Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 17.10.2002, Az.: 6 A 85/01
Erlaubnis für dem Nachtdienst und Wochenenddienst für eine tierärztliche Notfallpraxis; Ausnahmegenehmigung für den Betrieb einer Notfallpraxis am Wohnort ; Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit durch Kammersatzungen; Rechtmäßigkeit der Ausübung des Tierarztberufes von einer Praxisstelle aus
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 17.10.2002
- Aktenzeichen
- 6 A 85/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 25121
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOSNAB:2002:1017.6A85.01.0A
Rechtsgrundlagen
- § 33 HKG
- § 26 Abs. 2 HKG
- § 9 Abs. 1 Nr. 7 HKG
- § 114 VwGO
- § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO
Verfahrensgegenstand
Errichtung einer tierärztlichen Notfallpraxis
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die Freiheit der Berufsausübung darf gemäß Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. Darin sind Regelungen in Gestalt von Satzungen eingeschlossen, welche von mit entsprechender Rechtsetzungsautonomie ausgestatteten Körperschaften erlassen werden.
- 2.
Die Freiheit der Berufsausübung kann eingeschränkt werden, soweit vernünftige und sachgerechte Erwägungen des Gemeinwohls dies zweckmäßig erscheinen lassen. Eingriffe dürfen nicht weiter gehen, als es die sie legitimierenden öffentlichen Interessen erfordern. Ferner müssen die Eingriffe zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet sein und dürfen den Grundrechtsträger nicht unzumutbar belasten.
- 3.
Die grundsätzliche Bindung der Ausübung tierärztlicher Tätigkeit an eine Praxisstelle begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie beruht insofern auf sachgerechten Gründen des Gemeinwohls, als sie der Qualitätssicherung tierärztlicher Versorgung dient. Indem der Tierarzt sich auf eine Praxisstelle zu beschränken hat, stehen ihm für deren Ausstattung finanzielle Mittel in größerem Umfang zur Verfügung, als dies bei dem Betrieb mehrerer Praxisstellen in der Regel der Fall ist.
- 4.
Die Bindung der Berufsausübung an eine Praxisstelle steht im Zusammenhang mit der Qualitätssicherung im Interesse des Tierhalters. Dieser soll bei der Inanspruchnahme tierärztlicher Leistungen davon ausgehen können, dass der Tierarzt über die zur ordnungsgemäßen Ausübung seines Berufs erforderlichen Räumlichkeiten und Gerätschaften verfügt.
- 5.
Der den Notfalldienst verrichtende Tierarzt muss lediglich den typischen Notfallsituationen des tierärztlichen Alltags abhelfen können. Dafür ist im Regelfall keine umfassend ausgestattete tierärztliche Praxis erforderlich. Dementsprechend ist gegen die Einrichtung einer zusätzlichen Praxisstelle, die ausschließlich für die Notfallbetreuung eingerichtet wird, regelmäßig rechtlich nichts einzuwenden.
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Osnabrück - 6. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 17. Oktober 2002
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dr. Thies als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Bescheid der Beklagten vom 02.02.2001 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 10.05.2001 werden aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Parteien je zur Hälfte. Die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger betreibt eine tierärztliche Praxis mit Sitz in ... Im September 2000 beantragte er bei der Beklagten die Erteilung der Erlaubnis, von seinem 15 km entfernten Wohnsitz aus eine tierärztliche Notfallpraxis zu betreiben, um von dort aus Nacht- und Wochenenddienst verrichten zu können, zumal viele Patienten aus seiner nächsten Umgebung stammten.
Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 02.02.2001 mit folgender Begründung ab: Im Falle des Klägers liege kein Ausnahmefall im Sinne des § 9 Abs. 4 Satz 2 der Berufsordnung - BO - vom 21.12.1993 (DTBl. 1944, 144), zuletzt geänd. durch Satzung vom 11.01.2000 (DTBl. 2000, 299), vor. Dessen Situation sei mit derjenigen einer Vielzahl von Kolleginnen und Kollegen vergleichbar, die nicht am Praxisort wohnten. Der Kläger habe weder geltend gemacht noch belegt, dass bei ihm eine besondere Situation, etwa eine besondere Härte gegeben sei. Mit der Bindung der Niederlassung an eine einzige Praxisstelle solle erreicht werden, dass der Tierarzt für den Tierhalter leicht erreichbar sei und hinsichtlich der technischen, apparativen, instrumentellen und personellen Ausstattung ein hoher Standard der Praxisstelle sichergestellt sei. Dieses Ziel werde nicht erreicht, wenn finanzielle Ressourcen für die Aufrechterhaltung von Neben- bzw. Zweigstellen verwandt würden. Darüber hinaus bestehe die Gefahr, dass mittels dieser Nebenstelle der Kundenkreis erweitert werde. Dabei komme es aus der Sicht der Kammer nicht darauf an, ob dies im konkreten Fall angestrebt werde. Vielmehr sollten durch die Regelung des § 9 Abs. 4 Satz 1 BO von vornherein Entwicklungen in diese Richtung ausgeschlossen werden.
Der Kläger legte dagegen mit folgender Begründung Widerspruch ein:
- Die Beklagte habe in der Vergangenheit von ihrem Ermessen, nach § 9 Abs. 4 Satz 2 BO Ausnahmen zuzulassen, in vergleichbaren Fällen, in denen ebenfalls keine besondere Härte vorgelegen habe, Gebrauch gemacht. Dabei spiele es keine Rolle, ob es sich um eine Zweigpraxis am selben Ort handele.
- Im ländlichen Raum spiele die Erreichbarkeit keine überragende Rolle, da ohne Fahrzeug ein Tierarzt nicht erreichbar sei.
- Auch der Gesichtspunkt des hohen Standards hinsichtlich der technischen, apparativen, instrumentellen und personellen Ausstattung der Praxis spiele keine bedeutende Rolle, da die BO dazu keine Regelungen enthalte. Ggf. könnten entsprechende angemessene Auflagen erteilt werden, von denen offenbar auch in den Vergleichsfällen abgesehen worden sei. Im übrigen sorge jeder Tierarzt im eigenen Interesse für eine entsprechende Ausstattung.
- Der Hinweis auf die Bindung finanzieller Ressourcen durch die Zweigstelle mit nachteiligen Auswirkungen für die Ausstattung der Hauptpraxis entbehre jeglicher Grundlage. Aus der BO sei nicht ersichtlich, dass etwa die Zulassung als Tierarzt von den finanziellen Ressourcen des Kammermitgliedes abhängig sei.
- Ferner sei nicht nachvollziehbar, dass bei einer Nebenstelle der "Kundenkreis" erweitert werden könnte. Zum einen beantrage er lediglich eine Notfallpraxis. In Notfällen wendeten sich die Kunden an den Tierarzt, der einen Notdienst betreibe. Zum anderen würden durch einen Notdienst in der Regel keine neuen Kunden geworben, zumal er den Notdienst nicht an einem dritten Ort, sondern auf seinem Hausgrundstück, also in "einsamer Gegend" betreiben wolle. Im übrigen würde durch die Möglichkeit, Kunden abzuwerben, der Notdienst grundsätzlich in Frage gestellt.
- Die Regelung des § 9 Abs. 4 BO sein insgesamt rechtlich fragwürdig, da sie ohne weiteres umgangen werden könne und erhebliche Bedenken gegen ihre Verfassungsgemäßheit im Hinblick auf Art. 12 GG bestünden, da die Berufsausübung lediglich durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden könne und sich die Bindung der Niederlassung an einen einzigen Ort nicht durch Gemeinwohlbelange begründen lasse.
Durch Bescheid vom 10.05.2001 wies die Beklagte den Widerspruch mit folgender Begründung zurück:
- Es treffe zu, dass sie einem Tierarzt in Osnabrück vor 5 1/2 Jahren unter dem Vorbehalt des Widerrufs und unter Auflagen die Genehmigung zum Betrieb eines Notbehandlungsraumes erteilt habe. Im vorliegenden Zusammenhang sei geprüft worden, ob diese Genehmigung so hätte erteilt werden dürfen oder - wegen veränderter Praxis- und Konkurrenzverhältnisse - nicht mehr gerechtfertigt sei und daher widerrufen werden sollte.
- Aus § 9 Abs. 4 Satz 2 BO ergebe sich der Grundsatz, dass bestehende Praxen durch Zusammenlegung in ihrer Betätigung nicht eingeschränkt werden sollten. Dagegen solle nicht der räumliche Tätigkeitsbereich einer bestehenden Praxis durch Schaffung neuer, bisher nicht existenter Außen-, Neben- oder Zweigstellen erweitert werden, da dies zur Folge hätte, dass Nebenstellen mit unzureichender Ausstattung geschaffen würden und eine Kontrolle sowohl in berufs- als auch arzneimittelrechtlicher Hinsicht erschwert werden würde. Aus diesem Grund sei die seinerzeit einem Berufskollegen erteilte Genehmigung nicht frei von Bedenken.
- Bei dem Kläger komme hinzu, dass der Notfallbehandlungsraum von der Praxisstelle 15 km entfernt sei. Im Notfall wären Tierhalter aus dem Raum Ankum gezwungen, bis Badbergen zu fahren. In Ausnahmefällen stelle dies kein grundsätzliches Problem dar. Wenn jedoch seitens der Beklagten gestattet würde, dass Notfallbehandlungen an Wochenenden und zur Nachtzeit stets fernab der Praxisstelle durchgeführt würden, so werde kranken, verunfallten oder verletzten Tieren und ihren Haltern ein zu langer Weg zugemutet, zumal auf dem Lande häufig keine entsprechenden Verkehrsverbindungen bestünden.
- Schließlich sei für die Ablehnung nach wie vor entscheidend, dass sich bei einer Nebenstelle bzw. einem Notbehandlungsraum an einem anderen Ort als die Praxisstelle die Gefahr ergebe, dass diese Nebenstelle mit oder ohne Zustimmung des Betreibers von Kunden als Anlaufstelle angesehen werde, je weiter der Weg zur Praxis sei.
Der Kläger hat dagegen am 12.06.2001 Klage erhoben, zu deren Begründung er ergänzend vorträgt:
- Dadurch, dass die Beklagte in der Vergangenheit in dem vergleichbaren Fall eines Tierarztes mit Niederlassung in Osnabrück unter Auflagen eine Ausnahmegenehmigung für den Betrieb einer auf den Notfalldienst beschränkten Zweitpraxis erteilt habe, sei eine Ermessensbindung eingetreten, da die Beklagte an der Richtigkeit dieser Entscheidung offenbar festhalte; eine Distanzierung reiche allein nicht aus. Dabei könne nicht darauf abgestellt werden, dass im Vergleichsfall die Notfallpraxis am Praxisort betrieben werde, da § 9 Abs. 4 Satz 2 BO danach nicht differenziere. - Ferner habe die Beklagte zwei Tierärzten mit Niederlassung in Bersenbrück die Eröffnung einer (nicht einmal auf den Notfalldienst beschränkten) Zweigpraxis gestattet, ohne dass Abweichungen zum vorliegenden Fall erkennbar seien. Dass insoweit lediglich die Ausgliederung einer Kleintierpraxis gestattet worden sei, werde bestritten und wäre auch überhaupt nicht praxisgerecht. Im übrigen sei es nicht entsprechend dem Sinn des § 9 Abs. 4 Satz 2 BO um die Förderung des Zusammenschlusses bestehender Praxen, sondern um die Aufteilung einer Gesamtpraxis auf zwei Praxisorte gegangen.
- Es sei mit § 9 Abs. 4 Satz 2 BO unvereinbar, wenn die Zulassung einer Ausnahme vom Vorliegen einer besonderen Härte abhängig gemacht werde, die im übrigen auch in den Vergleichsfällen nicht vorgelegen habe. Es müsse sich lediglich um nachvollziehbare Gründe handeln. Es gehe ihm dabei nicht um Bequemlichkeit, sondern um die Vermeidung unnötiger Belastungen.
- Dass mit der Regelung des § 9 Abs. 4 BO ein Qualitätsstandard aufrechterhalten werden solle, sei nicht nachvollziehbar. Dass bei mehreren Praxisstellen diese unzulänglich oder unterdurchschnittlich ausgerüstet seien, treffe nicht zu, da der Tierarzt schon im eigenen Interesse für einen ordnungsgemäßen Standard sorgen werde. Es gehe insoweit nicht um Qualitätssicherung bzw. überragende Allgemeininteressen.
- Es liege nicht auf der Hand, dass die Zulassung von Nebenstellen die Kontrolle in berufs- und arzneimittelrechtlicher Hinsicht erschwere, da es sich um denselben Ansprechpartner handele.
- Es treffe nicht zu, dass durch Notfallpraxen die ausreichende tierärztliche Versorgung der Bevölkerung gefährdet werde. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall.
- Auch der Gesichtspunkt der leichten Erreichbarkeit der Tierarztpraxis für den Tierhalter rechtfertige nicht die Ablehnung, da die Entfernung zwischen Praxisort und Wohnung nur 15 km betrage, im Raum Badbergen/Ankum keine Unterversorgung vorliege und im übrigen die tierärztliche Versorgung in Badbergen schlechter sei als in Ankum. Es sei nicht ersichtlich, weshalb Kunden aus dem Bereich Badbergen während der regulären Praxisöffnungszeiten eine größere Entfernung zugemutet werde, dies jedoch nicht bei Notfällen für Kunden aus Ankum gelten solle. - Bei Großtieren müsse er die Kunden ohnehin vor Ort aufsuchen.
- Was die angebliche Gefahr einer Erweiterung des Kundenkreises durch eine "Nebenstelle" betreffe, versuche die Beklagte Angelegenheiten zu regeln, die nicht mehr ihren Aufgabenbereich beträfen.
- Die Beklagte könne auch nicht darauf abstellen, dass durch § 9 Abs. 4 Satz 2 BO nicht das Entstehen weiterer örtlicher Tätigkeitsbereiche gefördert werden solle, da der Notfalldienst organisatorisch und arzneimittelrechtlich zur Praxis des jeweiligen Betreibers gehöre, zumal bei Großtieren vielfach Hausbesuche durchgeführt würden, ohne dass darin berufs- oder arzneimittelrechtliche Probleme gesehen würden. Die Notfallpraxis könne auch nicht von Kunden als Anlaufstelle gesehen werden, da zu den regulären Praxisöffnungszeiten dort niemand anwesend sei.
- Außerhalb der regulären Öffnungszeiten würde durch die Notfallpraxis am Wohnort des Klägers eine schnellere Behandlung der Tiere vor Ort gewährleistet. Im übrigen gebe es keine Regelungen über bestimmte Praxisöffnungszeiten, so dass auch nicht auf seine Erreichbarkeit zu bestimmten Zeiten abgestellt werden könne.
- Ferner bestünden Zweifel hinsichtlich der Satzungskompetenz der Beklagten. Die Berufsausübung könne nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. Im vorliegenden Falle fehle es an einer entsprechenden Grundlage im Kammergesetz für Heilberufe. § 33 Abs. 2 Nr. 5 HKG sei keine spezielle Ermächtigungsnorm für § 9 Abs. 4 BO (wird ausgeführt).
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 02.02.2001 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 10.05.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer tierärztlichen Notfallpraxis an seinem Wohnsitz in Badbergen (Landkreis Osnabrück) zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung macht sie geltend:Eine Ermessensbindung sei nicht eingetreten. In ihrem Widerspruchsbescheid distanziere sie sich von der im Falle des in Osnabrück ansässigen Tierarztes getroffenen Entscheidung. Die erschwerten Voraussetzungen für deren Rücknahme lägen nicht vor. Zudem unterscheide sich dieser Fall von dem des Klägers dadurch, dass der Notfallbehandlungsraum unweit der Praxisstelle gelegen habe, so dass bei Inanspruchnahme des Notfalldienstes keine längeren Wegstrecken hätten zurückgelegt werden müssen. Im übrigen bestehe kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht. In dem weiteren vom Kläger zitierten Fall habe es sich um die gänzlich andere Situation gehandelt, dass wegen unzureichender Räumlichkeiten eine Ausgliederung der Kleintierpraxis gestattet worden sei, um den ursprünglichen Praxissitz ausschließlich der Behandlung von Pferden vorzubehalten. Ihr sei nicht bekannt, dass diese Abgrenzung nicht beachtet werde.
Da der in § 9 Abs. 4 Satz 2 BO beispielhaft hervorgehobene Ausnahmegrund hier keine Rolle spiele, müssten nach dem Regel-Ausnahme-Verhältnis andere besondere Situationen oder Härtegründe vorgebracht werden. Daran fehle es hier. Lediglich "nachvollziehbare Gründe" genügten nicht.
- Eine tierärztliche Unterversorgung liege in Ankum und Badbergen nicht vor. In diesem Falle wäre § 11 BO einschlägig. § 9 Abs. 4 BO wolle aber außerhalb unterversorgter Bereiche Erweiterungen des Tätigkeitsbereichs einer bestehenden Praxis durch Schaffung von Außen-, Neben- oder Zweigstellen verhindern.
- Wenn der Kläger selbst den Gesichtspunkt der geringen Entfernung zwischen Praxisstelle und Wohnort vernachlässige, könne er sich die Unbequemlichkeit gefallen lassen, bei Leistungsanforderungen in sprechstundenfreien Zeiten die relativ geringe Wegstrecke auf sich zu nehmen. Es sei nicht Sache des Klägers, aus Gründen der eigenen Bequemlichkeit darüber zu befinden, ob Tierhalter aus der Umgebung von Ankum oder aus der Umgebung von Badbergen durch längere Wege benachteiligt würden.
- Aus der Tatsache, dass die Berufsordnung auf eine Überregulierung durch Praxisausstattungsvorschriften verzichte, folge nicht, dass entsprechende Qualitätsanforderungen keine Rolle spielen dürften. Das Risiko einer unzulänglichen oder zumindest unterdurchschnittlichen Ausrüstung bei mehreren Praxisstellen liege auf der Hand und könne nicht mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit von Hausbesuchen bei Großtierpraxen widerlegt werden, da auch solche Besuche grundsätzlich von der einen Praxisstelle aus organisiert werden sollten. Im übrigen gebe es für die tierärztliche Praxis Standards. Dies gelte etwa für § 9 Abs. 3 BO sowie für die zahlreichen Regelungen über den Umgang mit Arzneimitteln.
- Es liege auf der Hand, dass die Zulassung von Nebenstellen die Kontrolle in berufs- wie arzneimittelrechtlicher Hinsicht erschwere.
- Auch der Gesichtspunkt, mit der Beschränkung auf eine Praxisstelle eine konkurrierende Praxisausdehnung einzuschränken, sei beachtlich. Der Sicherstellungsauftrag gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 7 HKG rechtfertige es, die ärztliche Niederlassung grundsätzlich auf eine einzige Praxisstelle zu beschränken.
Für die Berufsordnung bestehe im HKG die erforderliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage (wird ausgeführt).
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden als Einzelrichter einverstanden erklärt (§ 87a Abs. 2 VwGO).
Entscheidungsgründe
Die Klage hat teilweise Erfolg.
Einschlägige Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für den Betrieb einer Notfallpraxis am Wohnort ist § 9 Abs. 4 der Berufsordnung der Beklagten - BO - vom 21.12.1993 (DTBl. 1944, 144), zuletzt geänd. durch Satzung vom 11.01.2000 (DTBl. 2000, 299).
Die vom Kläger geltend gemachten Einwendungen hinsichtlich der erforderlichen gesetzlichen Grundlage für die Berufsordnung und deren Wirksamkeit greifen nicht durch.
Ihre gesetzliche Ermächtigungsgrundlage findet die Berufsordnung in den Vorschriften des Kammergesetzes für Heilberufe - HKG - in der Fassung vom 08.12.2000 (Nds. GVBl. S. 301). § 9 Abs. 1 HKG regelt allgemein als Aufgaben der Kammern u.a., im Einklang mit den Interessen der Allgemeinheit die gemeinsamen beruflichen Belange der Gesamtheit der Kammermitglieder zu wahren (Nr. 1) und die Qualitätssicherung im (Gesundheits- und) Veterinärwesen zu fördern (Nr. 3). Sofern sich nicht bereits daraus die Befugnis herleiten lässt, auch die beruflichen Pflichten der Kammermitglieder zu regeln - ein entsprechender Standard liegt im Interesse der Berufsangehörigen wie der Allgemeinheit -, ergibt sich die Regelungsbefugnis der Kammer jedenfalls aus § 33 HKG. Dessen Abs. 1 regelt in Satz 1 die allgemeine Pflicht der Berufsangehörigen, ihren Beruf gewissenhaft auszuüben und nennt dazu in seinem Satz 2 beispielhaft bestimmte Pflichten, u.a. für die in eigener Praxis tätigen Ärzte die Pflicht zur Teilnahme am Notfalldienst, um in Satz 3 die näheren Regelungen der Berufsordnung zu überlassen, über deren Erlass als Satzung die Kammerversammlung gemäß § 25 Nr. 1 lit. f) HKG zu beschließen hat. u.a. können in der Berufsordnung Regelungen über Berufspflichten für die Ausübung der Berufs in eigener Praxis getroffen werden (§ 33 Abs. 2 Nr. 5 HKG).
Gemäß § 26 Abs. 2 HKG sind Satzungen im Mitteilungsblatt der Kammer bekannt zu machen. Dies ist gemäß § 20 der Satzung der Beklagten das Deutsche Tierärzteblatt, in dem die BO an o.a. Stelle veröffentlicht worden ist.
Gemäß § 9 Abs. 1 BO ist die Ausübung des tierärztlichen Berufs an die Niederlassung gebunden. Dazu regelt Abs. 4 der Vorschrift, dass die Niederlassung an einen einzigen Ort (Praxisstelle) gebunden und auf ihn beschränkt ist (Satz 1). Die Tierärztekammer kann hiervon Ausnahmen zulassen, insbesondere zur Förderung von Zusammenschlüssen bestehender Praxen (Satz 2).
Die grundsätzliche Bindung der Tätigkeit des niedergelassenen Tierarztes an die Praxisstelle betrifft den Kläger in seiner grundrechtlich geschützten Freiheit der Berufsausübung. Diese darf gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. Darin sind Regelungen in Gestalt von Satzungen eingeschlossen, welche von mit entsprechender Rechtsetzungsautonomie ausgestatteten Körperschaften erlassen werden, wie dies für die Beklagte zutrifft (vgl. Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, 7. Aufl., Stand: Aug. 2001, Art. 12 Rz. 206 ff.). Derartige Berufsausübungsregelungen müssen nach Maßgabe der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten sog. Stufentheorie bestimmten inhaltlichen Anforderungen genügen, um mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit vereinbar zu sein. Danach kann die Freiheit der Berufsausübung eingeschränkt werden, soweit vernünftige und sachgerechte Erwägungen des Gemeinwohls dies zweckmäßig erscheinen lassen. Eingriffe dürfen nicht weiter gehen, als es die sie legitimierenden öffentlichen Interessen erfordern. Ferner müssen die Eingriffe zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet sein und dürfen den Grundrechtsträger nicht unzumutbar belasten. Letzteres erfordert eine Abwägung der vom Normgeber im Interesse der Allgemeinheit verfolgten Zwecke und der für den Berufsangehörigen mit ihrer Verwirklichung verbundenen Belastung; die Grenze der Zumutbarkeit muss in Ansehung der Schwere des Eingriffs und des Gewichts der ihn rechtfertigenden Gründe gewahrt sein (vgl. dazu Leibholz/Rinck/Hesselberger, aaO, Rz. 281 ff. u. 296).
Nach Maßgabe vorstehender Grundsätze begegnet die grundsätzliche Bindung der Ausübung tierärztlicher Tätigkeit an die Praxisstelle keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie beruht insofern auf sachgerechten Gründen des Gemeinwohls, als sie der Qualitätssicherung tierärztlicher Versorgung dient. Indem der Tierarzt sich auf eine Praxisstelle zu beschränken hat, stehen ihm für deren Ausstattung finanzielle Mittel in größerem Umfang zur Verfügung, als dies bei dem Betrieb mehrerer Praxisstellen in der Regel der Fall ist. Dies gilt unabhängig davon, ob dafür - wie die Beklagte geltend macht - der Sicherstellungsauftrag der Tierärztekammer nach § 9 Abs. 1 Nr. 7 HKG einschlägig ist. Ferner ist durch die Konzentration der tierärztlichen Tätigkeit auf eine Praxisstelle zugleich eine weitergehende Präsenz des Arztes vor Ort für die seine Leistungen beanspruchenden Tierbesitzer gewährleistet. Schließlich werden mit der grundsätzlichen Unzulässigkeit von Zweigpraxen vorrangig an der Ertragslage ausgerichtete gewerbeähnliche Betriebsstrukturen und damit eine Kommerzialisierung der ärztlichen Tätigkeit vermieden, welche nach herkömmlichen Verständnis dem Berufsbild des Arztes widersprechen. Letzteres findet etwa seinen Niederschlag in § 18 der Berufsordnung der Ärztekammer Niedersachsen vom 16.12.1997 (Nds. Ärzteblatt, 10. Sonderheft [Febr. 1998], S. 49 ff.). Danach ist der Betrieb einer Zweigpraxis nur zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Bevölkerung zulässig. Entsprechendes gilt im tierärztlichen Bereich für die Abhaltung auswärtiger Sprechstunden, deren Zulassung voraussetzt, dass eine tierärztliche Unterversorgung vorliegt (§ 11 BO).
Stellt sich demnach die Beschränkung des niedergelassenen Tierarztes auf eine Praxisstelle als verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässige Berufsausübungsregelung dar, hat die vom Satzungsgeber ausdrücklich vorgesehene Zulassung von Ausnahmen ihrerseits unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Freiheit der Berufsausübung zu erfolgen. Demzufolge ist auch im Rahmen der der Beklagten obliegenden Ermessensbetätigung eine Interessenabwägung vorzunehmen, bei der die beruflichen Belange des Tierarztes etwaigen Gemeinwohlbelangen gegenüberzustellen sind.
Vorstehenden Anforderungen genügt die angefochtene Entscheidung der Beklagten nicht. Vielmehr hat die Beklagte von dem ihr bei der Zulassung von Ausnahmen zustehenden Ermessen aus den nachstehenden Gründen rechtsfehlerhaften Gebrauch gemacht (§ 114 VwGO).
Zunächst lässt sich - entgegen der Begründung des Widerspruchsbescheides - der Regelung des § 9 Abs. 4 Satz 2 BO kein seinen Anwendungsbereich von vornherein einschränkender Grundsatz des Inhalts entnehmen, dass lediglich bestehende Praxen durch die Zusammenlegung in ihrer Betätigung nicht eingeschränkt, nicht dagegen bestehenden Einzelpraxen Möglichkeiten einer Erweiterung ihres räumlichen Tätigkeitsbereichs eröffnet werden sollten. Vielmehr handelt es sich nach dem eindeutigen Wortlaut ("insbesondere") insoweit nicht um eine abschließende Regelung, sondern um einen beispielhaft genannten Ausnahmetatbestand. Dieser ist allerdings als Beurteilungsmaßstab für die Zulassung von Ausnahmen in anderen Fällen insofern von Bedeutung, als jeweils Gemeinwohlbelange bzw. berufliche Interessen des Tierarztes betroffen sein müssen, deren Gewicht die Zulassung einer Ausnahme nach dem vom Satzungsgeber vorgegebenen Regel-Ausnahme-Verhältnis gleichermaßen rechtfertigt. Dabei ist im vorliegenden Falle zu berücksichtigen, dass die Heranziehung des Tierarztes zum Notfalldienst ihrerseits einen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Berufsausübungsfreiheit darstellt, welcher zwar durch Gemeinwohlbelange gerechtfertigt, jedoch auf das für deren Wahrung gebotene Maß zu beschränken ist.
Der normativ geregelte Ausnahmetatbestand knüpft an die Form der Ausübung ärztlicher Tätigkeit und die dafür im Einzelfall gewählte Praxisstruktur an. Die BO unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen der Gemeinschaftspraxis und der Gruppenpraxis (§§ 19, 20). Danach stellt die Gemeinschaftspraxis als Praxis eine Einheit dar, für die die Bestimmungen über die Einzelpraxis sinngemäß gelten, so dass sie - wie diese - grundsätzlich an einen einzigen Ort, die Praxisstelle, gebunden ist. Demgegenüber handelt es sich bei der Gruppenpraxis um den Zusammenschluss mehrerer Praxisinhaber, ohne dass davon deren wirtschaftliche Eigenständigkeit berührt wird. Daraus folgt, dass eine Gruppenpraxis an verschiedenen Praxisstellen betrieben werden kann. Dementsprechend gelten gemäß § 20 Abs. 2 BO insoweit nur die Absätze 2 und 3 des § 19 BO sinngemäß, nicht auch dessen Absatz 1, welcher seinerseits - wie bereits ausgeführt, für die Gemeinschaftspraxis - die sinngemäße Geltung des § 9 Abs. 4 BO vorsieht. Wenn der Satzungsgeber vor diesem Hintergrund Ausnahmen von der Beschränkung der Niederlassung an einem einzigen Ort insbesondere zur Förderung von Zusammenschlüssen bestehender Praxen vorsieht, so hat diese Regelung für die Gründung einer Gruppenpraxis keine Bedeutung, weil es dazu keiner Ausnahmegenehmigung bedarf. Da nicht ersichtlich ist, dass der Satzungsgeber bei § 9 Abs. 4 Satz 2 BO an andere als die in der BO geregelten Kooperationsformen gedacht hat, verbleibt als Anwendungsfall für die Ausnahmevorschrift lediglich der Zusammenschluss zu einer Gemeinschaftspraxis. Insofern sind indessen keine Gemeinwohlbelange ersichtlich, die über den mit einer Gruppenpraxis nach Maßgabe des § 19 Abs. 1 Satz 2 BO verbundenen Nutzen wesentlich hinausgingen. Vielmehr dürfte den Belangen der Tierbesitzer an einer effizienten und dem Stand der Tiermedizin entsprechenden Behandlung im wesentlichen ggf. bereits durch den Zusammenschluss zu einer Gruppenpraxis Rechnung getragen werden, während die weitergehenden Synergieeffekte einer Gemeinschaftspraxis in der Regel deren Betrieb an einer Praxisstelle voraussetzen. Soweit es bei dem Zusammenschluss zu einer Gemeinschaftspraxis im Einzelfall darum geht, mit der Bebeibehaltung getrennter Praxisstellen einer tierärztlichen Unterversorgung vorzubeugen, wie sie Voraussetzung für eine Zulassung auswärtiger Sprechstunden nach Maßgabe des § 11 BO ist, wird dem durch Zusammenschluss zu einer Gruppenpraxis gleichermaßen Rechnung getragen. Danach verbleiben als Gründe für die Zulassung einer Ausnahme nach § 9 Abs. 4 Satz 2 BO im wesentlichen persönliche bzw. wirtschaftliche Interessen der Arztkollegen, unter Beibehaltung verschiedener Praxisstellen im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis zu kooperieren.
Was demgegenüber das Vorhaben des Klägers betrifft, seinerseits eine tierärztliche Notfallpraxis an seinem Wohnort zu betreiben, soll damit ersichtlich die persönliche Belastung durch den insbesondere an Sonn- und Feiertagen anfallenden Notfalldienst gemildert werden, indem die einen wesentlichen Teil ausmachende Dienstbereitschaft von der Wohnung aus wahrgenommen werden kann. Insoweit handelt es sich um ein beachtliches, im Rahmen der Interessenabwägung angemessen zu berücksichtigendes Interesse.
Der Zulassung einer Ausnahme für den Betrieb einer Notfallpraxis außerhalb der Praxisstelle stehen auch keine (überwiegenden) Belange des Gemeinwohls entgegen. - Die Bindung der Berufsausübung an die Praxisstelle steht - wie bereits dargelegt - im Zusammenhang mit der Qualitätssicherung im Interesse des Tierhalters. Dieser soll bei der Inanspruchnahme tierärztlicher Leistungen davon ausgehen können, dass der Tierarzt über die zur ordnungsgemäßen Ausübung seines Berufs erforderlichen Räumlichkeiten und Gerätschaften verfügt (vgl. § 9 Abs. 3 BO). Letzteres gewährleitstet der Satzungsgeber mittelbar dadurch, dass er die Ausübung des tierärztlichen Berufs in egener Praxis an die Praxisstelle, d.h. eine an einem einzigen Ort bestehende betriebliche Einheit bindet. Damit ist sichergestellt, dass die Praxis in zusammenhängenden Räumlichkeiten betrieben wird, welche im Verbund genutzt werden, so dass erforderliche Einrichtungen nicht mit entsprechendem Kostenaufwand an verschiedenen Standorten parallel vorgehalten werden müssen.
Die Beklagte sieht die sachgerechte Durchführung einer Notfallbehandlung außerhalb der Praxisstelle nicht gewährleistet und begründet dies im wesentlichen mit der generellen Gefahr einer unzureichenden Ausstattung von Praxisnebenstellen. Ob dieser Einschätzung grundsätzlich zu folgen ist, bedarf im vorliegenden Falle keiner abschließenden Erörterung. Wie dem Vorbringen der Beklagten zu entnehmen ist, stellt diese dabei ersichtlich auf eine regelrechte Zweigpraxis ab, in der umfassende tierärztliche Behandlungen durchgeführt werden sollen. Dies wird jedoch den Besonderheiten einer Notfallbehandlung nicht gerecht. Dabei geht es um dringliche Erstversorgung und gebotene Sofortmaßnahmen, nicht um eine optimale Therapie, wie sie einer regulären tierärztlichen Behandlung entspricht (vgl. § 4 Abs. 2 Notfalldienstordnung vom 11.06.1980 [DTBl. 1980, 772], geänd. d. Satzung vom 13.11.1991 [DTBl. 1992, 66]). Der den Notfalldienst verrichtende Tierarzt muss daher lediglich den typischen Notfallsituationen des tierärztlichen Alltags abhelfen können (vgl. [für den ärztlichen Notfalldienst] Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl. 2002, § 17 Rn. 19 f.). Dafür ist im Regelfall keine umfassend ausgestattete tierärztliche Praxis erforderlich. Im übrigen wird der Notfalldienst durch den Tierbesitzer üblicherweise über einen fernmündlichen Erstkontakt in Anspruch genommen, bei dem in der Regel der akute Behandlungsbedarf abgeklärt werden kann. Sollte es danach angezeigt sein, die Notfallbehandlung von vornherein in der Praxisstelle durchzuführen, wäre die schnelle Erreichbarkeit des Kläger angesichts der vergleichsweise geringen Entfernung zwischen Wohnung bzw. Notfallbehandlungsraum und Praxisort auch in einem derartigen Ausnahmefall gewährleistet, ohne dass deswegen das berechtigte Interesse des Klägers, den Notfalldienst (für den Regelfall) im häuslichen Bereich ausüben zu können, nachhaltig in Frage gestellt wäre.
Die vorstehenden Erwägungen werden im Ergebnis durch die Regelung gemäß § 11 BO bestätigt. Danach kann zwar das Abhalten von Sprechstunden außerhalb der Praxisstelle nur ausnahmsweise unter der Voraussetzung zugelassen werden, dass eine tierärztliche Unterversorgung vorliegt, welche hier nicht in Rede steht. Der Satzungsgeber geht jedoch ersichtlich davon aus, dass für den äußeren Rahmen, in dem auswärtige Sprechstunden abgehalten werden, nicht die Anforderungen gelten, wie sie an eine Praxisstelle zu stellen sind. Dies folgt zum einen daraus, dass nicht von einer Zweigpraxis die Rede ist, wie dies etwa in der entsprechenden Regelung des § 18 der Berufsordnung der Ärztekammer Niedersachsen vom 16.12.1997 (Nds. Ärzteblatt, 10. Sonderheft [Febr. 1998], S. 49 ff.) der Fall ist. Zum anderen fehlt in § 11 BO eine Bezugnahme auf die für die Ausstattung einer Praxisstelle geltenden Anforderungen gemäß § 9 Abs. 3 BO, welche nahegelegen hätte, falls entsprechende Mindestanforderungen für auswärtige Sprechstunden hätten sichergestellt werden sollen. Daraus darf entnommen werden, dass durch auswärtige Sprechstunden vorrangig der Erstkontakt zwischen Kunden und Tierarzt in unterversorgten Gebieten erleichtert werden soll, ohne dass in jedem Falle auch die Voraussetzungen für eine anschließende Behandlung vor Ort gegeben sein müssen. Dass es im vorliegenden Falle um einen Notfalldienst geht, rechtfertigt aus den dargelegten Gründen keine grundsätzlich andere rechtliche Beurteilung, sondern erfordert lediglich einen ggf. gegenüber der auswärtigen Sprechstunde erhöhten, jedoch hinter dem einer regulären Praxisstelle zurückbleibenden Ausstattungsstandard.
Ferner stellt die Beklagte für ihre ablehnende Entscheidung darauf ab, dass Tierhalter aus dem Raum Ankum in einem Notfalle gezwungen wären, die von der Praxisstelle 15 km entfernte Notfallpraxis des Klägers aufzusuchen. Dieser Gesichtspunkt verliert indessen dadurch an Gewicht, dass sich der Notfalldienst gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 BO auch auf benachbarte Praxen bezieht, so dass sich insbesondere im ländlichen Raum vielfach entsprechende, vom Tierbesitzer hinzunehmende Wegstrecken ergeben. Im übrigen hängt die Belastung im Einzelfall maßgeblich von dem konkreten Zuschnitt des von dem diensthabenden Nottierarzt zu versorgenden Bereichs bzw. der sonstigen Organisation des Notdienstes seitens der jeweiligen Kreisstelle der Beklagten ab, ohne dass die Beklagte darauf ihre Entscheidung im vorliegenden Falle abgestellt hätte. Nach der vom Kläger vorgelegten Stellungnahme des Kreisstellenvorstandes vom 13.10.2002 besteht ein regulärer, den Einzugsbereich mehrerer benachbarter Praxen abdeckender Notdienst im Gebiet des Landkreises nicht. Vielmehr regeln die bestehenden Praxen im wesentlichen in eigener Verantwortung und für ihr eigenes, auf Grund weitgehender Spezialisierung großes Einzugsgebiet einen entsprechenden Bereitschaftsdienst durch die in der jeweiligen Praxis verfügbaren Tierärzte. Dazu hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass nach seinen Erfahrungen auf Grund des weiten Einzugsbereichs seiner Praxis dem Gesichtspunkt der Entfernung zwischen Wohnung und Praxisstelle keine ins Gewicht fallende Bedeutung zukomme.
Weiter hat die Beklagte die Zulassung einer Ausnahme mit der sachwidrigen Erwägung versagt, durch den Betrieb einer Notfallpraxis am Wohnort könne der Kundenkreis erweitert werden. Damit verfolgt sie ausdrücklich das Ziel des Konkurrentenschutzes, wie sich den Ausführungen im Widerspruchsbescheid zum Widerruf einer anderweitig erteilten Ausnahmezulassung entnehmen lässt. Ein rechtlich tragfähiger Ablehnungsgrund für die vom Kläger begehrte Zulassung einer Notfallpraxis am Wohnort lässt sich daraus indessen nicht herleiten. Zum einen stellt die Beklagte auch in diesem Zusammenhang auf den Betrieb einer regelrechten Zweigpraxis ab, welche mit einem Notfallbehandlungsraum, wie oben dargelegt, nicht gleichzusetzen ist. Zum anderen rechtfertigt Konkurrentenschutz als solcher nicht eine Einschränkung der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit (vgl. dazu Leibholz/Rinck/Hesselberger, aaO, Art. 12 Rn. 343, 361 u. 524). Für Tierärztinnen und Tierärzte besteht Niederlassungsfreiheit, welche - abweichend von der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung nach Maßgabe des SGB V (§§ 95 ff., 99 ff.) - einer Bedarfsplanung und reglementierenden Steuerung der Niederlassung wie der Arztwahl seitens des Tierbesitzers entgegensteht. Im übrigen kann auch ein am Ort der Niederlassung wahrgenommener Notfalldienst - ungeachtet der angesprochenen regionalen Besonderheiten im vorliegenden Falle - zu einer Erweiterung des Kundenkreises führen, da sich die Verpflichtung zur Teilnahme, wie bereits angesprochen, gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 BO auf den Bereich der eigenen und benachbarter Praxen bezieht. Dies kann es mit sich bringen, dass sich Tierbesitzer aus Anlass der Inanspruchnahme des Notfalldienstes zu einer entsprechenden Arztwahl einschließlich eines Arztwechsels veranlasst sehen, ohne dass dem Wettbewerbs- und damit berufspflichtwidriges Verhalten des Arztes im Sinne des § 3 BO zugrunde liegen muss (vgl. dazu Laufs/Uhlenbruck, aaO, § 17 Rn. 22). Nichts anderes hat zu gelten, sofern der Kläger durch den Betrieb einer Notfallpraxis an seinem Wohnort und ausschließlich in deren Rahmen zusätzliche Kunden gewinnen sollte, welche nicht in dem von § 2 Abs. 3 Satz 2 BO erfassten Einzugsbereich wohnen, zumal es sich dabei nur um Einzelfälle handeln dürfte.
Nach alledem verbleibt als möglicher Gemeinwohlbelang, dass mit der Versagung der Zulassung einer Notfallpraxis am Wohnort der Abhaltung regulärer Sprechstunden außerhalb der Praxisstelle und damit dem Betrieb einer unzulässigen Zweigpraxis vorgebeugt würde. Damit wird im Ergebnis auf ein berufspflichtwidriges Verhalten als Maßstab der Ermessensbetätigung abgestellt. Maßstab für die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Norm, die Mißständen vorbeugen will, ist aber grundsätzlich das gesetzeskonforme Verhalten der Normadressaten (vgl. Leibholz/Rinck/Hesselberger, aaO, Art. 12 Rz. 311). Entsprechendes hat auch für die Notwendigkeit von Einschränkungen der Berufsausübungsfreiheit zu gelten, die sich im Zusammenhang mit einer Ausnahmevorschrift ergeben. Demzufolge kann die Versagung einer Ausnahme mit der Begründung, der Begünstigte könne diese über ihren Regelungsgehalt hinaus für gesetzwidrige Zwecke nutzen, nur unter der Voraussetzung in Betracht kommen, dass entweder in der Person des Betroffenen entsprechende Anhaltspunkte vorliegen oder nach allgemeiner Lebenserfahrung mit einem derartigen missbräuchlichen Verhalten ohne weiteres gerechnet werden muss, ohne dass dem mit geeigneten und verhältnismäßigen berufsaufsichtlichen Maßnahmen wirksam begegnet werden könnte. Anderenfalls liefe die Versagung der in Rede stehenden Zulassung auf eine generalpräventive Bewährung der Berufsrechtsordnung hinaus, welche der grundrechtlichen Gewährleistung der Berufsausübungsfreiheit widerspricht.
Nach den vorstehenden Kriterien kann die angefochtene Entscheidung der Beklagten nicht unter dem Gesichtpunkt der Vorbeugung von Missbrauch Bestand haben. - Was zunächst die von der Beklagten angeführte allgemeine Erschwerung der Kontrolle in berufs- bzw. arzneimittelrechtlicher Hinsicht betrifft, lässt sich diese ohne nähere Konkretisierung nur eingeschränkt nachvollziehen. Insbesondere bleibt offen, inwieweit nicht die Möglichkeit des Nachweises von Verstößen insbesondere gegen arzneimittelrechtliche Vorschriften weitgehend durch geeignete Auflagen sichergestellt werden kann. - Weiter fehlt es an konkreten Anhaltspunkten dafür, dass der Kläger ein entsprechendes missbräuchliches Verhalten beabsichtigt. Die allgemeine Lebenserfahrung kann dafür allenfalls eingeschränkt herangezogen werden, da die Einrichtung eines Notfallbehandlungsraumes in dem seiner Zweckbestimmung entsprechenden Umfang nicht einen finanziellen Aufwand erfordert, der sich nur mit der Perspektive einer über den Notfalldienst hinausgehenden Nutzung als sinnvoll und nachvollziehbar erweist. Damit ist zugleich der für die Beklagte maßgebliche Gesichtspunkt der möglichen Kontrolle pflichtwidrigen Verhaltens angesprochen. Diese wäre mit angemessenem Aufwand zunächst auf die Ausstattung des Behandlungsraums zu richten, um daraus ggf. Rückschlüsse auf etwaige weitergehende Nutzungsabsichten des Tierarztes zu ziehen. Zusätzlich könnte durch entsprechende Auflagen eine auf Notfallbehandlungen beschränkte Nutzung sichergestellt werden. Schließlich mag bei alledem nicht außer acht bleiben, dass etwaige berufsrechtliche Verstöße im Zusammenhang mit der Nutzung eines Notfallbehandlungsraumes der Beklagten auch anderweitig bekannt werden und auf diesem Wege berufsrechtliche Sanktionen sowie den - ggf. im Zulassungsbescheid ausdrücklich vorzubehaltenden - Widerruf der Zulassung nach sich ziehen können.
Aus den vorstehenden Gründen waren die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zur erneuten Bescheidung des Klägers zu verpflichten. Der vom Kläger geltend gemacht weitergehende, auf Zulassung der Ausnahme selbst gerichtete Anspruch würde voraussetzen, dass mit den von der Beklagten in der Vergangenheit in anderen Fällen zugelassenen Ausnahmen eine Ermessensbindung in dem Sinne eingetreten wäre, dass sich eine abweichende Entscheidung im Falle des Klägers als willkürliche Ungleichbehandlung darstellte. Daran fehlt es. Die Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, weshalb es sich aus ihrer Sicht um jeweils unterschiedliche Sachverhalte handelt. In einem Falle hat sie sich zudem von der getroffenen Entscheidung unter Hinweis auf deren rechtliche Fragwürdigkeit distanziert. Wenn sie sich insoweit nicht zu einer nachträglichen Korrektur entschlossen hat, ist dies mit Rücksicht auf zu wahrenden Vertrauensschutz (vgl. § 48 Abs. 3 VwVfG) nicht zu beanstanden. Im übrigen gilt der sich aus der Gesetzesbindung der Verwaltung ergebende Grundsatz, dass es keine Gleichheit im Unrecht gibt, also nicht die Wiederholung einer rechtswidrigen Entscheidung verlangt werden kann (vgl. BVerfG, U. v. 27.06.1991 - 2 BvR 1493/89 - BVerfGE 84, 239 <284>; BVerwG, U. v. 26.02.1993 - 8 C 20.92 BVerwGE 92, 153 <157>).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Entscheidung über die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren auf § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11,711 ZPO.
Die Berufung wird zugelassen, weil der Sache für die Bestimmung der Grenzen des Grundrechts der Berufsfreiheit im (tier)ärztlichen Berufsrecht grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 124a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG n. F. Verlässliche Anhaltspunkte für ein mit einem bestimmten Geldwert zu quantifizierendes wirtschaftliches Interesse des Klägers an der Zulassung eines Behandlungsraums für die Durchführung des Notfalldienstes im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG sind nicht ersichtlich.