Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 27.11.1991, Az.: 2 U 24/91

Schadensersatzanspruch des Scheinvaters wegen vorsätzlicher Falschaussage der Kindesmutter im Unterhaltsprozess; Schadensersatz für geleisteten Unterhalt Zug um Zug gegen Abtretung eines Anspruches aus § 1615b BGB gegen den tatsächlichen Kindsvater

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
27.11.1991
Aktenzeichen
2 U 24/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1991, 14744
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1991:1127.2U24.91.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 29.05.1990- AZ: 9 O 300/88

In dem Rechtstsreit
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ...
des Richters am Oberlandesgericht ... und
des Richters am Landgericht ...
auf die mündliche Verhandlung vom 25. Oktober 1991
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 29. Mai 1990 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 45.438,20 DM nebst 4 v.H. Zinsen seit dem 23. Oktober 1988 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung von Ansprüchen des Klägers gegen ...

Die Beklagte wird weiter verurteilt, dem Kläger 4.101,89 DM nebst 4 v.H. Zinsen seit dem 23. Oktober 1988 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden für beide Rechtszüge zu 25 % dem Kläger und zu 75 % der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Klägers beträgt 12.000,00 DM, die Beschwer der Beklagten 49.539,29 DM.

Entscheidungsgründe

1

Die zulässige Berufung ist nur insoweit begründet, als die Beklagte nunmehr wegen der Ansprüche des Klägers gegen den Vater ihres Kindes ... ein Zurückbehaltungsrecht geltend macht. Ein Zurückbehaltungsrecht ist wegen des Schadensersatzanspruchs, der dem Kläger wegen seiner Unterhaltszahlungen an ...... in Höhe von 45.438,20 DM gegen die Beklagte aus unerlaubter Handlung zusteht, zu bejahen. Dagegen ist wegen eines weiteren Schadensersatzbetrags von 4.101,09 DM, der die Kosten des Prozesses des Klägers gegen ... wegen Anfechtung der Vaterschaft betrifft, die angefochtene Entscheidung voll zu bestätigen.

2

1.

Das Urteil des Landgerichts beruht auf der zutreffenden Erwägung, daß die Beklagte wegen vorsätzlicher uneidlicher Falschaussage als Zeugin in dem Unterhaltsprozeß ihres am ... nichtehelich geborenen Sohnes gegen den jetzigen Kläger diesem gegenüber zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet ist. Das folgt, wie vom Landgericht angenommen, aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 153 StGB. Dieses Strafgesetz, das in erster Linie der Rechtspflege dient, bezweckt jedenfalls auch den Schutz derjenigen Personen, die durch eine vorsätzliche uneidliche Falschaussage Rechtsnachteile erleiden. § 153 StGB ist als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB anzusehen (vgl. BGH MDR 1959, 118 f mit weiteren Nachweisen).

3

2.

a)

Gegenüber den zutreffenden Erwägungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil, wonach der Beklagten im Unterhaltsprozeß ihres Sohnes gegen den jetzigen Kläger eine vorsätzliche Falschaussage anzulasten ist, rechtfertigt das Berufungsvorbringen keine abweichende Beurteilung. Die Ausführung in der Berufungsbegründung, die Beklagte habe wahrheitsgemäß und vollständig ausgesagt, zumindest sei ihr keine vorsätzlich falsche Zeugenaussage vorzuwerfen, vermögen den Senat nicht zu überzeugen.

4

Bei ihrer Vernehmung als Zeugin vor dem Amtsgericht Soltau - 4 C 155/68 - am 21. Juni 1968 hat die Beklagte zumindest insoweit unrichtig ausgesagt, daß der angeblich nur mit dem Vornamen "..." angegebene Dritte - gemeint ist der später als Vater des nichtehelichen Kindes festgestellt ... - in seinem Pkw Annäherungsversuche unternommen habe, diese von ihr jedoch abgewiesen worden seien. Mit dieser unrichtigen Aussage hatte die Zeugin den unzutreffenden Eindruck hervorgerufen, sie habe den Genannten, der betrunken gewesen sein soll, abgewiesen und zu einer geschlechtlichen Berührung mit ihm sei es nicht gekommen. Inzwischen hat die Beklagte einräumen müssen, daß es bei dem genannten Vorfall mit dem Vater des Kindes, ..., zu einer Berührung der Geschlechtsteile, wenn auch nicht zum Eindringen des Glieds, gekommen ist.

5

Bei der Zeugenaussage, die jedenfalls in dem vorstehend genannten Teil falsch war, hat die Beklagte nach Überzeugung des Senats vorsätzlich falsch im Sinne des § 153 StGB ausgesagt. Als Zeugin war der Beklagten das Beweisthema des Beweisbeschlusses des Amtsgerichts Soltau vom 10. Mai 1968 bekannt. Im Zusammenhang mit der Frage des Mehrverkehrs war der später als Vater des Kindes der Beklagten festgestellte ... - im Beweisbeschluß als "..." bezeichnet - ausdrücklich aufgeführt. Daher war sich die Beklagte im klaren, daß sie als Zeugin verpflichtet war, das Geschehen genau wiederzugeben. Zu einer wahrheitsgemäßen Aussage gehörte es mithin auch aus der Sicht des Beklagten, daß sie als Zeugin den Vorfall, der jedenfalls zur Berührung der Geschlechtsteile führte, schilderte und diesen nicht - wahrheitswidrig - mit der allgemeinen und unzutreffenden Bemerkung abtat, sie habe lediglich die Annäherungsversuche eines Betrunkenen abgewehrt. Nach der Überzeugung des Senats hat die Beklagte als Zeugin auch gewußt, daß es bei ihrer Aussage gerade auf Einzelheiten des Vorfalls ankam, die sie absichtlich nicht richtig sondern sinnentstellend wiedergegeben hat. Insbesondere war sich die Beklagte bei ihrer Aussage im klaren, daß sie als Zeugin die Berührung der Geschlechtsteile nicht unerwähnt lassen durfte. Das gilt auch dann, wenn die Zeugin ausdrücklich nur nach Geschlechtsverkehr gefragt worden sein sollte b) Durch ihre vorsätzlich falsche Aussage hat die Beklagte den Kläger geschädigt. Ihre Bekundungen veranlaßten den jetzigen Kläger noch in dem Termin vor dem Amtsgericht Soltau am 21. Januar 1968, den Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Sohnes der jetzigen Beklagten sofort anzuerkennen, worauf am Schluß des Termins gegen ihn ein Anerkenntnisurteil verkündet wurde, das dann Grundlage für die Unterhaltszahlungen des Klägers war. Hätte die Beklagte ihrer Wahrheitspflicht als Zeugin genügt, so wäre es zu diesem Anerkenntnisurteil und zu den Unterhaltszahlungen des Klägers nicht gekommen. Das Gericht hätte entweder den Beweisbeschluß durch Vernehmung des Zeugen ... weiter ausgeführt oder ein serologisches oder ein erbbiologisches Gutachten mit dem Ergebnis eingeholt, daß der jetzige Kläger als Vater des Kindes ausgeschlossen war. Zu der Feststellung, daß ... nicht das Kind des Klägers ist, gelangte das Amtsgericht Tostedt - 4 C 467/78 - in dem Anfechtungsprozeß. Das entsprechende rechtskräftig gewordene Urteil des Amtsgerichts vom 26. Mai 1988 beruhte auf einem serologischen Gutachten. In einem späteren Verfahren von ... gegen ... wurde auf der Grundlage eines Blutgruppengutachtens durch Urteil des Amtsgerichts Tostedt - 3 C 464/88 - vom 9. Mai 1989 die Vaterschaft von ... festgestellt. Dessen Berufung gegen dieses Urteil wurde von dem 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle - 15 U 13/89 - durch Urteil vom 16. Februar 1990 zurückgewiesen, nachdem ein Abstammungsgutachten eingeholt worden war.

6

c)

Da der Kläger dem nichtehelichen Sohn der Beklagten im Laufe der Jahre als Unterhalt einen Betrag von insgesamt 45.438,20 DM geleistet hat, steht ihm in dieser Höhe ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu. Deren nichtehelicher Sohn ... ist, wie zwischen den Parteien unstreitig, zu einer Rückzahlung des vom Kläger geleisteten Unterhalts nicht in der Lage. Außerdem könnte einem Bereicherungsanspruch gegen ... § 818 Abs. 3 BGB entgegenstehen (vgl. BGHZ 78, 201 (203) [BGH 08.10.1980 - IVb ZR 535/80]; BGH NJW 1981, 2183 f).

7

Obwohl der Unterhaltsanspruch des Kindes gemäß § 1615 b Abs. 2 BGB kraft Gesetzes auf den Kläger als Scheinvater übergegangen ist und ihm ein Anspruch gegen den Vater - ... - zusteht (BGHZ a. a. O. 208), ist von der Beklagten im vollen Umfange Schadensersatz zu leisten (vgl. BGH NJW 1982, 1806).

8

Eine Leistungspflicht des Beklagten besteht jedoch nur Zug um Zug gegen Abtretung des auf den Kläger gemäß § 1615 b Abs. 2 BGBübergegangenen Anspruch an die Beklagte, die sich hilfsweise auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen hat. Das folgt aus dem Grundsatz des schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbots, der als Grundgedanke in § 255 BGB zum Ausdruck kommt (BGHZ 60, 353 (358) [BGH 16.04.1973 - VII ZR 140/71]; vgl. BGH NJW a. a. O.). Dem würde es widersprechen, wenn dem Kläger als Geschädigten neben seinem Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung gegen die Beklagte noch auf ihn übergegangene Unterhaltsansprüche gegen den Vater zustehen würde. Wegen der unterschiedlichen Rechtsnatur beider Ansprüche - Deliktshaftung einerseits und gesetzlicher Forderungsübergang eines familienrechtlichen Unterhaltsanspruchs andererseits - scheidet eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten und des Vaters des Kindes und damit ein Ausgleich im Sinne des § 426 Abs. 2 BGB aus. In Anbetracht der beiden ungleichartigen Ansprüche, die gegen verschiedene Personen aus unterschiedlichen Rechtsgründen bestehen, kann die Beklagte in Anwendung des Grundgedankens des § 255 BGB (vgl. BGHZ 106, 313 (321) [BGH 26.01.1989 - III ZR 192/87]) von dem Kläger mit Recht verlangen, daß sein auf ihn übergegangener Unterhaltsanspruch gegen den Vater des Kindes an die Beklagte abgetreten wird. Auf diese Weise wird das Risiko des Klägers, von dem Vater des Kindes keine oder nur unvollständig Leistung zu erlangen, von ihm auf die Beklagte verlagert (vgl. Staudinger-Selb, 12. Aufl., § 255 Rn 8). In Anbetracht der von ihr begangenen vorsätzlich unerlaubten Handlung entspricht dies der Billigkeit, während andererseits eine Bevorzugung des Klägers, die darin bestehen würde, daß er neben dem Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte noch einen auf eine gleiche oder vergleichbare Leistung gerichteten Anspruch gegen einen Dritten hat, vermieden wird.

9

3.

Als Schadensersatz sind dem Kläger weiter die Kosten seines Prozesses gegen ... wegen Anfechtung der Vaterschaft zuzubilligen. In dem vor dem Amtsgericht Tostedt - 4 C 467/87 - und dem Oberlandesgericht Celle - 15 U 22/88 - geführten Rechtsstreit sind zugunsten des damaligen und jetzigen Klägers gegen den damaligen Beklagten ... durch Kostenfestsetzungsbeschluß des Amtsgerichts Tostedt vom 22. September 1988 Kosten in Höhe von 4.101,09 DM festgesetzt worden, die der Kläger unstreitig nicht wiedererlangen konnte. Diese Kosten sind der Beklagten zuzurechnende Folge der von ihr begangenen unerlaubten Handlung.

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4.

Die Klageforderung ist gemäß §§ 849, 246 BGB mit 4 v.H. jährlich zu verzinsen. Da der Kläger Zinsen erst seit dem 23. Oktober 1988 geltend macht, sind ihm, wie vom Landgericht zuerkannt, von diesem Zeitpunkt an Zinsen zuzusprechen (§ 308 ZPO).

11

5.

Die Nebenentscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Hierbei ist zugunsten der Beklagten die Verurteilung zur Leistung Zug um Zug berücksichtigt, die den größten Teil der Klageforderung betrifft.

12

Die weiteren Nebenentscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Beschwer beruhen auf den §§ 708 Nr. 10, 713 und 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Die Beschwer des Klägers beträgt 12.000,00 DM, die Beschwer der Beklagten 49.539,29 DM.