Landgericht Braunschweig
Urt. v. 24.06.2013, Az.: 4 O 1997/12

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
24.06.2013
Aktenzeichen
4 O 1997/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 64305
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert wird auf 8.487,96 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin betreibt eine Biogasanlage mit Blockheizkraftwerk in X-heim. Diese Biogasanlage ist im Mittelspannungsnetz des Umspannwerkes X an der Hauptleitung 462 vom Schaltpunkt X, X Straße zum Schaltpunkt X-heim, X Straße über eine Abzweigmuffe im Stich in Richtung Trafostation X-berg angeschlossen. Über diese Verbindung wird der von der Anlage erzeugte Strom in das Netz der Beklagten eingespeist.

Die Beklagte vergütet den so eingespeisten Strom grundsätzlich nach EEG. Diesbezüglich haben Klägerin und Beklagte einen Einspeisevertrag vom 20.02.2006/09.03.2006 abgeschlossen, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Anl. K1, Bl. 9 ff. d.A.). In Ziffer 5.3 des Vertrages heißt es:

„X verpflichtet sich, die Energie aus der Erzeugungsanlage des Einspeisers bis zu der unter Ziffer 5.2 genannten Leistung in ihr Netz aufzunehmen.

Diese Verpflichtung besteht nicht, solange X infolge von Betriebsstörungen, Wartungs- und Reparaturarbeiten an ihren Anlagen o.ä. nicht in der Lage ist, die vom Einspeiser erzeugte elektrische Energie aufzunehmen.“

Mit Schreiben vom 02.08.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie wegen dringender Arbeiten am Versorgungsnetz die Stromversorgung für die Biogasanlage am 25. und 26.10.2011 unterbrechen müsse. Tatsächlich schaltet die Klägerin die Lastschaltanlage in der Station X Straße in X-heim zumindest in der Zeit vom 25.10.2011 um 8.01 Uhr bis zum 26.10.2011 um 12.48 Uhr ab.

Die Klägerin installierte im Hinblick auf die Vorankündigung der Sperrung eine mobile Notfackel und ein Notstromaggregat an der Anlage, weshalb ihr Kosten in Höhe von 4.410,76 € netto in Rechnung gestellt wurden. Außerdem konnte die Klägerin in der Zeit der Sperrung keinen Strom in das Netz der Beklagten einspeisen. Vor diesem Hintergrund macht sie Ansprüche auf Ersatz der entgangenen Einspeisevergütung geltend. Die Höhe der entgangenen Einspeisevergütung ist allerdings zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerin behauptet, ihr seien wegen der Sperrung 4.077,20 € Einspeisevergütung entgangen. Die Klägerin meint, die Nichtabnahme des Stromes sei eine Verletzung der Beklagten gegen ihre Abnahmepflichten. Aus dieser Pflichtverletzung folge verschuldensunabhängig im Sinne einer Garantiehaftung ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte. Eine entgegenstehende Regelung aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten sei unwirksam. Zumindest müsse die Beklagte der Klägerin die Kosten für das Notstromaggregat im Sinne einer Schadensminderungspflicht erstatten.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.487,96 €, nebst Zinsen hierauf in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin 603,70 € netto vorgerichtliche Anwaltskosten, nebst Zinsen hierauf in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, an der Lastschaltanlage in der Station X Straße seien zwingend notwendige Instandhaltungsmaßnahmen durchzuführen gewesen. Die Lastschaltanlage aus dem Jahre 1973 habe nicht mehr ordnungsgemäß funktioniert und habe deshalb ausgewechselt werden müssen. Auf Grund der Alterung und der komplizierten Mechanik dieser Schalter sei eine Ertüchtigung und somit ein ordnungsgemäßer und sicherer Betrieb nicht mehr möglich gewesen. Für den Wechsel der Schaltanlagen habe aus Sicherheitsgründen die Station für die Dauer der Arbeiten spannungslos geschaltet werden müssen. Eine andere Möglichkeit, den klägerseits produzierten Strom in der Zwischenzeit in das Netz einzuspeisen, sei nicht möglich gewesen. Die Beklagte bestreitet zudem, dass die Klägerin die Kosten in Höhe von 4.410,76 € für die Notfackel und das Notstromaggregat bezahlt hätte. Die Beklagte meint, dass die Klägerin ohnehin aus gesetzlichen Gründen zur Vorhaltung einer Notfackel verpflichtet gewesen sei. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet, der Klägerin für die Zwischenzeit ein Notstromaggregat zu stellen. Wenn sie anderen Kunden in der Zeit ein Notstromaggregat zur Verfügung gestellt hat, so habe dies nur auf Kulanz beruht. Die von der Klägerin geltend gemachte Einspeisevergütung könne im Übrigen allenfalls 3.069,44 € betragen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen X. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 6. Mai 2013 (Bl. 106 ff. d. A.).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch gemäß § 280 BGB wegen Verletzung der Netzbetreiberpflichten, insbesondere Verletzung der Stromabnahmeverpflichtung aus § 8 EEG.

1.) Zutreffend ist zwar, dass die Beklagte grundsätzlich auf Grund des Einspeisevertrages vom 09.03.2006 sowie aus § 8 EEG verpflichtet ist, den gesamten angebotenen Strom, den die Klägerin in ihrer Biogasanlage produziert, abzunehmen. Die Nichtabnahme dieses Stromes stellt insofern grundsätzlich eine objektive Pflichtverletzung i. S. v. § 280 Abs. 1 BGB dar. Aus dieser Pflichtverletzung folgt zumindest dann ein Schadensersatzanspruch der Beklagten, wenn sie als Netzbetreiberin diese Pflichtverletzung auch zu vertreten hat. Entscheidend ist deshalb, ob die Beklagte ihr Nichtvertretenmüssen nachzuweisen vermag, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB (vgl. dazu Salje, EEG, 2012, 6. Aufl., § 10 Rdnr. 48).

2.) Dieser Beweis ist der Beklagten vorliegend auf Grund der Aussage des Zeugen F. gelungen.

a) Dieser, ein bei der Beklagten beschäftigter Elektromeister, hat im Rahmen seiner Aussage im Termin vom 06.05.2013 deutlich gemacht, dass die in der Lastschaltanlage X Straße eingebaute Schaltanlage des Herstellers X aus den 70iger oder 80iger Jahren ihre Lebensdauer erfüllt hatte. Es sei auch nicht gelungen, diese Anlage durch bestimmte Maßnahmen zu ertüchtigen. Seitens der Klägerin und auch des Herstellers seien diesbezüglich auch an anderer Stelle Versuche zur Ertüchtigung durchgeführt worden. Diese seien nicht gelungen. Deswegen habe man sich entschlossen, sämtliche Schaltanlagen dieses Typs im Bereich der Beklagten auszutauschen. Diese Austauscharbeiten seien nach seinen Angaben nicht unter Spannung möglich, da angesichts der hohen Spannung hier die Gefahr von Lichtbögen bestehe. Aus Sicherheitsgründen müsse man da bestimmte Maßnahmen einhalten, zu denen auch gehört, dass die Arbeiten nicht unter Spannung durchgeführt werden. Es sei auch nicht möglich gewesen, während der Arbeitszeit eine andere Versorgung sicherzustellen. Der Netzknotenpunkt, über den die Anlage der Klägerin angeschlossen ist, befinde sich außerhalb von Ortschaften. Da andere Leitungen zu weit entfernt gewesen seien, habe man eine Überbrückung nicht stattfinden lassen können. Im Übrigen sei auch der Einsatz einer zwischengeschalteten mobilen Schaltanlage zwar möglich, aber mit hohen Kosten und einem hohen Zeitaufwand verbunden gewesen. Es sei nämlich nicht möglich gewesen, die Kabel einfach kurzfristig für die Dauer der Arbeiten umzustecken. Da die Kabel im Erdreich sind, hätten diese herausgeholt werden müssen, was ebenfalls 6 - 8 Stunden gedauert hätte. Auch in dieser Zeit hätte dann zumindest die Versorgung eingestellt werden müssen. Dieselbe Zeit wäre nochmals erforderlich gewesen, wenn nach dem Abschluss der Arbeiten wieder der Rückbau stattfindet. Der Zeuge schätzte deshalb, dass auch bei Einsatz einer mobilen Schaltanlage ein Versorgungsausfall von 12 - 14 Stunden nötig gewesen wäre. Dazu sei aber auch ein Kostenaufwand von mehr als 10.000,00 € gekommen, der für diese Arbeiten und den Ersatz der mobilen Schaltanlage angefallen wäre.

b) Die Angaben des Zeugen sind glaubhaft und überzeugend. Der Zeuge konnte insbesondere zur Notwendigkeit des Austausches der Anlage ausführliche und detaillierte Angaben machen. Er führte auch auf Nachfragen detailliert dazu aus, inwiefern im Vorfeld versucht wurde, die Anlagen zu ertüchtigen und wieso dies nicht gelungen sei. Daraus folgt für das Gericht nachvollziehbar, dass objektiv die Notwendigkeit bestand, die Lastschaltanlage auszutauschen, um einen sicheren Betrieb des Netzes zu gewährleisten. Der Zeuge hat auch nachvollziehbar dazu ausgeführt, dass es notwendig gewesen sei, während dieser Zeit die Anlage spannungslos zu schalten. Seine Ausführungen zu der Gefahr von Lichtbögen während der Arbeiten waren nachvollziehbar.

Ebenfalls nachvollziehbar waren die Angaben des Zeugen dazu, dass und wieso die Beklagte in der Zeit, in der die Arbeiten stattfanden, nicht in der Lage war, den Strom der Klägerin abzunehmen. Hierzu gab der Zeuge zwar zu, dass es theoretisch möglich gewesen wäre, auch eine mobile Schaltanlage in der Zwischenzeit einzusetzen und so den Strom der Klägerin abzunehmen. Nachvollziehbar waren aber die Angaben des Zeugen, wieso man sich auf Seiten der Beklagten dazu nicht entschieden hat. Hierbei war einerseits zu berücksichtigen, dass auch für den Umbau auf die mobile Anlage der Strom für einige Zeit hätte ausgeschaltet werden müssen. Nachvollziehbar waren auch die Angaben dazu, dass der Einsatz einer mobilen Schaltanlage nicht unwesentliche Kosten mit sich gebracht hätte.

c) Vor diesem Hintergrund geht auch das Gericht davon aus, dass die Beklagte nicht verpflichtet war, den Schaden durch Einsatz einer mobilen Schaltanlage zu mindern. Einerseits wäre so oder so ein Schaden auf Seiten der Klägerin dadurch entstanden, dass für den Umbau auf eine mobile Anlage der Strom einige Zeit, wenn auch wohl etwas kürzer, hätte ausgeschaltet werden müssen. Andererseits hätte der Einsatz einer mobilen Schaltanlage aber nach den nachvollziehbaren Angaben des Zeugen erhebliche Kosten in Höhe von etwa 10.000,00 € mit sich gebracht. Vor diesem Hintergrund wäre es unverhältnismäßig, von der Beklagten den Einsatz einer solchen mobilen Schaltanlage zu fordern. Die Klägerin kann insofern auch nach Treu und Glauben eine solche Vorgehensweise von der Beklagten nicht erwarten.

d) Insgesamt ergibt sich auf Basis der Angaben des Zeugen nachvollziehbar, dass und wieso der Strom in der geltend gemachten Zeit ausgeschaltet werden musste. Eine Überprüfung der technischen Erläuterungen des Zeugen durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen war nicht mehr erforderlich. Die Ausführungen des Zeugen waren im Detail nachvollziehbar und überzeugend. Technische Argumente gegen die Angaben des Zeugen wurden seitens der Klägerin auch nicht vorgebracht. Vor diesem Hintergrund ist also davon auszugehen, dass die Beklagte in der geltend gemachten Zeit ohne Verschulden nicht in der Lage war, den eingespeisten Strom abzunehmen. Daraus folgt, dass sie gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB die Pflichtverletzung, die durch die Nichtabnahme des Stroms eingetreten ist, nicht zu vertreten hat und insoweit den Schaden nicht zu ersetzen hat.

3.) Die klägerseitig vorgebrachte verschuldensunabhängige Haftung der Beklagten im Sinne einer Garantiehaftung besteht nicht. Zwar ist richtig, dass aus § 276 BGB folgt, dass eine strengere Haftung, also sogar verschuldensunabhängig, je nach Inhalt des Schuldverhältnisses auch angenommen werden kann. Vorliegend spricht aber nichts dafür, dass aus dem hiesigen Schuldverhältnis eine verschuldensunabhängige Haftung folgt. Derartiges ist weder im EEG noch im Einspeisevertrag geregelt. Es wäre auch unverhältnismäßig, von der Beklagten eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung für die Stromabnahme zu verlangen. Einerseits ist die Beklagte nach dem EEG verpflichtet, den eingespeisten Strom abzunehmen. Andererseits ist sie aber auch nach §§ 11 und 12 Energiewirtschaftsgesetz dazu verpflichtet, ein sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Energieversorgungsnetz zu betreiben und soweit erforderlich auch zu warten. Wenn diese Wartungspflicht im Einzelfall mit sich bringt, dass zum Zwecke der Wartung die Stromabnahme unterbrochen werden muss, dann würde bei einer angenommenen Garantiehaftung für die Stromabnahme die Beklagte vor einem Dilemma stehen: Sie müsste dann entweder gegen die Pflicht zur Stromabnahme oder gegen die Pflicht zur Netzwartung verstoßen. Dass der Gesetzgeber dieses Dilemma auf Kosten der Netzbetreiber lösen wollte, ist aus den einschlägigen Gesetzen nicht ersichtlich.

4.) Vor diesem Hintergrund ist auch auf Basis von § 5 Abs. 3 des Einspeisevertrages davon auszugehen, dass die Verpflichtung zur Stromabnahme der Beklagten nicht besteht, wenn diese auf Grund von Wartungsarbeiten nicht in der Lage ist, die Energie aufzunehmen. Diese Regelung ist vor dem Hintergrund der vorstehenden Erörterungen auch nicht unwirksam, da sie insbesondere nicht gegen § 8 Abs. 1 EEG verstößt.

5.) Die Beklagte ist auch nicht verpflichtet, der Klägerin die Kosten für das Notstromaggregat zu ersetzen. Es mag zwar sein, dass die Beklagte in Einzelfällen anderen Kunden kostenlos ein Notstromaggregat zur Verfügung gestellt hat. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Stellung dieses Notstromaggregates ist jedoch zumindest im Falle der Klägerin nicht ersichtlich. Wenn die Beklagte dies in anderen Fällen getan hat, so mag dies auch auf Kulanz beruht haben. Diese kann aber die Klägerin nicht zwingend für sich in Anspruch nehmen.

6.) Vor diesem Hintergrund ist die Klage voll umfänglich abzuweisen.

Die Kostenentscheidung richtet sich deswegen nach § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung ergeht gemäß § 3 ZPO i. V. m. § 48 GKG.