Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 08.02.1994, Az.: 12 U 79/93
Gewährleistungsansprüche wegen unzurechender Aufklärung über eine erteilte Zustimmung zur Überschreitung der zulässigen Höhe der Grenzbebauung bei Abschluss eines Erbbauvertrages ; Zustimmung zu der Errichtung einer Satteldachgarage auf der Grundstücksgrenze als wertbildendes Merkmal oder als Beschaffenheitsmerkmal ; Aufklärungspflichten aus Treu und Glauben; Einrede der Verjährung ; Verschulden bei Vertragsschluss
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 08.02.1994
- Aktenzeichen
- 12 U 79/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1994, 16517
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1994:0208.12U79.93.0A
Fundstelle
- NJW-RR 1994, 1292-1293 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Das Einverständnis eines Grundstücksverkäufers mit einer Nachbarbebauung stellt ein Beschaffenheitsmerkmal i.S. des § 459 BGB dar.
Gründe
Soweit Gewährleistungsansprüche aus §§ 493, 459 f. BGB in Betracht kommen könnten, weil die Kl. beim Abschluß des Erbbauvertrages nicht darüber aufgeklärt worden sind, daß die Bekl. gem. § 12 lll NdsBauO der Errichtung einer Satteldachgarage auf der Grundstücksgrenze des angrenzenden Flurstücks 384 zugestimmt hatten, steht solchen die von den Bekl. erhobene Einrede der Verjährung entgegen, wie das erstinstanzliche Gericht zutreffend ausgeführt hat. Ansprüche aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß stehen den Kl. nicht zu. Daß die Bekl. ihre Zustimmung zu der Überschreitung der zulässigen Höhe der Grenzbebauung erteilt haben, stellt keinen Rechtsmangel des Grundstücks bzw. des Erbbaurechts dar. Ansprüche aus culpa in contrahendo sind ausgeschlossen, soweit sich das Verschulden des Verkäufers auf die Beschaffenheit des Kaufgegenstandes (Fehler und zusicherungsfähige Eigenschaften, § 459 BGB) bezieht, da die §§ 459 ff. BGB eine abschließende Sonderregelung darstellen. Eine Ausnahme davon bildet nur der Fall der vorsätzlichen Irreführung. Dafür, daß die Bekl. und/oder ihre Vertreterin die Kl. vorsätzlich irregeführt haben, indem sie sie vor oder bei Abschluß des Erbbauvertrages nicht über die von den Bekl. im Januar 1990 erteilte Zustimmung zu der Errichtung einer Satteldachgarage auf der nördlichen Grundstücksgrenze des Flurstücks 385 unterrichtet haben, ist jedoch nichts ersichtlich. Die gesamten Umstände und die Interessenlage sprechen dagegen; die Bekl. konnten erwarten, daß die Stadt B., die sie bereits im Jahre 1986 mit der Vergebung von Erbbaurechten an den in ihrem Eigentum stehenden Baugrundstücken bevollmächtigt hatten, über die genehmigte Grenzbebauung des angrenzenden Flurstücks 384 unterrichtet war und die Bauinteressenten darüber aufklären werde.
Eine Haftung aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß kommt darüber hinaus nur bei Verletzung der Aufklärungspflicht über solche wertbildenden Merkmale in Betracht, die nicht in den Anwendungsbereich der §§ 459 f. BGB fallen. Das LG ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Zustimmung der Bekl. zur Errichtung einer 4,70 m hohen Satteldachgarage auf der Grundstücksgrenze zwischen den Flurstücken 384 und 385 rechtlich ein Beschaffenheitsmerkmal des Grundstücks bzw. des Erbbaurechts i.S. der §§ 459, 493 BGB und nicht einen wertbildenden Umstand darstellt, der nicht in den Anwendungsbereich dieser Vorschriften fällt und über den die Kl. bei Vertragsschluß nach Treu und Glauben hätten aufgeklärt werden müssen. Ein Fehler im Sinne dieser Vorschriften kann auch in rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen der Kaufsache zur Umwelt liegen, die nach der Verkehrsauffassung ihren Wert und die Brauchbarkeit unmittelbar beeinflussen, wenn sie in der Beschaffenheit der Kaufsache selbst ihren Grund haben und sich nicht erst durch Heranziehung von außerhalb der Sache liegenden Verhältnissen und Umständen ergeben (vgl. BGH, N]W 1990, 2556f.; BGH, NJW 1989, 1793 für das Werkvertragsrecht). Die Zustimmung der Bekl. vom 03.01.1990, welche die Überschreitung der vorgeschriebenen Höhe der ohnehin zulässigen Grenzbebauung ermöglichte, schuf eine auf der bau- und nachbarrechtlichen Beziehung zur Umwelt beruhende Eigenschaft des Erbbaugrundstücks und somit eine solche, die in seiner Beschaffenheit selbst und nicht in außerhalb seiner liegenden Umständen begründet ist.
Da somit die Erteilung der Zustimmung nach § 12 III NdsBauO rechtlich als Beschaffenheitsmerkmal des Erbbaugrundstücks i.S. des § 459 BGB zu beurteilen ist, wären hier allenfalls Gewährleistungsansprüche nach §§ 459 f., 493 BGB gegeben, denen jedoch die Einrede der Verjährung entgegensteht, wie bereits ausgeführt ist. Daß die Kl. erst nach Ablauf der Gewährleistungsfrist Kenntnis von der Zustimmung erlangt haben, ändert nichts daran; die Frist begann unabhängig von der Kenntnis des Mangels im Zeitpunkt der Übergabe zu laufen.
Aber selbst dann, wenn die Zustimmung zu der Überschreitung der nach § 121 NdsBauO zulässigen Höhe der auf die Grenze gebauten Garage durch Errichtung eines 4,70 m hohen Sattddaches kein Beschaffenheitsmerkmal des Erbbaurechts darstellte und es sich vielmehr um einen wertbildenden Umstand handelte, auf den die Gewährleistungsvorschriften der §§ 459f. BGB nicht anzuwenden wären, stünde den Kl. kein Anspruch aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß (c.i.c.) zu. Denn daß die Errichtung eine Satteldaches mit einer Grathohe von 4.70 m auf der an der nördlichen Grundstücksgrenze errichteten Garage anstelle eines ohnehin zulässigen, an der Grenze 3 m hohen (Flach-) Daches eine offenbarungspflichtige Beeinträchtigung des Erbbaugrundstücks darstellte und die vorgesehene Bauplanung erschwerte, so daß dieser Umstand für dcn EntschluB der Kl., den Erbbauvertrag abzuschlieBen, ersichtlich von Bedeutung war, haben die Kl. nicht nachvollziehbar begründet, inwieweit gerade die Errichtung des 4,70 m hohen Satteldaches - dessen Grat 2 m von der Grenze entfernt ist - sie mehr beeinträchtigt als eine ohnehin nach der niedersächsischen Bauordnung zulässige, auf der Grenze stehende 3 m hohe Garage. Dabei ist zu bemerken, daß die Bekl. nicht verpflichtet waren, die Kl. über die ihnen bekanntgewordenen Baupläne der Nachbarn zu informieren; sie durften vielmehr davon ausgehen, daß die Kl. selbst über die Bauplanung der Grundstücksnachbarn Erkundigungen einholen würden, um ihre eigene Baugestaltung darauf abstellen zu können, zumal es sich um ein aufstrebendes Neubaugebiet in Entwicklungsphase handelte, wo die Erwerber verpflichtet waren das Bauwerk innerhalb von zwei Jahren bis zur Kellerdecke einschießlich und innerhalb von zwei weiteren Jahren ganz zu erstellen und es somit nahe lag, daß die Bauplanung der Grundstücksnachbarn bereits feststand, aber noch nicht voll durchgeführt war.
Auch das kann letztlich offenbleiben. Denn selbst wenn man davon ausginge, daß die von den Bekl. erteilte Zustimmung nach § 12 III NdsBauO den Kl. hätte offenbart werden müssen, fehlt es jedenfalls an einem Verschulden, für das die Bekl. haften müßten. Für eine schuldhafte Aufklärungspflichrverletzung der Stadt B. bei den Vertragsverhandlungen, für welche die Bekl. nach§ 278 BGB einzustehen hätten, fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten. Auch trifft die Bekl. selbst insoweit kein Verschulden, als sie nicht dafür gesorgt haben, daß ihre Bevollmächtigte die Kl. über die Zustimmungserteilung nach § 12 III NdsBauO aufklärte. Denn sie durften erwarten, daß die Stadt B. umfassend unterrichtet war und den Kl. jede geforderte Aufklärung verschaffen werden. Dafür, daß die Bekl. oder die Stadt B. etwa sogar arglistig gehandelt hätten, fehlen jegliche Anhaltspunkte.