überzahlung von 2.213,- Euro genannt, um dann aber sogleich eine Verrechnung vorzunehmen und die Antragstellerin zur Begleichung der „Rückforderung in Höhe von 1.772,- Euro“ aufzufordern. Dahinstehen lässt die Einzelrichterin weiter, ob der Antragsgegner das ihm in § 51 Abs. 2 SGB I und § 29 Abs. 2 WoGG wohl eingeräumte Ermessen erkannt hat und ob die Aufrechnung durch Verwaltungsakt - mit der Folge eines Anhörungserfordernisses nach § 24 SGB X - oder schlicht-hoheitliches Handeln zu erklären ist (dazu: Stadler/Gutekunst/Dietrich/Bräuer/Wiedmann, WoGG, Stand: Januar 2022, § 29 Rn. 30, 32 ff. m.w.N.)
Da die Antragstellerin unterliegt, hat sie gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden in Wohngeldsachen als Angelegenheiten der Fürsorge nach § 188 Satz 2 Hs. 1 VwGO nicht erhoben (BVerwG, Urteil vom 23.04.2019 - 5 C 2.18 -, BVerwGE 165, 235 = juris Rn 36 ff.).
Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilrechts-schutzverfahren wird abgelehnt, weil die Rechtsverfolgung aus den vorstehend genannten Gründen keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dies gilt auch unter Berücksichtigung des im Prozesskostenhilfeverfahren anzulegenden Prüfungsmaßstabs.