Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.01.1977, Az.: IV OVG B 155/76

Erledigung des Rechtsstreits infolge der Kündigung des Arbeitsverhältnisses; Entwendung betrieblichen Eigentums durch schwerbehinderte Arbeitnehmer als Kündigungsgrund; Zustimmungspflicht der Hauptfürsorgestelle zur Kündigung auch bei Diebstahl nur geringwertiger Sachen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.01.1977
Aktenzeichen
IV OVG B 155/76
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1977, 12064
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1977:0117.IV.OVG.B155.76.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 16.08.1976 - AZ: VII A 55/76

Fundstelle

  • DB 1977, 546-547 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbehinderten
Kostenbeschwerde

In der Verwaltungsrechtssache
hat der IV. Senat des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg
am 17. Januar 1977
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluß des Verwaltungsgerichts Hannover - VII. Kammer - vom 16. August 1976 dahin geändert, daß der Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, jedoch mit Ausnahmen der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1

Die zulässige Beschwerde ist begründet, weil die nach § 161 Abs. 2 VwGO zu treffende Kostenentscheidung nicht zu Lasten der Klägerin ausfallen kann.

2

Der Rechtsstreit hat sich dadurch in der Hauptsache erledigt, daß der Beigeladene sein Arbeitsverhältnis zur Klägerin mit Schreiben vom 18. Mai 1976 fristlos aufkündigte. Zumindest mit Rücksicht auf die Ursache dieser Maßnahme, den vom Beigeladenen eingestandenen Diebstahl vom 6. Mai 1976, kann der Klägerin entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch angesichts ihres ausdrücklich erklärten Einverständnisses mit der fristlosen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses durch die an sich einseitig rechtsgestaltende Willenserklärung des Beigeladenen nicht vorgehalten werden, sie habe dem Beklagten die Möglichkeit genommen, den Rechtsstreit in der Hauptsache erfolgreich durchzuführen. Daß die Kündigung des Beigeladenen und nicht erst der Zustimmungsbeschluß des Beklagten vom 21. Mai 1976 zur Erledigung der Hauptsache führte, ergibt sich daraus, daß schon die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus Gründen, die mit den Anlässen des gegenwärtigen Verfahrens unmittelbar nichts zu tun hatten, den vorher eingeleiteten Rechtsstreit zwischen den Parteien gegenstandslos machte.

3

Der vom Beklagten und vom Verwaltungsgericht vertretenen Rechtsauffassung zur Frage der Begründetheit des von der Klägerin gestellten Zustimmungsantrages vermag der Senat nicht zuzustimmen. Grund der von ihr damals beabsichtigten Kündigungsmaßnahme waren mehrere von ihr unter Beweisantritt behauptete Diebstähle bzw. vergleichbare Handlungen des Beigeladenen, die dieser zum Teil nicht bestritten hat. Mag es sich dabei auch um Diebstähle geringwertiger Sachen im Sinne des § 248 a StGB gehandelt haben, so müssen doch die von der Klägerin vorgetragenen Gesichtspunkte zur Bedeutung solcher Vorfälle in Handelsbetrieben besonders gewürdigt werden. Die Billigung der Entwendung geringwertiger Sachen in Betrieben durch seine Arbeitnehmer würde den geordneten Ablauf des betrieblichen Geschehens empfindlich stören. Die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung der Arbeitsgerichte zu diesen Fragen erscheint deshalb überzeugend. Da der Vorgang nicht im Zusammenhang mit der Behinderung des Beigeladenen stand, mußte es unter diesen Umständen bei der Regel des § 18 Abs. 4 des Schwerbehindertengesetzes bleiben, wonach die Hauptfürsorgestelle die Zustimmung in diesen Fällen erteilen soll. Wilrodt/Neumann meinen in ihrem Kommentar zum Schwerbehindertengesetz (4. Aufl.) hierzu unter Anmerkung 21 zu § 18, die Hauptfürsorgestelle müsse ganz besondere, die Ausnahme rechtfertigende Gründe haben, die Zustimmung trotzdem zu verweigern, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. An solchen Gründen fehlte es hier, weil die rechtswidrige Aneignung von Betriebseigentum durch einen schwerbehinderten Arbeitnehmer ein Vorgang ist, der wegen der notwendigen Vertrauensbasis für die betriebliche Zusammenarbeit allgemeiner arbeitsrechtlicher Beurteilung zugänglich sein muß. Anlaß für eine Sonderbehandlung der Entwendung betrieblichen Eigentums durch schwerbehinderte Arbeitnehmer besteht grundsätzlich nicht. Der Beklagte hätte danach die Zustimmung zur Kündigung erteilen müssen und wäre damit im Rechtsstreit unterlegen gewesen. Dementsprechend muß er gemäß § 161 Abs. 2 VwGO die Kosten des Verfahrens tragen; hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten verbleibt es jedoch bei der vom Verwaltungsgericht getroffenen Regelung. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 188 Vertr.

4

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 VwGO).