Landgericht Stade
Urt. v. 22.09.2005, Az.: 8 O 47/05
Bibliographie
- Gericht
- LG Stade
- Datum
- 22.09.2005
- Aktenzeichen
- 8 O 47/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 42505
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGSTADE:2005:0922.8O47.05.0A
Fundstelle
- DS 2006, 79-80
In dem Rechtsstreit
...
hat die 8. Zivilkammer (Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Stade auf die mündliche Verhandlung vom 01. September 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Ganzemüller
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt,
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250 000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken hinsichtlich der Beklagten zu 1) an dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1) für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Werbeschreiben oder sonst werblich wort- oder inhaltsgleiche Ausführungen zu machen wie:
- a)
"Rechnung-Nr. ...
Sehr geehrter Herr...,
wir haben eine Kopie Ihrer Bestallungsurkunde von Ihnen erhalten und freuen uns, dass Sie Interesse an einem Eintrag in unsere Datenbank haben ...
...
Wir bitten Sie, den beigefügten Überweisungsträger für Ihre Überweisung des Beitrages zu nutzen ...",
sofern der Adressat keine Kopie der Bestallungsurkunde zur Verfügung gestellt hat.
- b)
"Rechnung-Nr. ...
Sehr geehrter Herr...,
wie wir Ihnen bereits mehrfach (per Post, E-Mail und Fax) mitgeteilt haben, sind Sie bereits bei uns in der Sachverständigen-Datenbank eingetragen. Wie wir Ihnen in den Schreiben mitgeteilt hatten, ist der Eintrag nur bis ... kostenfrei gewesen. Sofern Sie weiterhin Interesse an einem Eintrag in der größten und umfangreichsten Sachverständigen-Datenbank Deutschlands haben, nutzen Sie bitte den beigefügten Überweisungsträger",
sofern ein vorangegangener Schriftverkehr zwischen der Beklagten und den Adressaten nicht stattgefunden hat.
- 2.
Die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 189,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.03.2005 zuzahlen.
- 3.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.
- 4.
Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
- 5.
Der Streitwert wird auf 10 189,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung nach Auffassung des Klägers wettbewerbswidriger Maßnahmen.
Zu den satzungsmäßigen Aufgaben des Klägers gehört u.a. die Förderung gewerblicher Interessen, insbesondere zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs.
Die Beklagte zu 1) betreibt eine Sachverständigen-Datenbank; die Beklagte zu 2) und 3) sind die Geschäftsführer der Beklagten zu 1).
Unter dem 10.02.2005 versandte die Beklagte zu 1) an die Sachverständigen ... die Anschreiben Anlagen K 1, K 6 und K 11, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird. Im Eingang heißt es: "... wir haben eine Kopie Ihrer Bestallungsurkunde von Ihnen erhalten und freuen uns, dass Sie Interesse an einem Eintrag in unserer Datenbank haben. Sofern Ihr Eintrag bestehen bleiben soll, bitten wir folgenden Betrag an uns zu überweisen." Anschließend sind Bruttokosten in Höhe von 111,26 € ausgewiesen. Weiter heißt es: "Sofern Sie kein Interesse an einem Eintrag in unserer Datenbank haben, betrachten Sie diese Rechnung als gegenstandslos und setzen Sie sich bitte zwecks Löschung oder weiterer Korrekturen mit uns in Verbindung!"
Angegeben ist weiterhin die Kundennummer und ein persönliches Kennwort. Weiterhin ist ein Überweisungsträger dem Anschreiben beigefügt.
Tatsächlich haben die angeschriebenen Sachverständigen ... der Beklagten zu 1) Ihre Bestallungsurkunde nicht zur Verfügung gestellt. Die Beklagten machen geltend, es liege ein schlichtes Büroversehen vor.
Weiter haben die Sachverständigen ... die Schreiben vom 08.3.2005, 18.04.2005 und 03.05.2005, Anlagen K 8, K 10, K 12 - 14 erhalten. Dort heißt es im Eingang: ..." Wie wir Ihnen bereits mehrfach (per Post, E-Mail und Fax) mitgeteilt haben, sind Sie bereits bei uns in der Sachverständigen-Datenbank eingetragen. Wie wir in den Schreiben mitgeteilt hatten, ist der Eintrag nur bis 2005 kostenfrei gewesen. Sofern Sie weiterhin Interesse an einem Eintrag in der größten und umfangreichsten Sachverständigen-Datenbank Deutschlands haben, nutzen Sie bitte den beigefügten Überweisungsträger." Es folgt weiterhin der Rechnungsbetrag über 111,26 €.
Die Klägerin macht geltend, mit den hier angesprochenen Sachverständigen habe die Beklagte zu 1) zuvor keinen Kontakt aufgenommen. Es habe auch kein Schriftverkehr stattgefunden. Die Beklagten seien daher zur Unterlassung und Ausgleich vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von € 189,00 verpflichtet.
Angesichts der erwartungsgemäß hohen Dunkelziffer und der großen Anzahl der bisher ihr zur Kenntnis gebrachten Schreiben bestehe eine größere Wahrscheinlichkeit dahingehend, dass nicht ein "Büroversehen" zur Kontaktaufnahme mit den Sachverständigen geführt habe, sondern vielmehr eine große Anzahl willkürlich ausgewählter Sachverständiger mit den entsprechenden Anschreiben überzogen worden seien.
Der Hinweis, dass es zur Löschung der eingespeisten Daten weiteren Tätigwerdens des Angeschriebenen bedürfe, die Daten mithin bereits abgespeichert und die Eintragung bereits tatsächlich erfolgt sei, würden den Eindruck einer bereits seit längerem bestehenden Geschäftsbeziehung vermitteln, weil die Beklagten mit der Anmerkung deutlich machen würden, bereits im Besitz der verwandten Daten des angesprochenen Sachverständigen sein. Der angesprochene Sachverständige sei, um die Löschung seiner Daten zu erreichen, zur Kontaktaufnahme mit der Beklagtenseite gezwungen. Er setze sich mit dieser erzwungenen Kontaktaufnahme den Überredungskünsten der Beklagten aus. Das Anschreiben und der Hinweis auf die Löschung der Daten nur für den Fall der Kontaktaufnahme diene einzig und allein dazu, die Regelung des § 7 Abs. 2 Ziff. 2 UWG zu umgehen.
Die Klägerin beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten machen geltend, es handele sich bei der Zustellung der Schreiben vom 10.02.2005 um ein und dasselbe Büroversehen durch die Unachtsamkeit einer Bürodame. Durch ihre Unachtsamkeit seien die mit dem Schreiben vom 10.02.2005 angesprochenen irrtümlich in die Liste derjenigen Sachverständigen geraten, die ihre Bestallungsurkunde bereits zugesandt hätten. Die Bürodame habe nach diesem Vorfall ihr Beschäftigungsverhältnis selbst beendet. Sie habe sich demgemäß für das Büroversehen bei den betroffenen Sachverständigen entschuldigt. Eine Wiederholungsgefahr sei als äußerst gering anzusehen, weil nunmehr in dem Beklagtenbüro ein besonderes Augenmerk auf die Vermeidung des bereits aufgetretenen Fehlers gelegt werde und die nach eigenen Angaben überforderte Bürodame, welche das Büroversehen verursacht habe, nicht mehr im Unternehmen tätig sei. Die nachfolgenden Schreiben seien inhaltlich dergestalt verändert, dass diejenigen Sachverständigen, mit denen sie in irgendeiner Weise bereits schon einmal Kontakt gehabt habe, durch das Anschreiben auf den/die bereits vorherigen Kontakt-(e) hingewiesen wurden, um darüber zu informieren, dass der Eintrag nur bis 2005 kostenfrei sei. Sie habe nicht vortäuschen wollen, dass es sich um eine Rechnung für bereits bestellte Leistungen handele. Vielmehr seien die angeschriebenen Sachverständigen ausdrücklich dahingehend informiert worden, dass bei einem Nichtinteresse an der Beibehaltung des Eintrags das Schreiben als gegenstandslos zu betrachten sei. Diese Information sei durch Unterstreichen sogar deutlich erkennbar hervorgehoben. Die Sachverständigen ... hätten zuvor einen Informationsbrief erhalten, vgl. Anlage B 20. Ferner verweise sie auf ihre E-Mail-Liste, die sie auszugsweise, Anlage B 4, vorlege. In dieser Mail seien die Kontaktierten auf die Möglichkeit der kostenpflichtigen Eintragung ab Februar 2005 hingewiesen worden.
Die Klage gegen die beiden Geschäftsführer sei unzulässig. Die Beklagten zu 2) und 3) hätten selbst keinen Deliktstatbestand verwirklicht.
Wegen des weiteren wechselseitigen Vorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage gegen die Beklagten ist begründet.
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich aus §§ 3, 4 Abs. 1 Nr. 1, 5 Abs. 1 UWG.
Die Schreiben vom 10.02.2005 und vom 08.03.2005 sind irreführend und unsachlich beeinflussend. Dies gilt in abgeschwächter Form auch für die Schreiben vom 18.04.2005 und 03.05.2005.
Die Beklagten haben mit der von ihnen gewählten Ausgestaltung der Anschreiben die Grenze der Irreführung und unsachlichen Beeinflussung überschritten. Die Schreiben vermitteln den Eindruck, als bestehe bereits eine aufgenommene Geschäftsbeziehung. Dies ergibt sich zunächst deutlich aus dem Schreiben vom 10.02.2005. Dort wird mitgeteilt, der Sachverständige habe seine Bestallungsurkunde übersandt und wünsche deshalb auch die Beibehaltung des Eintrags in der Datenbank. Dieses Schreiben vermittelt den Eindruck einer Auftragsbestätigung. Aber auch die weiteren Schreiben vermitteln den Eindruck einer kostenpflichtigen Eintragung. Sowohl in dem Anschreiben als auch auf dem Überweisungsträger ist jeweils von einer Rechnung die Rede, nicht lediglich von einem Angebot. Der Leser kann zu dem Ergebnis gelangen, er müsse von sich aus tätig werden, um eine Löschung zu erreichen und einer Zahlungspflicht zu entgehen. In diesem Zusammenhang kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich die Beklagte zu 1) auch an Personen wendet, die nicht als Kaufleute im Handelsregister eingetragen und damit nicht ohne weiteres in der Lage sind, eine rechtlich zuverlässige Einordnung vorzunehmen. Mit Ausnahme der Schreiben vom 18.04.2005 und 03.05.2005 wird der Angeschriebene aufgefordert, bei Desinteresse sich mit der Beklagten zu 1) in Verbindung zu setzen. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Beklagte zu 1) sich nach dem Muster Anlage B 20 mit den Sachverständigen zuvor jeweils in Verbindung gesetzt hatte. Denn die Mitteilung vom sogenannten Gratiseintrag ging nicht auf Initiative des Angeschriebenen zurück. Entscheidend ist vielmehr, dass die inkriminierten Schreiben den Eindruck vermittelten, er habe tätig zu werden, um einer Zahlungspflicht zu entgehen, obwohl er von sich aus keinerlei Interesse an einem Eintrag bekundet hatte. Dieser Eindruck wird verstärkt durch die beigefügte Kundennummer und das persönliche Kennwort.
Die Beklagten haben für das Verschulden der Mitarbeiter einzustehen, die Sachbearbeiterinnen sind Erfüllungsgehilfen der Beklagten zu 1) im Sinne des § 278 BGB. Die Mitarbeiterin ... hat schuldhaft gehandelt, denn sie hätte bei Abfassung der Schreiben vom 10.02.2005 erkennen können und müssen, dass die Sachverständigen keine Bestallungsurkunde übersandt hatten. Auch die Mitarbeiterin ... hätte bei einer Kontrolle vor oder nach Unterschriftsleistung den Fehler entdecken können. Ein Kontroll- bzw. Überwachungsverschulden muss sich die Beklagte zu 1) gleichfalls zurechnen lassen.
Die Beklagten zu 2) und 3) haften im Rahmen der Repräsentantenhaftung auch persönlich. Die Kammer hält an ihrer gegenteiligen Auffassung, zu der sie im Termin zur mündlichen Verhandlung noch tendiert hatte, nicht mehr fest. Denn der Inhalt der wettbewerbswidrigen Anschreiben stammt von den Beklagten zu 2) und zu 3). Jedenfalls müssen sich die beiden Beklagten das Schreiben persönlich zurechnen lassen. Die Mitarbeiterin ... hat demgemäß auch nur im Auftrag für die Geschäftsführer unterzeichnet.
Die Wiederholungsgefahr ist zu bejahen. Die Beklagte zu 1) hat die geforderte Unterlassungserklärung nicht abgegeben.
Der Anspruch hinsichtlich der Rechtsverfolgungskosten ergibt sich aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Der Kläger hat Anspruch auf Ersatz seiner Bearbeitungskosten. Erstattungsfähig ist eine Abmahnpauschale in Höhe der durchschnittlich anfallenden Kosten. Die Höhe bewegt sich im angemessenen Rahmen (§ 287 ZPO).
Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 286, 288 BGB.
Die Nebenentscheidungen haben ihre Rechtsgrundlage in §§ 91, 709 S. 1 ZPO.