Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 28.01.2003, Az.: 3 A 3506/02

Aktivlegitimation; Anfechtungklage; Bewilligungsbescheid; bewohnerbezogener Aufwendungszuschuss; Ermessen; Ermessensausübung; Heimkosten; Heimunterbringung; Landeskinderregelung; Pflegeeinrichtung; Pflegegesetz; Pflegekosten; Vertrauensschutz; Widerruf

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
28.01.2003
Aktenzeichen
3 A 3506/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 47961
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

In den Verwaltungsverfahren nach dem Niedersächsischen Pflegegesetz (NPflegeG) ist das VwVfG anzuwenden. Als Rechtsgrundlage für den Widerruf eines ursprünglich rechtmäßigen Bescheides, der aufgrund der durch das Haushaltsbegleitgesetz 2002 ohne Übergangsvorschrift eingeführten sogen. Landeskinderregelung rechtswidrig geworden ist, kommt deshalb nur § 49 Abs. 2 VwVfG und nicht § 48 Abs. 1 SGB X in Betracht.

Tatbestand:

1

Die am 12.06.1905 geborene Klägerin wendet sich gegen den Widerruf der Bewilligung des bewohnerbezogenen Aufwendungszuschusses nach dem Niedersächsischen Pflegegesetz (NPflegeG).

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Bis zu ihrer Heimaufnahme lebte die Klägerin in Ulm. Am 02.04.2000 zog sie in das Alten- und Pflegeheim {B.} des {H.} in {I.}.

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Mit Bescheid vom 14.07.2000 bewilligte die damals zuständige Landeshauptstadt Hannover dem Alten- und Pflegeheim des {H.} einen bewohnerbezogenen Aufwendungszuschuss für die Klägerin gemäß § 13 NPflegeG in der damals gültigen Fassung.

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Durch Bescheid vom 19.12.2001 widerrief die Beklagte den Bescheid vom 14.07.2000 über die Bewilligung des bewohnerbezogenen Aufwendungszuschusses mit Wirkung vom 01.01.2002 unter Berufung auf § 49 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG. Zur Begründung wurde ausgeführt, das Land Niedersachsen habe am 14.12.2001 durch das Haushaltsbegleitgesetz (HBegleitG 2002) mit Wirkung vom 01.01.2002 eine Änderung des Niedersächsischen Pflegegesetzes beschlossen. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NPflegeG sei die Gewährung des bewohnerbezogenen Aufwendungszuschusses ab diesem Zeitpunkt unter anderem von dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt vor der Heimaufnahme des Begünstigten in Niedersachsen abhängig zu machen. Gemäß § 49 Abs. 2 VwVfG dürfe ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Aufgrund der Gesetzesänderung bestehe kein Anspruch auf Gewährung des bewohnerbezogenen Aufwendungszuschusses mehr, da die Klägerin zum Zeitpunkt der Heimaufnahme ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Niedersachsen gehabt habe. Der Bewilligungsbescheid sei daher zu widerrufen und habe die Leistungseinstellung des bewohnerbezogenen Aufwendungszuschusses zur Folge.

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Zur Begründung ihres Widerspruchs vom 08.01.2002 trug die Klägerin vor, der Bescheid vom 14.07.2000 enthalte keinen Widerrufsvorbehalt. Auch fehle es bei dem Widerruf an einer Ermessensausübung. Im Übrigen sei die Beschränkung auf Landeskinder in dem Niedersächsischen Pflegegesetz mit Bundesrecht nicht vereinbar.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 16.07.2002 wies die Bezirksregierung Hannover den Widerspruch als unbegründet zurück. Ab dem 01.01.2002 sei die Anspruchsvoraussetzung des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NPflegeG nicht mehr erfüllt. Der Widerruf nach § 49 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG erfolge aufgrund einer geänderten Rechtsvorschrift. Auch habe der Begünstigte, die Pflegeeinrichtung, von der Begünstigung keinen Gebrauch gemacht. Der Vollzug und die Umsetzung eines Gesetzes würden auch immer ein öffentliches Interesse begründen. Die Klägerin sei von der Gesetzesänderung auch nur insoweit betroffen, als durch die Zahlung des bewohnerbezogenen Aufwendungszuschusses die Beantragung von Sozialhilfe vermieden worden sei. Das öffentliche Interesse an einer Rücknahme des Verwaltungsaktes überwiege gegenüber dem finanziellen Interesse des Pflegeheims am Fortbestand des Verwaltungsaktes. Durch die Gesetzesänderung könne der Pflegebedürftige für die ihm in Rechnung gestellten Aufwendungen Sozialhilfe beantragen.

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Am 06.08.2002 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie müsse die Investitionskosten der Pflegeeinrichtung entgegen § 9 SGB I in voller Höhe selbst zahlen, obwohl die Einrichtung nach dem NPflegeG als zu förderndes Heim anerkannt worden sei. Auch sei die Beklagte nicht auf einen Vertrauensschutz eingegangen. Ebenso wenig habe sie sich mit persönlichen familiären Gründen auseinandergesetzt, die sie - die Klägerin - damals bewogen hätten, in das jetzige Heim in Niedersachsen zu ziehen. Durch die Einstellung der Förderung gegenüber der Einrichtung sei sie der heimvertraglichen Pflicht zur Zahlung der vollen Investitionskosten ausgesetzt. § 82 Abs. 2 SGB XI gehe aber grundsätzlich von der Deckung durch Förderung bei diesen Kosten aus. Denn die Pflegeeinrichtungen dürften neben der Pflegevergütung und dem Entgelt für Unterkunft und Verpflegung nur dann Investitionsaufwendungen gesondert berechnen, wenn diese nicht vollständig durch öffentliche Förderung gedeckt seien. Da die Vertragseinrichtung der Klägerin nach niedersächsischem Recht als zur ausreichenden Struktur ausdrücklich erforderlich und damit förderungsfähig festgestellt worden sei, sei der totale gesetzliche Ausschluss von Förderung und die volle Berechnung gegenüber der Klägerin rechtswidrig.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 19.12.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Hannover vom 16.07.2002 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte wiederholt insbesondere die Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Hannover vom 16.07.2002.

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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

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Der Widerrufsbescheid der Beklagten vom 19.12.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Hannover vom 16.07.2002 erweist sich als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§§ 113 Abs. 1 Satz 1, 114 Satz 1 VwGO).

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Die Klägerin ist aktiv legitimiert. Allerdings haben nach § 13 Abs. 1 NPflegeG die dort genannten Einrichtungen - und nicht die Heimbewohner - einen Anspruch auf Zahlung des bewohnerbezogenen Aufwendungszuschusses. Dennoch kann die Klägerin als Heimbewohnerin hier im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen, durch den Widerruf des Bewilligungsbescheides in ihren Rechten verletzt zu sein, denn die Klägerin ist diejenige, deren Rechtsstellung sich durch den Widerruf der Entscheidung über eine Gewährung des Zuschusses ändert, mithin die letztlich Betroffene der angefochtenen Entscheidung.

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Die Kammer hat hinsichtlich der Gewährung oder Verweigerung des bewohnerbezogenen Zuschusses dazu in ihrem Urteil vom 20.11.2001 im Verfahren 3 A 1816/01 ausgeführt:

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„Der bewohnerbezogene Aufwendungszuschuss nach § 13 NPflegeG entspricht der Höhe nach den Investitionsaufwendungen, die gemäß § 82 Abs. 2 SGB XI nicht Bestandteil der Pflegevergütungen sein dürfen, sondern den Heimbewohnern gesondert nach § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XI in Rechnung gestellt werden können. Dass es sich hier um identische Posten handelt, ergibt sich aus den Verweisen in § 13 und § 19 NPflegeG auf die Bemessungsgrößen des § 9 NPflegeG. § 19 regelt die Zustimmung der Landesbehörde gemäß § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XI zu der Höhe der gesondert in Rechnung zu stellenden Investitionskosten. Dies bedeutet, dass die Einrichtung diese Investitionskosten entweder von dem Heimbewohner gem. § 82 Abs. 3 SGB XI, oder - werden die Anrechnungsgrenzen nach § 13 NPflegeG unterschritten - als bewohnerbezogenen Aufwendungszuschuss durch die Förderbehörde erhält. Nicht die Einrichtung, sondern der Heimbewohner wird daher durch eine ablehnende Entscheidung getroffen. Die wirtschaftliche Entlastung durch eine positive - und die Belastung bei einer negativen - Entscheidung trifft daher zunächst den Heimbewohner.

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Auch aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass Begünstigter des Zuschusses der Heimbewohner sein sollte. So ist es danach Aufgabe des Zuschusses, Sozialhilfebedürftigkeit der Heimbewohner zu vermeiden (LTDrs. 13/1705, 41). Auch die regelmäßig in den Beratungen verwendete Bezeichnung als „Pflegewohngeld“ unterstreicht den unmittelbaren Bezug der Zuwendung zu dem Heimbewohner. Weiter kommt es bei der Entscheidung - wenn die Bewilligung nicht an der Anerkennung der Einrichtung als erforderlich i.S.d. § 8 NPflegeG scheitert - allein auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Heimbewohners, nicht jedoch auf die finanziellen Verhältnisse der Einrichtung an. Der Umstand, dass die tatsächliche Begünstigung und die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen in der Person des Heimbewohners zusammenfallen, lässt hier nur den Schluss zu, dass jedenfalls auch seine subjektiven öffentlichen Rechte durch die Entscheidung der Beklagten betroffen sind und daher in Ansehnung von Art. 19 Abs. 4 GG auch gerichtlich durchgesetzt werden können.“

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Gleiches muss auch gelten, wenn es um den Widerruf der Bewilligung des bewohnerbezogenen Zuschusses geht.

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Die Klage ist auch begründet, da der angegriffene Widerrufsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids rechtswidrig ist.

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Die Beklagte hat ihren Widerruf zu Recht auf § 49 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (NVwVfG) und nicht auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X gestützt. Zwar spricht nach Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Urteil vom 10.04.2002 - 4 LB 4/02 - , NVwZ-RR 2003, S. 125 ff. [OVG Nordrhein-Westfalen 28.05.2002 - 12 B 360/02]) Vieles dafür, dass für die Verwaltungsverfahren nach dem Niedersächsischen Pflegegesetz das SGB X und nicht das VwVfG anzuwenden sei:

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„Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB X gelten die Vorschriften des ersten Kapitels (§§ 1 bis 66) des SGB X für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden, die nach dem SGB ausgeübt wird. Für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts zur Ausführung von besonderen Teilen dieses Gesetzbuches, die nach Inkrafttreten der Vorschriften dieses Kapitels Bestandteil des Sozialgesetzbuches werden, gilt dies gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB X aber nur, soweit diese besonderen Teile mit Zustimmung des Bundesrates die Vorschriften dieses Kapitels für anwendbar erklären. Diese Regelung ist in § 1 SGB X mit der Begründung aufgenommen worden, dass der Bund keine selbständige Gesetzgebungszuständigkeit für den Erlass von Verfahrensregelungen habe (BR-Drucks. 288/80, Anl. S. 1 Nr. 1). Das bedeutet, dass für die nach dem Inkrafttreten des 1. Kapitels SGB X Gesetz werdenden Teile des SGB die Anwendbarkeit des SGB X jeweils besonders geregelt werden muss. Für das SGB XI (soziale Pflegeversicherung) ist in § 46 Abs. 2 Satz 4 SGB XI ausdrücklich bestimmt, dass bei der Ausführung dieses Buches das 1. Kapitel des Zehnten Buches (des SGB) anzuwenden ist. Zwar sind die bewohnerbezogenen Aufwendungszuschüsse für vollstationäre Einrichtungen der Dauerpflege in § 13 NPflegeG geregelt. Auch ist weder in dem NPflegeG noch in der Verordnung zur Durchführung des NPflegeG (DVO-NPflegeG i.d.F. vom 28.07.2000, Nds.GVBl. 2000, S. 209 ff.) eine entsprechende Regelung über die Anwendbarkeit des SGB X enthalten. Bei dem NPflegeG handelt es sich aber um ein Ausführungsgesetz zum Pflegeversicherungsgesetz des Bundes (SGB XI). Dies ergibt sich bereits aus der amtlichen Überschrift des NPflegeG, die lautet: „Gesetz zur Planung und Förderung von Pflegeeinrichtungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch“. Aus diesem Grund liegt es nahe, die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide an § 45 SGB X zu messen.“

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Das Oberverwaltungsgericht hat diese Frage nicht entscheiden müssen, weil es zu dem Ergebnis gekommen war, dass der konkrete Fall in Anwendung von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X bzw. § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG gleich zu beurteilen sei. In beiden Vorschriften seien entsprechende Regelungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes enthalten.

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Hier geht es jedoch um den Widerruf eines ursprünglich rechtmäßigen Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung nach einer Änderung der gesetzlichen Grundlage für die Bewilligung. Mit Einführung der sog. Landeskinderregelung hat die Einrichtung keinen Anspruch mehr auf den bewohnerbezogenen Aufwendungszuschuss für die Klägerin. Die Beklagte hat sich in dem angegriffenen Bescheid dabei auf § 49 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG gestützt. Danach „darf“ ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Die Entscheidung über den Widerruf steht daher grundsätzlich im Ermessen der Behörde und muss entsprechend begründet werden. Dies gilt vor allem dann, wenn gewichtige Gründe vorliegen, die gegen einen Widerruf sprechen. Anders verhält es sich jedoch bei einer Anwendung des SGB X. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X „ist“ ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Danach hat die Behörde kein Ermessen, sondern muss den Bewilligungsbescheid aufheben. Die Frage, welche Verwaltungsverfahrensvorschriften anzuwenden sind, kann daher in diesem Verfahren nur offen bleiben, wenn sich das Ermessen der Behörde in einer Weise reduziert hätte, dass die Beklagte zwingend gehalten war, den Bewilligungsbescheid aufzuheben. Für eine derartige Ermessensreduzierung auf Null bestehen indes keinerlei Anhaltspunkte.

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Nach Auffassung des Gerichts ist für das Verwaltungsverfahren nach dem NPflegeG das VwVfG und nicht das SGB X zugrunde zu legen. Es ist bereits fraglich, ob es sich bei dem NPflegeG um ein Ausführungsgesetz zum Pflegeversicherungsgesetz des Bundes (SGB XI) handelt. Selbst wenn man dem folgt, kann jedoch nicht auf eine Anwendbarkeit des SGB X geschlossen werden. Eine Bewilligung des bewohnerbezogenen Aufwendungszuschusses erfolgt nach § 13 NPflegeG. Schon bei formaler Betrachtung handelt es sich gerade nicht um eine Angelegenheit nach dem SGB XI, sondern um eine Angelegenheit auf der Grundlage des vom Landesgesetzgeber erlassenen NPflegeG. Gegen diese formale Abgrenzung spricht insbesondere nicht § 9 SGB XI, wonach die Länder für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur verantwortlich sind. Bei § 9 SGB XI handelt es sich lediglich um einen allgemeinen Programmsatz. Von daher hätte in dem NPflegeG die Anwendbarkeit des SGB X ausdrücklich festgelegt werden müssen, wenn für das Verwaltungsverfahren das SGB X gelten soll. § 2 Abs. 2 Nr. 3 NVwVfG sieht vor, dass das NVwVfG für Verfahren nach dem Sozialgesetzbuch keine Anwendung findet. Bei den Verwaltungsverfahren nach dem NPflegeG handelt es sich aber gerade nicht um Verfahren nach dem Sozialgesetzbuch, insbesondere nicht nach dem SGB XI, auch wenn die Länder aufgrund des § 9 Satz 2 SGB XI die Landesgesetze zur Planung und Förderung der Pflegeeinrichtungen erlassen haben.

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Der von der Klägerin angegriffene Widerruf ist daher an § 49 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 NVwVfG zu messen. Danach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem der unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Weiter setzt die Vorschrift voraus, dass der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder aufgrund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und dass ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift liegen vor.

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Der Bewilligungsbescheid ist mit der Einführung der Landeskinderregelung durch das HBegleitG 2002 rechtswidrig geworden, weil der Pflegeeinrichtung für die Klägerin kein bewohnerbezogener Aufwendungszuschuss mehr zusteht. Die Beklagte stellt in dem angegriffen Bescheid vom 19.12.2001 ausschließlich auf diesen Umstand ab und führt aus, dass der Bewilligungsbescheid daher zu widerrufen sei.

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Die Pflegeeinrichtung als Begünstigter hat von der Begünstigung für den Zeitraum ab dem 01.01.2002 auch noch keinen Gebrauch gemacht. Unter „Gebrauch machen“ ist jede rechtserhebliche Handlung zur Nutzung der Vergünstigung zu verstehen ist. Bei Verwaltungsakten, die auf eine wiederkehrende Leistung gerichtet sind, ist der (Teil-) Widerruf mit Wirkung für die Zukunft für die noch nicht gewährten Leistungen möglich (Meyer, in: Knack, VwVfG, 7. Aufl., 2000, § 49 Rdnr. 59). Dies ist hier gegeben.

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Weiter verlangt die Widerrufsvorschrift, dass ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde, d.h., dass der Widerruf im öffentlichen Interesse zur Abwehr von Nachteilen für den Staat, Einzelne oder die Allgemeinheit usw. erforderlich sein muss. Notwendig ist insoweit eine durch den Bestand des Verwaltungsakts gegebene konkrete Gefährdung, zu deren Beseitigung der Widerruf beitragen kann und erforderlich ist (vgl. BVerwG, U. v. 24.01.1992 - 7 C 38/90 - , NVwZ 1992, S. 565 f.). Auch „fiskalische“ Interessen sind öffentliche Interessen; im öffentlichen Interesse liegt z.B. grundsätzlich auch die sparsame Verwaltung öffentlicher Mittel und die Vermeidung überflüssiger Aufwendungen. Zwar hat die Bezirksregierung hier nur ausgeführt, dass der Vollzug und die Umsetzung eines Gesetzes immer auch ein öffentliches Interesse begründen würden. Der Begründung zu der Änderung des NPflegeG (Nds. LT - 14. Wahlperiode - 91 Plenarsitzung am 12.12.2001, zu Protokoll, S. 8898 f.) muss jedoch entnommen werden, dass es bei der Einführung der Landeskinderregelung um die Einsparung öffentlicher Mittel zugunsten des Nds. Landeshaushalts geht.

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Der Widerruf ist jedoch ermessensfehlerhaft. Die Entscheidung über den Widerruf nach § 49 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 NVwVfG steht im Ermessen der Behörde. Diese hat ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 40 VwVfG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 NVwVfG). Da der Vertrauensschutz in § 49 Abs. 2 Nr. 3 bis 5 in Verbindung mit Abs. 6 VwVfG bereits eingearbeitet ist, ist er in der Regel nicht mehr in die Ermessenserwägungen einzubeziehen (Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, 5. Aufl., § 49 Rdnr. 34 m. w. Nachw.). Hier liegen jedoch gewichtige Gründe vor, die es gebieten, den Vertrauensschutz im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen. Derartige Gründe ergeben sich schon daraus, dass der Gesetzgeber bei Einführung der Landeskinderregelung bewusst von einer Übergangsregelung abgesehen und damit im Ergebnis eine Ermessensausübung in jedem Einzelfall vorausgesetzt hat:

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„Artikel 1 sieht vor, die Gewährung bewohnerbezogener Zuschüsse an Pflegebedürftige in vollstationären Einrichtungen einzuschränken. Künftig sollen diese Zuschüsse nur noch gezahlt werden, wenn der Pflegebedürftige vor der Aufnahme ins Pflegeheim seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Niedersachsen gehabt hat. Allerdings sollte diese Regelung ursprünglich nach einer Übergangsbestimmung für die bis zum Ende des Jahres aufgenommenen Pflegebedürftigen noch nicht gelten. Der mitberatende Ausschuss für Sozial- und Gesundheitswesen hat jedoch - auf einen Antrag der dortigen Ausschussvertreter der SPD-Fraktion - empfohlen, diese Übergangsbestimmung zu streichen. Damit greift der Ausschuss eine Empfehlung des Landesrechnungshofs auf. Hintergrund der Änderung ist, dass es außer in Niedersachsen nur noch in Nordrhein-Westfalen eine Regelung gibt, die auch die aus anderen Bundesländern zugezogenen Pflegebedürftigen in die Förderung einbezieht. Der Sozialausschuss hat eingehend beraten, inwieweit die Überlegung des Landesrechnungshofs zutrifft, dass die finanziellen Folgen der Neuregelung praktisch nur die Sozialhilfeträger außerhalb Niedersachsens treffen, weil diese für die wegfallenden Zuschüsse eintreten müssten. Die Vertreter des Fachministeriums erklärten dazu, dass die Auffassung des Landesrechnungshofs im Grundsatz zutreffe, und meinten, dass die dabei zu erwartenden Verfahrensschwierigkeiten grundsätzlich lösbar sein müssten. ...“ (Nds. LT - 14. Wahlperiode - 91 Plenarsitzung am 12.12.2001, zu Protokoll, S. 8898 f.)

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Hier liegen zahlreiche Gesichtspunkte vor, die von der Beklagten und der Bezirksregierung Hannover zugunsten der Klägerin hätten berücksichtigt werden müssen. Während die Beklagte in ihrem Bescheid vom 19.12.2001 überhaupt keine Ermessenserwägungen angestellt hat, hat die Bezirksregierung Hannover in ihrem Widerspruchsbescheid vom 16.07.2002 allein das finanzielle Interesse des Pflegeheims am Fortbestand des Verwaltungsakts berücksichtigt. Zwar ist das Pflegeheim auch formell „Begünstigter“, da es Empfänger des bewohnerbezogenen Aufwendungszuschusses gemäß § 13 Abs. 1 NPflegeG ist. Die Bewilligungsentscheidung bzw. deren Widerruf haben aber auch erhebliche Auswirkungen für den Heimbewohner. Insoweit ist nochmals auf die bereits wiedergegebenen Ausführungen der Kammer in dem Urteil vom 20.11.2001 (3 A 1816/01) hinzuweisen.

34

Die Beklagte bzw. die Bezirksregierung Hannover wären daher gehalten gewesen, die Belange der Klägerin in eine Abwägung mit einzustellen, zumal die Klägerin im Widerspruchsverfahren ausdrücklich zahlreiche Gründe vorgetragen hatte, weshalb sie nach Niedersachsen in die Einrichtung gezogen sei. Die Beklagte hätte vor allem mit berücksichtigen müssen, dass die Klägerin zu einem Zeitpunkt nach Hannover in die Einrichtung gezogen war, zu dem sie nicht mit einer Landeskinderregelung rechnen musste. Hätte sie damals schon gewusst, dass auf sie höhere Kosten zukommen können, wäre sie unter Umständen nicht nach Niedersachsen gezogen. Es musste auch berücksichtigt werden, dass die Klägerin aufgrund ihres inzwischen sehr hohen Alters nicht mehr in der Lage sein dürfte, nunmehr zurück nach Baden-Württemberg zu ziehen. Zu Recht ist auch in der Anlage zu dem o.a. LT-Protokoll ausgeführt worden, dass sich die Landeskinderregelung leicht umgehen lässt, wenn die späteren Heimbewohner vor der Heimaufnahme noch an anderer Stelle - etwa bei Angehörigen - leben. Diese Möglichkeit hatte die Klägerin jedoch nicht, da sie erst nach der Heimaufnahme von der Gesetzesänderung überrascht worden ist. All diese Gesichtspunkte hätte die Beklagte in ihre Entscheidung einstellen müssen. Es reicht daher nicht aus, wenn in dem Widerspruchsbescheid lediglich festgestellt wird, dass die Klägerin von der Gesetzesänderung auch „nur“ insoweit betroffen sei, als durch die Zahlung des bewohnerbezogenen Aufwendungszuschusses die Beantragung von Sozialhilfe vermieden wurde.

35

Die Kostenentscheidung des nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfreien Verfahrens folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.