Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 10.09.2013, Az.: 2 A 192/11

Asylfolgeverfahren; Dagestan; inländische Fluchtalternative; Kinderrechte; innerstaatlicher bewaffneter Konflikt; alleinerziehende Mutter; PTBS; glaubhaftes Vorbringen

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
10.09.2013
Aktenzeichen
2 A 192/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 64412
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Es bestehen keine belastbaren Anhaltspunkte für die Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in der Republik Dagestan.

2. Russische Staatsangehörige dagestanischer Herkunft haben in den Gebieten außerhalb Dagestans eine zumutbare inländische Fluchtalternative. Dies gilt in der Regel auch für alleinerziehende Mütter mit minderjährigen Kindern.

3. Einen abgesenkten Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen von Abschiebungsverboten rechtfertigen die Regelungen der UN Kinderrechtskonvention nicht.

Tatbestand:

Die am xxx in J. (Republik Dagestan) geborene Klägerin zu 1) ist russische Staatsangehörige awarischer Volkszugehörigkeit und islamischer Religionszugehörigkeit. Sie ist verheiratet mit Herrn C. E. - dem Kläger im Verfahren 2 A 213/11 -, von dem sie seit November 2012 jedoch getrennt lebt. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen: der am xxx in J. (Republik Dagestan) geborene Kläger zu 2) und die am xxx in K. geborene Klägerin zu 3) sowie die am xxx in K. geborene Klägerin im Verfahren 2 A 227/11. Die Klägerin zu 3) und die Klägerin im Verfahren 2 A 227/11 leben derzeit getrennt von ihrem Vater bei der Klägerin zu 1), der Kläger zu 2) bei seinem Vater.

Die Kläger zu 1) und 2) reisten erstmals am 3. Juli 2002 mit dem Kläger im Verfahren 2 A 213/11 unter Verwendung der Alias-Personalien A. L. (bzgl. der Klägerin zu 1) in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten am 9. Juli 2002 ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung am 11. Juli 2002 durch das damalige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlingen gab die Klägerin zu 1) unter anderem an, sie sei ohne Reisepass und Visum mit ihrer Familie mittels eines LKW auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist; die Reise habe vom 28. bzw. 30. Juni bis zur Ankunft in Hamburg am 4. Juli 2002 gedauert. Ihr russischer Inlandspass sei 1999 bei einer Bombardierung verbrannt. Zu ihren damaligen Familienverhältnissen erklärte sie, ihre Mutter sei verstorben, nur ihr Vater lebe noch und sie habe eine Schwester. Zur Begründung ihres Asylbegehrens trug die Klägerin zu 1) damals  im Wesentlichen vor, der Bruder ihres Ehemannes sei als Mitglied der Wahabiten von der russischen Miliz gesucht worden. Hieraus seien Anfang 2002 Probleme für ihre Familie entstanden, weil die Miliz auch etwas von ihrem Ehemann gewollt habe. Die Miliz habe u.a. ihr Haus durchsucht, sie dabei geschlagen und ihr mit Gefängnis gedroht, sofern sie ihren Schwager verstecken oder Informationen über dessen Aufenthalt nicht preisgeben würde. Ihr Ehemann sei schließlich am 10. Mai 2002 festgenommen und für drei Tage in Haft gehalten worden; er sei durch ihren Schwiegervater freigekauft worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des damaligen Vorbringens der Klägerin zu 1) wird auf die Niederschrift über ihre Anhörung durch das Bundesamt vom 11. Juli 2002 (Blatt 44 ff. Beiakte B) verwiesen.

Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 19. August 2002 den Asylantrag der Kläger zu 1) und 2) sowie des Klägers im Verfahren 2 A 213/11 ab und stellte zugleich fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes und Abschiebungshindernisse nach § 53 des Ausländergesetzes nicht vorlägen. Die Kläger zu 1) und 2) wurden aufgefordert, aus der Bundesrepublik binnen eines Monats freiwillig auszureisen, andernfalls drohe ihnen die Abschiebung in die Russische Föderation. Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, die Kläger zu 1) und 2) hätten kein asylerhebliches Verfolgungsschicksal vorgebracht, vielmehr sei von familieninternen Problemen auszugehen. Die geschilderten Lösegelderpressungen der föderalen Kräfte seien als kriminelles Unrecht einzustufen, gegen dass der russische Staat Schutz gewähre.

Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Oldenburg mit Urteil vom 18. Mai 2004 - 1 A 3734/02 - ab. Zur Begründung führte das Gericht im Wesentlichen aus, dass Vorbringen der Klägerin zu 1) und ihres Ehemannes weise zahlreiche Widersprüche auf, sei recht vage und wenig detailliert. Insbesondere sei das geltend gemachte Verfolgungsschicksal nicht glaubhaft. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das bezeichnete Urteil des VG Oldenburg (Blatt 90 ff. Beiakte B) verwiesen. Der hiergegen gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung wurde durch Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. Juni 2004 - 13 LA 288/04 - verworfen.

Bereits zuvor stellten die Klägerin zu 1) und ihr Ehemann unter dem 22. Dezember 2003 für die zwischenzeitlich geborene Klägerin zu 3) einen Antrag auf Familienasyl. Diesen Antrag lehnte das damalige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 8. Januar 2004 unter Hinweis auf das von ihren Eltern geführte erfolglose Asylverfahren ab und stellte zugleich fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 des AuslG nicht vorlägen. Der Klägerin zu 3) wurde ebenfalls die Abschiebung in die Russische Föderation angedroht. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Bescheid des Bundesamtes (Bl. 9 ff. Beiakte L) verwiesen; dieser Bescheid ist seit dem 27. Januar 2004 bestandskräftig.

Im Februar 2005 offenbarten die Kläger gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde - Landkreis K. - durch Vorlage von im Januar 2002 in Dagestan ausgestellten russischen Inlandspässen und weiteren Identitätsdokumenten (vgl. dazu Blatt 68 ff. Beiakte I) ihre wahre Identität und die ihrer übrigen Familienangehörigen. Den darin befindlichen Eintragungen zufolge wurde der Klägerin zu 1) unter anderem am 4. März 2002 ein Reisepass der Russischen Föderation ausgestellt. Die Kläger und ihr Ehemann bzw. Vater verließen ausweislich in der Ausländerakte befindlicher Grenzübertrittsbescheinigungen am 14. August 2005 freiwillig das Bundesgebiet.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 11. August 2009 suchte die Klägerin zu 1) gegenüber dem Bundesamt um die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach. Darin gab sie u.a. an, am 10. August 2009 erneut in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Einen förmlichen Asylfolgeantrag stellten die Kläger am 17. August 2009 beim Bundesamt. Seit dem 22. September 2009 werden die Kläger von der zuständigen Ausländerbehörde - Landkreis K. - fortlaufend geduldet.

Zur Begründung ihres Asylfolgeantrages führten die Kläger schriftlich aus, sie seien 2005 in ihre Heimat zurückgekehrt. Im Frühsommer 2009 hätten sie Besuch von russischen Sicherheitskräften bekommen, die sie - die Kläger - bedrohten, um verschiedene Auskünfte von der Klägerin zu 1) zu erlangen. Da diese dem Auskunftsbegehren habe nicht nachkommen können, sei sie von den Sicherheitskräften geschlagen und geschubst worden; teilweise seien ihr die Kleider vom Leib gerissen worden. Sie sei durch einen Schlag bewusstlos geworden; an die darauffolgenden Misshandlungen könne sie sich deshalb nicht erinnern. Der Kläger zu 2) habe diese Misshandlungen miterleben müssen; seither sei er traumatisiert. Nach den Misshandlungen sei die Klägerin zu 1) im Krankenhaus stationär behandelt worden; hierüber existiere ein ärztlicher Bericht existieren. Aufgrund von Drohungen habe sie ihre Strafanzeige später zurückgezogen. Sie seien nach Entlassung der Klägerin zu 1) aus dem Krankenhaus bei Freunden in Dagestan untergetaucht und schließlich 6 bzw. 7 Tage vor ihrem schriftlichen Asylgesuch auf dem Landweg, versteckt auf einem Lkw, nach Deutschland (Berlin) geflohen. Von dieser Fahrt hätten sie keine Kenntnis, da sie sich die ganze Zeit in dem Lkw aufgehalten hätten.

Im Rahmen der persönlichen Anhörung der Klägerin zu 1) durch das Bundesamt am 18. November 2009 ergänzte diese ihr Vorbringen wie folgt: Sie besitze keine Pässe oder sonstige Personalpapiere; diese seien allesamt 1999 verbrannt. Sie habe nach ihrer Rückkehr nach Dagestan dort keine Personalpapiere gebraucht. Sie und ihr Ehemann hätten selbst gearbeitet und keine Sozialleistungen in Anspruch genommen. Die für ihre Rückreise im Jahre 2005 verwendeten Dokumente habe ihr Schwiegervater besorgt. Dabei habe es sich um gefälschte Dokumente gehandelt. Zu ihrer zweiten Einreise in das Bundesgebiet ergänzte sie, sie und ihre beiden ältesten Kinder seien zwei Tage mit einem dagestanischen Kamas gefahren und dann an einem unbekannten Ort in einen anderen Lkw umgestiegen. Ihr Schwiegervater habe diese Reise für sie organisiert und finanziert. Zur Reiseroute könne sie keinerlei Angaben machen, da es sowohl bei Abreise in Dagestan als auch beim Umsteigen jeweils dunkel gewesen sei. Sie und ihre Kinder seien in der Nacht vom 5. zum 6. August in Dagestan aufgebrochen und seien am Morgen des 10. August 2009 in Deutschland angekommen. Zu ihren persönlichen und Familienverhältnissen befragt, gab die Klägerin zu 1) u.a. an, in ihrem Heimatland lebten ihr Vater und ihre Mutter, ihre Schwiegereltern, der Bruder ihres Ehemannes sowie Cousins und Cousinen. Sie habe bis zur 9. Klasse die Schule absolviert, danach eine Ausbildung an einer medizinischen Berufsschule begonnen, diese jedoch nach 1 ½ Jahren abgebrochen. Sie habe seither keinen anderen Beruf erlernt und sei auch nicht berufstätig gewesen. Sie habe aber in der heimischen Landwirtschaft gearbeitet. Zu ihrem Verfolgungsschicksal seit 2005 befragt, gab die Klägerin zu 1) gegenüber dem Bundesamt im Wesentlichen an, vier Tage nach ihrer Rückkehr nach Dagestan im Jahre 2005 sei ihr Ehemann von der russischen Miliz festgenommen und verschleppt worden; dafür sei ihr Schwager freigelassen worden. Ihr Ehemann sei ungefähr drei Monate in der Gewalt der Miliz verblieben. Anschließend sei er freigelassen worden, dennoch sei er immer nur nachts nach Hause zurückgekehrt. Ihr Ehemann sei des Öfteren in Haft gewesen, weil er keine Papiere besessen habe. Er sei 2006 von ihrem Schwiegervater deshalb erneut weggeschickt worden und habe sich zeitweilig in Deutschland aufgehalten. Die Miliz sei daraufhin zu ihr - der Klägerin zu 1) - nach Hause gekommen und habe ihr Haus durchsucht. Ihr Ehemann sei auf ihre Bitten im Frühjahr 2007 nach Dagestan zurückgekehrt. Seit 2007 sei ihr Ehemann noch einmal im Frühjahr 2008 von der russischen Miliz verhaftet worden. Er habe sich seit 2007 häufig nicht bei seiner Familie aufgehalten. Daneben habe es weitere Probleme mit ihrem Schwager gegeben, der unter anderem versucht habe, den Kläger zu 2) für die Wahabiten anzuwerben. Zu dem Geschehen im Mai 2009 erläuterte die Klägerin zu 1) gegenüber dem Bundesamt, ihr Nachbar, Angehöriger der Miliz, sei am Abend des 16. Mai 2009 zu ihr ins Haus gekommen und habe nach dem Aufenthalt ihres Ehemannes gefragt. Sie sei von ihrem Nachbarn gegen die Wand gedrückt und geschlagen worden, bis sie in Ohnmacht gefallen sei. Sie habe einen Schlag erhalten und daraufhin mit dem Kopf gegen die Wand geknallt. Als sie wieder zu sich gekommen sei, habe sie auf dem Boden gelegen. Sie habe ihn gebeten, sie in Ruhe zu lassen. Daraufhin sei sie ins Gesicht geschlagen worden. Der Nachbar habe sie vergewaltigt, ihre Kinder hätten hiervon nichts mitbekommen; der Kläger zu 2) habe mit Kopfhörern Musik gehört und die Klägerin zu 3) habe geschlafen. Der Kläger zu 2) habe sie auf dem Boden liegend und ihren Nachbarn darüber kniend gesehen. Er sei daraufhin  aus dem Haus gerannt und habe andere Nachbarn zu Hilfe geholt, die sie - die Klägerin zu 1) - ins Krankenhaus gebracht hätten. Ihr Nachbar habe sie später im Krankenhaus bedroht; sie habe daraufhin die Identifizierung des Nachbarn als Täter verhindert. Die Gerichtsmedizin sei automatisch zu ihr ins Krankenhaus gekommen und habe über die von ihr erlittenen Verletzungen ein entsprechendes Attest ausgestellt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 27. Januar 2010 legte die Klägerin zu 1) dem Bundesamt ein als gerichtsmedizinisches Gutachten Nr. 100 des Gesundheitsministeriums Dagestan, gerichtsmedizinischer Gutachter Mugsirow I.T., bezeichnetes Schreiben vom 18. Mai 2009 vor. Wegen des Inhalts des russischen Originals wird auf die Ablichtung (Blatt 81 f. Beiakte A), wegen der Übersetzung ins Deutsche auf Blatt 74 f. Beiakte A verwiesen. Die hierzu vom Bundesamt eingeholte Auskunft der Deutschen Botschaft in Moskau vom 22. April 2010 ergab unter anderem, dass das vorgelegte gerichtsmedizinische Gutachten mehrere Fälschungsmerkmale aufweise. Es sei in dem vorgelegten Dokument nirgends vermerkt, um welche gerichtsmedizinische Stelle es sich handele, welchem Gericht diese angehöre und wo diese sich befinde; zudem würden in der russischen Föderation gerichtsmedizinische Gutachten nicht auf Verlangen einer Privatperson erstellt. In der russischen Föderation, speziell im Nordkaukasus, sei es möglich, derartige Bescheinigungen von den zuständigen Stellen mit dem gewünschten Inhalt käuflich zu erwerben. Wegen der weiteren Einzelheiten der Auskunft wird auf Blatt 97 der Beiakte A verwiesen.

Daneben legte die Klägerin zu 1) dem Bundesamt zur Geltendmachung gesundheitlicher Beeinträchtigungen, die ihrer Abschiebung entgegenstünden, die ärztliche Bescheinigung der Dr. med. M. N. vom 16. Juli 2010 (Blatt 92 Beiakte A) vor, wonach sie an einer depressiven Entwicklung, Varikosis und rez. Migräneanfällen leide. Ergänzend hierzu attestierte ihr das St. Vinzenz Hospital in O. unter dem 29. April 2011 (Blatt 102 Beiakte A) eine schwere depressive Symptomatik mit Antriebsminderung, Schlafstörungen, innere Unruhe und Angstzustände.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 28. Juni 2011, den Klägern am 25. Juli 2011 zugestellt, lehnte das Bundesamt deren Anträge auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und auf Abänderung des nach altem Recht ergangenen Bescheides vom 19. August 2002 bezüglich der Feststellungen zu § 53 Abs. 1 bis 6 des AuslG ab. Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, die Einlassungen der Klägerin zu 1) zu den angeblichen Verhaftungen ihres Ehemannes und zu ihrem eigenen Verfolgungsschicksal seien weder hinreichend detailliert und substantiiert, noch plausibel. Es bestünden durchgreifende Zweifel, ob die Kläger und ihr Ehemann bzw. Vater seit 2005 jemals in ihre Heimat zurückgekehrt seien oder aber bis August 2009 in der Europäischen Union in der Illegalität gelebt hätten. Gegen die Glaubhaftigkeit des von der Klägerin zu 1) geschilderten Verfolgungsschicksals sprächen zahlreiche gravierende Widersprüche und Ungereimtheiten. Sie habe den Eindruck erweckt, sich in Bezug auf die Verhaftungen ihres Ehemanns nicht in Widersprüche zu dessen Angaben gegenüber dem Bundesamt zu verwickeln. Schließlich habe die eingeholte Auskunft der Deutschen Botschaft in Moskau ergeben, dass das von der Klägerin zu 1) vorgelegte gerichtsmedizinische Gutachten eine Fälschung sei. Hiergegen könne nicht mit der Echtheit des daran angebrachten Stempels argumentiert werden, denn es seien nach Auskunft der Deutschen Botschaft russische Stellen, die derartige Atteste auf Wunsch gegen entsprechende Zahlungen jederzeit ausstellten. Abschiebungshindernisse lägen nicht vor, insbesondere könne sich die Klägerin zu 1) hierfür nicht auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG berufen. Eine Auskunft der Datenbank MedCOI vom 27. Juni 2011, GZ: BMA-3477, habe ergeben, dass die von der Klägerin zur Behandlung ihrer psychischen Erkrankung benötigten Medikamente allesamt in der russischen Föderation verfügbar seien. In ihrer Heimat gebe es auch die erforderlichen Fachärzte wie Psychiater und Neurologen. Therapien könnten beispielsweise in Moskauer Krankenhäusern durchgeführt werden. Ohnehin sei bei der Klägerin zu 1) eine Traumatisierung bislang nicht nachgewiesen; es drohe bei ihrer Rückkehr in die Heimat somit auch keine Retraumatisierung. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Bescheid des Bundesamtes (Blatt 7 ff. Gerichtsakte) verwiesen.

Die Kläger haben dagegen am 8. August 2011 Klage erhoben und gleichzeitig um die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes nachgesucht. Die Kammer - Einzelrichter - hat mangels Vorlage der Verfahrensakte des Bundesamtes, Az. 5073118-160, mit Beschluss vom 20. September 2011 - 2 B 193/11 - die aufschiebende Wirkung der Klage der Klägerin zu 3) in der damaligen Annahme angeordnet, dass das Bundesamt ihr gegenüber bislang noch keine Abschiebungsandrohung erlassen habe, und den Antrag der Kläger zu 1) und 2) im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, diese hätten die vom Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid aufgezeigten Zweifel an dem vorgetragenen Verfolgungsschicksal bislang nicht ausgeräumt. Die Auskunft der Deutschen Botschaft vom 22. April 2010, wonach die Klägerin zu 1) ein unechtes gerichtsmedizinisches Gutachten vorgelegt habe, sei überzeugend. Die Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten in den bisherigen Einlassungen der Klägerin zu 1) könnte nicht allein mit Übersetzungsfehlern bzw. Verständigungsschwierigkeiten erklärt werden. Die Kläger hätten jedenfalls keine individuellen Gesichtspunkte dargelegt, warum ihnen eine zumutbare inländische Fluchtalternative außerhalb der Republik Dagestans nicht zur Verfügung stehe. Die in Bezug auf die Klägerin zu 1) attestierte PTBS veranlasse nicht zu weiterer Sachaufklärung, weil die von ihr vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen die vom Bundesverwaltungsgericht hierfür aufgestellten Mindestanforderungen nicht erfüllten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluss der Kammer (Bl. 69 ff. Gerichtsakte) verwiesen.

Zur Begründung ihrer Klage wiederholen und vertiefen die Kläger im Wesentlichen ihr Vorbringen gegenüber dem Bundesamt. Diesem seien im Anhörungsprotokoll Übersetzungsfehler unterlaufen. Sie - die Klägerin zu 1) - stelle klar, dass ihr durch ihren Nachbarn Schläge versetzt, ihr die Kleider vom Leib gerissen und sie zu allerletzt von diesem vergewaltigt worden sei(en). Ob ihre Bewusstlosigkeit durch die Schläge oder durch die Vergewaltigung eingetreten sei, könne sie nicht mehr nachvollziehen. Durch ihre Schreie aufgeweckt sei der Kläger zu 2) in die Räumlichkeit eingetreten, in der das Verbrechen verübt worden sei. Er habe ihre Misshandlungen durch den Nachbarn miterleben müssen. Durch ihre Schreie sei ein anderer Nachbar in ihre Wohnung gekommen und habe sie in das Krankenhaus gebracht. Sie sei sodann, wie bei Gewaltverbrechen in der Russischen Föderation üblich, durch die Gerichtsmedizin untersucht worden. Aufgrund der Untersuchung habe die Gerichtsmedizin das im Verfahren vor dem Bundesamt vorgelegte Gutachten erstellt. Es handele sich bei dem vorgelegten Schriftstück nur um eine ärztliche Bescheinigung, die aufgrund ihrer Bitte die medizinische Begutachtung feststellen solle, und nicht um ein ärztliches Gutachten, welches im Falle eines Ermittlungsverfahrens erstellt werde; deshalb fehlten auf der vorgelegten Bescheinigung Merkmale wie die Angabe des zuständigen Gerichts. Die dem Bundesamt vorgelegte ärztliche Bescheinigung sei über ihren Schwiegervater in Auftrag gegeben worden. Der behandelnde Arzt habe das Attest rückwirkend erstellt und deshalb auf den 18. Mai 2009 zurückdatiert. In ihrer Auskunft sei die Deutsche Botschaft in Moskau nicht darauf eingegangen, dass hinsichtlich des verwendeten Stempels keine Fälschungsmerkmale erkennbar seien. Die Aussage der Botschaft, ärztliche Bescheinigungen dieser Art könnten käuflich erworben werden, sei nicht verallgemeinerungsfähig. Jedenfalls habe sie - die Klägerin zu 1) - einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Sie sei wegen ihrer psychischen Erkrankung vom 14. bis 30. Juli 2011 und vom 7. bis 21. August 2012 in der psychiatrischen Abteilung des St. Vincenz-Hospitals in O. stationär behandelt worden. Wegen der Einzelheiten der durchgeführten Behandlung und der gestellten Diagnose (PTBS) wird auf die vorgelegten ärztlichen Atteste vom 10. August 2011 (Bl. 28 f. Gerichtsakte) und vom 11. April 2013 (Bl. 94 f. Gerichtsakte) Bezug genommen. Aus dem weiterhin vorgelegten ärztlichen Attest des St. Vincenz-Hospitals O. vom 20. August 2013 ergebe sich, dass sie sich dort seit Oktober 2010 wegen einer PTBS in regelmäßiger ambulanter Behandlung befinde; wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 135 f. der Gerichtsakte verwiesen. Eine adäquate Behandlung ihrer Erkrankung sei in der Russischen Föderation nicht gewährleistet. In der Praxis würden derart aufwendige Behandlungen erst nach privaten Zahlungen gegenüber dem medizinischen Personal durchgeführt. Solche Zahlungen könne sie wegen Mittellosigkeit nicht leisten. Der Zugang zum kostenfreien Gesundheitssystem erfordere eine Registrierung bei den Behörden, die ihnen mangels Nachweises von Wohnraum sowie aufgrund ihrer kaukasischen Herkunft nicht ermöglicht werde. Jedenfalls sei den minderjährigen Klägern zu 2) und 3) eine Rückkehr in ihre Heimat unter Berücksichtigung der UN-Kinderrechtskonvention nicht zumutbar. Ihre Existenz sei aufgrund der vollzogenen Trennung von Ehemann bzw. Vater nicht gesichert. Sie - die Klägerin zu 1) - habe in Dagestan als Bezugsperson nur noch den eigenen 76-jährigen Vater sowie die eigene 73-jährige Mutter; diese seien aufgrund ihres Alters selbst hilfebedürftig. Weitere Familienangehörige, auf deren Hilfe sie bauen könne, seien nicht vorhanden. Sie - die Kläger - müssten zudem damit zu rechnen, dass ihr Ehemann bzw. Vater und dessen Familie Druck auf die Klägerin zu 1) ausübten, die Trennung aufzugeben. Dann aber sei mit weiteren Belästigungen und tätlichen Übergriffen des Ehemannes bzw. Vaters gegenüber der Klägerin zu 1) zu rechnen. Ihr Ehemann habe gegenüber dem Kläger zu 2) geäußert, er werde ihr die gemeinsamen Kinder wegnehmen und nach Dagestan zurückkehren.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. Juni 2011 zu verpflichten festzustellen, dass in ihrer Person die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG erfüllt seien,

hilfsweise festzustellen,

dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in ihrer Person in Bezug auf die Russische Föderation vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Beiakten A und B sowie F bis H), die beigezogenen Ausländerakten des Landkreises K. (Beiakten C bis E und I bis N) und die Sozialleistungsakte des Landkreises K. (Beiakte O) verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Kammer - Einzelrichter - konnte gem. § 102 Abs. 2 VwGO trotz Ausbleibens eines Vertreters des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in der mündlichen Verhandlung das vorliegende Verfahren verhandeln und entscheiden, denn das Bundesamt ist ausweislich der Ladung vom 19. August 2013 hierauf ausdrücklich hingewiesen worden. Die Ladung ist dem Bundesamt ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 20. August 2013 zugestellt worden.

Die zulässige Klage ist unbegründet, denn die Kläger haben keinen Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens mit dem Ziel der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylVfG, hilfsweise auf Wiederaufgreifen des Verfahrens zur Feststellung eines subsidiären unionsrechtlichen oder nationalen Abschiebungsverbotes gem. § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bezüglich des Zielstaates Russische Föderation und damit auf Abänderung der nach altem Recht (§ 53 Abs. 1 bis 6 AuslG) ergangenen Bescheide des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 19. August 2002 und vom 8. Januar 2004. Der hier angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. Juni 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der im vorliegenden Verfahren maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG).

Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist nach Stellung eines Folgeantrages ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt, wenn sich die der ersten Sachentscheidung zugrundeliegende Sach- und Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG), wenn neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt hätten (Nr. 2) oder wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (Nr. 3). Erforderlich ist weiter, dass der Betroffene nicht ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG). Der Betroffene muss den Antrag zudem binnen 3 Monaten seit Kenntniserlangung von dem Grund für das Wiederaufgreifen stellen (§  51 Abs. 3 VwVfG), sofern er nicht aus besonderen Gründen daran gehindert gewesen ist.

Diese Voraussetzungen liegen hier bezüglich der in den Bescheiden des Bundesamtes vom 19. August 2002 und 8. Januar 2004 getroffenen (negativen) Feststellungen zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und zum Vorliegen von Abschiebungsverboten bezüglich der Russischen Föderation nicht vor. Das Bundesamt hat daneben ermessensfehlerfrei entschieden, die bestandskräftige Entscheidung nicht nach § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG aufzuheben und das Verfahren nicht wiederaufzugreifen. Eine Ermessensreduzierung auf Null liegt nicht vor, die Aufrechterhaltung der genannten Erstbescheide ist nicht schlechthin unerträglich. Die Kläger haben weiterhin keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. Weder besteht ein Anspruch der Kläger auf subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG noch ein Anspruch auf die Feststellung von nationalen Abschiebungshindernissen gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 28. Juni 2011 Bezug genommen, denen die Kammer folgt, § 77 Abs. 2 AsylVfG. Daneben nimmt die Kammer Bezug auf ihre Ausführungen im Beschluss vom 20. September 2011 - 2 B 192/11 -, die weiterhin Bestand haben. Ergänzend hierzu sind die folgenden Ausführungen veranlasst:

Die Kammer - Einzelrichter - hat aufgrund der durchgeführten mündlichen Verhandlung den Eindruck gewonnen, dass auch die Klägerin zu 1) - ebenso wie ihr Ehemann, der Kläger im Verfahren 2 A 213/11 - das vorliegende Klageverfahren allein mit dem Bestreben führt, nunmehr alle Möglichkeiten und Wege auszuschöpfen, um ihrem Asylbegehren in der Bundesrepublik Deutschland im zweiten Anlauf zum Durchbruch zu verhelfen. Vor diesem Hintergrund erklären sich die zahlreichen weiteren Widersprüche, die das neuerliche Asylvorbringen der Klägerin zu 1) unter Berücksichtigung ihrer Angaben in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer und ihrem bisherigen Vorbringen im Asylerstverfahren aufweist. Exemplarisch greift die Kammer hiervon die nachfolgenden Widersprüche zur Begründung ihrer Auffassung auf, das Vorbringen der Klägerin zu 1) sei insgesamt unglaubhaft (so schon das VG Oldenburg in seinem Urteil vom 18. Mai 2004 - 1 A 3734/02 -, UA S. 10 f.):

Bereits widersprüchlich sind die Angaben der Klägerin zu 1) zu ihren familiären Verhältnissen. So hat sie im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung im Asylfolgeverfahren am 18. November 2009 gegenüber dem Bundesamt angegeben, außer ihren Eltern (Vater und Mutter) habe sie in ihrer Heimat Dagestan nur ihre Schwiegereltern, ihren Schwager sowie Cousins und Cousinen. Geschwister habe sie nicht. Diese Angaben zu ihren familiären Verhältnissen hat die Klägerin zu 1) im gerichtlichen Verfahren (vgl. Schriftsatz vom 12. August 2013) entsprechend wiederholt. Demgegenüber hat sie im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung im Asylerstverfahren am 11. Juli 2002 gegenüber dem Bundesamt angegeben, ihr Vater lebe noch, ihre Mutter sei jedoch schon verstorben; Geschwister habe sie nicht. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg am 18. Mai 2004 hat der Ehemann der Klägerin zu 1.) im Rahmen seiner persönlichen Befragung durch den Einzelrichter zu den Modalitäten der Ersteinreise in das Bundesgebiet u.a. erklärt, außer ihm - dem Kläger im Verfahren 2 A 213/11 -, seiner Ehefrau und seinem Sohn - den Klägern zu 1) und 2) im vorliegenden Verfahren - sei auf dem Lkw noch die Schwester der Klägerin zu 1) mit dabei gewesen, deren Mann auch Wahabit sei und in Tschetschenien kämpfe (vgl. Seite 6 der Niederschrift, Bl. 98 R Beiakte B). Dass die Einlassung der Klägerin zu 1), sie habe keine Geschwister, unzutreffend ist, bestätigen die Feststellungen der Polizeiinspektion K. vom 6. Februar 2003 im Rahmen einer Mitteilung an die Ausländerbehörde des Landkreises K. über ein seinerzeit u.a. gegen die Klägerin zu 1) eingeleitetes Ermittlungsverfahren. Danach ist die Klägerin zu 1) im Rahmen eines vermeintlichen Diebstahls in einem Einkaufsmarkt in Begleitung ihrer Schwester, Frau P. L., angetroffen worden (vgl. Bl. 35 Beiakte I). Auf Vorhalt der unterschiedlichen Angaben zu ihren familiären Verhältnissen erklärte die Klägerin zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, sie bleibe weiterhin bei ihrer Einlassung, keine Geschwister zu haben. Sie bestreite insbesondere, mit ihrer Schwester im Jahre 2002 in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Die in der vorgehaltenen polizeilichen Mitteilung angesprochene Person, Frau P. L., sei lediglich ihre Schwester im Glauben. Diesen Erklärungsversuch hält die erkennende Kammer allerdings für untauglich, die aufgezeigten Widersprüche nachvollziehbar aufzulösen.

In Widersprüche hat sich die Klägerin zu 1) auch in Bezug auf weitere, ihren bisherigen persönlichen Werdegang betreffende Angaben verwickelt. So hat sie im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung im Asylerstverfahren am 11. Juli 2002 gegenüber dem Bundesamt u.a. erklärt, sie habe keinen Beruf erlernt, sie sei Hausfrau gewesen. Zuvor habe sie acht Klassen der Mittelschule besucht. Hiervon abweichend hat sie im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung im Asylfolgeverfahren am 18. November 2009 gegenüber dem Bundesamt erklärt, sie habe in ihrem Heimatdorf J. die Schule bis zur 9. Klasse absolviert. Danach habe sie eine medizinische Berufsschule besucht, die dort begonnene Ausbildung aber nach 1 1/2 Jahren abgebrochen. Sie sei nach Abbruch der Berufsschule nicht berufstätig gewesen und habe keinen anderen Beruf erlernt. Sie habe jedoch in der heimischen Landwirtschaft gearbeitet. Auf diese Weise hat sich die Klägerin zu 1) auch in der mündlichen Verhandlung vor der erkennenden Kammer eingelassen. Dort hat sie erklärt, eine Ausbildung zur Krankenschwester begonnen, jedoch nach sieben Monaten abgebrochen zu haben, weil seinerzeit die Heirat ihres Ehemannes angestanden habe. Wenn die Klägerin zu 1) den Beruf einer Krankenschwester indes nicht erlernt haben will, dann muss ihre in der Ausländerakte des Landkreises K. (Bl. 23 Beiakte I) dokumentierte Angabe „Beruf Krankenschwester“ im Rahmen ihrer Anmeldung des Klägers zu 2) für den Kinderhof Q. unrichtig sein. Ein Grund für falsche Angaben in diesem Zusammenhang ist jedoch nicht ersichtlich. Allerdings steht dadurch fest, dass die Klägerin zu 1) in Bezug auf ihren Beruf entweder gegenüber dem Bundesamt und der erkennenden Kammer oder aber gegenüber der Ausländerbehörde und dem Sozialleistungsträger falsche Angaben gemacht hat. Der Eindruck der Kammer, dass es die Klägerin mit ihrer gesetzlichen Verpflichtung zu vollständigen und wahrheitsgemäßen Angaben gegenüber dem Bundesamt (§ 15 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG), dem erkennenden Gericht (§ 173 VwGO i.V.m. § 138 Abs. 1 ZPO) und der zuständigen Ausländerbehörde (§ 82 Abs. 1 AufenthG) nicht so genau nimmt, wird hierdurch jedenfalls verstärkt.

Wie bereits im Verfahren des Ehemannes der Klägerin zu 1) - 2 A 213/11 - ausgeführt, muss sich auch die Klägerin zu 1) für den Zeitraum seit 2002 zudem erheblich widersprüchliche Angaben zum Vorhandensein von Reise- und Inlandspässen sowie sonstigen Personalpapieren vorhalten lassen. Im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung im Asylerstverfahren am 11. Juli 2002 erklärte sie hierzu, sie habe seit 1999 keinen Pass mehr. Ihr Pass - gemeint ist ihr Inlandspass - sei bei den Bombardierungen vernichtet worden. Diese Geschichte korrespondiert mit den damaligen Angaben ihres Ehemannes. Diese monotone und unsubstantiierte Einlassung hat die Klägerin zu 1) im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung im Asylfolgeverfahren am 18. November 2009 nahezu wortgleich wiederholt. Auf Vorhalt des Bundesamtes hat sie ausdrücklich bestätigt, nach ihrer Rückkehr in ihre Heimat Dagestan im Jahre 2005 keine Personalpapiere für ihr tägliches Leben benötigt zu haben. Ihre Familie habe keine Sozialleistungen in Anspruch genommen; sie und ihr Ehemann hätten selbst gearbeitet. Auf die der Ausländerbehörde im Februar 2005 vorgelegten russischen Inlandspässe angesprochen erklärte die Klägerin zu 1), diese Dokumente habe ihr Schwiegervater seinerzeit besorgt. Dabei habe es sich nicht um ihre eigenen Inlandspässe, sondern um gefälschte Dokumente gehandelt. Diese Dokumente hätten sie - die Eheleute - seinerzeit bei der Ausländerbehörde vorgelegt, um finanzielle Mittel für die Rückreise zu erlangen. In der mündlichen Verhandlung vor der erkennenden Kammer hat sich die Klägerin zu 1) auf entsprechenden Vorhalt dahingehend eingelassen, sie sei nur aufgrund der damaligen Angaben ihres Ehemannes davon ausgegangen, dass es sich bei den im Jahre 2005 der Ausländerbehörde vorgelegten Inlandspässen um gefälschte Dokumente gehandelt habe, die ihr Schwiegervater besorgt und nach Deutschland geschickt habe. Weiter hat sie schlicht behauptet, diese Inlandspässe seien von ihrem Ehemann nach ihrer Rückkehr nach Dagestan vernichtet worden. Sie wisse indes nicht, wie und wann dies geschehen sei. Diese Angaben widersprechen den Einlassungen des Klägers im Verfahren 2 A 213/11. Dieser hat nicht behauptet, dass es sich bei den im Jahre 2005 der Ausländerbehörde vorgelegten Inlandspässen um Fälschungen gehandelt habe. Gegen die diesbezügliche Einlassung der Klägerin zu 1) spricht, dass die in den vermeintlich gefälschten Inlandspässen enthaltenen Angaben zur Identität der Kläger und ihres Ehemannes bzw. Vaters offenbar korrekt, jedenfalls den russischen Stellen bekannt sind. Andernfalls wäre dem Kläger im Verfahren 2 A 213/11 nach seiner Rückkehr am 8. September 2005 in Dagestan kein russischer Führerschein mit entsprechenden Personalien ausgestellt worden. Es kommt hinzu, dass der Ehemann der Klägerin zu 1) im Rahmen seiner mündlichen Verhandlung vor der erkennenden Kammer erklärt hat, die 2005 zur Rückkehr verwendeten Inlandspässe bereits unmittelbar hinter dem Grenzposten in St. Petersburg in Einzelteile zerrissen und in den Müll geworfen zu haben. Für die Weiterreise von St. Petersburg nach Dagestan habe er dem Schaffner im Zug Geld gegeben, damit er und die Klägerin zu 1) sowie ihr gemeinsamer Sohn sich nicht hätten ausweisen müssen. Hiervon habe die Klägerin zu 1) auch gewusst. Diese weitere Unstimmigkeit im Vortrag der Klägerin zu 1) und ihres Ehemannes verdeutlicht, dass beide hinsichtlich des Vorhandenseins und Verbleibs von Personaldokumenten weder gegenüber dem Bundesamt und der zuständigen Ausländerbehörde, noch gegenüber der erkennenden Kammer wahre und vollständige Angaben tätigen. Es offenbart sich zugleich, dass sich die Klägerin zu 1) und ihre Ehemann offenbar nur hinsichtlich ihres früheren monotonen Vortrags, ihre Inlandspässe seien 1999 bei einer Bombardierung verbrannt, abgestimmt haben. Eine Abstimmung über ihre Einlassungen zu den im Jahre 2005 der Ausländerbehörde vorgelegten Inlandspässen ist offenbar nicht erfolgt. Zudem widerspricht der Vortrag der Klägerin zu 1) schon deshalb der russischen bzw. dagestanischen Lebenswirklichkeit, weil sie gegenüber dem Bundesamt nicht in der Lage war, nachvollziehbar zu erklären, wie sie nach ihrer Rückkehr im Jahre 2005 den seinerzeit schulpflichtigen Kläger zu 2) ohne jegliche Identitätsdokumente zum Schulbesuch hat anmelden können. Ihre diesbezügliche Einlassung, hierauf habe man bei ihr im Dorf J. nicht geachtet, ist substanzlos und lebensfern.

Widersprüchlich und aufgrund der geographischen Verhältnisse nicht nachvollziehbar sind alle bisherigen Angaben der Klägerin zu 1) zu Art und Dauer ihrer beiden Einreisen in das Bundesgebiet, die jeweils über den Landweg mittels Lastkraftwagen erfolgt sein sollen. Im Asylerstverfahren hat sie sich insoweit auf die Angaben ihres Ehemannes berufen. Dieser hat gegenüber dem Bundesamt angegeben, er sei mit seiner Familie am 25. Juni 2002 mit einem russischen LKW in Dagestan losgefahren, später in einen anderen LKW umgestiegen und in Deutschland (Hamburg) dann am 4. Juli 2002 angekommen. Ähnlich monoton und oberflächlich waren die Angaben der Klägerin zu 1) im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung durch das Bundesamt am 18. November 2009. Damals berichtete die Klägerin zu 1), sie und die Kläger zu 2) und 3) seien in der Nacht vom 5. zum 6. August  2009 in Dagestan mit einem LKW vom Typ Kamas aufgebrochen, nach 2 Tagen an einem unbekannten Ort in einen anderen LKW umgestiegen und schließlich am 10. August 2009 in Deutschland angekommen. Wegen Dunkelheit hätte sie von der Fahrt nichts mitbekommen. Die Einreise nach Deutschland auf dem Landweg von der Russischen Föderation kommend ist jedoch nach jedweder Betrachtungsweise mit mindestens 3 Grenzübertritten verbunden, von denen die Einreise in das Gebiet der Europäischen Union an der polnisch/ukrainischen bzw. polnischen/weißrussischen Grenze mit erheblichen Formalitäten und Kontrollen des Güterverkehrs verbunden ist. Vor diesem Hintergrund war die Klägerin zu 1) schlichtweg nicht in der Lage, Einzelheiten ihrer bisherigen Einreisen in das Bundesgebiet, z.B. Aufenthalts- bzw. Standzeiten an den genannten Grenzen, nachvollziehbar darzulegen. Die Kammer ist zudem nicht in der Lage nachzuvollziehen, wie vor allem die minderjährigen Kläger zu 2) und 3) angesichts der Witterungsverhältnisse im August 2009 ohne Aufenthalte in einem LKW verbracht haben wollen und wie sie während dieser Zeit ihren menschlichen Bedürfnissen nachgekommen sein sollen, daran anknüpfend, warum eine solche menschenunwürdige Einreise bei ihnen keine dauerhaften Eindrücke oder gar Ängste hinterlassen haben, die die Kläger heute nicht mehr zu erinnern vermögen.

In die Reihe der aufgezeigten Wiedersprüche lassen sich schließlich auch die Angaben der Klägerin zu 1) zu dem vermeintlichen Gewaltverbrechen ihres Nachbarn und der darauffolgenden gerichtsmedizinischen Untersuchung einordnen. Wie die Kammer bereits in ihrem das einstweilige Rechtsschutzbegehren der Kläger zu 1) und 2) ablehnenden Beschluss vom 20. September 2011 - 2 B 193/11 - dargelegt hat, wirft allein der Inhalt des im Verfahren vor dem Bundesamt vorgelegten gerichtsmedizinischen Gutachtens Nr. 100 vom 18. Mai 2009 weitere Fragen im Hinblick auf Richtigkeit der Einlassung der Klägerin zu 1) auf. So hat die Klägerin zu 1) den Tag des erlittenen Übergriffs gegenüber dem Bundesamt mit dem 16. Mai 2009 angegeben. Demgegenüber ergibt sich aus dem vorgelegten russischen Gutachten der 17. Mai 2009 als Datum der Tat. Zudem wird in dem gerichtsmedizinischen Gutachten Nr. 100 (vgl. Bl. 74 f. Beiakte A) ausgeführt, die Untersuchte sei am 18. Mai 2009 zwecks Feststellung der Körperverletzungen bei der gerichtsmedizinischen Ambulanz vorstellig geworden. Demgegenüber hat sich die Klägerin zu 1) im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung am 18. November 2009 dahingehend eingelassen, sie sei von der Gerichtsmedizin noch im Krankenhaus untersucht worden. Dieser Prozess laufe automatisch ab, wenn ein Gewaltverbrechen die Ursache von Verletzungen sei. Diese Version des Ablaufs hat die Klägerin zu 1) im vorliegenden Klageverfahren im Wesentlichen bestätigt, ohne weiter darauf einzugehen und die schon im Beschluss der Kammer vom 20. September 2011 aufgezeigten Widersprüche der im Gutachten enthaltenen Daten im Vergleich zu ihren Beurkundungen aufzulösen.

Bei dieser Sachlage erspart sich die erkennende Kammer, die zahlreichen Widersprüche im Vortrag der Klägerin zu 1) zum Ablauf ihrer vermeintlichen Vergewaltigung durch einen Nachbarn im Einzelnen aufzugreifen; auf die im Tatbestand dieses Urteils wiedergegebenen Feststellungen wird insoweit verwiesen. Wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit hat die erkennende Kammer auch aus Fürsorgegründen von einem Vorhalt der verschiedenen Versionen des Ablaufs der vermeintlichen Vergewaltigung im Rahmen einer persönlichen Anhörung des noch minderjährigen Klägers zu 2) abgesehen. Dem Kläger zu 2) diesbezüglich eine persönliche Anhörung zu ersparen, dürfte auch im Interesse der Klägerin zu 1) gelegen haben, zumal diese auf die schwierige psychische Verfassung des Klägers zu 2) hingewiesen hat.

Insgesamt kann daher den Klägern hinsichtlich des von ihnen geltend gemachten individuellen Verfolgungsschicksals keinerlei Glauben geschenkt werden.

Daneben können die vom Kläger im Verfahren 2 A 213/11 geltend gemachten allgemeinen Aspekte zur Sicherheitslage in der Republik Dagestan der vorliegenden Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Die Kläger haben insbesondere keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in Verbindung mit Art. 15 c) der Qualifikationsrichtlinie. Zwar lässt sich den vom Kläger im Verfahren 2 A 213/11 bezeichneten Erkenntnismitteln für die Republik Dagestan eine Zunahme von Menschenrechtsverletzungen, etwa widerrechtliche Inhaftierungen und Folter, durch die russischen Sicherheitskräfte einerseits und eine ansteigende Zahl von terroristischen Anschlägen auf Personen (insbesondere Polizisten und Regierungsvertreter) und Einrichtungen der föderalen Kräfte andererseits entnehmen, unter denen auch die Zivilbevölkerung zu leiden hat. Dies deckt sich mit den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes im jüngsten Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation vom 10. Juni 2013. Danach habe sich die Sicherheitslage in der multiethnischen Republik Dagestan angesteckt durch die Konflikte in Tschetschenien in den letzten Jahren deutlich verschlechtert und bleibe sehr angespannt. Islamischer Extremismus, Auseinandersetzungen zwischen Ethnien und Clans, Korruption und organisierte Kriminalität führten zu anhaltender Gewalt und Gegengewalt. Die beinahe täglichen Anschläge von Rebellen richteten sich gezielt gegen Sicherheits- und Verwaltungsstrukturen, politische Führungskader, Polizeipatrouillen, Bahnlinien, Gas- und Stromleitungen und öffentliche Gebäude. Die Behörden reagierten darauf mit harter Repression. Laut NRO „Kawkasi Usel“ seien 2012 in Dagestan mindestens 683 Opfer der Konflikte zu beklagen, darunter 410 Tote. Nach dem Amtsantritt von Ramasan Abdulatipow als Republikoberhaupt im Januar 2013 bleibe abzuwarten, ob dieser nicht zuletzt mit Blick auf die olympischen Winterspiele im Februar 2014 eine grundlegende Verbesserung der Lage in Dagestan herbeiführen könne.

Diese Lagebeschreibung rechtfertigt indes nicht die Annahme, es bestehe in der gesamten Republik Dagestan ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in Verbindung mit Art. 15 c) der Qualifikationsrichtlinie. Das Bundesverwaltungsgericht hat zu diesem Begriff in seinem Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43/07 -, BVerwGE 131, S. 198 ff., zit. nach juris Rn. 22, ausgeführt, ein solcher Konflikt müsse jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, um völkerrechtlich als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zu gelten. Typische Beispiele seien Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe. Davon abzugrenzen seien innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen, die nicht als bewaffnete Konflikte gelten würden. Auch kriminelle Gewalt könne keine Berücksichtigung finden, wenn sie nicht von einer der Konfliktparteien begangen werde (BVerwG, a.a.O., Rn. 24). Die vom Kläger im Verfahren 2 A 213/11 bezeichneten Erkenntnismittel lassen schon nicht erkennen, dass die Auseinandersetzungen zwischen den föderalen Sicherheitskräften und Rebellen wie etwa den Wahabiten seit geraumer Zeit mit beachtlicher Intensität anhalten und allein zu den im Lagebericht genannten Opferzahlen geführt haben. Vielmehr lässt sich dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes entnehmen, dass die Ursachen der Gewaltexzesse und Konflikte in Dagestan vielschichtig sind, darunter Auseinandersetzungen zwischen Ethnien und Clans, Korruption und organisierte Kriminalität. Sie können damit nicht auf die Auseinandersetzung zwischen Föderalen und islamischen Terroristen wie den Wahabiten reduziert werden. Jedenfalls ermangelt es in Bezug auf die Person der Kläger als Angehörige der Zivilbevölkerung Dagestans an einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Insbesondere die Anschläge der Rebellen richten sich nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes auf Angehörige der Sicherheitskräfte und Regierungsvertreter; dazu zählen die Kläger nicht. Liegen in Bezug auf die Kläger keine solchen Gefahr erhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 - 10 C 13.10 -, NVwZ 2012, S. 454 ff., zit. nach juris Rn. 19). Zudem müsste den Klägern bei ihrer Rückkehr nach Dagestan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib und Leben drohen (BVerwG, a.a.O., Rn. 20). Beides ist hier weder ersichtlich noch von den Klägern ansatzweise dargetan.

Hiervon unabhängig hat die Kammer bereits in ihrem Beschluss vom 12. Oktober 2011 - 2 B 214/11 -, mit dem das einstweilige Rechtsschutzbegehren des Ehemannes bzw. Vaters der Kläger abgelehnt wurde, zum Verweis auf eine zumutbare inländische Fluchtalternative Folgendes ausgeführt:

„Zudem ist von dem Antragsteller auch nicht substantiiert dargelegt worden, warum ihm nicht außerhalb der Region des Nord-Kaukasus in der Russischen Föderation eine sichere Fluchtmöglichkeit zur Verfügung stehen sollte. Ihm steht wie allen russischen Staatsbürgern das Recht der freien Wahl des Wohnsitzes und des Aufenthaltes in der Russischen Föderation zu. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es das Bestreben der Behörden in vielen Gebieten der Russischen Föderation ist, den Zuzug von Personen aus dem Kaukasus mittels restriktiver Verwaltungsvorschriften zu erschweren. Allerdings sind diese Administrativmaßnahmen dem Bereich der vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urteil vom 01. Februar 2007 - 1 C 24/06 -, NVwZ 2007, 590) als Anfangsschwierigkeiten bezeichneten Hindernisse zuzuordnen, deren Überwindung möglich und im Regelfall auch zumutbar ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 03. März 2009 - 3 B 16.08 -, zitiert nach juris). Der Antragsteller hat keine individuellen Gesichtspunkte, die gerade in seiner Person begründet sind und die es gerade für ihn unzumutbar erscheinen lassen könnten, sich außerhalb Dagestans nieder zu lassen, vorgetragen (vgl. zur grundsätzlich bestehenden inländischen Fluchtalternative tschetschenischer Staatsangehöriger auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Februar 2009 - 13 LA 175/08 -, n.v.).“

Bei diesen Feststellungen verbleibt es auch für das vorliegende Klageverfahren, zumal die Kläger diesbezüglich nichts weiter vorgetragen haben, was eine andere Einschätzung der Lage rechtfertigen könnte.

Soweit die Kläger zu 2) und 3) ihr Klagebegehren zusätzlich auf das Übereinkommen über die Rechte des Kindes - UN Kinderrechtskonvention (KRK) vom 20. November 1989 (BGBl. 1992 II, S. 121, 990) stützen, das nach Rücknahme der Vorbehaltserklärung durch die Bundesrepublik Deutschland (BGBl. 2011 II, S. 600) nunmehr auch in Deutschland unmittelbar gilt, rechtfertigt dies keinen anderen Befund. In der Rechtsprechung ist bereits entschieden, dass die Maßstäbe für die Zuerkennung von Abschiebungsverboten mit Blick auf die UN Kinderrechtskonvention nicht abgesenkt werden müssen. Exemplarisch hat das VG München in seinem Urteil vom 8. Mai 2013 - M 15 K 12.30877 -, zit. nach juris Rn. 57, Folgendes ausgeführt:

„Denn Art. 3 Abs. 1 UN-Kinderrechtskonvention erfordert eben nur, dass das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt ist, der vorrangig berücksichtigt wird. Nach dieser Bestimmung genießt das Kindeswohl aber keinen absoluten Vorrang vor anderen Gesichtspunkten und steht damit auch einer Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet nicht generell und unter allen Umständen entgegen. Gefordert wird lediglich in jedem Einzelfall eine Abwägung zwischen den Belangen des Kindes und den öffentlichen Belangen (vgl. BVerwG, B.v. 10.2.2011 - 1 B 22/10 -, juris Rn. 4; OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 19.3.2012 - 3 B 21.11 -, juris Rn. 33; BayVGH, B.v. 8.7.2011 - 10 ZB 10.3028 -, NVwZ-RR 2012, 161; OVG Lüneburg, B.v. 29.3.2011 - 8 LB 121/08 -, juris Rn. 62 f.), die im Rahmen des geltenden Asylrechts zu verwirklichen ist.“

Dieser Auffassung schließt sich die erkennende Kammer an und stellt klar, dass keinerlei greifbare Anhaltspunkte vorliegen, die darauf schließen ließen, dass das Kindeswohl der Kläger zu 2) und 3) in der Russischen Föderation nicht zu verwirklichen wäre.

Individuelle Gründe für die Zuerkennung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zugunsten der Klägerin zu 1) liegen schließlich nicht vor.

Bei der Frage, ob einem Ausländer wegen einer Erkrankung bei einer Rückkehr in die Heimat eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG droht, ist der richtige Gefahrenmaßstab anzuwenden. Nach den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätzen ist die Gefahr, dass sich eine Erkrankung des Ausländers aufgrund der Verhältnisse im Abschiebezielstaat verschlimmert, in der Regel als individuelle Gefahr einzustufen, die am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 - 1 C 18/05 -, BVerwGE 127, S. 33 ff., zit. nach juris Rn. 15). Eine „erhebliche konkrete Gefahr“ im Falle einer zielstaatsbezogenen Verschlimmerung einer Erkrankung ist daher gegeben, wenn sich der Gesundheitszustand alsbald nach der Rückkehr in den Heimatstaat wegen der dortigen Behandlungsmöglichkeiten wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Gründe hierfür können nicht nur fehlende Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat sein, sondern etwa auch, dass eine an sich vorhandene medizinischen Behandlungsmöglichkeit aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen rein tatsächlich nicht erlangt werden kann (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 20). Dementsprechend kann von einer abschiebungsschutzrelevanten Verschlechterung des Gesundheitszustands nicht schon dann gesprochen werden, wenn "lediglich" eine Heilung eines Krankheitszustandes des Ausländers im Zielstaat nicht zu erwarten ist. Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll dem Ausländer nämlich nicht eine Heilung von Krankheit unter Einsatz des sozialen Netzes der Bundesrepublik Deutschland sichern, sondern vor einer gravierenden Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter Leib und Leben bewahren. Eine wesentliche Verschlimmerung des Gesundheitszustands ist dementsprechend auch nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustands anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Oktober 2006 - 13 A 2820/04.A -, AuAS 2007, S. 20 ff., zit. nach juris Rn. 32 m.w.N.). Konkret ist eine Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, wenn die Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach der Einreise des Betroffenen in den Zielstaat eintritt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006, a.a.O.). Aus dem Wortlaut des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG - "dort" - folgt zudem, dass die ein mögliches Abschiebungshindernis begründenden Umstände an Gegebenheiten im Zielland der Abschiebung anknüpfen müssen (zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse). Abschiebungshindernisse nach dem früher geltenden § 53 AuslG bzw. Abschiebungsverbote nach § 60 AufenthG leiteten/leiten sich der Sache nach aus der Unzumutbarkeit des Aufenthalts im Zielland der Abschiebung für einen ausreisepflichtigen Ausländer her und müssen damit in Gefahren begründet sein, die im Zielstaat der Abschiebung drohen. Das gilt auch dann, wenn die im Abschiebungszielstaat zu erwartende Rechtsgutbeeinträchtigung in der Verschlimmerung einer Krankheit besteht, unter welcher der Ausländer bereits in Deutschland leidet (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. November 1997, - 9 C 58.96 -, DVBl. 1998, S. 284, und vom 11. November 1997 - 9 C 13.96 -, NVwZ 1998, S. 526). Dementsprechend können in Verfahren vor dem Bundesamt nur zielstaatsbezogene Gefahren als Abschiebungshindernis geltend gemacht werden, nicht aber Gegebenheiten und Vorgänge, die im Aufenthaltsland Deutschland begründet sind oder mit der geplanten Rückreise des ausreisepflichtigen Ausländers zusammenhängen. Auch bei einer als Abschiebungshindernis geltend gemachten Gesundheitsverschlechterung muss es sich demnach um eine solche handeln, die durch Gegebenheiten im Zielland der Abschiebung - hier der Russischen Föderation - ausgelöst und verursacht wird. Reiseunfähigkeit stellt demgegenüber kein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis, sondern ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis dar, dessen Vorliegen die zuständige Ausländerbehörde selbständig zu prüfen und beim Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen zu beachten hat und ggf. einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 5 AufenthG begründen kann (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 29. März 2011 - 8 LB 121/08 -, zit. nach juris Rn. 47 m.w.N), über den im vorliegenden, gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Klageverfahren indes nicht zu befinden ist.

Unter Zugrundelegung dieser rechtlichen Kriterien und unter zusammenfassender, bewertender Betrachtung aller entscheidungsrelevanten Umstände und Aspekte, insbesondere des aktuellen Gesundheitszustandes der Klägerin zu 1), wie er sich aus dem zuletzt vorgelegten ärztlichen Attest des St. Vincenz-Hospitals O. vom 20. August 2013 ergibt, ist nach Auffassung der Kammer die Zuerkennung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich der Russischen Föderation nach wie vor nicht gerechtfertigt.

Die Kammer vermag aufgrund der vorgelegten ärztlichen Atteste der ärztlichen Einschätzung zu folgen, die Klägerin zu 1) leide seit 2010 an einer depressiven Symptomatik, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsdefiziten, Schlafstörungen, häufigen Impulskontrollstörungen und rez. Migräneanfällen und bedürfe daher weiterhin einer medikamentösen und psychiatrischen Behandlung, so zuletzt das Attest des St. Vinzenz Hospitals O. vom 20. August 2013. Dieser Befund wird durch die ärztlichen Dokumentationen, die in der beigezogenen Akte des Fachdienstes Soziales des Landkreises K. enthalten sind (Beiakte O), im Wesentlichen gestützt. Für die darüber hinausgehende Annahme der Klägerin zu 1), sie leide unter einer PTBS, gibt es dagegen keinen belastbaren Beleg. Die Kammer hat hierzu bereits in ihrem Beschluss vom 20. September 2011 - 2 B 193/11 -, BA S. 5, Folgendes ausgeführt:

„In Bezug auf die attestierte posttraumatische Belastungsstörung bieten die genannten ärztlichen Bescheinigungen auch keinen Anlass für eine weitere Sachaufklärung, da sie die vom Bundesverwaltungsgericht hierfür aufgestellten Mindestanforderungen (Urt. v. 11.09.2007 - 10 C 8.07 -, juris) nicht erfüllen. Denn es fehlt eine Angabe darüber, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat; es ist nicht erkennbar, ob die Schilderung der Symptome der Antragstellerin zu 1), die im Übrigen in den Attesten variieren, auf eigener Untersuchung durch den Facharzt oder alleine auf Angaben der Antragstellerin zu 1) beruht. Auch hat der behandelnde Arzt die Angaben der Antragstellerin zu 1) offenbar unkritisch übernommen. So geht das Attest davon aus, dass die Patientin erst im Frühjahr 2010 von einem Polizisten vergewaltigt worden sei; zu dieser Zeit hielt sich die Antragstellerin jedoch bereits im Bundesgebiet auf. Dementsprechend fehlt es auch an einer Begründung dafür, warum die Erkrankung nicht bereits mit der (Folge)Antragstellung im August 2009 geltend gemacht worden ist, sondern erst im Frühjahr 2011. Da das Gericht - wie dargelegt - den Sachvortrag der Antragstellerin zu 1) im Hinblick auf das traumatisierende Ereignis für nicht glaubhaft erachtet, droht der Antragstellerin zu 1) zur Überzeugung des Gerichts auch keine Retraumatisierung im Heimatland.“

Hierbei verbleibt es auch für das Klageverfahren. Aussagekräftige fachärztliche Atteste, die auf das Vorhandensein einer PTBS schließen lassen, hat die Klägerin zu 1) trotz dieser deutlichen Worte der Kammer bis zur mündlichen Verhandlung nicht beigebracht. Deshalb musste der von ihr gestellte Beweisantrag auch mangels hinreichender Substantiierung des Beweisthemas abgelehnt werden. Zudem hat die am 17. April 2013 vom Gesundheitsamt des Landkreises K., MOR Dr. Papst, durchgeführte amtsärztliche Untersuchung (vgl. Bl. 66 f. Beiakte O) ebenfalls keinen belastbaren Anhalt für eine PTBS ergeben. Der Amtsarzt diagnostizierte bei der Klägerin zu 1) neben der depressiven Symptomatik eine seelische Erkrankung und äußerte lediglich die Vermutung, dass diese wahrscheinlich auf die von der Klägerin zu 1) geschilderten traumatisierenden Erfahrungen in ihrer Heimat zurückzuführen seien. Vordergründig erachtet die Kammer indes die von der Klägerin zu 1) in der mündlichen Verhandlung und seinerzeit auch dem Amtsarzt geschilderten familiären Konflikte und Überforderungen, die mit der Trennung von ihrem Ehemann einher gingen und nach wie vor gehen, für ihren derzeitigen angegriffenen Gesundheitszustand verantwortlich. Traumatisierende Erlebnisse konnte die Klägerin zu 1) jedenfalls bislang nicht glaubhaft schildern.

Anders als in dem vom Verwaltungsgericht Hannover (Urteil vom 3. März 2011 - 12 A 1967/09 -) entschiedenen Sachverhalt einer psychisch erkrankten Asylbewerberin aus der Russischen Föderation ist im vorliegenden Fall zudem nicht davon auszugehen, dass die an sich in der Russischen Föderation vorhandenen medizinischen Behandlungsmöglichkeiten für psychische Erkrankungen, wie sie die Klägerin zu 1) hier geltend macht - die Klägerin zu 1) hat insoweit die Feststellungen des Bundesamtes in dem angefochtenen Bescheid nicht in Zweifel gezogen, sodass für die Kammer kein Anlass zu weiterer Sachverhaltsaufklärung bestand -, für diese aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen nicht zugänglich sind. Die Kammer konnte nicht feststellen, dass die Klägerin zu 1) bei einer Rückkehr mit ihren Kindern in die Russische Föderation mittellos ist. Die Klägerin zu 1) hat gegenüber dem Bundesamt in Bezug auf ihre Krankenhausbehandlung nach dem vermeintlichen Gewaltverbrechen ihres Nachbarn ausgeführt, sie habe für die Abrechnung der Behandlungskosten über eine Versicherungspolice verfügt, die ihr ihr Schwiegervater besorgt habe. Die Klägerin zu 1) hat weder Gründe vorgetragen, noch ist für die Kammer ersichtlich, dass der 2009 bestehende Krankenversicherungsschutz nunmehr erloschen sein soll. Ferner hat die Klägerin zu 1) gegenüber dem Bundesamt dargelegt, dass sie auch in den Zeiten der Abwesenheit ihres Ehemannes bei ihren Schwiegereltern gelebt und in der heimischen Landwirtschaft gearbeitet habe. Ihr Schwiegervater habe die Kosten ihrer zweiten Ausreise i.H.v. 230.000 Rubel finanziert. Dass der Schwiegervater der Klägerin zu 1) und Großvater der Kläger zu 2) und 3) sowie der Klägerin im Verfahren 2 A 227/11 diese und ihren Ehemann bzw. Vater in der Vergangenheit ständig finanziell unterstützt hat, ergibt sich nicht zuletzt aus deren Vorbringen zu den zahlreichen Freikäufen des Klägers im Verfahren 2 A 213/11 aus der Gefangenschaft der Miliz sowie der Beschaffung von russischen Dokumenten wie etwa den 2005 vorgelegten Inlandspässen oder anderen offiziellen Papieren wie bspw. das von der Klägerin zu 1) vorgelegte gerichtsmedizinische Gutachten. Die Angaben der Klägerin zu 1) und ihres Ehemannes lassen deshalb nur darauf schließen, dass es sich zumindest bei dem Schwiegervater um einen verhältnismäßig vermögenden russischen Staatsangehörigen handelt. Vor diesem Hintergrund ist weder substantiiert und nachvollziehbar vorgetragen noch sonst erkennbar, warum die bisherige fortdauernde Unterstützung des Schwiegervaters der Klägerin zu 1) bei einer Rückkehr der Kläger in die Russische Föderation wegfallen würde. Der zuletzt in das vorliegende Klageverfahren eingeführte Aspekt der Trennung vom Ehemann - eine Scheidung bzw. eine dahingehende Absicht hat weder die Klägerin zu 1) noch ihr Ehemann bislang geäußert - hat den Schwiegervater nach bisherigem Vorbringen der Klägerin zu 1) offenbar auch in der Vergangenheit nicht von seinen Unterstützungsleistungen zugunsten seiner Schwiegertochter und seinen Enkeln abgehalten.

Schließlich ist auch das klägerische Vorbringen, die Klägerin zu 1) könne als alleinerziehende Mutter dreier Kinder bei ihrer Rückkehr in die Russische Föderation, namentlich außerhalb der Republik Dagestans, den Lebensunterhalt für die Familie nicht allein durch Erwerbstätigkeit sichern, nicht näher begründet worden. Die Kläger zu 2) und 3) sind im schulpflichtigen Alter, hätten demzufolge bei einer Rückkehr der Familie in die Russische Föderation tagsüber die Schule zu besuchen. Die 2009 geborene Klägerin im Verfahren 2 A 227/11 könnte nach derzeitigem Stand einen Kindergarten besuchen, um der Klägerin zu 1) eine Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. Die Klägerin zu 1) hat gegenüber dem Bundesamt ausgeführt, nach ihrer Rückkehr in ihre Heimat im Jahre 2005 trotz des damals schon schulpflichtigen Klägers zu 2) und eines Kleinkindes - der Klägerin zu 3) - in der Landwirtschaft erwerbstätig gewesen zu sein. Warum sich an diesen Möglichkeiten etwas geändert haben sollte, ist für die Kammer nicht ersichtlich. Die vorgelegten ärztlichen Atteste lassen den Schluss auf eine dauerhafte, namentlich stationäre Behandlungsbedürftigkeit ihrer Erkrankung nicht zu; Anhaltspunkte für eine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit ergeben sich hieraus ebenfalls nicht. In der Rechtsprechung der niedersächsischen Verwaltungsgerichtsbarkeit ist bereits entschieden worden, dass auch einer alleinerziehenden Mutter tschetschenischer Herkunft mit zwei betreuungsbedürftigen Kindern zugemutet werden kann, sich in anderen Teilen der Russischen Föderation niederzulassen und dort durch Erwerbstätigkeit ein bescheidenes Auskommen zu finden. Dabei müsse nämlich berücksichtigt werden, dass Flüchtlinge mittlerweile in vielen russischen Städten von Menschenrechtsorganisationen unterstützt würden (vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 24. Februar 2003 - 8 A 308/02 -, UA S. 11 f.).

Diese Einschätzung bestätigt das in der mündlichen Verhandlung mit den Klägern erörterte Länderinformationsblatt Russische Föderation, Stand Juni 2013, der International Organization for Migration (IOM), welches u.a. vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge publiziert wird. Danach gibt es in verschiedenen Regionen Russlands ergänzende finanzielle Hilfsprogramme für alleinstehende Mütter. So sieht etwa das Moskauer Programm über staatliche Hilfen wie Schwangerschaftsgeld und Kindergeld hinaus zusätzliche städtische Zahlungen vor, die auf eine individuelle Zahlkarte überwiesen werden (monatliche Kompensation der Lebensmittelausgaben in Höhe von 3.200 Rubel für Kinder bis 3 Jahre und 1.600 Rubel für Kinder bis 16 Jahre). Alleinstehende Mütter erhalten außerdem Preisnachlässe für viele Waren, Konsumgüter und pharmazeutische Erzeugnisse sowie materielle Hilfe in Naturalien. Zusammen mit der Sozialkarte bekommen alleinerziehende Mütter eine Auflistung von Geschäften, Apotheken und Dienstleistungsunternehmen, die Preisnachlässe gewähren. Gemäß den Rechtsnormen föderaler und kommunaler Gesetzgebung haben alleinstehende Mütter und Väter ein Vorrecht auf eine Wohnungszuteilung aus den kommunalen Wohnungsbeständen. Im Rahmen verschiedener „gender-projects“ unterhalten diverse Nichtregierungsorganisationen in einigen Regionen der Russischen Föderation Frauenasyle. Es gibt faktisch in jeder russischen Region Krisenzentren für Frauen. Diese werden sowohl von staatlichen Sozialdiensten als auch von internationalen Programmen gesponsert und bieten soziale, psychologische und juristische Beratung u.a. für Frauen wie die Klägerin zu 1) an, die häuslicher Gewalt ausgesetzt waren bzw. sind (vgl. Seite 23 des Länderinformationsblatts). Die Kammer hat keine Veranlassung, an der Richtigkeit dieser von der IOM zusammengetragenen und in dem zitierten Länderinformationsblatt wiedergegebenen Angaben zu zweifeln. Zweifel haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung jedenfalls nicht aufzuzeigen vermocht, so dass für die Kammer in dieser Hinsicht keine Veranlassung zu weiterer Sachverhaltsaufklärung bestand. Auf die Gründe der Ablehnung des klägerischen Beweisantrages zu 2), wie sie aus der Anlage 2 zur Niederschrift (Bl. 157 GA) hervorgehen, wird an dieser Stelle ergänzend Bezug genommen.

Die Klägerin zu 1) vermittelt für die erkennende Kammer den Eindruck einer seit Jahren unter familiären Problemen leidenden Ehefrau, die im Zuge von Konflikten zwischen ihr und ihrem Ehemann in der Vergangenheit unter dessen tätlichen Übergriffen und seit November 2012 unter den Folgen der Trennung zu leiden hat. Hierfür spricht jedenfalls der in der Ausländerakte des Klägers im Verfahren 2 A 213/11 befindliche Strafbefehl des Amtsgerichts K. vom 19. November 2003 - 86 JS 30327/03 -, mit dem der Ehemann der Klägerin zu 1) zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu 15 € wegen einer ihr gegenüber begangenen Körperverletzung verurteilt wurde. Offenbar ist es in den Jahren 2012 und 2013 zu ähnlichen Übergriffen gekommen, die ursächlich für die aktuelle Trennung der Eheleute sind. Bei dieser Sachlage ist für die Kammer nachvollziehbar, dass die Klägerin zu 1) in der mündlichen Verhandlung von zahlreichen Problemen berichtete, die sie derzeit sehr belasten und um deren Lösung sie ringt. Eine solche Lösung kann nach Auffassung der Kammer jedoch nicht allein in der Zuerkennung eines Aufenthaltsrechts für die Bundesrepublik Deutschland liegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylVfG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.