Landgericht Braunschweig
Beschl. v. 19.06.2013, Az.: 5 O 552/12

Schadensersatzansprüche aus Informationsdeliktshaftung wegen Veröffentlichung einer unrichtigen und fehlerhaften Presseerklärung und Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
19.06.2013
Aktenzeichen
5 O 552/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 53159
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGBRAUN:2013:0619.5O552.12.0A

Fundstellen

  • WuW 2015, 1252-1258
  • WuW 2014, 1252-1258

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Eine Rechtstreitigkeit betrifft die Anwendung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne des § 87 S. 1 GWB, wenn die klagende Partei ihren Anspruch aus dem Kartellrecht in vertretbarer und ernsthafter Weise geltend macht. Dazu ist nicht erforderlich, dass der kartellrechtliche Anspruch auch schlüssig vorgetragen ist.

  2. 2.

    Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses beschränkt sich auf die vom verweisenden Gericht für das zweite Gericht geprüfte Art der Zuständigkeit.

  3. 3.

    Die Vorschriften der §§ 87, 89, 95 GWB verdrängen nicht die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit.

In dem Rechtsstreit
1. ...,
2. ...,
3. ...,
4. ...,
5. ...
6.....,
7....,
Klägerinnen
Prozessbevollmächtigter zu 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7: Rechtsanw. ..., gegen
...,
Beklagte
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanw. ...
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht... , den Richter am Landgericht... und den Richter am Landgericht...
beschlossen:

Tenor:

Das Landgericht Braunschweig erklärt sich für sachlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit auf den Hilfsantrag der Klägerinnen an die Kartellkammer des für Kartellsachen zuständigen Landgerichts Hannover.

Gründe

I.

Die Klägerinnen verfolgen gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus Informationsdeliktshaftung wegen Veröffentlichung einer - nach der Behauptung der Klägerinnen - unrichtigen und fehlerhaften Presseerklärung (§ 826 BGB), wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (§§ 33 Abs. 3, 19 GWB) sowie wegen Verstoßes gegen das Kartellverbot (§§ 33 Abs. 3, 1 GWB) im Zusammenhang mit dem Versuch der Beklagten, im Jahr 2008 die ...(...) zu übernehmen.

Die Beklagte ist eine im Jahre 2007 entstandene Holding, die Unternehmensbeteiligungen hält. Zu ihren "Töchtern" gehört die ... AG, die den bekannten Sportwagen des Typs "..." produziert. Wegen der Einzelheiten wird auf S. 4 f des Schriftsatzes vom 15.03.2013 (Bl. 430 f. d.A.) verwiesen.

Die Beklagte erwarb zwischen 2005 und März 2008 Stammaktien der ... AG bis zu einer Höhe von etwa 31 %. Bis zum 24.10.2008 erhöhte sie ihren Bestand bis auf 42,6 %. Daneben erwarb die Beklagte in erheblichem Umfang auf Barausgleich gerichtete Kauf-Optionen (sog. Call-Optionen) auf die ...-Stammaktie von der ... Bank. Diese sicherte sich ihrerseits gegen Verluste aus diesen Geschäften ab, indem sie entweder selbst ...-Stammaktien erwarb und/oder Sicherungsgeschäfte einging.

Am 24.10.2008 verfügte die Beklagte neben ihrem Bestand an ...-Stammaktien über Call-Optionen im Umfang weiterer 31,5 %. Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags zu der Optionsstrategie der Beklagten und der Zusammenarbeit der Beklagten mit der ... Bank wird insbesondere auf S. 35 - 52 der Klageschrift vom 29.12.2011 (Bl. 35 - 52 d.A.) und S. 34 - 46 der Klageerwiderung vom 30.05.2012 (Bl. 194 - 206 d.A.) verwiesen.

Neben der Beklagten verfügt auch das Land Niedersachsen in erheblichem Umfang über Aktien der ... AG. Seit der Privatisierung der ... AG hält das Land Niedersachsen 20,1 % der Stammaktien. Wichtige unternehmerische Entscheidungen konnten nicht ohne das Land Niedersachsen getroffen werden. Das sog. ...-Gesetz in der im Oktober 2008 geltenden Fassung sah vor, dass dort, wo das Aktiengesetz eine Mehrheit von 75 % voraussetzt, eine Mehrheit von 80 % erforderlich ist (§ 4 Abs. 3).

Die Klägerinnen sind internationale Investmentfonds. Sie gingen im Jahr 2008 - nach ihrer Darstellung - davon aus, dass die ...-Stammaktie überbewertet sei. Sie spekulierten deshalb - ebenfalls nach ihrer Darstellung - auf sinkende Kurse und gingen zu diesem Zweck in erheblichem Umfang Leerverkaufs- und entsprechende Derivatpositionen ein. Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Klägerinnen zu ihren Transaktionen wird auf den Inhalt der Anlagen K 42 - K 48 und K 80 - K 86 verwiesen.

Mit einer Presseinformation vom 26.10.2008 wandte sich die Beklagte sodann an die Öffentlichkeit. In der Presseinformation heißt es wörtlich:

"...anteil auf 42,6 % aufgestockt.

... strebt Beherrschungsvertrag an.

Stuttgart. Aufgrund der dramatischen Verwerfungen auf den Finanzmärkten hat sich die ... Automobil-Holding SE Stuttgart, am Wochenende entschlossen, ihre Aktien und Kurssicherungsoptionen im Zusammenhang mit der Übernahme der ... AG, Wolfsburg, offen zu legen. Demnach hält die ... SE am Ende der vergangenen Woche 42,6 % der ...-Stammaktien sowie zusätzlich 31,5% cash gesettelte Optionen auf ...-Stammaktien zur Kurssicherung, was in der Summe einen Betrag von 74,1 % ergibt. Bei Auflösung dieser cash gesettelten Optionen erhält ... die Differenz zwischen dem dann aktuellen ...-Kurs und dem darunter liegenden Absicherungskurs (dem sogenannten "Strike") ausbezahlt. Die ...-Papiere werden zum jeweils aktuellen Kurs gekauft.

Zielsetzung ist, sofern die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen, im Jahr 2009 auf 75 % aufzustocken und damit den Weg für einen Beherrschungsvertrag frei zu machen. An dem Fahrplan, noch im November-Dezember 2008 die 50-Prozent-Hürde bei ...zu nehmen, wird unverändert festgehalten.

... hat sich zu dieser Bekanntgabe entschlossen, nachdem offenkundig geworden ist, dass deutlich mehr Shortpositionen im Markt sind als erwartet. Die Offenlegung soll deshalb den sogenannten Shortsellern - also Finanzinstituten, die auf einen fallenden ...-Kurs gewettet haben oder noch wetten- Gelegenheit geben, ihre Positionen in Ruhe und ohne größeres Risiko aufzulösen.

Hinzu kommt, dass nach Presseberichten vom Wochenende die EU-Kommission schon in überschaubarer Zukunft die von der Bundesregierung geplante Neuauflage des ...-Gesetzes als europarechtswidrig einstufen wird. Es ist zu erwarten, dass in der Folge eine erneute Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht wird.

Auch die Tatsache, dass sich die ...eigentümerfamilien ... und ... geschlossen und uneingeschränkt hinter das Vorgehen der ...-SE-Vorstände Dr. ... und ... stellen, bestärkte den jetzt erfolgten Schritt zu Offenlegung. Wie berichtet, haben sich vergangene Woche die Familien eindeutig für eine Beherrschung des ...-Konzerns durch ... ausgesprochen."

Am Tag nach dieser Meldung, einem Montag, stieg der Kurs der ...-Stammaktie massiv an. Am 28.10.2008, dem nachfolgenden Dienstag, durchbrach der Kurs sogar die Marke von 1.000,00 €. Am 29.10.2008 kündigte die Beklagte sodann an, bis zu 5 % ihrer "Kurssicherungsgeschäfte" auflösen zu wollen, was sie in der Folgezeit, allerdings nur in wesentlich geringerem Umfang, auch tat. Dabei erzielte sie erhebliche Gewinne, deren Höhe zwischen den Parteien streitig ist.

Die Klägerinnen sind der Auffassung, die Presseerklärung vom 26.10.2008 sei grob unrichtig, jedenfalls irreführend und manipulativ gewesen. Tatsächlich sei der Beklagten im Oktober 2008 bewusst gewesen, dass eine Übernahme der ... AG aus wirtschaftlichen und rechtlichen Gründen nicht mehr realisierbar gewesen wäre. Da die Klägerinnen aufgrund der Pressemitteilung zu Deckungskäufen mit erheblichen Verlusten gezwungen gewesen seien, liege eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung vor, die den Tatbestand des § 826 BGB erfülle.

Die Klägerinnen sind darüber hinaus der Auffassung, die Beklagte habe eine marktbeherrschende Stellung im Sinne des § 19 GWB innegehabt und diese im Sinne des § 33 Abs. 3 GWB missbraucht. Die Beklagte habe aufgrund ihres Aktienanteils von 42,6 % und ihrer Call-Optionen über weitere 31,5 % einen faktischen Anteil am Markt der ...-Stammaktien von 74,1 % gehabt. Dies begründe unter den gegebenen Umständen (Freefloat der Aktie angesichts der Beteiligungen des Landes Niedersachsens sowie der ... GmbH Salzburg unter 5 %) eine marktbeherrschende Stellung.

Diese marktbeherrschende Stellung habe die Beklagte auch missbräuchlich ausgenutzt. Sie habe ihre Marktmacht wissentlich eingesetzt, um durch die Veröffentlichung der Presseerklärung vom 26.10.2008 einen sog. Short-Squeeze und hiermit verbunden einen immensen Kursanstieg auszulösen. Dies habe dazu geführt, dass die Klägerinnen - aufgrund ihrer Leerverkaufspositionen zum Kauf von ...-Stammaktien gezwungen - unangemessen hohe Preise hätten bezahlen müssen.

Die Klägerinnen sind weiter der Auffassung, die Beklagte habe mit der ... Bank und mit hinter der ... Bank agierenden Großbanken ein Kartell initiiert, das originär die Fälschung des Wettbewerbs auf dem Markt für ...-Stammaktien bezweckt habe.

In diesem Zusammenhang behaupten sie, die Beklagte habe ihre Kooperationspartner Bestimmungen unterworfen, die deren wirtschaftliche Handlungsfähigkeit auf dem Markt für ...-Stammaktien beschränkt hätten. Die Optionsverträge zwischen der Beklagten und der ... Bank hätten es letzterer verboten, ...-Stammaktien beim Überschreiten bestimmter Kurse anzukaufen. Gleichzeitig sei es der ... Bank überhaupt verboten gewesen, allein 5 % oder mehr der emittierten ...-Stammaktien zu erwerben. Sie sei sowohl für sich als auch für die hinter ihr stehenden Großbanken verpflichtet gewesen, sicherzustellen, dass "für sie gruppenweit keine Mitteilungspflichten gemäß Wertpapierhandelsgesetz [...] entstehen". Es handele sich bei diesen Absprachen um sogenannte kartellrechtliche "hardcore restrictions", d.h. solchen, die sich unmittelbar auf Preis- und Erwerbsquoten beziehen. Die ... Bank sei in diesem Zusammenhang auch von der Beklagten beauftragt worden, eine Verhaltenskoordinierung zwischen den Kartellmitgliedern zu bewirken und diese Koordination zu steuern.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass keine kartellrechtlichen Schadensersatzansprüche begründet seien. Das Kartellrecht greife bereits nach seiner Zielrichtung und Systematik von vornherein nicht ein. Im Kartellrecht gehe es darum, den Wettbewerb als Institution und nicht einzelne Wettbewerber - etwa Kapitalmarktteilnehmer gegenüber anderen Marktteilnehmern - zu schützen.

Es fehle zudem sowohl an einer marktbeherrschenden Stellung als auch an einem Missbrauch derselben durch die Beklagte.

Zum einen gebe es keinen separaten Markt für ...-Stammaktien. Zum anderen habe die Beklagte - das Vorliegen eines separaten Marktes für... Stammaktien unterstellt - keine beherrschende Stellung innegehabt. Die Beklagte habe - insoweit unstreitig - lediglich 42,6 % der ...-Stammaktien gehalten. Die übrigen 57,4 % der Stammaktien hätten weder der Beklagten gehört noch seien diese von ihr kontrolliert worden. Ob und in welcher Weise die ...-Bank sich im Hinblick auf die auf Barausgleich gerichteten Optionen abgesichert, insbesondere physische Aktien erworben, habe, habe alleine in deren Verantwortung und Entscheidung gelegen.

Die Beklagte habe auch eine - unterstellte - marktbeherrschende Stellung nicht missbraucht. Sie sei Ende Oktober 2008 überhaupt nicht am Markt aktiv gewesen, sondern habe sich im Nachgang zu den Ende Oktober 2008 aufgetretenen Kursturbulenzen auf die Auflösung auf Barausgleich gerichteter Optionen beschränkt. Der alleinige Vertragspartner sei hier die ... Bank gewesen.

Unabhängig davon beruhe die Sondersituation, in der sich die Klägerinnen aufgrund der von ihnen behaupteten Leerverkaufspositionen befunden hätten, nicht auf einer vermeintlichen marktbeherrschenden Stellung der Beklagten, sondern allein auf selbst eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen.

Schließlich bestreitet die Beklagte die Behauptung, sie habe der ... Bank irgendwelche Verpflichtungen im Hinblick auf Geschäfte auferlegt, welche diese außerhalb der Aufträge der Beklagten getätigt habe. Die ... Bank habe vielmehr frei am Markt agieren können. Insbesondere habe es allein in der Verantwortung und Entscheidung der ... Bank gelegen, ob und in welcher Weise sie sich im Hinblick auf die auf Barausgleich gerichteten Optionen abgesichert habe.

Die Klägerinnen haben zunächst Klage vor dem Landgericht Stuttgart als allgemeiner Gerichtsstand der Beklagten nach § 17 ZPO erhoben. Mit Beschluss vom 29.12.2012, auf den wegen der näheren Einzelheiten verwiesen wird (Bd. I d.A. Bl. 147-150), hat sich das Landgericht Stuttgart für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Braunschweig verwiesen, weil dessen ausschließliche örtliche Zuständigkeit nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO begründet sei.

Die Klägerinnen haben vor dem Landgericht Braunschweig Verweisung an das Landgericht Frankfurt am Main als Kartellgericht, hilfsweise an das Landgericht Hannover als Kartellgericht und äußerst hilfsweise an das nach Ansicht der Kammer zuständige Kartellgericht beantragt.

Die Beklagte ist einer Verweisung an ein Kartellgericht entgegengetreten. Bei Anwendung eines objektiven Prüfungsmaßstabs im Rahmen des § 87 GWB fehle es an allen tatbestandlichen Voraussetzungen des Kartellverbots und des Missbrauchsverbots.

II.

Die Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig ist für die Entscheidung des Rechtsstreits unzuständig, weil die ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Hannover nach § 87 Satz 1, § 95, § 89 Abs. 1 GWB i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Nds. ZustVO-Justiz gegeben ist. Unabhängig von der dogmatischen Einordnung der Zuständigkeit des Kartellgerichts (hierzu K. Schmidt in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht , 4. Aufl. § 89 GWB Rn. 4), unterliegt im Ergebnis die besondere Zuständigkeit des Kartell-Landgerichts, den für die sachliche Zuständigkeit geltenden Regelungen, so dass insbesondere die Vorschrift des § 281 ZPO (ggf. entsprechend) anwendbar ist (K. Schmidt, a.a.O.; Dicks in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, § 89 GWB Rn. 7).

Der Rechtsstreit betrifft die Anwendung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (dazu unter 1.). Die Verweisung ist nicht durch die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts Stuttgart vom 29.02.2012 ausgeschlossen (dazu unter 2.). Zuständig ist das Landgericht Hannover, nicht aber die Landgerichte Frankfurt am Main oder Stuttgart (dazu unter 3.). Im Einzelnen:

1. Nach § 87 Satz 1 GWB sind für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die (u.a.) die Anwendung dieses Gesetzes betreffen, die Landgerichte ausschließlich zuständig. Das Land Niedersachsen hat von der Ermächtigung in § 89 Abs. 1 GWB Gebrauch gemacht und in § 7 Abs. 1 Nr. 1 Nds. ZustVO-Justiz die Zuständigkeit für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die sich aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ergeben im Bereich des Landes Niedersachsen bei dem Landgericht Hannover konzentriert.

Für die Frage, ob eine Rechtstreitigkeit die Anwendung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen betrifft, kommt es darauf an, ob der Kläger seinen Anspruch in zumindest vertretbarer Weise, wenn auch möglicherweise objektiv falsch, auch auf Kartellrecht stützt, wobei es keine Rolle spielt, wenn der Anspruch daneben auch aus anderen zivilrechtlichen Gründen abgeleitet wird (Bechtold in Bechtold/Oting, Kartellgesetz, 6. Aufl. § 87 Rn. 6). Es ist hingegen nicht erforderlich, dass der Kläger kartellrechtliche Ansprüche auch schlüssig vorgetragen hat (Bechtold, a.a.O.; Langen/Bunte/Bornkamm, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 11. Aufl., § 87 GWB Rn. 19; ähnlich OLG Koblenz, Beschl. v. 16.02.2011 - 1 U 740/10, zit. nach [...] Rn. 3, nach dem es nicht darauf ankommt, ob die vom Kläger vertretenen Rechtsauffassungen zutreffend sind). Würde man die Schlüssigkeit des Vortrags verlangen, so hinge letztlich die Zuständigkeit des Gerichts davon ab, ob der Anspruch kartellrechtlich begründet ist oder nicht (Bechtold, a.a.O.). Im Falle einer im Raum stehenden Verweisung von der Zivilkammer an ein Kartellgericht müsste das angerufene Gericht, dem gerade die Spezialkenntnisse im Kartellrecht fehlen, bei der Entscheidung über den Verweisungsantrag die Schlüssigkeit überprüfen. Eine solche Inzidentprüfung soll die in §§ 87, 89 GWB vorgesehene Zuständigkeitskonzentration gerade verhindern, weil diese Vorschriften sicherstellen sollen, dass über kartellrechtliche Fragen ausschließlich die hierfür berufenen Spezialgerichte entscheiden.

Andererseits kann es auch nicht ausreichen, dass sich eine Partei auf die Anwendbarkeit kartellrechtlicher Vorschriften beruft, weil es sonst die Partei in der Hand hätte, als Kläger durch den bloßen Hinweis auf eine kartellrechtliche Anspruchsgrundlage oder als Beklagter durch die Erhebung eines kartellrechtlichen Einwands eine Verweisung an das Kartellgericht zu erzwingen (OLG Celle 1. Kartellsenat, Beschl. v. 14.12.2010 - 13 AR 8/10 (Kart) Rn. 7 zit. nach [...]; Beschl. v. 01.10.2010 - 13 AR 5/10 (Kart) zit. nach [...] Rn. 14; Langen/Bunte/Bornkamm, a.a.O. § 87 GWB Rn. 26). Erforderlich, aber auch ausreichend ist danach, dass eine Partei einen Anspruch aus dem Kartellrecht ernsthaft geltend macht (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 14.12.2010, a.a.O. Rn. 8, v. 01.10.2010, a.a.O.). Nicht erforderlich ist nach dem eingangs Ausgeführten, dass ein aus dem Kartellrecht abgeleiteter Anspruch darüber hinaus auch schlüssig dargelegt ist. Nach diesen Maßstäben liegt eine kartellrechtliche Streitigkeit vor.

a) Die Klägerinnen haben sich nicht auf kartellrechtliche Ansprüche berufen, um eine Verweisung an ein Kartellgericht zu erzwingen, sondern machen ernsthaft solche Ansprüche geltend. Dies ergibt sich aus dem Verfahrensgang. Die Klägerinnen haben sich erstmals mit Schriftsatz vom 30.11.2012 auf kartellrechtliche Ansprüche berufen (S. 124 -134 des Schriftsatzes; Bd. III Bl. 404-414). Sie haben aber nicht zugleich auch Verweisung an das Kartellgericht beantragt, sondern sind erst durch den telefonischen Hinweis des Vorsitzenden vom 08.04.2013 (Bd. IV d.A. Bl. 647) - also kurze Zeit vor dem auf den 17.04.2013 anberaumten Verhandlungstermin - auf die Vorschriften der §§ 87, 89 GWB hingewiesen worden, verbunden mit der Anregung ggf. die kartellrechtlichen Ansprüche fallenzulassen. Erst auf diesen Hinweis haben die Klägerinnen mit Schriftsatz vom 15.04.2013 (Bd. V d.A. Bl. 650 ff) die Verweisung an das Kartellgericht beantragt, verbunden mit der Erklärung, die kartellrechtlichen Ansprüche nicht ohne rechtliche Risiken fallen lassen zu können. Es ist danach auszuschließen, dass die Klägerinnen subjektiv die kartellrechtlichen Ansprüche nicht ernsthaft geltend machen, um eine Verweisung an das Kartellgericht zu erzwingen. Dass die Klägerinnen ernsthaft kartellrechtliche Ansprüche verfolgen, ergibt sich auch daraus, dass sie die zunächst ebenfalls mit Schriftsatz vom 30.11.2012 geltend gemachten lauterbarkeitsrechtlich begründeten Ansprüche aufgrund des Vortrags der Beklagten (Einrede der Verjährung) mit Schriftsatz vom 05.06.2013 ausdrücklich fallengelassen haben.

b) Auch objektiv betrachtet machen die Klägerinnen auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten ernsthaft kartellrechtliche Ansprüche geltend. Die aufgeworfenen Fragen lassen sich nicht ohne weiteres und ohne kartellrechtliche Spezialkenntnisse beantworten. Es handelt sich auch nicht um kartellrechtliche Fragen, die durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt sind.

aa) Dies gilt zunächst für die Frage, ob die kartellrechtlichen Vorschriften eventuell durch die kapitalmarktrechtlichen Vorschriften, insbesondere § 20a WpHG, gesperrt sind. Die Beklagte beruft sich darauf, dies sei schon deswegen offensichtlich, weil es keinerlei gerichtliche Entscheidungspraxis gebe, in der eine (behauptete) Marktmanipulation als Kartellrechtsverstoß angesehen werde.

Es handelt sich hierbei aber um eine noch ungeklärte Frage, die bislang in Rechtsprechung und Literatur nicht erörtert worden ist. Über den von der Beklagten erörterten Fall der Libor-Manipulation hinaus harrt der Überschneidungsbereich von Kapitalmarkt- und Kartellrecht einer grundlegenden Aufarbeitung, wobei zu den ungeklärten Fällen beispielsweise die Kursstabilisierungsmaßnahmen und Kopplungsgeschäfte bei Neuemissionen, die Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung über das Angebot und die Nachfrage nach Finanzinstrumenten ("Cornering") sowie das Zusammenwirken bei Übernahmeangeboten ("Joint Bidding") gehören (Fleischer/Bueren, DB 2012, 2561, 2568). Die vorliegende Fallgestaltung - behauptete Steuerung des Marktpreises durch Zusammenwirken der Beklagten und der Maple Bank - ist den genannten Beispielen der ungeklärten Fällen im Überschneidungsbereich von Kapitalmarkt- und Kartellrecht vergleichbar. Auch die Beklagte vermag keinerlei Rechtsprechung und/oder Literatur aufzuzeigen, wonach die Vorschriften des Kapitalmarktrechts, insbesondere die Vorschrift des § 20a WpHG, die Anwendung der kartellrechtlichen Vorschriften sperren würden, sondern diese Frage wird - soweit ersichtlich - weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur behandelt. Soweit die von den Beklagten zitierte Vorschrift des § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV, nach der die Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung über das Angebot von oder die Nachfrage nach Finanzinstrumenten durch eine Person oder mehrere in Absprache handelnde Personen mit der Folge, dass unmittelbar oder mittelbar Ankaufs- oder Verkaufspreise dieser Finanzprodukte bestimmt oder nicht marktgerechte Handelsbedingungen geschaffen werden, eine sonstige Täuschungshandlung im Sinne des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG darstellt, nicht im wettbewerbsrechtlichen Sinne zu verstehen sein soll (Assmann/Schneider/Vogel, WpHG, 6. Aufl., § 20a Rn. 232), ist damit noch keine Aussage darüber getroffen, dass das Kartellrecht insgesamt durch die Regelungen des Kapitalmarktrechts ausgeschlossen wird.

Die damit angesprochene, von den Vorschriften des Kartellrechts losgelöste autonome Auslegung des Begriffs der marktbeherrschenden Stellung kann ihre Grundlage auch darin haben, dass die Verordnung zur Konkretisierung der Marktmanipulation (MaKon vom 01.03.2005, BGBl. I 2005, 515) auf der Ermächtigung in § 20a Abs. 5 Satz 1 WpHG beruht und es danach zweifelhaft ist, ob die Behandlung eines kartellrechtlichen Problems überhaupt von der Verordnungsermächtigung gedeckt wäre (Assmann/Schneider/Vogel, a.a.O., § 20a Rn. 231). Darüber hinaus wird in der Literatur auch bezweifelt, ob das so genannte Cornering i.S.d. § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV als Form der Marktmanipulation überhaupt richtig eingeordnet ist und ob der Unrechtskern nicht vielmehr in dem monopolbedingten Außerkraftsetzen der Marktmechanismen liege (Fleischer, ZGR 2008, 185, 222; Fuchs/Fleischer, WpHG, 2009, § 20a Rn. 65; vgl. ferner Knauth/Käsler, WM 2006, 1041, 1051).

Die von den Parteien aufgeworfene Frage, ob aus dem Vergleich mit US-amerikanischer Rechtsprechung zum Verhältnis zwischen kapitalmarktrechtlichen und kartellrechtlichen Rechtsvorschriften ein - ggf. stillschweigender - Ausschluss des Kartellrechts folgt, zeigt für sich genommen bereits, dass diese Frage für das deutsche und europäische Recht gerade noch nicht geklärt ist. Es liegt auf der Hand, dass durch außereuropäische Rechtsprechung die Frage nach dem Verhältnis zweier Regelungskomplexe für das inländische und europäische Recht nicht geklärt sein kann. Ob die Abstimmung karteil- und kapitalmarktrechtlicher Wertungen in Deutschland und Europa ähnlich oder abweichend ausfällt und ob die Begründung des Supreme Court für den Vorrang kapitalmarktrechtlicher Regelungen, Kartellgerichte könnten womöglich Entscheidungen treffen, welche dem reibungslosen Funktionieren der Kapitalmärkte zuwiderliefen (Credit Suisse Securities v. Billing, 127 S. Ct. 2383, 2392 (2007)), auf das deutsche und europäische Recht übertragbar ist, ist noch zu entscheiden (Fleischer, ZGR 2008, 185, 223, der die Frage aber nur anspricht, ohne eine eigene Auffassung zu äußern).

Soweit die Beklagte geltend macht, auch im europäischen Recht gäbe es zahlreiche ungeschriebene Ausnahmen, in denen eine Wettbewerbsbeschränkung im Ergebnis unstreitig als kartellrechtlich zulässig angesehen werde, mag dies zutreffend sein. Dies beantwortet aber noch nicht die entscheidende und, wie ausgeführt, noch ungeklärte Frage, ob dies auch für die vorliegende Fallgestaltung gilt.

bb) Auch die Frage, ob es einen relevanten Markt für die VW-Aktie gibt, ist nicht ohne weiteres und ohne Spezialkenntnisse zu verneinen.

Mit dem schlichten und für sich genommen sicher zutreffenden Hinweis der Beklagten, aus Sicht der Marktgegenseite - also der Finanzinvestoren - sei die...-Aktie durch andere Anlageprodukten austauschbar, lässt sich die Frage, ob es einen Markt für die ...-Stammaktien im Sinne des Kartellrechts gibt, nicht bereits abschließend und eindeutig beantworten. Denn es ist weiter zu berücksichtigen, dass die Klägerinnen nach ihrem Vortrag aufgrund der Leerverkäufe gezwungen waren, sich "um jeden Preis" mit ...-Stammaktien einzudecken. Auch wenn die Beklagte gegen diese Argumentation wiederum einwendet, es könne nicht jedes Wirtschaftsgut, das Gegenstand einer vertraglichen Abrede werde, einen separaten Markt bilden, so bleibt hierbei aber der weitere Vortrag der Klägerinnen unberücksichtigt, dass die Beklagte auf die Leerverkäufer zur Durchführung ihrer Strategie angewiesen gewesen sei, weil die hinter der ... Bank agierenden Banken Probleme gehabt hätten, genügend Aktien zum Hedging einzusammeln, je größer die synthetische Position der Beklagten geworden sei und die Leerverkäufer in dieser Situation den Freefloat erhöht hätten, indem sie sich Aktien von den nicht zu einem Verkauf an die Banken bereiten institutionellen Anlegern geliehen hätten (S. 29 f des Schriftsatzes vom 30.11.2012, Bd. III d.A. Bl. 309 f). Die Beklagte habe daher Leerverkäufer in den Markt gelockt und diese dazu missbraucht, ...-Stammaktien von den langfristigen Investoren zu leihen und in den Markt zu verkaufen, wo sie von den Stillhaltern der von der Beklagten geschlossenen Call-Optionen hätten eingesammelt werden können (S. 31 des Schriftsatzes vom 30.11.2012, Bd. III d.A. Bl. 311). Es verkürzt danach den Vortrag der Klägerinnen erheblich, wenn die Beklagte geltend macht, für die Klägerinnen hätten genügend andere Anlagemöglichkeiten bestanden und sie hätten sich selbst durch die Eingehung der Leerverkaufsverpflichtungen in die Situation der Marktverknappung begeben.

Auch soweit in der Literatur konkret zu dem hier vorliegenden Fall (allerdings unter dem Blickwinkel der Vorschriften § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV, § 20a WpHG) die Auffassung vertreten wird, es könne nicht ausreichend sein, dass für die Marktgegenseite keine zumutbare Ausweichmöglichkeit besteht, weil es nach diesem Maßstab vom Zufall abhängen könne, ob jemand marktbeherrschend sei oder nicht (Assmann/Schneider/Vogel, a.a.O., § 20a Rn. 232 mit Fußn. 8; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 2. Aufl. Rn. 504a), wird hierbei auch nicht der Vortrag der Klägerinnen zum behaupteten "Missbrauch" der Leerverkäufer durch die Beklagten berücksichtigt (vgl. auch Schröder, a.a.O., der auf die spezifischen Probleme hinweist, die nicht vollständig gewürdigt werden könnten; vgl. ferner Assmann/Schneider/Vogel, a.a.O, § 20a Rn. 232a zu einem Aufkauf des verbliebenen Freefloats auf einem Markt, auf dem Leerverkäufe epidemisch sind; in diese Richtung geht der Vortrag der Klägerinnen).

Danach ist die Frage, ob die ...-Stammaktie einen Markt im kartellrechtlichen Sinn bildet, jedenfalls nicht eindeutig zu verneinen. Ob nicht doch zumindest unter diesen behaupteten ganz besonderen Umständen die ...-Stammaktie einen gesonderten Markt bilden kann, muss vielmehr der Beurteilung durch die insoweit sachkundige Spezialkammer vorbehalten bleiben.

cc) Auch das Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung kann nicht ohne weiteres verneint werden. Auch wenn die Beklagte unstreitig am 26.10.2008 lediglich 42,6 % der ...-Stammaktien gehalten hat, so ist es gerade streitig, ob sich ihre weitere Position auf das Halten von auf Barausgleich gerichteten Optionen beschränkt hat, wie es die Beklagte behauptet. Die Klägerinnen behaupten hierzu, die Beklagte habe gemeinsam mit der ...-Bank und der Unterstützung durch weitere Großbanken auch weitere (ca.) 30 % kontrolliert, weil sich in diesem Umfang die Hedging Partner der Beklagten physisch eingedeckt hätten, was der Beklagten bekannt gewesen sei. Zusammen mit der Position des Landes Niedersachsen von 20 %, der der ... Salzburg Holding von 2,37 % und der von Index- und Benchmarktfonds gehaltenen ca. 1,5 % der ...-Stammaktien habe sich danach ein Freefloat von Lediglich ca. 5 % ergeben (S. 31 ff des Schriftsatzes vom 30.11.2012, Bd III d.A. Bl. 311 ff). Auf der Grundlage dieses Vortrags kann eine marktbeherrschende Stellung der Beklagten nicht eindeutig verneint werden.

An dieser Stelle nicht zu vertiefen ist die Frage, ob - wie es in der Literatur wiederum unter dem Blickwinkel von § 20a WpHG erörtert wird - wirklich damit argumentiert werden kann, es habe an einer Marktverknappung gefehlt, weil es sich um eine freie Entscheidung des Landes Niedersachsen gehandelt habe, seinen Anteil von 20 % nicht zu verkaufen (Schröder, a.a.O.; Assmann/Schneider/Vogel, a.a.O., § 20a Rn. 232 mit Fußn. 8) oder ob nicht jeder Marktteilnehmer davon ausgegangen ist, dass die Beteiligung des Landes Niedersachsen faktisch dem Markt entzogen war, weil ein Verkauf seitens des Landes aus politischen Gründen ausschied, ganz gleich wie sich der Aktienkurs entwickeln mochte.

dd) Auch der Missbrauch einer etwaigen marktbeherrschenden Stellung kommt ernsthaft in Betracht. Die Klägerinnen machen geltend, es liege ein Ausbeutungsmissbrauch nach Art. 102 Unterabs. 2 lit. a AEUV vor, also eine unmittelbare oder mittelbare Erzwingung von unangemessenen Einkaufs- oder Verkaufspreisen oder sonstigen Geschäftsbedingungen und beziehen sich hierzu auf ihren Vortrag, sie seien wie andere Leerverkäufer auch gezwungen gewesen, sich zu jedem Preis einzudecken. Die aufgerufenen Preise für ...-Stammaktien in Folge der Pressemitteilung hätten in keinem angemessenen Verhältnis zu ihrem wirtschaftlichen Wert gestanden. Die Beklagte macht hiergegen zwar geltend, schon nach dem eigenen Vortrag der Klägerinnen habe die Beklagte keine Marktbeherrschungsrendite erzielt; sie sei während der Kursverwerfungen Ende Oktober 2008 überhaupt nicht im Markt aktiv gewesen.

Bei einer rein formalen Betrachtungsweise des Vortrags der Klägerinnen mag es zwar zutreffend sein, dass die Beklagte nicht am Markt tätig gewesen ist. Sie hat aber nach den Behauptungen der Klägerinnen dadurch Erlöse in Höhe von 5.200.000.000,00 € erzielt, dass sie vom 29.10.2008 bis zum 30.11.2008 Call-Optionen aufgelöst hat. In dem erzielten Erlös spiegelte sich der nach der Behauptung der Klägerinnen überhöhte Marktpreis wider. Auch wenn die Klägerinnen die nach ihrer Behauptung zur Deckung ihrer Leerverkaufsoptionen erworbenen Aktien nicht von der Beklagten erworben haben, so haben sie diese zu einem angeblich überhöhten Preis von den Banken, u.a. der ... Bank erworben, welche die Aktien - so der Vortrag der Klägerinnen - im Wege des Hedging erworben hatten und die wiederum der Beklagten zum Barausgleich verpflichtet waren. Letztendlich soll damit die Beklagte von den angeblich überhöhten Preisen, welche die Klägerinnen angeblich gezahlt haben, profitiert haben. Die Marktverengung soll wiederum - wie die Klägerinnen behaupten (oben unter bb) - auf einem gemeinsamen Vorgehen von Beklagter und der ... Bank sowie weiterer Großbanken beruhen. Darüber hinaus soll der Verkauf der Optionen auch das Ziel der Beklagten bei der Presseerklärung am 26.10.2008 gewesen sein, wobei das behauptete Handeln zu Gunsten der Shortseller nur in - wie es die Klägerinnen ausdrücken - zynischer Weise vorgeschoben gewesen sei.

Die damit durch den Vortrag der Klägerinnen aufgeworfene Rechtsfrage geht dahin, ob ein Ausbeutungsmissbrauch auch dann vorliegen kann, wenn der Handelnde nicht direkt mit den von den überhöhten Marktpreisen betroffenen Marktteilnehmern kontrahiert, sondern einen mittelbaren Vorteil dadurch erzielt, dass die Marktteilnehmer einem Dritten einen überhöhten Preis zu zahlen haben und der Handelnde aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Dritten hiervon profitiert, weil ihm der wirtschaftliche Gegenwert für den überhöhten Preis zufließt. Kürzer ausgedrückt wird die Frage aufgeworfen, ob durch das Einschalten einer Mittelsperson ein Ausbeutungsmissbrauch ausgeschlossen ist. Diese Frage ist ohne kartellrechtliche Spezialkenntnisse nicht zu beantworten.

Die weiteren Einwände der Beklagten zu diesem Punkt betreffen wiederum die Frage, ob die ...-Stammaktie einen Markt im Sinne des Kartellrechts darstellt (hierzu unter bb). Schließlich haben die Klägerinnen auch dazu vorgetragen, wie hoch aus ihrer Sicht der marktgerechte Preis gewesen wäre, wie er sich bei einem unverfälschten Wettbewerb ergeben hätte (41,73 €, S. 96 der Klageschrift).

ee) Soweit die Beklagte geltend macht, es fehle an einer Kartellabsprache, weil sie der ... Bank keinerlei Verpflichtungen außerhalb der Aufträge der Beklagten auferlegt habe, handelt sich um ein Bestreiten des Vortrags der Klägerinnen, die vorgetragen haben, die ... Bank habe sich gegenüber der Beklagten verpflichtet, Stillhalterpositionen von nicht mehr als 4,99 % einzugehen und sichergestellt, dass keine der weiteren beteiligten Großbanken Positionen eingegangen sei, die über diese Grenze gelegen hätten. Hierzu wäre - die hier nicht zu prüfenden Schlüssigkeit des Vortrags der Klägerinnen in kartellrechtlicher Hinsicht unterstellt - eine Beweisaufnahme durchzuführen. Die Klägerinnen haben für ihren Vortrag Beweis angeboten (etwa S. 40 der Klageschrift).

2. Die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts Stuttgart beschränkt sich auf die Verneinung der örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Braunschweig nach § 32b ZPO, weil das Landgericht Stuttgart nur diese Zuständigkeitsnorm geprüft hat. Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses beschränkt sich auf die vom verweisenden Gericht für das zweite Gericht geprüfte Zuständigkeitsart (MüKo-ZPO/Prütting, 4. Aufl., § 281 Rn. 45; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 281 Rn. 16a). Hat das erste Gericht ausdrücklich nur die örtliche Zuständigkeit des zweiten Gerichts festgestellt, so kann wegen sachlicher Unzuständigkeit weiterverwiesen werden (MüKo-ZPO/Prütting, a.a.O.; Zöller/Greger, a.a.O.).

3. Der von den Klägerinnen primär beantragten Verweisung an das Landgericht Frankfurt am Main steht bereits die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts Stuttgart entgegen (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO). Ausnahmen von der Bindungswirkung sind nicht ersichtlich (zur fehlenden Bindungswirkung beispielhaft Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 281 Rn. 17, 17a). Der Beschluss ist unter Wahrung des rechtlichen Gehörs der Parteien ergangen. Auch bestehen keine Anhaltspunkte für Willkür. Das Landgericht Stuttgart hat in zumindest vertretbarer Weise die Voraussetzungen der ausschließlichen örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Braunschweig nach § 32b ZPO bejaht.

a) Die Bindungswirkung entfällt nicht wegen einer Änderung des Streitgegenstandes. Eine nach Verweisung folgende Klagänderung kann zwar eine Weiter- oder Rückverweisung rechtfertigen (Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 281 Rn. 19a), z.B. bei Geltendmachung eines Anspruchs aus abgetretenem statt aus eigenem Recht (hierzu BGH, Beschl. v. 17.05.1984 - I ARZ 254/89, hier zit. nach [...] Rn. 8 f). Eine Klageänderung liegt im Streitfall aber nicht vor, weil die Klägerinnen zur Begründung ihres Anspruchs nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen keinen neuen Sachvortrag gehalten haben, sondern lediglich in rechtlicher Hinsicht den unverändert vorgetragenen Sachverhalt auch unter dem Blickwinkel eines möglichen Kartellverstoßes betrachten.

b) Der Bindung steht nicht entgegen, dass das Landgericht Stuttgart mangels entsprechenden Vortrags der Klägerinnen keinen Anlass hatte, sich mit den Vorschriften der §§ 87, 89, 95 GWB zu befassen, sondern die Verneinung seiner Zuständigkeit allein auf die Vorschrift des § 32b ZPO gestützt hat. Hieraus ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerinnen nicht etwa, dass eine Bindungswirkung an den Verweisungsbeschluss hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit entfiele, weil die Vorschrift des § 32b ZPO durch die §§ 87, 89, 95 GWB verdrängt würde.

Es ist zwar zutreffend, dass die Regelungen der §§ 87, 89, 95 GWB allen anderen Zuständigkeitsnormen vorgehen, selbst wenn es sich um Normen ausschließlichen Charakters handelt (allg. Auffassung, vgl. etwa BGH, Urt. v. 12.03.1991 - KZR 26/89, BGHZ 114, 218, 224; Dicks in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, 2009, § 87 GWB Rn. 23; Wiedemann/Bumiller, Kartellrecht, 2. Aufl., § 59 Rn. 30; Bechtold in Bechtold/Otting/Bosch, Kartellrecht, 6. Aufl., § 87 Rn. 11; MüKo-Wettbewerbsrecht/Pfeiffer, § 95 GWB Rn. 1). Dies betrifft aber nur die sachliche Zuständigkeit der Kartellgerichte (vgl. die vorgenannten Nachweise). Keine Regelung trifft § 95 GWB dagegen für die örtliche Zuständigkeit, so dass vor den Kartell-Landgerichten etwa eine Prorogation im Rahmen der §§ 38-40 ZPO möglich ist (MüKo-Wettbewerbsrecht/Pfeiffer, § 95 GWB Rn. 6; MüKo-Wettbewerbsrecht/Keßler, § 87 GWB Rn. 22; Dicks, a.a.O., § 87 Rn. 25). Auch ist z.B. eine Klage an den Gerichtsständen des Erfüllungsorts (§ 29 ZPO) oder der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) möglich (Dicks, a.a.O.). Es kann hierbei offen bleiben, ob die Vorschriften über eine ausschließliche örtliche Zuständigkeit - wie etwa § 32b ZPO - auch im Rahmen der §§ 87, 89, 95 GWB zu beachten sind. Jedenfalls verdrängen die Vorschriften der §§ 87, 89, 95 GWB nicht die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit, so dass es bei der Bindungswirkung des die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Braunschweigs feststellenden Beschlusses des Landgerichts Stuttgart zu verbleiben hat.

c) Es kommt danach nicht darauf an, ob eine Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt am Main als Sitz der Börse begründet ist. Auch eine Rückverweisung an das Landgericht Stuttgart, der im Übrigen auch beide Parteien entgegengetreten sind, kam im Hinblick auf die Bindungswirkung nicht in Betracht. Auf die von der Beklagten aufgeworfene Frage einer etwaigen Konkurrenz der örtlichen Zuständigkeiten nach § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 UWG und § 32b ZPO kommt es nicht mehr an, weil auch die Klägerinnen nach Erhebung der Einrede der Verjährung hinsichtlich der der lauterkeitsrechtlichen Ansprüche durch die Beklagte davon ausgehen, dass etwaige Ansprüche aus Lauterkeitsrecht glicht mehr durchsetzbar sind und sie diese auch ausdrücklich haben fallen lassen (S. 7 des Schriftsatzes vom 05.06.2013).