Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 24.08.2016, Az.: 1 A 144/15
Dienstunfall; Umweg; unmittelbarer Weg; Wegeunfall
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 24.08.2016
- Aktenzeichen
- 1 A 144/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2016, 43283
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 31 BeamtVG
- § 34 Abs 2 BeamtVG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Dienstunfallrechtlich geschützt ist der Weg, den der Beamte ohne Rücksicht auf sonstige private Interessen vernünftigerweise wählen darf, um unter Berücksichtigung der konkret bestehenden Verhältnisse von der Wohnung zur Dienststelle und zurück zu gelangen.
Diese Maßstäbe gelten auch für Unfälle, die sich auf dem Gelände des Dienstherrn ereignen.
Auf einer unbefestigten, grasbewachsenen und abschüssigen Abkürzung besteht im Vergleich zu einer geteerten Straße oder einem Fahrradweg eine erhöhte Rutsch und damit Sturzgefahr, so dass der Beamte einen solchen Weg bereits bei trockener Witterung vernünftigerweise nicht wählen darf.
Tenor:
Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Dienstunfalls (Wegeunfall).
Tatbestand:
Der ...-jährige Kläger ist als Forstoberrat (A 14) in einem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit bei der Beklagten im L. M., Abteilung N., O. Weg, E., beschäftigt.
Am 25.03.2014 gegen 17.20 Uhr stürzte er mit dem Fahrrad auf dem Weg von seiner Dienstelle nach Hause (Ziel: D., E.). An dem Tag befuhr er mit seinem Rad wie üblich die Wegstrecke O. Weg - P. Weg - Q. - R. Weg - S. - T. Weg - D..
Die örtlichen Gegebenheiten stellen sich wie folgt dar: Der O. Weg mündet in nördlicher Richtung in den L. Weg ein. Dieser führt in westlicher Richtung in einer S-Kurve bergab. Hinter der S-Kurve kreuzt der L. Weg den U. Weg. L. Weg und U. Weg gehören zum Gelände der Beklagten und stehen in ihrem Eigentum. Es handelt sich um Privatwege, die nicht für den öffentlichen Verkehr bestimmt sind. Der L. Weg ist von der Beklagten für den Stadtbus- und Fahrradverkehr, nicht aber für den Autoverkehr, freigegeben. Neben dem Straßenbelag ist, auch an der Kreuzung zum U. Weg, seit mehreren Jahren ein Bankett aus Schotter und Steinen unterschiedlicher Größe vorhanden. Insbesondere durch Überfahren des Banketts durch Stadtbusse gelangen Steine daraus auf den Asphalt. Der L. Weg ist im Kreuzungsbereich als Vorfahrt-Straße beschildert, der U. Weg mit Stopp- (Zeichen 206 zu § 41 Abs. 1 StVO) und Geradeaus-Zeichen (Zeichen 209). Ob Stopp- und Geradeaus-Zeichen schon zum Unfallzeitpunkt vorhanden waren, ist zwischen den Beteiligten streitig.
Der Kläger befuhr damals nicht die bergabführende S-Kurve des L. Wegs um von dort nach rechts in den U. Weg einzubiegen, sondern nutzte seit acht Jahren bei jeder Witterung eine „Abkürzung“ zwischen den beiden Straßen.
Die Abkürzung führt ausweislich der bei den Akten befindlichen Lichtbilder durch unbefestigtes, grasbewachsenes und abschüssiges Gelände zwischen Büschen entlang und ist nicht durch Straßenschilder gekennzeichnet. Früher befand sich dort eine Verbindungsstraße vom V. zum ehemaligen W. (heute: X. M.). Bereits zum Unfallzeitpunkt war die ehemalige Straße grasbewachsen. Der Bereich steht wie das umliegende Gelände im Eigentum der Beklagten. Sie führt dort mindestens zweimal jährlich Mäharbeiten durch.
Zu der von ihm ständig und bis dahin unfallfrei benutzten Abkürzung gelangte der Kläger aus Richtung seiner Dienststelle, indem den L. Weg im nördlichen Bereich der S-Kurve vor Beginn der Seitenplanke mit seinem Fahrrad verließ, auf den daneben liegenden Grünstreifen und hinter der Seitenplanke entlang fuhr. Anschließend fuhr er das unbefestigte Gelände hinab und gelangte nördlich der Kreuzung L. Weg - U. Weg auf den U. Weg. Dieser weist der im Bereich der „Einmündung“ der Abkürzung eine verbreitete asphaltierte Fläche auf. Am Unfalltag war die vom Kläger benutzte grasbewachsene Abkürzung rutschig, weil es zwei Stunden zuvor ein Hagel- und Graupelschauer gegeben hatte. Als der Kläger dort langsam entlang fuhr, rutschte das Hinterrad weg. Bei dem Versuch, sich abzustützen, rutschte der Kläger aus und stürzte. Dabei zog er sich einen Muskelfaserriss im linken Oberschenkel und ein Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades zu. Er musste notärztlich versorgt werden.
Die vom Kläger beantragte Anerkennung als Dienstunfall lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.08.2014 ab. Durch die Benutzung der grasbewachsenen Strecke, die kein offizieller Weg sei, habe der Kläger den unmittelbaren Weg zwischen Dienststelle und Wohnung verlassen. Die Benutzung dieses Wegs habe ein erhöhtes Risiko dargestellt, das auf Grund des am Unfalltag herrschenden Wetters mit Graupelschauer und Hagel zusätzlich erhöht gewesen sei. Der Kläger habe mit einem Sturz rechnen müssen und keine sichere Strecke gewählt. Sicher wäre demgegenüber das Befahren der geteerten Straße (L. Weg - U. Weg) gewesen.
Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 24.09.2014 Widerspruch. Er habe die grasbewachsene Strecke benutzt, weil die Route L. Weg - U. Weg gefährlicher sei. Der L. Weg werde mehr von PKWs als von Bussen und Radfahrern genutzt. Zudem würden PKWs dort schneller als erlaubt fahren und Radfahrer selbst dann überholen, wenn ein Bus entgegenkomme. Seitdem die Bankette neben der Straße mit einem Stein-Asphalt-Gemisch versehen seien, stelle es ein unkalkulierbares Risiko dar, mit dem Fahrrad vom L. Weg aus nach rechts in den U. Weg einzubiegen, weil im Kreuzungsbereich ständig Geröll liege. Die von ihm gewählte Strecke sei demgegenüber frei von Steinen und Falschfahrern und werde von zahlreichen Personen benutzt. Die Seitenplanke sei für das Erreichen der Abkürzung kein Hindernis. Das Gelände sei zudem regelmäßig gemäht und damit besser nutzbar gemacht worden. Die asphaltierte Fläche am westlichen Ende der Abkürzung sei als Eingang zu bewerten, der zu der Benutzung der Strecke einlade.
Nach Einholung einer Stellungnahme des Gebäudemanagements wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 12.03.2015, zugestellt am 17.03.2015, als unbegründet zurück. Die Abkürzung durch ein unwegsames, abschüssiges Waldstück sei angesichts der schlechten Witterungsverhältnisse und der Unwegsamkeit kein sicherer Weg gewesen. Im Kreuzungsbereich L. Weg - U. Weg bestehe kein erhöhtes Unfallrisiko. Es bestünden eindeutige Regelungen durch Verkehrsschilder. Selbst wenn eine Verschmutzung der Fahrbahn im Kreuzungsbereich vorliegen sollte, sei ein Absteigen vom Fahrrad nicht erforderlich. Die vom Kläger benutzte Abkürzung sei demgegenüber nicht einmal ein Fußpfad. Im mittleren Teil der Strecke herrsche ein starkes Gefälle, so dass es bereits bei Trockenheit fahrlässig sei, dort mit dem Fahrrad zu fahren. Die Aufweitung der Fahrbahn am U. Weg stelle keinen „Eingang“ zu dem vom Kläger benutzten Weg dar, sondern diene dem Abstellen von Fahrzeugen des Y. Z..
Dagegen hat der Kläger am 17.04.2015 Klage erhoben. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor, er habe die Abkürzung im Rahmen seines Entscheidungsspielraums vernünftigerweise nehmen dürfen. Es habe sich um den kürzesten und einen sicheren Weg gehandelt. Die Rechtsprechung zu der Benutzung des unmittelbaren Wegs gelte nicht für den vorliegenden Fall, bei dem sich der Unfall auf dem „Betriebsgelände“ des Dienstherrn ereigne. Maßgeblich sei allein, dass die Abkürzung tatsächlich von Fußgängern und Radfahrern genutzt werde und die Beklagte dies toleriere. Auf eine Widmung der Strecke komme es nicht an.
Im U. Weg an der Kreuzung zum L. Weg seien zum Unfallzeitpunkt noch nicht die Verkehrszeichen „Stopp“ und „Geradeaus“ vorhanden gewesen, sondern das Zeichen „Vorfahrt achten“, so dass damals für Autofahrer ein (regelwidriges) Abbiegen in beide Richtungen auf die Busstraße möglich gewesen sei. Er ziehe die ihm gut bekannte Abkürzung der gefährlicheren Fahrt über den L. Weg vor. Denn dort liege im Kreuzungsbereich nicht nur Geröll, sondern es verkehrten dort auch stündlich vier Stadtbusse; zusätzlich nutze eine Vielzahl von PKWs unberechtigterweise die Busspur. Die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h werde missachtet. Gerade in der S-Kurve des L. Wegs, wo man als Radfahrer die höchste Geschwindigkeit erreiche, sei man gefährdet. Eine zusätzliche Gefährdung bestehe dadurch, dass nach Starkregen kleinere und größere Steinchen und Steine sowie Geröllmassen auf die Straße geschwemmt würden.
Die frühere Verbindungsstraße sei nach dem Neubau der Busstraße stillgelegt und sich selbst überlassen worden. Die Relikte seien heute als viel begangener und befahrener Weg noch vorhanden. Dieser sei auch in einer Karte „Problemfeld Fahrradparken“ aus einem Verkehrskonzept der Beklagten eingezeichnet. Der Weg werde zudem regelmäßig durch Rasenmähen und Rückschnitt der Sträucher durch die Beklagte gepflegt, beispielsweise am 26.08. und 28.09.2015. Es handele sich nicht um ein „unwegsames abschüssiges Waldstück“, sondern um einen Bereich mit Gras und Buschwerk. Zudem lasse sich das Gefälle problemlos mit dem Fahrrad bewältigen.
Da es am Unfalltag zwei Stunden vor seinem Fahrtantritt keinen Regen mehr gegeben habe, habe er nicht erkennen können, dass es an der flachen Stelle der Abkürzung durch Feuchtigkeit glatt sein könnte. Schließlich ergebe sich aus dem Umständen des Unfalls, dass sich weder das Gefälle noch der Grasbewuchs des Untergrunds als gefahrerhöhende Momente ausgewirkt hätten.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28.08.2014 und des Widerspruchsbescheids vom 12.03.2015 zu verpflichten, den Unfall vom 25.03.2014 als Dienstunfall (Wegeunfall) anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihren Verwaltungsvorgang und trägt ergänzend vor, bei der Abkürzung könne von einem „Weg“, der zudem noch mit dem Fahrrad befahrbar sei, keine Rede sein. Daran ändere es nichts, dass die Strecke in einem Verkehrskonzept eingezeichnet sei. Denn die dortigen Eintragungen seien nicht vollständig.
An dem „Weg“ würden keine regelmäßigen Mäh- und Rückschnittarbeiten zur Unterhaltung für den Fuß- und Fahrradverkehr durchgeführt. Das „Naturgelände“ sei nicht für den Fuß- oder Fahrradverkehr freigegeben. Eine Unterhaltung erfolge lediglich im unteren Bereich Richtung U. Weg. Die im Bereich des L. Wegs befindliche Fläche werde bei Bedarf nahe der Schutzplanke gepflegt, um diese von Bewuchs frei zu halten. Im Gelände würden zweimal jährlich Mäharbeiten von Mitarbeitern des AA. Z. durchgeführt, um die Sträucher mit Studenten in Augenschein zu nehmen und von Wildbewuchs frei zu halten.
Es treffe nicht zu, dass die Strecke L. Weg - U. Weg für Fahrradfahrer gefährlich sei. Die jetzigen Verkehrsschilder seien bereits zum Unfallzeitpunkt vorhanden gewesen. Auch habe der Straßenbelag keine wesentlichen Mängel.
Unerheblich sei, in welchem Bereich der Abkürzung genau der Kläger gestürzt, ob er langsam gefahren und ob das Graupelschauer bereits vorüber gewesen sei. Denn das Gelände sei glitschig gewesen, als der Kläger es befahren habe, so dass er mit einem erhöhten Sturzrisiko habe rechnen müssen. Selbst wenn die betreffende Strecke häufig und regelmäßig durch andere Fußgänger und Radfahrer genutzt würde, was nicht der Fall sei, wäre dies für die dienstunfallrechtliche Beurteilung irrelevant.
Inzwischen hat die Beklagte die Abkürzungsstrecke an beiden Enden durch einen Baumstamm bzw. durch Strauchschnitt versperrt. Der Kläger fährt nunmehr die Strecke über den L. Weg und den U. Weg.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die vom Gericht beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakten A und B) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Verpflichtungsklage hat keinen Erfolg.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Sturzes als Dienstunfall; der dieses Begehren ablehnende Bescheid vom 28.08.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2015 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Ein Dienstunfall setzt ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis voraus, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist (§ 34 Abs. 1 Satz 1 NBeamtVG). Als Dienst gilt auch das Zurücklegen des mit dem Dienst zusammenhängenden Wegs nach und von der Dienststelle (§ 34 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz NBeamtVG).
Einen solchen Wegeunfall, der Ansprüche auf Leistungen der Unfallfürsorge auslöst, hat der Kläger nicht erlitten.
Die Dienstunfallfürsorge ist auf die unmittelbaren Wege zwischen Wohnung und Dienststelle begrenzt, wie sich im Umkehrschluss aus § 34 Abs. 2 Satz 2 NBeamtVG ergibt. Leistungen der Unfallfürsorge deshalb kommen nur für solche Schäden in Betracht, die auf dem zum Erreichen der Dienststelle notwendigen Weg zwischen Wohnung und Dienststelle eintreten (BVerwG, Urteil vom 27.05.2004 – 2 C 29.03 –, BVerwGE 121, 67 = juris, Rn. 14, zur Parallelvorschrift § 31 BeamtVG). Dienststelle ist der Ort, an dem der Beamte bestimmungsgemäß zu Beginn bzw. Ende der Arbeitszeit seinen Dienst zu versehen hat (Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Kommentar, Stand: April 2014, Teil D, § 31 BeamtVG Rn. 113); hier das L. M. im O. Weg.
Der Unfall des Klägers ist nicht auf dem unmittelbaren Weg zwischen Dienststelle und Wohnung eingetreten. „Unmittelbar“ ist der Weg, der - voraussichtlich - schnellstens und ohne erhöhte Risiken zum Ziel führt. Das Merkmal der Unmittelbarkeit hat eine zeitliche und eine räumliche Dimension. Der von dem Beamten gewählte Weg muss nicht unbedingt der im Hinblick auf die Entfernung kürzeste oder der im Hinblick auf den Zeitaufwand schnellste sein. Grundsätzlich entscheidet der Beamte selbst, ob er den Weg fußläufig oder mit einem Verkehrsmittel zurücklegt. Er bestimmt ebenfalls die Streckenführung, die auch durch die Art des Verkehrsmittels beeinflusst sein kann. Geschützt ist der Weg, den der Beamte ohne Rücksicht auf sonstige private Interessen vernünftigerweise wählen darf, um unter Berücksichtigung der konkret bestehenden Verhältnisse von der Wohnung zur Dienststelle und zurück zu gelangen. Umwege und Unterbrechungen werden von dem beamtenrechtlichen Unfallschutz generell ausgeschlossen, soweit sie nicht nach ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung gestattet und nicht nur unerheblich sind. Dass die Dienststelle der Ausgangspunkt oder das Ziel des Wegs ist, reicht somit nicht aus (BVerwG, Urteil vom 27.05.2004, a.a.O., Rn. 15, mit Verweis auf BSG, Urteil vom 24.06.2003 – B 2 U 40/02 R –, DAR 2003, 483 = juris; Nds. OVG, Urteil vom 28.02.2012 – 5 LB 8/10 –, juris, Rn. 21). Einen anderen Weg als den entfernungsmäßig kürzesten darf der Beamte vernünftigerweise insbesondere dann wählen, wenn dieser weniger zeitaufwändig, sicherer, übersichtlicher, besser ausgebaut oder kostengünstiger ist (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.2003, a.a.O., Rn. 13).
Diese Maßstäbe gelten entgegen der Auffassung des Klägers auch für Unfälle, die sich auf dem „Betriebsgelände“ des Dienstherrn ereignen. Eine Einschränkung auf Wege, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind, ist der vorstehend zitierten Rechtsprechung nicht zu entnehmen. Eine solche Einschränkung widerspräche auch dem Sinn und Zweck des § 34 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz NBeamtVG, wonach der Weg mit dem Verlassen der Dienststelle beginnt. Der Dienstherr soll weder innerhalb noch außerhalb seines Geländes das Risiko tragen, dass der Beamte einen risikobehafteten Weg nutzt (s.a. Bayerischer VGH, Beschluss vom 08.07.2008 – 3 B 04.1164 –, juris, Rn. 29, 42).
Die Abkürzung durfte der Kläger nicht vernünftigerweise wählen, um zu seiner Wohnung zu gelangen.
Dass im Bereich der Abkürzung in früheren Zeiten eine Straße verlief, ist unerheblich. Denn es kommt auf die tatsächlichen Verhältnisse im Unfallzeitpunkt an. Nicht entscheidend ist auch, dass die Abkürzung in der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung überreichten Karte „Problemfeld Fahrradparken“ einem Verkehrskonzept der Beklagten eingezeichnet ist. Insoweit ist bereits unklar, welches Kartenmaterial der Erstellung des dortigen Konzepts zu Grunde lag und ob die dortigen Eintragungen vollständig und richtig sind. Ob die Wahl eines bestimmten Wegs vernünftig ist, hängt darüber hinaus nicht von dessen Einzeichnung in irgendwelchen Karten ab - über die sich der Beamte während der Fahrt zudem sicherlich keine Gedanken macht -, sondern von den tatsächlichen Verhältnissen vor Ort.
Die Abkürzung gehört nicht zum (öffentlichen oder privaten) Straßenraum, ist nicht dem Verkehr gewidmet und in der vom Kläger gewählten Richtung nur erreichbar, indem man vom L. Weg aus kommend hinter der Seitenplanke entlang fährt. Eine tatsächliche Bereitstellung der Abkürzungsstrecke für den Fuß- und Fahrradverkehr zum Unfallzeitpunkt ist nicht erkennbar. Für eine solche Bereitstellung genügen das Vorhandensein der geteerten Fläche am U. Weg und das Mähen der Grünfläche und Beschneiden der Büsche weder für sich genommen noch in einer Zusammenschau. Die Beklagte hat plausibel erklärt, dass es sich bei der asphaltierten Fläche nicht um einen Zugang zu der Abkürzung handelt, sondern um eine Parkfläche für Fahrzeuge des Y. Z.. Dies hat der Kläger nicht substanziiert bestritten, sondern in der mündlichen Verhandlung lediglich erklärt, dass er selbst dort solche Fahrzeuge nicht wahrgenommen habe. Die Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, warum im Bereich der Abkürzung Unterhaltungsarbeiten durchgeführt wurden. Es bestand für den Kläger kein Anlass anzunehmen, dass diese zur Herrichtung des Wegs für den Fuß- und Fahrradverkehr erfolgen würden. Konsequent hat die Beklagte inzwischen durch Hindernisse den Zugang zu der Abkürzung versperrt.
Auch unabhängig davon, ob und zu welchem Zweck die Beklagte im Bereich der Abkürzungsstrecke Unterhaltungsarbeiten durchgeführt hat, war die vom Kläger gewählte Strecke mit einem erhöhten Risiko verbunden (zur Nutzung eines für Fahrzeuge aller Art gesperrten Waldwegs vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 06.12.2005 – 1 Q 74/05 –, juris, Rn. 7). Auf der unbefestigten, grasbewachsenen und abschüssigen Abkürzung bestand im Vergleich zu einer geteerten Straße oder einem Fahrradweg eine erhöhte Rutsch- und damit Sturzgefahr. Dies galt bereits bei trockener Witterung und war für jeden mit den örtlichen Gegebenheiten vertrauten verständigen Beobachter erkennbar; auf die rein subjektive Einschätzung des Klägers kommt es insoweit nicht an. Die Wahl der Abkürzungsstrecke stellt sich bei verständiger Würdigung als unvernünftig dar. Dies gilt selbst dann, wenn der Kläger die Strecke jahrelang unfallfrei befahren hat. Da die Abkürzung bereits bei trockener Witterung vernünftigerweise nicht genutzt werden durfte, bedurfte es nicht der vom Kläger beantragten Beweiserhebung durch Vernehmung des Zeugen Dr. AB. AC. zu den Behauptungen, dass seit ca. zwei Stunden vor Fahrtantritt kein Regen mehr gefallen sei, dass er - der Kläger - langsam gefahren sei und erst beim Abstützen gestürzt sei. Die unter Beweis gestellten Tatsachen sind nicht entscheidungserheblich und darüber hinaus von der Beklagten nicht bestritten. Abgesehen davon musste der Kläger, selbst wenn es seit ca. zwei Stunden vor Fahrtantritt trocken war, damit rechnen, dass die Strecke noch feucht wäre. Bei den am Unfalltag herrschenden Witterungsbedingungen hätte er die grasbewachsene Strecke erst recht nicht befahren dürfen.
Es bedurfte ferner keiner Beweiserhebung zu der vom Kläger behaupteten Tatsache, er sei im unteren, flachen Bereich der Abkürzung gestürzt. Wenn diese Behauptung von der Beklagten überhaupt bestritten sein sollte, ist sie jedenfalls nicht entscheidungserheblich. Denn es kommt nicht darauf an, ob sich bei dem Sturz ein der Abkürzung immanentes Risiko (Gefälle, Feuchtigkeit) verwirklicht hat. Entscheidend ist allein, dass der Kläger die Abkürzung vernünftigerweise generell nicht befahren durfte. Bereits durch das Einschlagen der Abkürzung hat er für diesen Abschnitt des Heimwegs den dienstunfallrechtlichen Schutz verloren.
Statt der Abkürzung hätte der Kläger einen anderen, sicheren Weg wählen müssen.
Ein solcher sicherer Weg mag bei der Strecke L. Weg - U. Weg gegeben sein. Der L. Weg war bereits zum Unfallzeitpunkt nur für den Fahrrad- und Busverkehr freigegeben. Soweit dort Autofahrer unterwegs sein - oder es in der Vergangenheit ggfs. unerkennbar regelwidrig gewesen sein - sollten, mit überhöhter Geschwindigkeit fahren und Radfahrer selbst an unübersichtlichen Stellen überholen sollten, stellt dies ein allgemeines Risiko des Straßenverkehrs dar. Wenn der Eintrag der Steine aus dem Bankett in den Kreuzungsbereich L. Weg - U. Weg ein so großes Ausmaß haben sollte, dass ein Abbiegen in den U. Weg mit einer erhöhten Sturzgefahr verbunden ist, müssten Radfahrer in dem Bereich ihre Geschwindigkeit (ggfs. deutlich) verlangsamen und notfalls kurzzeitig vom Rad absteigen.
Für den Fall, dass die Strecke L. Weg - U. Weg bei objektiver Betrachtung für Radfahrer tatsächlich nicht sicher sein sollte, wie der Kläger meint, hätte er sich für eine andere - sichere - Wegstrecke entscheiden müssen. Neben den beiden genannten Routen standen ihm noch andere Wege von der Dienststelle nach Hause zur Auswahl. Der Beamte ist durch das Recht der Dienstunfallfürsorge nicht geschützt, wenn er anstelle einer von ihm als unsicher eingestuften Strecke eine Alternativroute wählt, die (ebenfalls) mit einem erhöhten Risiko verbunden ist.
Dass es sich bei der vom Kläger gewählten Strecke nicht um einen beamtenversorgungsrechtlich geschützten Weg handelte, verdeutlicht auch folgende Überlegung: Hätte der Kläger statt der Abkürzung die Route über den weiteren Verlauf des L. Wegs und den U. Weg gewählt und hier einen Unfall erlitten, so hätte man diesem die Anerkennung als Dienstunfall sicher nicht mit der Begründung verweigern können, dass der Kläger einen kürzeren Weg - nämlich die Abkürzung - hätte nehmen können und die weitere Strecke einen unzulässigen Umweg darstelle. Würde es sich bei der Abkürzung aber um einen geschützten Weg im Sinne von § 34 Abs. 2 NBeamtVG handeln, so wäre eine derartige Argumentation durchaus möglich (vgl. OVG Saarland, a.a.O., Rn. 8, zu § 31 BeamtVG).
Nicht entscheidungserheblich ist, ob andere Verkehrsteilnehmer - wie der Kläger behauptet - ebenfalls die Abkürzung gewählt haben. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, würde das Verhalten Dritter nichts daran ändern, dass der Kläger die mit erhöhten Gefahren verbundene Strecke vernünftigerweise nicht wählen durfte (vgl. OVG Saarland, a.a.O., Rn. 10). Auch zu dieser Behauptung bedurfte es deshalb nicht der vom Kläger beantragten Beweiserhebung durch Vernehmung des Zeugen Dr. AC..
Die vom Kläger zum Unfallzeitpunkt befahrene Strecke kann nicht als geschützter Weg im Sinne von § 34 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz NBeamtVG angesehen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.