Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 25.01.1977, Az.: P OVG L 19/76 (Nds)

Mitbestimmung des Personalrates beim Abschluss eines Arbeitsvertrages; Beteiligungsfähigkeit der Einigungsstelle im Klageverfahren; Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Einigungsstelle; Zulässigkeit der Durchführung eines zweiten Einigungsverfahrens; Entbehrlichkeit des personalvertretungsrechtlichen Vorverfahrens

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
25.01.1977
Aktenzeichen
P OVG L 19/76 (Nds)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1977, 11958
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1977:0125.P.OVG.L19.76NDS.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VVG Hannover - 24.05.1976 - AZ: PL 10/75

Verfahrensgegenstand

Nichtigkeit von Beschlüssen der Einigungsstelle

Redaktioneller Leitsatz

Das Einigungsverfahren soll erst dann in ein Verfahren vor der Einigungsstelle einmünden, wenn alle Einigungsversuche erfolglos geblieben sind, übergehen die Beteiligten auf Grund eines Rechtsirrtums eine der vorgesehenen Stufen, so kann diese Unterlassung als unschädlich angesehen werden, wenn die Beteiligten auf eine Nachholung verzichten.

Der Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Niedersachsen bei dem Oberverwaltungsgericht für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg
hat im Termin zur Anhörung am 25. Januar 1977
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schilling,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Neumann und Stelling sowie
die ehrenamtlichen Richter Uecker und Böllersen
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluß des Verwaltungsgerichts Hannover - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen - vom 24. Mai 1976 aufgehoben.

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Rat der Stadt Hardegsen beschloß am 21. Juni 1974, den Beteiligten zu 2), der seit dem Jahre 1968 das Wildgehege der Stadt Hardegsen betreute, künftig auf der Grundlage von 30 Wochenstunden tariflich zu entlohnen. Der Antragsteller verweigerte am 11. März 1974 die mit Schreiben des Beteiligten zu 1) vom 26. Februar 1974 erbetene Zustimmung zu dieser Maßnahme, Darauf unterzeichneten der Bürgermeister, der Beteiligte zu 1) und der Beteiligte zu 2) am 25. März 1974 einen Arbeitsvertrag, in dem der Beteiligte zu 2) in Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses ab 1. April 1974 die pflegerische Betreuung des Tierbestandes und der Einrichtung des Wildgeheges der Stadt Hardegsen übernahm. Das Arbeitsverhältnis sollte sich nach den Bestimmungen des BMT-G und den jeweils in Kraft befindlichen sonstigen Tarifverträgen richten und der Beteiligte zu 2) den Tariflohn der Lohngruppe V - Handwerker mit hochwertiger Arbeitsleistung - erhalten. Darauf rief der Antragsteller das Verwaltungsgericht Hannover - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen - an, das durch den rechtskräftigen Beschluß vom 10. März 1975 - PL 8/74 - feststellte, daß der Abschluß eines derartigen Arbeitsvertrages nach § 78 Abs. 2 Nr. 1 des Niedersächsischen Personalvertretungsgesetzes der Mitbestimmung des Personalrats unterliege. Nunmehr beschloß der Verwaltungsausschuß am 9. Juni 1975, die Zustimmung des Personalrats zu allen bisher nicht genehmigten Verträgen mit Teilbeschäftigten einzuholen und im Falle des Beteiligten zu 2) ggf. die Einigungsstelle unter Hinweis auf die früheren Rats- und Verwaltungsausschußbeschlüsse anzurufen. Die mit Schreiben des Beteiligten zu 1) vom 10. Juni 1975 erbetene Zustimmung verweigerte der Antragsteller jedoch am 23. Juni 1975.

2

Darauf rief der Beteiligte zu 1) am 7. Juli 1975 die Einigungsstelle an, die am 15. August 1975 beschloß:

"Die Einigungsstelle erteilt ihre Zustimmung zu dem zwischen der Stadt Hardegsen und Herrn ... geschlossenen Vertrag von 25.3.1974. Sie empfiehlt den Beteiligten, eine Aussprache zwischen Herrn ... dem Personalratsvorsitzenden, dem Bürgermeister und dem Stadtdirektor herbeizuführen."

3

Diesen Beschluß hat der Antragsteller am 11. Oktober 1975 bei der Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen angefochten.

4

Während des gerichtlichen Verfahrens beschloß der Verwaltungsausschuß am 18. November 1975, vorsorglich ein neues Zustimmungsverfahren einzuleiten, um eine Entscheidung in der Sache selbst nicht durch formale Einwände hinauszuzögern. Darauf bat der Beteiligte zu 1) den Antragsteller am 26. November 1975 um Zustimmung zu dem Arbeitsvertrag und wies darauf hin, daß in dieser Angelegenheit alle Entscheidungen vom Verwaltungsausschuß getroffen worden seien, der die Sache wegen ihrer Besonderheit an sich gezogen habe, so daß der Beteiligte zu 1) in jedem Falle für den Verwaltungsausschuß tätig gewesen sei. Der Antragsteller erwiderte am 5. Dezember 1975, er sehe keinen Anlaß, von seiner bisherigen Auffassung - Verweigerung der Zustimmung - abzugehen; das Einigungsverfahren sei abgeschlossen und könne nicht nochmals durchgeführt werden.

5

Gleichwohl beschloß der Verwaltungsausschuß am 15. Dezember 1975, den Antragsteller um ein klärendes Gespräch als Einigungsversuch zu ersuchen. Der Antragsteller lehnte die Aussprache am 23. Dezember 1975 ab. Der Beteiligte zu 1) rief am 2. Januar 1976 erneut die Einigungsstelle an, die am 6. Februar 1976 einen Beschluß mit gleichem Inhalt wie am 15. August 1975 faßte.

6

Der Antragsteller hat vorgetragen: Der Beschluß der Einigungsstelle vom 15. August 1975 sei nichtig, weil die Angelegenheit nach der Verweigerung seiner Zustimmung nicht dem Verwaltungsausschuß vorgelegt worden sei. Die Versagung der Zustimmung sei schon vor der ersten und erst recht vor der zweiten Entscheidung der Einigungsstelle endgültig gewesen, so daß keine Entscheidung der Einigungsstelle mehr habe ergehen dürfen.

7

Der Antragsteller hat beantragt,

festzustellen, daß die Beschlüsse der Einigungsstelle bei der Stadt Hardegsen vom 15. August 1975 und 6. Februar 1976 unwirksam sind.

8

Die Beteiligten zu 1) und 2) haben beantragt,

den Antrag abzulehnen.

9

Der Beteiligte zu 1) hat entgegnet: In der Angelegenheit des Beteiligten zu 2) seien alle tarifrechtlichen Entscheidungen ausschließlich vom Verwaltungsausschuß getroffen worden, obwohl er grundsätzlich zuständig gewesen sei. Der Verwaltungsausschuß habe die Angelegenheit an sich gezogen. Durch das zweite Einigungsverfahren seien etwaige formale Mängel beseitigt worden.

10

Die Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen hat die Beschlüsse der Einigungsstelle bei der Stadt Hardegsen vom 15. August 1975 und 6. Februar 1976 durch Beschluß vom 24. Mai 1976 für unwirksam erklärt und zur Begründung ausgeführt: Die Beschlüsse der Einigungsstelle hätten nicht ergehen dürfen, da der Antragsteller zuvor seine Zustimmung endgültig verweigert habe. Das die Zustimmung verweigernde Schreiben des Antragstellers vom 20. Juni 1975 sei am 23. Juni 1975, also innerhalb der Zweiwochenfrist des § 72 Abs. 2 Satz 2 Nds PersVG, bei dem Beteiligten zu 1) eingegangen. Damit habe ein Fall des § 73 Abs. 1 Satz 1 Nds PersVG, nämlich eine Nichteinigung zwischen Personalrat und Dienststelle vorgelegen. Für diesen Fall sehe § 73 Abs. 1 Satz 1 Nds PersVG vor, daß die Angelegenheit der übergeordneten Dienststelle, bei der eine Stufenvertretung bestehe, vorgelegt werde. Das sei der Verwaltungsausschuß. Dieses Verfahren habe der Beteiligte zu 1) nicht eingehalten. Mach Eingang der Zustimmungsverweigerung des Antragstellers hätte die Angelegenheit innerhalb von zwei Wochen dem Verwaltungsausschuß vorgelegt werden müssen. Der Verwaltungsausschuß hätte die beabsichtigte Maßnahme mit dem Antragsteiler erörtern bzw. dessen Zustimmung beantragen müssen.

11

Erst nach einer erneuten Zustimmungsverweigerung des Antragstellers hätte der Verwaltungsausschuß die Einigungsstelle anrufen können. Die Nichtdurchführung des obligatorischen Vorverfahrens habe zur Folge, daß die Verweigerung der Zustimmung endgültig sei. Der Zustimmungsantrag vom 10. Juni 1975 könne nicht bereits als Einigungsversuch zwischen Verwaltungsausschuß und Personalrat angesehen werden, weil der Antrag seinem objektiven Sinn nach ein erstmaliges Zustimmungsersuchen gewesen sei. Im übrigen wäre auch nicht die Zweiwochenfrist des § 73 Abs. 1 Satz 1 Nds PersVG eingehalten, wenn man davon ausginge, daß es sich bei dem Zustimmungsantrag vom 26. Februar 1974 und der Zustimmungsverweigerung vom 11. März 1974 um die dem Einigungsversuch vorausgegangenen Äußerungen des Personalrats und der Dienststelle gehandelt hätte. Der zweite Beschluß der Einigungsstelle gehe in gleicher Weise wie der erste ins Leere, weil die von dem Antragsteller mit Schreiben vom 20. Juni 1975 erklärte Verweigerung der Zustimmung mangels fristgemäßer Einleitung des Verfahrens nach § 73 Abs. 1 Nds PersVG unabänderlich gewesen sei. Eine Wiedereröffnung des Verfahrens sei insoweit nicht zulässig.

12

Gegen den am 2. September 1976 zugestellten Beschluß hat der Beteiligte zu 1) am 16. September 1976 Beschwerde eingelegt, zu deren Rechtfertigung er vorträgt: In der Angelegenheit des Beteiligten zu 2) sei nicht der Stadtdirektor, sondern der Verwaltungsausschuß als zuständiges Organ tätig geworden. Der Verwaltungsausschuß sei nach § 80 Abs. 4 Satz 3 NGO primär zuständig für alle Personalangelegenheiten der Angestellten und Arbeiter. Er könne diese Befugnisse zwar an den Stadtdirektor delegieren, sie aber auch wieder an sich ziehen. Das sei hier geschehen. Denn der Verwaltungsausschuß habe der Arbeit des Beteiligten zu 2) große Bedeutung beigemessen und bei allen geplanten Veränderungen des Arbeitsverhältnisses entsprechende Beschlüsse gefaßt. Der Beteiligte zu 1) habe diese Beschlüsse lediglich ausgeführt. Deshalb greife das Einigungsverfahren nach Maßgabe des § 73 Abs. 1 und 2 Nds PersVG nicht ein; die Angelegenheit sei in den Zuständigkeitsbereich des Verwaltungsausschusses gefallen. Vielmehr sei ein Fall des § 73 Abs. 4 i.V.m. § 102 Ziff. 4 Nds PersVG gegeben. An die Stelle der obersten Dienstbehörde sei der höhere Dienstvorgesetzte, d.h. der Verwaltungsausschuß getreten. Nach der Nichteinigung habe er sogleich die Einigungsstelle anrufen dürfen.

13

Die Beteiligten zu 1) und 2) beantragen,

den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.

14

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen,

und erwidert: Der Komplex "Anstellung des Beteiligten zu 2) im Arbeitsverhältnis" sei bereits durch einen vorangegangenen Beschluß der Einigungsstelle vom 4. Juli 1973 erledigt gewesen. Damals habe die Einigungsstelle ihre Zustimmung verweigert. Die Angelegenheit habe deshalb nicht noch einmal aufgegriffen werden können. Im übrigen verkenne der Beschwerdeführer, daß eine vom Verwaltungsausschuß selbst beanspruchte Zuständigkeit im Beteiligungsverfahren zum Ausdruck gebracht werden müsse. Der Personalrat könne verlangen, mit dem Verwaltungsausschuß die in dessen Zuständigkeitsbereich fallenden mitbestimmungsbedürftigen Angelegenheiten zu erörtern. Das setze voraus, daß beim Beteiligungsersuchen mitgeteilt werde, wer ersuche und wer entscheide. Um Zustimmung habe aber immer nur die Dienststelle ersucht. Durch einen vorangegangenen Beschluß des Verwaltungsausschusses werde der sich aus dem Schreiben vom 10. Juni 1975 ergebende Wille des Stadtdirektors,"als Stadtdirektor" um Beteiligung zu bitten, nicht unwirksam.

15

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf ihre Schriftsätze und wegen des Sachverhalts im übrigen auf die Gerichtsakten, die Verfahrensakten PL 8/74 des Verwaltungsgerichts Hannover und die Verwaltungsvorgänge der Stadt Hardegsen (3 Bände Personalakten Bode, ein Vorgang Einigungsstelle) Bezug genommen.

16

II.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist form- und fristgerecht eingelegt worden und auch sonst zulässig. Für die Streitigkeit ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Personalvertretungssachen gegeben. Nach § 85 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 des Personalvertretungsgesetzes für das Land Niedersachsen - Nds PersVG - vom 24. April 1972 (GVBl S. 232) in den Fassungen vom 14. Juni 1973 (GVBl S. 189), 23. Juli 1973 (GVBl S. 239), 11. Dezember 1975 (GVBl S. 429) und 12. Juli 1976 (GVBl S. 184) entscheiden die Verwaltungsgerichte insbesondere über Streitigkeiten nach § 73 Abs. 5 Nds PersVG, d.h. über die Vereinbarkeit von Entscheidungen der Einigungsstellen mit den geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere dem Haushaltsrecht. Der Antragsteller macht geltend, daß die Einigungsstelle die Verfahrensvorschriften des § 73 Nds PersVG verletzt habe. In dem Streit über die bindende Wirkung ihrer Beschlüsse ist die Einigungsstelle Beteiligte (BVerwG, Beschl. v. 13. Februar 1976 - VII P 9.74 - = ZBR 1976, 351 = Buchholz 238.36 § 72 Nds PersVG Nr. 1). Denn die Beteiligte hat nach § 73 Abs. 5 Nds PersVG die Aufgabe, im Falle der Nichteinigung zwischen Personalrat und Dienststelle eine Entscheidung zu treffen, die für die am Verfahren Beteiligten verbindlich ist und eine fehlende Einigung ersetzt. Deshalb läßt sich weder die Beteiligungsfähigkeit noch die Beteiligungsbefugnis der Einigungsstelle in Zweifel ziehen. Da die Einigungsstelle bei der Stadt Hardegsen aber seit dem Ablauf der Wahlperiode des Personalrats nicht mehr besteht (§ 73 a Abs. 1 Nds PersVG), kann sie an dem Beschlußverfahren nicht mehr teilnehmen. Ihre ursprüngliche Beteiligung im ersten Rechtszug ist im Laufe des gerichtlichen Verfahrens entfallen. Eine neue Einigungsstelle existiert noch nicht; sie braucht nur in einem Nichteinigungsfall gebildet zu werden (§ 102 Nr. 6 Nds PersVG).

17

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist auch begründet.

18

Der Beschluß der Einigungsstelle bei der Stadt Hardegsen vom 15. August 1975 ist wirksam. Er ersetzt die erforderliche Zustimmung des Antragstellers zum Abschluß eines Arbeitsvertrages mit dem Beteiligten zu 2).

19

Die Verwaltungsgerichte sind befugt, die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Einigungsstellen in vollem Umfang zu überprüfen. Während vor der Einigungsstelle über Regelungsfragen gestritten wird, insbesondere darüber, welche Regelung für die Dienststelle zweckmäßig ist, hat das Verwaltungsgericht eine Rechtskontrolle auszuüben (vgl. Engelhard-Ballerstedt, Komm. zum Nds PersVG, 3. Aufl. 1972, § 73 RdNr. 28 a, § 85 RdNr. 22 a). Die Prüfungsbefugnis der Verwaltungsgerichte erstreckt sich darauf, ob die Entscheidung der Einigungsstelle die Beteiligten "bindet". Die Beschlüsse der Einigungsstellen sind nicht bindend, wenn sie sich nicht im Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere des Haushaltsrechts, halten (§ 73 Abs. 5 Satz 1 Nds PersVG). Auch bei den Beratungen im Ausschuß für Rechts- und Verfassungsfragen am 9. Dezember 1971 gingen die Regierungsvertreter davon aus, daß die Entscheidungen der Einigungsstellen einer umfassenden Rechtskontrolle unterlägen, weil sie an Recht und Gesetz gebunden seien. Die Einigungsstellen könnten zwar einen gewissen Regelungsspielraum für sich beanspruchen; ihre Entscheidungen dürften aber nicht gegen das Personalvertretungsgesetz und gegen anderweitige Rechtsvorschriften verstoßen (vgl. Niederschrift über die 76. Sitzung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen vom 9.12.1971 - Materialien der Landtagsverwaltung zum Vierten Gesetz zur Änderung des Personalvertretungsgesetzes für das Land Niedersachsen vom 20. März 1972, Bd. I S. 784). Demgemäß können die Verwaltungsgerichte den Beschluß einer Einigungsstelle daraufhin überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Durchführung eines Einigungsverfahrens gegeben waren (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13. Februar 1976 - VII P 4.75 - = Buchholz 238.34 § 81 Hmb PersVG Nr. 1) und ob das im Personalvertretungsgesetz vorgeschriebene Verfahren eingehalten wurde.

20

Die von dem Antragsteller gerügten Verstöße der Einigungsstelle gegen Vorschriften des Nds PersVG sind nicht gegeben.

21

1.

Der Antragsteller hat einmal geltend gemacht, der Komplex "Anstellung des Beteiligten zu 2) im Arbeitsverhältnis" sei bereits durch einen vorangegangenen Beschluß der Einigungsstelle vom 4. Juli 1973 erledigt. Seinerzeit habe die Einigungsstelle die Zustimmung zur Einstellung des Beteiligten zu 2) als städtischen Arbeiter verweigert. Die Einstellung des Beteiligten zu 2) habe deshalb nicht noch einmal zum Gegenstand eines Verfahrens vor der Einigungsstelle gemacht werden können.

22

Dieser Auffassung vermag der Senat nicht beizupflichten.

23

Der Spruch der Einigungsstelle kann sich immer nur auf eine bestimmte und beabsichtigte Maßnahme beziehen. Bevor die Einigungsstelle angerufen wird, muß ein Einigungsverfahren zwischen der Dienststelle und dem Personalrat, der übergeordneten Dienststelle und der bei ihr gebildeten Stufenvertretung sowie der obersten Dienststelle und dem bei ihr bestehenden Personalrat durchgeführt werden (§§ 72, 73 Nds PersVG) Am Anfang dieses "Vorverfahrens" steht das an den Personalrat gerichtete Zustimmungsersuchen der Dienststelle. Die Dienststelle unterrichtet den Personalrat von der beabsichtigten Maßnahme und beantragt seine Zustimmung (§ 72 Abs. 2 Satz 1 Nds PersVG). Wird die Zustimmung von dem Personalrat verweigert und die Ersetzung der Zustimmung von der Einigungsstelle abgelehnt, so ist die Dienststelle nicht gehindert, bei dem Personalrat erneut die Zustimmung zu der Maßnahme zu beantragen und das Einigungsverfahren nochmals in Gang zu setzen. Stimmen Personalrat und Einigungsstelle der wegen mangelnder Bewährung beabsichtigten Entlassung eines Probebeamten nicht zu, so kann die Behörde, wenn sie weiterhin der Auffassung ist, daß der Beamte sich nicht bewährt habe, erneut ein Zustimmungsersuchen an den Personalrat richten. Eine Veränderung der Sach- oder Rechtslage liegt in diesen Fällen schon darin, daß die Entlassung erst zu einem späteren Zeitpunkt ausgesprochen werden kann. Die Maßnahme wird erst dann wirksam, wenn die Zustimmung erteilt ist, Auch die Einstellung eines Arbeiters setzt voraus, daß die erforderliche Zustimmung des Personalrats oder die Ersetzung der Zustimmung durch die Einigungsstelle vorliegt. Eine Rückwirkung auf einen früheren Zeitpunkt ist ausgeschlossen. Das Einigungsverfahren kann sich immer nur auf eine beabsichtigte Maßnahme beziehen (vgl. Engelhard - Ballerstedt a.a.O., §§ 72, 73 RdNr. 25; vgl. auch BAG, Beschl. v. 22. August 1974 - 2 ABR 17/74 - = AP Nr. 1 zu § 103 BetrVG 1972 = Der Betrieb 1974, 2310). Versucht die Behörde also die Zustimmung in einem zweiten "Anlauf" zu erwirken, so tritt in jedem Fall eine zeitliche Verschiebung des Wirksamwerdens der beabsichtigten Maßnahme und damit auch eine Veränderung der Sachlage ein. Die Durchführung eines erneuten Einigungsverfahrens war auch um deswillen gerechtfertigt, weil die beabsichtigte arbeitsvertragliche Regelung Abweichungen von den früher in Aussicht genommenen Arbeitsbedingungen vorsah. In ihrem Beschluß vom 4. Juli 1973 hatte sich die Einigungsstelle mit dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses zu befassen, wie er sich aus dem Schreiben des Beteiligten zu 1) vom 24. April 1973 an den Personalrat ergab. Danach sollte der Beteiligte zu 2) mit der Aufsicht in der gesamten Freibadanlage der Stadt Hardegsen betraut werden. Nach dem - unwirksamen - Arbeitsvertrag vom 25. März 1974 soll der Beteiligte zu 2) dagegen hauptsächlich im Wildpark eingesetzt werden. Deshalb lag auch aus diesen Gründen eine veränderte Sachlage vor, die die Einleitung eines neuen Einigungsverfahrens rechtfertigte.

24

2.

Der Beschluß der Einigungsstelle vom 15. August 1975 ist schließlich nicht deswegen mit Rechtsmängeln behaftet, weil der Antragsteller die Angelegenheit nach der Verweigerung der Zustimmung nicht innerhalb von zwei Wochen dem Verwaltungsausschuß, sondern sogleich der Einigungsstelle vorgelegt hat.

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Will die Dienststelle nach einer Verweigerung der Zustimmung die Angelegenheit nicht auf sich beruhen lassen, so gibt ihr § 73 Abs. 1 Satz 1 Nds PersVG die Möglichkeit, die Sache der übergeordneten Dienststelle, bei der eine Stufenvertretung besteht, vorzulegen. Nach § 102 Nr. 4 a Nds PersVG tritt bei Gemeinden an die Stelle der Stufenvertretung der Gesamtpersonalrat oder, wenn ein solcher nicht gebildet ist, der Personalrat. Übergeordnete Dienststelle im Sinne des Nds PersVG ist der Verwaltungsausschuß, der höherer Dienstvorgesetzter der Gemeindebeamten ist (§ 80 Abs. 2 Satz 3 der Niedersächsischen Gemeindeordnung - NGO - idF vom 7. Januar 1974 - GVBl S. 2 -). Dementsprechend mußte die Angelegenheit dem Verwaltungsausschuß unterbreitet werden, der gemäß § 73 Abs. 1 Satz 3 nach § 72 Abs. 2 zu verfahren hatte, d.h. die Zustimmung des Personalrats zu beantragen und, soweit erforderlich, die beabsichtigte Maßnahme mit dem Personalrat zu erörtern hatte. Das weitere in § 73 Abs. 2 geregelte Verfahren bei Nichteinigung - Vorlage an die oberste Dienstbehörde - fällt bei Gemeinden insofern mit dem Verfahren nach § 73 Abs. 1 Nds PersVG zusammen, als nach § 102 Nr. 4 b Nds PersVG der höhere Dienstvorgesetzte - also der Verwaltungsausschuß - an die Stelle der obersten Dienstbehörde tritt, so daß die auf den Stufen des § 73 Abs. 1 und 2 Beteiligten sowohl von der Dienststelle als auch von dem Personalrat her identisch sind. Die Nichteinigung von Verwaltungsausschuß und Personalrat ermöglichte nach § 73 Abs. 4 Nds PersVG die Anrufung der Einigungsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der ablehnenden Stellungnahme des Personalrats. Die zweite Stufe fiel hier nicht deswegen weg, weil sich der Verwaltungsausschuß bereits mit der Angelegenheit befaßt hatte und der Beteiligte zu 1) mit seinem Zustimmungsersuchen vom 10. Juni 1975 nur einen Beschluß des Verwaltungsausschusses ausführen wollte. Das Einigungsverfahren mußte mit einem Antrag des Beteiligten zu 1) eingeleitet werden. "Dienststelle" im Sinne des § 72 Abs. 2 Satz 1 Nds PersVG war nicht der Verwaltungsausschuß, sondern der Stadtdirektor der Stadt Hardegsen. Für die Einstellung, Eingruppierung und Entlassung von Angestellten und Arbeitern ist zwar der Verwaltungsausschuß zuständig (§ 80 Abs. 4 Satz 3 NGO). Der Verwaltungsausschuß kann diese Befugnis aber allgemein oder für bestimmte Gruppen von Angestellten und Arbeitern dem Gemeindedirektor übertragen (§ 80 Abs. 4 Satz 3 NGO). Einen entsprechenden Beschluß hat der Verwaltungsausschuß nach Angaben des Beteiligten zu 1) erlassen. Der Verwaltungsausschuß kann sich freilich bei Geschäften der laufenden Verwaltung die Beschlußfassung im Einzelfall vorbehalten (§ 62 Abs. 1 Nr. 6 NGO). Der Antragsteller konnte aber nicht erkennen, daß der Verwaltungsausschuß sich in der Angelegenheit des Beteiligten zu 2) alle Entscheidungen vorbehalten hatte und daß er auch im Einigungsverfahren an die Stelle des Stadtdirektors treten wollte. Ob auf diese Weise überhaupt eine Stufe ausgeschaltet werden kann, bedarf hier keiner weiteren Erörterung. Dem Zustimmungsersuchen des Stadtdirektors vom 10. Juni 1975 war jedenfalls nicht zu entnehmen, daß es bereits um den Einigungsversuch auf der zweiten Stufe, um eine Erörterung der Angelegenheit mit dem Verwaltungsausschuß ging. Da für den Personalrat ein gewichtiges Interesse an der Erörterung der Angelegenheit mit dem Verwaltungsausschuß bestehen kann, muß in solchen Fällen nach außen hin zumindest kenntlich gemacht werden, daß der andere Beteiligte des Einigungsversuchs bereits der Verwaltungsausschuß ist.

26

Das übergehen der zweiten Stufe hinderte die Einigungsstelle indessen nicht daran, eine Sachentscheidung zu treffen. Denn der Beteiligte zu 1) hat die Personalangelegenheit zwar nicht innerhalb der Zweiwochenfrist dem Verwaltungsausschuß unterbreitet, aber innerhalb dieser Frist die Einigungsstelle angerufen. Dieser Umstand verbietet die Annahme, daß die Verweigerung der Zustimmung rechtsbeständig geworden und für einen Spruch der Einigungsstelle kein Raum mehr gewesen sei. Der Antragsteller hätte die Nichtvorlage an den Verwaltungsausschuß im Verfahren vor der Einigungsstelle rügen und auf der Durchführung eines Einigungsversuchs mit dem Verwaltungsausschuß bestehen können.

27

In diesem Fall hätte die Einigungsstelle das Verfahren aussetzen und dem Personalrat und dem Verwaltungsausschuß Gelegenheit geben müssen, die zweite Stufe des Einigungsverfahrens nachzuholen. Der Antragsteller hat sich aber, ohne den förmlichen Mangel zu rügen, in eine Erörterung der Sache vor der Einigungsstelle eingelassen. Wie sich aus dem Protokoll über die Sitzung der Einigungsstelle am 15. August 1975 ergibt, wurden von keiner Seite Bedenken gegen die Verfahrensweise der Einigungsstelle erhoben. Die Einigungsstelle stellte vielmehr ausdrücklich die Zulässigkeit des Verfahrens fest und erörterte sodann mit den Beteiligten den sachlichen Streitstoff. Bei dieser besonderen Sachlage war die Durchführung eines Einigungsversuchs auf der zweiten Stufe entbehrlich. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat die Versäumung des Vorverfahrens ebenfalls nicht in jedem Fall den Eintritt der Bestandskraft des angefochtenen Verwaltungsakts zu Folge. Ist eine beantragte Genehmigung abgelehnt worden und hat der Kläger innerhalb der Widerspruchsfrist nicht Widerspruch eingelegt, sondern sogleich Verpflichtungsklage erhoben, so tritt keinesfalls die Bestandskraft des den Antrag ablehnenden Bescheides ein. Besteht die beklagte Behörde auf der Durchführung eines Vorverfahrens, so hat das Gericht den beteiligten Parteien Gelegenheit zur Nachholung des Vorverfahrens während des Prozesses zu geben. Das Erfordernis des Vorverfahrens ist erfüllt, wenn es bis zum Ergehen des Urteils durchgeführt worden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.2.1963 - V C 105.61 - = BVerwGE 15, 306/310; Kopp, Komm. z. VwGO, 1. Aufl. 1974, § 68 Anm. 2 m.w.N.). Läßt sich die beklagte Behörde rügelos auf die Klage ein, so kann das Gericht das Vorverfahren als entbehrlich ansehen; das gilt insbesondere, wenn die Behörde ein Widerspruchsverfahren nicht für erforderlich gehalten hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.1.1971 - V C 70.70 - = BVerwGE 37, 87 und v. 9.6.1967 - VII C 18.66 -= DVBl 1967, 773/774). Die Erwägungen der Prozeßökonomie und Billigkeit, die der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde liegen, können auch in dem personalvertretungsrechtlichen Verfahren vor der Einigungsstelle Geltung beanspruchen. Die Formstrenge des in § 73 Nds PersVG vorgesehenen Einigungsverfahrens hat in Personalvertretungssachen kein größeres Gewicht als die förmlichen Voraussetzungen, die die VwGO für die Anrufung der Verwaltungsgerichte aufstellt. Das Einigungsverfahren im Personalvertretungsrecht soll den Beteiligten Gelegenheit geben, den Streitstoff ausführlich und erschöpfend zu erörtern und einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen herbeizuführen. Dies soll im Interesse einer zügigen Behandlung der Personalangelegenheiten innerhalb bestimmter Fristen erfolgten. Das Einigungsverfahren soll erst dann in ein Verfahren vor der Einigungsstelle einmünden, wenn alle Einigungsversuche erfolglos geblieben sind, übergehen die Beteiligten auf Grund eines Rechtsirrtums eine der vorgesehenen Stufen, so kann diese Unterlassung als unschädlich angesehen werden, wenn die Beteiligten auf eine Nachholung verzichten. Das muß erst recht gelten, wenn sich - wie hier - die "übergangenen" Beteiligten des Einigungsverfahrens bereits sachlich mit der Personalangelegenheit befaßt haben und ein erneuter Einigungsversuch keinen Erfolg mehr verspricht.

28

Nach alledem war die Einigungsstelle auf Grund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles nicht gehindert, eine Entscheidung in der Sache zu treffen. Da ihr Beschluß vom 15. August 1975 wirksam ist, bedarf es keiner Erörterung der Zulässigkeit und Rechtmäßigkeit des während des gerichtlichen Verfahrens durchgeführten zweiten Einigungsverfahrens, das der Beteiligte zu 1) nur vorsorglich eingeleitet hat, um etwaige formelle Mängel auszuräumen.

29

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist daher der angefochtene Beschluß aufzuheben und der Antrag zurückzuweisen.

30

Für eine Kostenentscheidung ist in dem Beschlußverfahren kein Raum.

31

Die Rechtsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht ist nicht zugelassen worden, da die Voraussetzungen des § 85 Abs. 2 Nds PersVG i.V.m. § 91 Abs. 3 ArbGG nicht vorliegen.

32

Unabhängig hiervon kann die Rechtsbeschwerde gemäß § 85 Abs. 2 NdsPersVG i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG auch ohne Zulassung eingelegt werden, wenn die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts von einer in der Rechtsbeschwerdebegründung bezeichneten Entscheidung des Gemeinsamen Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverwaltungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses durch Einreichung einer Rechtsbeschwerdeschrift bei dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg, Uelzener Straße 40, oder bei dem Bundesverwaltungsgericht in Berlin 12, Hardenbergstraße 31, einzulegen; die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein (§ 85 Abs. 2 NdsPersVG i.V.m. § 94 Abs. 1 Satz 2 und 4 ArbGG). Die Rechtsbeschwerdeschrift muß den Beschluß bezeichnen, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet ist und die Erklärung enthalten, daß gegen diesen Beschluß die Rechtsbeschwerde eingelegt werde. Die Beschwerde ist, sofern die Rechtsbeschwerde keine Begründung enthält, innerhalb weiterer zwei Wochen zu begründen; die Frist beginnt mit der Einlegung der Rechtsbeschwerde. Die Rechtsbeschwerdebegründung muß angeben, inwieweit die Abänderung des angefochtenen Beschlusses beantragt wird, welche Bestimmungen verletzt sein sollen und worin die Verletzung bestehen soll (§ 85 Abs. 2 Nds PersVG i.V.m. § 94 ArbGG).

Schilling
Neumann
Stelling
Uecker
Böllersen