Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 09.07.1996, Az.: 12 UF 50/96

Anrechnung überobligatorisch erzielter Einkünfte

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
09.07.1996
Aktenzeichen
12 UF 50/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 21426
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1996:0709.12UF50.96.0A

Fundstelle

  • FamRZ 1997, 885-886 (Volltext mit red. LS)

Amtlicher Leitsatz

Zur Anrechnung überobligatorisch erzielter Einkünfte.

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf nachehelichen Unterhalt in Anspruch.

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Die 1967 geborene Klägerin und der 1968 geborene Beklagte schlossen im Dezember 1991 die Ehe miteinander, aus der die Tochter M (geb. ....1991) hervorgegangen ist. Die Ehe ist seit dem 22.8.1995 rechtskräftig geschieden. Die elterliche Sorge für M wurde der Mutter übertragen. Der Beklagte zahlt für das Kind monatlichen Unterhalt in Höhe von 300 DM.

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Die Klägerin hat ausgeführt: Der Beklagte habe ein monatsdurchschnittliches Nettoeinkommen in Höhe von gut 2.500 DM, sie selbst aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit von 1.090 DM. ...

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Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie ab dem 22.8.1995 bis einschließlich Dezember 1995 nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 782 DM zu zahlen abzüglich monatlich gezahlter 484 DM, und für die Zeit ab Januar 1996 in Höhe von monatlich 857,06 DM.

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Der Beklagte hat den Klageanspruch für die Zeit ab Januar 1996 in Höhe von monatlich 484 DM anerkannt und im Übrigen beantragt, die Klage abzuweisen.

6

Er hat ausgeführt: Sein Einkommen habe sich auf knapp 2.400 DM netto monatlich verringert. Die Klägerin sei während der Ehe nicht berufstätig gewesen; sie habe erst nach der Trennung Arbeitslosengeld beantragt.

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Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit er für die Monate November und Dezember 1995 zur Zahlung eines höheren Geschiedenenunterhalts als je 550 DM so- wie ab Januar 1996 als monatlich 500 DM, abzüglich laufend monatlich gezahlter 484 DM verurteilt worden ist.

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Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg.

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Der Klägerin steht gemäß § 1570 BGB nachehelicher Unterhalt nur in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe zu.

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Ihr eheangemesser Unterhaltsbedarf (§ 1578 BGB) bemisst sich allein nach dem Einkommen des Beklagten. Abgesehen davon, dass weder nach- vollziehbar dargelegt noch durch die Aussage der Mutter der Klägerin in erster Instanz bewiesen ist, dass eigenes Einkommen der Klägerin die ehelichen Lebensverhältnisse bereits mitgeprägt hat, kommt es darauf für die Bemessung ihres Unterhaltsanspruchs nicht an. Denn bei der Anrechnung der überobligatorischen Einkünfte gemäß § 1577 Abs.2 BGB ist die Differenzmethode schon begrifflich nicht anwendbar.

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Der Senat schätzt das Einkommen des Beklagten auf der Grundlage der Jahressummen der Verdienstabrechnung für den Monat Dezember 1995 auf monatsdurchschnittlich netto und um die Berufspauschale bereinigt 2.385 DM. Davon ist lediglich der Kindestabellenunterhalt in Höhe von 310 DM bis Dezember 1995 und 349 DM ab Januar 1996 abzuziehen. Die Prozesskostenhilfe-Rate ist nach der ständigen Senatsrechtsprechung nicht abzugsfähig. Dann errechnet sich ein 3/7-Anspruch in Höhe von 890 DM bis Dezember 1995 einschließlich und von 870 DM ab Januar 1996.

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Darauf muss die Klägerin sich jedoch bis Dezember 1995 monatlich 325 DM und ab Januar 1996 315 DM anrechnen lassen.

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§ 1577 Abs.2 BGB bestimmt, dass überobligatorische Einkünfte des Unterhaltsberechtigten nicht anzurechnen sind, soweit der Ver- pflichtete nicht den vollen Unterhalt (§ 1578) leistet. Einkünfte, die den vollen Unterhalt übersteigen, sind insoweit anzurechnen, als dies unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse der Billigkeit entspricht. Mit "voller Unterhalt" ist auch in § 1577 Abs. 2 Satz 2 BGB der eheangemessene Unterhalt im Sinne des § 1578 BGB gemeint. Der Senat folgt nicht der den Unterhaltsrichtlinien der Senate des Oberlandesgerichts Oldenburg zu Grunde liegenden Auffassung, dass bei Anwendung des § 1577 Abs. 2 BGB von vornherein derjenige Betrag der überobligatorischen Einkünfte nicht anzurechnen sei, um den die Unterhaltsleistung des Verpflichteten hinter 1.500 DM - bis Dezember 1995 - bzw. 1.700 DM - ab Januar 1996 - zurückbleibt. Grundsätzlich ist nach Ansicht des Senats in allen Fällen von dem eheangemessenen Unterhalt im Sinne des § 1578 BGB auszugehen und nicht gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von einem gegriffenen nicht an den jeweiligen Verhältnissen orientierten "objektiven" Bedarfs- betrag. Der Senat ermittelt den "vollen Unterhalt" im Sinne des § 1577 Abs.2 Satz 1 BGB ebenso wie den eheangemessenen Bedarf der Frau im Mangelfall mit einer 3/7-Quote des anrechenbaren Einkommens des Verpflichteten ohne Vorabzug von Kindesunterhalt. Ohne Berücksichtigung des überobligatorischen Einkommens der Klägerin errechnet sich folglich ein eheangemessener Unterhaltsbedarf in Höhe von 3/7 des noch nicht um den Kindesunterhalt verringerten Einkommens des Beklagten, das sind gerundet 1.020 DM.

15

Das monatsdurchschnittliche Nettoeinkommen der Klägerin schätzt der Senat anhand der vorliegenden Verdienstabrechnung für April 1996 einschließlich des Weihnachtsgeldes (dass die Klägerin Weihnachtsgeld, allerdings nicht in voller Höhe des Grundgehalts, be- kommt, ergibt sich aus der Dezemberabrechnung 1994) auf rund 1170 DM netto; die Berechnungsgrundlage hat sich gegenüber 1995 nur un- wesentlich erhöht. Urlaubsgeld erhält sie ausweislich der Verdienstabrechnungen für Juni 94 bis Mai 1995 nicht. Nach Abzug der Berufspauschale, des Kinderbetreuungsaufwandes in Höhe von 200 DM - die Berücksichtigung eines teilweise fiktiven höheren Betreuungsaufwandes kommt nicht in Betracht - und des Erwerbstätigenbonus beläuft sich das nach den Vorschriften des § 1577 Abs.2 BGB anrechenbare Einkommen auf 780 DM.

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Die von vornherein anrechnungsfreie Differenz zwischen dem auf die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten abgestellten 3/7-Anspruch nach Vorabzug des Tabellenkindesunterhalts, der - wie oben ausgeführt - 890 DM bis Dezember 1995 bzw. 870 DM ab Januar 1996 beträgt, und dem mit 1.020 DM ermittelten vollen Unterhalt ins. des § 1577 Abs.2 BGB beläuft sich somit auf 130 DM bis Dezember 1995 und 150 DM ab Januar 1996. Der Senat sieht es als billig an, den dann noch verbleibenden Betrag des überobligatorischen Einkommens der Klägerin, nämlich 650 DM bis Dezember 1995 und 630 DM ab Januar 1996, ungefähr zur Hälfte auf den entsprechend seiner Leistungsfähigkeit vom Beklagten zu erfüllenden Unterhaltsanspruch anzurechnen. Der Klägerin steht danach bis Dezember 1995 ein- schließlich rund 570 DM und ab Januar 1996 - nach der Mangelfallberechnung, da der oberhalb des großen Selbstbehalts zur Verfügung stehende Betrag nicht voll zur Befriedigung beider Unterhaltsgläubiger ausreicht - rund 540 DM Unterhalt zu.

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