Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 28.11.1991, Az.: 5 U 246/89

Strenge Anforderungen an den Nachweis eines behaupteten entgangenen Gewinns wegen Manipulationsmöglichkeit durch unwahre Kaufverträge

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
28.11.1991
Aktenzeichen
5 U 246/89
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1991, 14745
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1991:1128.5U246.89.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 18.07.1989 - AZ: 17 O 525/88

Verfahrensgegenstand

Schadensersatzes aus Verkehrsunfall

Prozessführer

des Stahlkochers ...

Prozessgegner

den Versicherungskaufmann ...

In dem Rechtsstreit
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 7. November 1991
unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters ... und
der Richter ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 18. Juli 1989 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Hannover teilweise geändert:

Die Klage wird - soweit der Rechtsstreit nicht in der Hauptsache erledigt ist - insgesamt abgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen der Kläger 85 % und der Beklagte 15 %; jedoch trägt der Kläger die Kosten der Beweisaufnahme allein.

Der Kläger trägt die gesamten Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

1

Die Berufung ist begründet; die auf Ersatz entgangenen Gewinns gerichtete Klage, die allein noch Gegenstand des Rechtsstreits ist, muß abgewiesen werden.

2

Dem Landgericht ist zwar zuzustimmen, daß ein entgangener Gewinn aus dem Verkauf von Fahrzeugen, die vor Übergabe an den Käufer einen Unfall erlitten haben und deshalb vom Käufer nicht abgenommen werden, von dem für den Unfall verantwortlichen Schädiger an den geschädigten Verkäufer zu erstatten ist. Das angefochtene Urteil läßt jedoch die gebotene kritische Würdigung des dafür hier vom Kläger vorgetragenen Sachverhalts und der Aussage des Zeugen ... vermissen, was die Berufung mit Recht angreift.

3

Die Grundsätze des deutschen Schadensersatzrechts, welche neben der Verpflichtung des Schädigers zum Ersatz des Sachschadens auch dessen Verpflichtung zum Ersatz eines weiteren Vermögensschadens vorsehen, bieten einen verlockenden Anreiz, mit Hilfe manipulierter Kaufverträge nach einem Unfall den Haftpflichtversicherer des Schädigers zu Ersatzleistungen zu veranlassen, die über den Betrag des wirklichen Schadens hinausgehen. Von dieser Möglichkeit wird auch - wie dem Senat hinlänglich bekannt - nicht selten Gebrauch gemacht. Es sind deshalb in derartigen Fällen strenge Anforderungen an den Nachweis eines behaupteten entgangenen Gewinns zu stellen; Klagevortrag und Beweismittel sind mit kritischer Zurückhaltung zu überprüfen. Ist der Kaufvertrag in einer Urkunde niedergelegt, so hat sich die Prüfung nicht nur auf die Echtheit der Urkunde im engeren Sinne, d. h. darauf zu beschränken, ob die Unterschriften von den Parteien des Kaufvertrages stammen. Es ist weiter zu prüfen (und die dazu maßgeblichen Tatsachen sind vom Kläger beizubringen), ob der in der Urkunde zum Ausdruck kommende Wille sowohl beim Verkäufer als auch beim Käufer ernsthaft war und der Vertrag tatsächlich vollzogen sein würde, hätte sich der Unfall nicht ereignet. Zweifel gehen dabei zu Lasten des Anspruchstellers. Im Falle des Klägers sind solche Zweifel massiv, und daher muß der Klage insofern der Erfolg versagt bleiben:

4

Diese Zweifel bestehen bereits nach Aktenlage und sind in der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme vor dem Senat verstärkt worden.

5

Ein erster Verdacht ergibt sich insofern, als in der Beweisaufnahme zutage gekommen ist, daß der Kläger und der Zeuge ..., der angebliche Käufer des späteren Unfallwagens, "von gemeinsamen Parties" her gut miteinander bekannt waren. Dies allein würde allerdings ebenso wie die weitere Besonderheit, daß der Kläger und ... in Bezug auf die in der Vertragsurkunde festgelegte Verschiebung des Übergabetermins auf einen späteren Zeitpunkt (1. August 1988) unterschiedliche Darstellungen gegeben haben, den Verdacht nicht durchschlagen lassen; die beiderseitigen Schilderungen zum Anlaß der Vereinbarung späterer Übergabe sind aus der Sicht des Klägers und des Zeugen noch nachvollziehbar mitgeteilt worden.

6

Nicht mehr nachvollziehbar und in hohem Maße verdächtig hingegen sind die weiteren Auffälligkeiten:

7

Der Kläger hat dem Senat auf Befragen berichtet, daß er das Unfallfahrzeug 1988 nicht anderweitig verkauft, sondern bis 1990 weiter benutzt hat, obwohl er mit ihm noch zwei weitere Unfälle hatte. Er hat sich zur Veräußerung (Übergabe) an den Zeugen ... auch dann nicht entschließen können, als der Zeuge nach dem Unfall, wie aus seinem Schreiben vom 7. Juli 1988 (Bl. 105 GA) zu ersehen ist, wegen des Unfalls einen Preisnachlaß in Höhe von 4.560,00 DM forderte und mit 21.940,00 DM (26.500,00 DM - 4.560,00 DM) immer noch einen Preis zu zahlen bereit war, der oberhalb des in der Schwacke-Liste notierten Wertes lag und vor allem noch oberhalb des vom Kläger selbst in der Klage angegebenen Marktwertes von "allenfalls 20.000,00 DM". Auf dieses immer noch vorteilhafte Angebot ist der Kläger nicht eingegangen, obwohl (bei unstreitig voller Verantwortlichkeit des Beklagten auf Ersatz des Unfallschadens) gute Aussichten bestanden, im Falle der Veräußerung des Fahrzeuges zu einem Mindererlös den Haftpflichtversicherer des Schädigers auf Erstattung der Differenz in Anspruch zu nehmen. Von daher bestehen ernsthafte und unüberwindbare Zweifel an der tatsächlichen, ernsthaften Verkaufsbereitschaft des Klägers.

8

Auf seiten des Käufers ... muß die ernsthafte Bereitschaft zum Erwerb ebenfalls in Zweifel gezogen werden. Der Zeuge fuhr, wie er dem Senat angegeben hat, seinerzeit einen alten "Scirocco" und wollte auf ein anderes Fahrzeug "umsteigen". Als sich, so berichtet er, die Sache mit dem Kläger zerschlug, hat er seinen "alten" Wagen behalten und diesen noch geraume Zeit weiter gefahren. Die von ihm auf Befragen des Senats hierfür gegebene Begründung, er habe wegen des veränderten Zinsniveaus zwischenzeitlich anders disponiert und sein "Kapital" gewinnbringender angelegt, überzeugt schon in der Art. und Weise, wie sie vorgebracht worden ist, keineswegs.

9

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits folgt den §§ 91 und 91 a ZPO - erster Rechtszug -, die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit und die Beschwer folgt den §§ 708 Nr. 10, 713 und 546 Abs. 2 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Die Beschwer des Klägers beträgt 4.560,00 DM.