Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.06.2016, Az.: 10 K 285/15
Körperschaftsteuerliche Erfassung einer dem Steuerpflichtigen zugewendeten Erbschaft als Betriebseinnahme
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 28.06.2016
- Aktenzeichen
- 10 K 285/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2016, 20541
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2016:0628.10K285.15.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 06.12.2016 - AZ: I R 50/16
Rechtsgrundlagen
- § 8 Abs. 1 KStG
- § 27 Abs. 2 KStG
- § 28 Abs. 1 S. 3 KStG
Fundstellen
- EFG 2016, 1366-1367
- ErbStB 2016, 301-302
- GStB 2016, 422
- GmbH-StB 2016, 309
- GmbH-Stpr. 2016, 336
- GmbH-Stpr. 2017, 91-92
- KÖSDI 2016, 19950
- NWB-EV 2016, 297-298
- SteuK 2016, 456
- ZEV 2016, 632-633
- ZEV 2016, 719-720
- ZKF 2016, 208-209
Amtlicher Leitsatz
Testamentarische Zuwendungen an eine Körperschaft unterliegen der Besteuerung nach dem KStG.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine der Klägerin zugewendete Erbschaft als Betriebseinnahme zu erfassen ist.
Die Klägerin betreibt ein Seniorenpflegeheim und erzielt hieraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im Streitjahr 2012 erhielt die Klägerin aufgrund einer testamentarischen Einsetzung als Alleinerbin von einem am 19.11.2012 verstorbenen Heimbewohner eine Erbschaft in Höhe von ... €. Das Testament enthielt die Auflage, dass das Geldvermögen ausschließlich zur Instandhaltung und Instandsetzung, zum Ausbau oder zur Modernisierung, zur Ausstattung oder zum Betrieb des Heimes einzusetzen ist. Ferner ordnete der Erblasser eine Testamentsvollstreckung an. Die Kosten der Testamentsvollstreckung betrugen ... €.
Die Klägerin erfasste die Erbschaft, die durch die Erbschaft veranlassten Kosten und die Erbschaftsteuer im Rahmen ihrer Buchführung auf dem Konto Kapitalrücklage erfolgsneutral. In ihrer Erklärung zur Körperschaftsteuer und zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagenkontos zum 31.12.2012 erfasste die Klägerin die Erbschaft abzüglich der damit verbundenen Aufwendungen als Einlage.
Der Beklagte veranlagte die Klägerin mit Bescheid vom 11.12.2013 zur Körperschaftsteuer 2012 unter Erhöhung des erklärten Gewinns in Höhe von ... € (Erbschaft abzüglich Kosten der Testamentsvollstreckung). In den Erläuterungen zum Körperschaftsteuerbescheid vertrat der Beklagte die Auffassung, dass durch die Erbschaft kein Zugang zum steuerlichen Einlagenkonto erfolgt sei, da es sich nicht um eine Einlage der Gesellschafter gehandelt habe. Eine gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 S. 3 KStG erfolgte nicht.
Den Einspruch gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2012 wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 18.11.2015 als unbegründet zurück.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Minderung des Gewinns in Höhe von ... €. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, es sei systemwidrig ein und denselben Vorgang den Zuwachs an Leistungsfähigkeit doppelt zu besteuern. Mit der Doppelbelastung verstoße der Beklagte gegen die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes. Die Erbschaft sei nicht als Betriebseinnahme zu erfassen, da sie als unentgeltliche Zuwendung nicht auf einer Erwerbshandlung beruhe. Demzufolge unterfalle sie keiner Einkunftsart. Diese Auffassung werde durch zahlreiche Entscheidungen des BFH bestätigt und in der Literatur geteilt.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Einspruchsbescheids vom 18.11.2015 den Bescheid für 2012 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag vom 11.12.2013 dahingehend zu ändern, dass das Einkommen um ... € auf ... € gemindert wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist auf seine Ausführungen im Einspruchsbescheid. Dort sei ausführlich darlegt worden, dass die Erbschaft als Betriebseinnahme zu erfassen sei. Die von der Klägerin zitierten Kommentierungen, die der Zuordnung einer Erbschaft zu den Betriebseinnahmen widersprechen, bezögen sich auf unentgeltliche Zuwendungen, die unabhängig von der betrieblichen Tätigkeit einer Körperschaft erfolgt seien. Anders sei die Rechtslage, wenn die Erbschaft wie im Streitfall für den Gewerbebetrieb der Körperschaft bestimmt sei.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid für 2012 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag vom 11.12.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat die von der Klägerin vereinnahmte Erbschaft zu Recht als Betriebseinnahme der Besteuerung unterworfen.
1. Die durch die Erbschaft erfolgte Vermögenserhöhung ist im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu erfassen. Nach § 8 Abs. 2 KStG sind bei Steuerpflichtigen, die nach den Vorschriften des HGB zur Führung von Büchern verpflichtet sind, alle Einkünfte solche aus Gewerbebetrieb. Der Begriff der Einkünfte der Vorschrift ist deshalb in einem weiten Sinne zu verstehen. Nur so lässt sich ein Wertungswiderspruch zwischen § 8 Abs. 2 KStG und § 2 Abs. 2 GewStG vermeiden. Zu letzterer Vorschrift hat der BFH in seinem Urteil vom 22. August 1990, I R 67/88 (BFHE 162, 439, BStBl II 1991, 250 [BFH 22.08.1990 - I R 67/88]) die Auffassung vertreten, dass die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft auch insoweit nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gelte, als sie nicht unter eine der sieben Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG falle. Der Grundsatz gilt nach Auffassung des BFH auch für § 8 Abs. 2 KStG entsprechend. Für die Gewinnermittlung von natürlichen Personen und Personengesellschaften gilt nur deshalb etwas anderes, weil § 12 EStG anzuwenden ist. Die Vorschrift ist ihrem Wortlaut nach auf die Einkommensermittlung einer Kapitalgesellschaft nicht anwendbar, was dafür spricht, dass der Gesetzgeber das Vorhandensein einer außerbetrieblichen Sphäre bei einer Kapitalgesellschaft verneint hat. Entsprechend hat er den Regelungsinhalt nur des § 12 Nrn. 3 und 4 EStG ausdrücklich in § 10 Nrn. 2 und 3 KStG übernommen. Damit sind sämtliche Zuflüsse in die Körperschaft, die nicht auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage erfolgen, als Betriebseinnahmen zu erfassen. Die Auffassung der Klägerin, dass sich der Vorgang als unentgeltlich und damit außerhalb der Erwerbssphäre des § 2 EStG bewege, kommt in diesem Fall also nicht zum Tragen.
2. Die testamentarische Zuwendung des verstorbenen Heimbewohners führt zu einer Vermögensmehrung des Betriebsvermögens bei der Klägerin, die sie ausschließlich aufgrund ihrer gewerblichen Betätigung erlangt hat. Dadurch erhöht sich der steuerlich zu berücksichtigende Gewinn aus Gewerbebetrieb. Die Veranlassung des Zuflusses durch die gewerbliche Betätigung ergibt sich nicht nur durch die Tatsache, dass der Zuwendende im Rahmen der gewerblichen Betätigung der Klägerin betreut wurde, sondern auch - worauf der Beklagte zu Recht hinweist - aufgrund der Auflage für die Verwendung der Gelder im Rahmen der gewerblichen Tätigkeit der Klägerin.
3. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG liegt - entgegen der Auffassung der Klägerin bei unterstellter Nichtsteuerbarkeit des Zuflusses im Rahmen des § 2 EStG - nicht vor, da zwischen natürlichen Personen und Körperschaften keine Gruppengleichheit vorliegt und so keine gleichen Besteuerungsregelungen gelten müssen.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus ihm ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber einen weit reichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes. Die mit der Wahl des Steuergegenstandes einmal getroffene Belastungsentscheidung hat der Gesetzgeber allerdings unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung aller Steuerpflichtiger bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes folgerichtig umzusetzen. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (ständige Rechtsprechung des BVerfG, z.B. BVerfG-Beschluss vom 15. Januar 2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, zu C.I.2., mit zahlreichen Nachweisen; BFH-Urteil in BFHE 230, 215, BStBl II 2011, 511 [BFH 22.07.2010 - IV R 29/07], unter II.B.2.a der Gründe).
Nach ständiger, vom BVerfG nicht beanstandeter Rechtsprechung des BFH liegt in der an die Rechtsform anknüpfenden unterschiedlichen ertragsteuerrechtlichen Behandlung von Kapitalgesellschaften einerseits und Mitunternehmerschaften andererseits keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung (u.a. BVerfG-Beschluss vom 24. März 2010, 1 BvR 2130/09, BFH/NV 2010, 1231, unter III.2.b der Gründe; BFH-Urteile in BFHE 204, 471 [BFH 20.11.2003 - IV R 5/02], BStBl II 2004, 464, unter I.2.d der Gründe; in BFHE 196, 293 [BFH 05.09.2001 - I R 27/01], [BFH 05.09.2001 - I R 27/01] BStBl II 2002, 155 [BFH 05.09.2001 - I R 27/01], [BFH 05.09.2001 - I R 27/01] unter II.2. der Gründe, jeweils m.w.N.). Grund dafür ist, dass Kapitalgesellschaften gegenüber natürlichen Personen und Personengesellschaften in wesentlichen Punkten Besonderheiten aufweisen, die es als sachlich gerechtfertigt erscheinen lassen, sie ohne Rücksicht auf ihre Tätigkeit als Gewerbebetrieb zu behandeln (u.a. BFH-Urteil in BFHE 204, 471 [BFH 20.11.2003 - IV R 5/02], [BFH 20.11.2003 - IV R 5/02] BStBl II 2004, 464, [BFH 20.11.2003 - IV R 5/02] unter I.2.d der Gründe). Demzufolge kann - selbst bei Annahme einer ertragsteuerlichen Nichtsteuerbarkeit einer Erbschaft bei der Besteuerung natürlicher Personen - im Falle der ertragsteuerlichen Erfassung einer Erbschaft bei Körperschaften kein Verstoß gegen Art. 3 GG vorliegen.
4. Ein Verstoß gegen Art. 14 GG liegt nicht vor, da keine Übermaßbesteuerung eintritt. Im Streitfall fehlt es bereits an der Darlegung einer Übermaßbesteuerung im konkreten Fall. Zu der bisherigen erbschaftsteuerlichen Belastung von 30% tritt eine Körperschaftsteuer in Höhe von 15% gemäß § 23 KStG hinzu. Eine zusätzliche Belastung mit Gewerbesteuer entfällt bei der Klägerin aufgrund ihrer Betätigung gemäß § 3 Nr. 20 GewStG, so dass im konkreten Fall eine Gesamtbelastung von unter 50% vorliegt. Dies zeigt deutlich, dass die Klägerin nicht von einer Übermaßbesteuerung betroffen ist.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage zuzulassen.