Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 18.12.1991, Az.: 8 U 44/91

Folgen der verspäteten Einreichung einer Schadenanzeige bei der Haftpflichtversicherung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
18.12.1991
Aktenzeichen
8 U 44/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1991, 21108
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1991:1218.8U44.91.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 15.11.1990 - AZ: 19 O 338/90

Fundstelle

  • VersR 1992, 1000-1001 (Volltext mit amtl. LS)

[...]
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 1991
durch
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
fürRecht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 15. November 1990 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Klägers beträgt 34.873,17 DM.

Entscheidungsgründe

1

Die zulässige Berufung, mit der sich der Kläger gegen die Abweisung seiner Klage auf Versicherungsleistungen wegen eines Sturmschadens an seinem Scheunendach wendet, hat in der Sache keinen Erfolg.

2

Die beklagte Versicherungsgesellschaft ist wegen einer grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung des Klägers nach §6 Abs. 3 VVG i.V.m. §15 Nr. 3 der dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag zu Grunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen (VGB) von ihrer Leistungspflicht frei. Der Kläger hat seine Auskunftsobliegenheit, die sich aus §15 Nr. 1 c VGB ergibt, grob fahrlässig verletzt. Denn er hat das Formular für eine "Sturmschaden-Anzeige", das die Beklagte ihm bereits mit Schreiben vom 1. März 1990 zugesandt hatte, und das nähere Fragen zu Art und Umfang des Schadens enthielt, nicht unverzüglich und wahrheitsgemäß ausgefüllt zurückgesandt. Vielmehr hat er es zunächst liegenlassen und erst am 27. April 1990 an die Beklagte zurückgesandt, nachdem er bereits am 18. April 1990 ein Bauunternehmen mit der Reparatur beauftragt hatte und dieses schon seit dem 23. April 1990 am Werke war. Überdies enthielt das Formular die handschriftliche Angabe des Klägers: "Kostenvoranschlag wird nachgereicht". Das war zum damaligen Zeitpunkt unzutreffend, weil wegen des schon erteilten Auftrages die Einholung eines Kostenvoranschlages nicht mehr beabsichtigt war.

3

Diesen Obliegenheitsverstoß hat der Kläger grob fahrlässig begangen. Sein Verhalten verstieß in besonders schwerem Maße gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt. Daß die Beantwortung der Fragen des Schadensanzeigeformulars eilbedürftig war, konnte jeder erkennen, auch der Kläger, der sich zu den einfachen Leuten rechnet. Denn auf der ersten Seite des Schadensformulars befand sich in deutlich hervorgehobener Schreibweise und mit dem Hinweis: "Wichtig" die Aufforderung: "Jede Schadenanzeige bitte innerhalb 3 Tagen einreichen". Auch auf die Notwendigkeit wahrheitsgemäßer Angaben war der Kläger unübersehbar hingewiesen worden. Denn die am Schluß des Formulars vorgedruckte und von ihm unterschriebene "Erklärung des Versicherungsnehmers" enthielt die Bestätigung, daß sämtliche Angaben der Wahrheit entsprächen und daß der Kläger sich bewußt sei, daß unrichtige Angaben den Verlust des Versicherungsschutzes zur Folge haben könnten. Nach diesen eindringlichen und unmißverständlichen Hinweisen handelte der Kläger nach Auffassung des Senats grob fahrlässig, wenn er das ausgefüllte Formular gleichwohl mit ganz erheblicher grundloser Verzögerung und zudem mit nicht mehr zutreffenden Angaben an die Beklagte zurücksandte.

4

Der Leistungsfreiheit der Beklagten steht nicht §6 Abs. 3 Satz 2 VVG entgegen. Es kann nicht festgestellt werden, daß die Obliegenheitsverletzung des Klägers keinen Einfluß auf die Feststellung der Beklagten zum Umfang der ihr obliegenden Leistung gehabt habe. Für diesen dem Kläger obliegenden sog. Kausalitätsgegenbeweis fehlt es schon an schlüssigem Vortrag des Klägers. Schon aufgrund des bereits erörterten unstreitigen Verhaltens des Klägers im Zusammenhang mit der Ausfüllung und Rücksendung des Schadensanzeigeformulars ist davon auszugehen, daß sein Verhalten die Möglichkeiten der Beklagten zur Untersuchung der Schadensursache und des Schadensumfangs erheblich beeinträchtigt, wenn nicht vereitelt hat. Ob eine Untersuchung - etwa durch einen Sachverständigen - erforderlich war, konnte die Beklagte erst aufgrund der Antworten des Klägers auf die Fragen des übersandten Schadensanzeigeformulars prüfen. Dieses erhielt sie jedoch erst, als die Reparaturarbeiten am Dach - ohne ihr Wissen - bereits seit fünf Tagen andauerten. Schon zu diesem Zeitpunkt bestand mithin nicht mehr die Möglichkeit, den Schaden in unveränderter Form untersuchen und begutachten zu lassen. Zudem war die unzutreffende Ankündigung eines Kostenvoranschlages geeignet, die Beklagte zu weiterem Abwarten zu veranlassen, so daß durch die weiter fortschreitenden Reparaturarbeiten auch die am 27. April 1990 möglicherweise noch vorhanden gewesenen eingeschränkten Feststellungsmöglichkeiten verlorengingen.

5

Bei obliegenheitsgemäßem Verhalten des Klägers wäre es - davon ist auszugehen - zu diesem Verlust der Feststellungsmöglichkeiten nicht gekommen. Hätte der Kläger das Schadensanzeigeformular nicht nur alsbald ausgefüllt, sondern auch an die Beklagte zurückgesandt, was ihm ohne weiteres möglich gewesen wäre, so hätte er bereits Anfang April 1990 seine Angaben dahin berichtigen müssen, daß ein Kostenvoranschlag nicht mehr zu erwarten sei, sondern in Kürze mit der Reparatur begonnen werde. Denn um diese Zeit hatte sich nach seinem Vortrag herausgestellt, daß die Reparatur wegen der von dem beschädigten Dach ausgehenden Gefahr dringlich war. Der Beklagten wäre in diesem Fall rechtzeitig bekanntgewesen, daß es sich um einen größeren Schaden handelte, bei dem die Feststellungsmöglichkeiten durch Reparatur verlorenzugehen drohten. Sie hätte dann diesen Schaden durch einen Sachverständigen vorrangig besichtigen lassen, auch wenn ihr wegen der Vielzahl der damaligen Sturmschäden eine unterschiedslose sofortige Besichtigung aller Schadensstellen nicht möglich war. Bis zum tatsächlichen Beginn der Arbeiten am 23. April 1990 hätte die Beklagte zu einer solchen Besichtigung auch noch genügend Zeit gehabt.

6

Die Kosten seiner nach alledem erfolglosen Berufung fallen nach §97 Abs. 1 ZPO dem Kläger zur Last. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf §§708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Beschwer ist gemäß §546 Abs. 2 ZPO festgesetzt worden.