Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 12.12.2000, Az.: 7 A 3301/00
Auflage; Bedingung; besonderer Fall; Ermessen; Erziehungsurlaub; Kündigung; Kündigungsschutz; Nebenbestimmung; Wirksamkeit; Zustimmung
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 12.12.2000
- Aktenzeichen
- 7 A 3301/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 42057
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 18 Abs 1 S 2 BErzGG
- § 18 Abs 1 S 3 BErzGG
Tatbestand:
Der Kläger wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 1. September 1999 zum Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma R- KG ....- Handels GmbH & Co. in Berlin bestellt. Die Beigeladene war vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in der Firmenfiliale in N. als Mitarbeiterin im Verkauf tätig. Sie befindet sich bis zum 18. November 2001 im Erziehungsurlaub.
Mit Schreiben vom 19. Dezember 1999 beantragte der Kläger gegenüber dem Beklagten die Erklärung der Zulässigkeit der Kündigung der Beigeladenen. Er teilte mit, dass der gesamte Geschäftsbetrieb mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingestellt worden sei. Es bestehe keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die Beigeladene. Das Ladenlokal in Nienburg sei bereits vor Verfahrenseröffnung geschlossen, die Räume seien an den Vermieter zurückgegeben worden.
Die Beigeladene nahm am 2. Februar 2000 gegenüber dem Beklagten dahingehend Stellung, dass sie mit ihrer Kündigung zum Ende ihres Erziehungsurlaubes einverstanden sei.
Mit Bescheid vom 4. Februar 2000 erklärte der Beklagte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Beigeladenen durch den Kläger unter Beifügung eines Zusatzes für zulässig. Die Kündigung werde nur unter der "Bedingung" zugelassen, dass sie frühestens zum Ende des Erziehungsurlaubes wirksam werde. Ausnahmsweise könne die Kündigung für zulässig erklärt werden, da nach Rückkehr der Beigeladenen aus dem Erziehungsurlaub kein Arbeitsplatz mehr vorhanden sein werde. Unter Hinweis auf § 6 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Kündigungsschutz bei Erziehungsurlaub (vom 2. Januar 1986, Bundesanzeiger Nr. 1, S. 4) führte der Beklagte weiter aus, dass es allerdings erforderlich sei, die Kündigung erst zum Ende des Erziehungsurlaubs wirksam werden zu lassen. Die ausgesprochene "Bedingung" diene dazu, die Beigeladene vor finanziellen Belastungen zu schützen und die finanziellen Belastungen ihrer Familie zu mindern. Der Beigeladenen werde zumindest für den Bezugszeitraum des Erziehungsgeldes ein notwendiges Beschäftigungsverhältnis für die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung und der damit verbundenen Beitragsfreiheit erhalten. Auf diese Weise werde dem Schutzgedanken des § 18 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) Rechnung getragen. Für den Kläger entstünden demgegenüber keinerlei Nachteile, da sich für ihn keine finanziellen Belastungen daraus ergäben.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 7. März 2000 Widerspruch mit dem Antrag ein, die Kündigung der Beigeladenen ohne die "Bedingung", dass die Kündigung frühestens zum Ende des Erziehungsurlaubes wirksam werde, für zulässig zu erklären. Er führte aus, dass die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende des Erziehungsurlaubes ermessensfehlerhaft sei, da der gesetzliche Schutzzweck der Sicherung der Anschlussbeschäftigung des sich im Erziehungsurlaub befindenden Arbeitnehmers nicht mehr erreicht werde könne. Auch sei die für die Aufnahme der "Bedingung" in dem Bescheid maßgebende Annahme, dass für den Insolvenzverwalter keine Nachteile entstünden, nicht zutreffend. Im Erziehungsurlaub entstünden nicht nur Ansprüche auf Zahlung von Sonderzuwendungen, sondern auch Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung und vermögenswirksame Leistungen. Für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens belasteten diese Ansprüche gemäß § 55 Insolvenzordnung (InsO) die Masse zu Lasten der anderen Gläubiger. Des Weiteren würde durch die Bedingung der Abschluss des Insolvenzverfahrens verzögert. Das Insolvenzverfahren könne erst beendet werden, wenn sämtliche Dauerschuldverhältnisse bereits beendet worden seien. So müsste das abschlussreife Insolvenzverfahren allein wegen des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses mit der Beigeladenen weiter geführt werden, wenn die Möglichkeit der Kündigung erst zum Ende des Erziehungsurlaubes bestünde. Durch diese Verfahrensverzögerung ergäben sich zusätzliche Kosten zum Nachteil der Gläubiger. Es entstünden zusätzliche Bankspesen, Kosten für die Aufbewahrung umfangreicher Unterlagen in Mieträumen und Kosten für zusätzlich erforderliche Steuererklärungen durch den Steuerberater. Auch entstünde den Gläubigern ein Schaden durch die Verzögerung der Schlussverteilung, da die Forderungen zum Stichtag der Insolvenzeröffnung angemeldet worden wären und für den danach folgenden Zeitraum nicht verzinst würden. Schließlich ergäben sich zusätzliche Personalkosten.
Unter dem 10. Februar 2000 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis der Beigeladenen zum 30. April 2000. Dieser Zeitpunkt entspreche der gesetzlichen Frist des § 113 InsO. Der Kläger führte in dem Kündigungsschreiben weiter aus, dass die Kündigung für den Fall, dass sich das Ende des Erziehungsurlaubes über den 30. April 2000 verschieben sollte, zum jeweils späteren Ende des Erziehungsurlaubes, spätestens jedoch zum geplanten Ende des Erziehungsurlaubes am 18. November 2001 ausgesprochen werde.
Mit Bescheid vom 9. Juni 2000 wies die Bezirksregierung H. den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Beklagte die Kündigungszulassung zu Recht mit einer "Bedingung" versehen habe. Die Bedingung stelle den Schutzzweck des § 18 BErzGG sicher und sei deshalb nicht zu beanstanden. In § 6 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Kündigungsschutz werde ausdrücklich die Möglichkeit genannt, die Kündigungszulassung erst zum Ende des Erziehungsurlaubs auszusprechen. Im Hinblick darauf, dass für die Zeit des Erziehungsurlaubs keine Krankenkassenbeiträge oder andere Geldleistungen vom Arbeitgeber zu entrichten seien, im anderen Fall aber die Beigeladene gegenüber der Krankenkasse selbst in Zahlungsverpflichtung gerate, sei die Bedingung rechtmäßig. Der Einwand, die Beigeladene habe auch während des Erziehungsurlaubs verschiedene Ansprüche finanzieller Art, entspreche nicht den geltenden tarifvertraglichen Regelungen. Die Beigeladene habe während ihres Erziehungsurlaubs weder Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen noch Anspruch auf Urlaubsgeld oder Sonderzuwendungen. Für den Kläger bringe ein fortbestehendes Arbeitsverhältnis mit der Beigeladenen lediglich die Erschwernis, dass er das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma ... KG ...Handels GmbH & Co. bis zum Ende des Erziehungsurlaubs nicht vollständig werde abwickeln können. Es habe jedoch sein Interesse an einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses vor Beendigung des Erziehungsurlaubs gegenüber dem Interesse der Beigeladenen am Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses bis zum Ende des Erziehungsurlaubs zurückzustehen. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 14. Juni 2000 zugestellt.
Der Kläger hat am 12. Juli 2000 Klage erhoben.
Er trägt ergänzend vor, die Erwägungen des Beklagten, dass durch §18 BErzGG ein Versorgungsschutz der Beigeladenen durch beitragsfreie Sozialversicherung gewährleistet werde, der Insolvenzmasse hierdurch keinerlei Kosten entstünden und Verzögerungen bei der Abwicklung des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Interesse der Beigeladenen am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zurückzustehen hätten, seien vom Gesetzeszweck des § 18 BErzGG nicht gedeckt. Der Beklagte gehe offenbar davon aus, dass im Falle der Kündigung die Beigeladene selbst die Krankenversicherungsbeiträge zu zahlen habe. Dies sei jedoch unzutreffend. Im Falle einer ordentlichen arbeitgeberseitigen und betriebsbedingten Kündigung könne sich die Beigeladene arbeitslos melden. Die Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubes stehe einer Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt als Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld nicht entgegen. Eine Krankenversicherung könne daher entweder im Rahmen der Arbeitslosenversicherung oder durch Aufnahme einer neuen Teilzeitbeschäftigung sichergestellt werden. Durch die Beschränkung der Zulässigkeit der Kündigung greife der Beklagte zudem in die Ansprüche der Beigeladenen auf Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld ein. Eine Arbeitslosmeldung ohne Sperrfrist und Minderung der Anspruchsdauer könne nur erfolgen, wenn eine arbeitgeberseitige ordentliche betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen werde. Die "Bedingung" führe unter Umständen dazu, dass der Beigeladenen im Bereich der Arbeitslosenversicherung sozialversicherungsrechtliche Nachteile entstünden. Der Kläger ergänzt seinen Vortrag zu den ihm entstehenden finanziellen Verpflichtungen dahingehend, dass auch sein Prozessrisiko nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. So sei es hinsichtlich der in der Tarifvereinbarung vorgesehenen Sonderzuwendungen eine Frage der Auslegung, ob auf diese während des Erziehungsurlaubes ein Anspruch bestehe. Zugleich ergebe sich damit das Risiko einer finanziellen Belastung der Insolvenzmasse durch die Gewährung von Sonderzahlungen an die Beigeladene. In diesem Zusammenhang sei weiter darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Kündigung der Beigeladenen nicht um einen Einzelfall handele. Vielmehr hätten sich bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens 51 Arbeitnehmerinnen im Mutterschutz oder Erziehungsurlaub befunden.
Der Kläger hat im vorbereitenden Verfahren zunächst beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, unter Abänderung des Zustimmungsbescheides vom 4. Februar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Hannover vom 9. Juni 2000 die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen der Firma .... KG ... Handels GmbH & Co. und der Beigeladenen ohne die Bedingung des Ausspruchs der Kündigung frühestens zum Ende des Erziehungsurlaubes für zulässig erklären,
hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, ihn, den Kläger, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden.
In der mündlichen Verhandlung hat er davon abweichend beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen der Firma R.-KG "Conny's Container..." Handels GmbH & Co. und der Beigeladenen ohne einen einschränkenden Zusatz für zulässig zu erklären und den Bescheid des Beklagten vom 4. Februar 2000 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung H. vom 9. Juni 2000 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf die Ausführungen in seinem Bescheid vom 4. Februar 2000 sowie jenen im Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung H. vom 9. Juni 2000. Ergänzend führt er aus, dass bei Erteilung der "Bedingung" den rechtlich geschützten Interessen Rechnung getragen und die Auswirkungen auf die erziehende Mutter auf ein zumutbares Maß reduziert worden seien. Dabei sei es Zweck des § 18 BErzGG, der Beigeladenen den Arbeitsplatz und die materielle Existenzbasis zu erhalten und sie auch vor den Aufregungen einer Kündigung zu bewahren. Eine junge Mutter müsse gerade auch im Interesse der Allgemeinheit geschützt werden, damit sie sich ihrem Kind in den ersten Lebensmonaten und -jahren uneingeschränkt widmen könne. Vermieden werden sollten alle mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses verbundenen psychisch belastenden Begleitfaktoren und die wirtschaftliche Sorge durch die Erhaltung des Arbeitsplatzes. Eine bedingungslose Zustimmung zur Kündigung hätte eine Ermessensreduktion auf Null vorausgesetzt, die dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Bestimmungen nicht Rechnung getragen hätte. Einer Ermessensreduktion stehe auch entgegen, dass in vergleichbaren Fällen in der Vergangenheit grundsätzlich die gleiche "Bedingung" erhoben worden sei und deshalb auch in vergleichbaren Fällen in der Zukunft unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung erhoben werden müsste. Auch sei die "Bedingung" in der Vergangenheit bisher nicht angegriffen worden.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich im Verfahren nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage des Klägers hat mit seinem Hauptantrag Erfolg.
Die Umstellung des Klageantrags durch den Kläger in der mündlichen Verhandlung stellt keine Klageänderung dar, denn der im vorbereitenden Verfahren gestellte Antrag war auslegungsbedürftig. Er war zudem im Sinne des in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich formulierten Antrags auslegungsfähig. Zwar hatte der Kläger mit seinem schriftsätzlich gestellten Hauptantrag lediglich die Verpflichtung des Beklagten begehrt, die Kündigung der Beigeladenen ohne den in den angegriffenen Bescheiden verwendeten Zusatz für zulässig zu erklären. Aus der Tatsache, dass er zugleich einen Hilfsantrag auf Neubescheidung gestellt hatte, ergibt sich jedoch, dass er mit seinem Hauptantrag auf eine Zulässigkeitserklärung ohne jeglichen Zusatz zielte. Anderenfalls hätte der Hauptantrag denselben Inhalt wie der Hilfsantrag gehabt. Auch aus der Klageschrift des Klägers war bereits zu entnehmen, dass er eine Zulässigkeitserklärung ohne einschränkende Zusätze erstreiten wollte.
Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig.
Die Verpflichtungsklage ist die richtige Klageart. Eine Anfechtungsklage, gerichtet auf Aufhebung des in dem Bescheid vom 4. Februar 2000 aufgenommenen Zusatzes, dass die Kündigung nur unter der Bedingung ihrer Wirksamkeit frühestens zum Ende des Erziehungsurlaubs der Beigeladenen zugelassen werde, kommt nicht in Betracht (a.A. in einem vergleichbaren Fall VG Koblenz, Urt. v. 31. August 2000 - 5 K 642/00.KO - ohne allerdings die Wahl der Klageart zu begründen).
Allerdings ist die Art des Rechtschutzes gegen belastende Nebenbestimmungen und modifizierende Auflagen umstritten (vgl. zum Meinungsstand die Darstellung von Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzcker, VwGO Kommentar, Loseblatt Stand Januar 2000, § 42 Rdnr. 121 ff.). Immer noch herrschend ist die Auffassung, nach der die Art der "Nebenbestimmung" - bei der modifizierenden Auflage handelt es sich rechtstechnisch nicht um eine solche - für die statthafte Klageart maßgebend ist (vgl. Pietzcker, a.a.O., Rdnr. 122, 137). Lediglich bei einer Auflage oder einem Auflagenvorbehalt wird danach eine isolierte Anfechtungsklage als die richtige Klageart erachtet und ansonsten auf die Verpflichtungsklage verwiesen (vgl. Pietzcker, a.a.O.). Das Gericht sieht keinen Anlass, sich einer gegenteiligen Ansicht anzuschließen.
Der Beklagte hat in seinem Bescheid vom 4. Februar 2000 den von ihm verfügten Zusatz als "Bedingung" bezeichnet. Er hat sich dabei an § 6 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Kündigungsschutz bei Erziehungsurlaub, erlassen aufgrund der Ermächtigung in § 18 Abs. 1 Satz 3 BErzGG, orientiert. Dort heißt es, die Zulässigkeit einer Kündigung könne unter "Bedingungen" erklärt werden, -z. B., dass sie erst zum Ende des Erziehungsurlaubs ausgesprochen wird.".
Der gewählte Zusatz lässt sich gleichwohl nicht als Bedingung im verwaltungsrechtlichen Sinne qualifizieren. Eine Bedingung liegt lediglich dann vor, wenn der Eintritt oder die Beendigung der mit dem Verwaltungsakt erstrebten Wirkungen von einem bestimmten künftigen Ereignis abhängen, von dem ungewiss ist, ob es überhaupt eintreten wird (vgl. zu dieser Definition nur Kopp, VwVfG Kommentar, 7. Aufl. 2000, § 36 Rdnr. 19).
Das Ende eines Erziehungsurlaubs kann grundsätzlich keine Bedingung darstellen. In jedem Fall eines sich im Erziehungsurlaub befindenden Arbeitnehmers ist das Ende des Urlaubs kein Ereignis, von dem ungewiss ist, ob es überhaupt eintreten wird. Vielmehr ist ein Erziehungsurlaub grundsätzlich von zeitlich begrenzter Dauer. Gemäß § 15 Abs. 1 BErzGG besteht ein Anspruch auf Erziehungsurlaub ausnahmslos nur bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres eines Kindes und gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 BErzGG muss der Arbeitnehmer gleichzeitig mit seinem Verlangen nach Erziehungsurlaub erklären, für welchen Zeitraum er denselben in Anspruch nehmen will.
Für den vom Beklagten gewählten Zusatz kommt vielmehr in Betracht, ihn als Befristung einzuordnen. Zwar ließe sich dem Wortlaut des Zusatzes auch entnehmen, dass der Beklagte eine Regelung über den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung - die als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung grundsätzlich mit Zugang wirksam wird - treffen wollte. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass der Beklagte offenkundig rechtswidrig das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beigeladenen mitgestalten wollte. So lässt sich der Zusatz dahingehend auslegen, dass vielmehr die Erklärung der Zulässigkeit der Kündigung ihre Rechtswirksamkeit am Ende des Erziehungsurlaubs der Beigeladenen entfalten sollte. Dies entspräche der Nebenbestimmung einer Befristung, denn eine Befristung liegt unter anderem vor, wenn als Voraussetzung für den Eintritt der Rechtswirkungen eines Verwaltungsakts ein dem Datum nach bestimmter Zeitpunkt festgesetzt ist (vgl. wiederum nur Kopp, VwVfG, a.a.O., Rdnr. 15). Der Zeitpunkt läge hier im 18. November 2001.
Darüber hinaus käme auch eine modifizierende Auflage in Betracht, welche den Inhalt des Verwaltungsakts selbst betrifft, indem sie diesen beschränkt und die insbesondere dann anerkannt wird, wenn sie eine dem jeweiligen Verwaltungsakt typische Rechtsfolge modifiziert (wiederum nur Kopp, VwVfG, a.a.O., Rdnr. 35). Dementsprechend ließe sich feststellen, dass der Beklagte mit dem Zusatz in seinem Bescheid die Rechtsfolge seiner Zulässigkeitserklärung insoweit verändert - modifiziert - hat, als die Erklärung nicht mit ihrer Bekanntgabe, sondern erst zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt Wirksamkeit entfalten sollte.
Eine endgültige Entscheidung zwischen den aufgezeigten Alternativen - andere Formen von Nebenbestimmungen im Sinne des § 36 Abs. 2 VwVfG liegen fern - kann allerdings dahin stehen, denn sowohl im Falle einer Befristung als auch in jenem der modifizierenden Auflage ist eine selbstständige Anfechtung der Nebenbestimmung bzw. Auflage abzulehnen und der Verpflichtungsklage der Vorzug zu geben.
Der Kläger ist weiterhin zur Klage befugt, denn er kann als bestellter Insolvenzverwalter einen Anspruch auf die Erklärung der Zulässigkeit der Kündigung des Arbeitsvertrages mit der Beigeladenen geltend machen. Als Insolvenzverwalter hat der Kläger entsprechend § 113 Abs. 1 InsO von dem früheren Arbeitgeber der Beigeladenen - der Insolvenzschuldnerin - das Recht zur Kündigung des Arbeitsvertrages erworben; das Arbeitsverhältnis der Beigeladenen ist durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht erloschen.
Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 4. Februar 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Hannover vom 9. Juni 2000 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger als Insolvenzverwalter in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass der Beklagte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen der Firma R- KG ... Handels GmbH & Co. und der Beigeladenen ohne die Beifügung eines Zusatzes für zulässig erklärt, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Erklärung der Zulässigkeit der Kündigung ist § 18 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BErzGG.
Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 BErzGG darf ein Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis während des Erziehungsurlaubs des Arbeitnehmers nicht kündigen. Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 BErzGG kann jedoch in besonderen Fällen ausnahmsweise eine Kündigung für zulässig erklärt werden.
Der Beklagte war nach Ziff. 5.5 und 5.8.1 der Anlage 2 zur Verordnung über die Regelung von Zuständigkeiten im Gewerbe- und Arbeitsschutzrecht sowie in anderen Rechtsgebieten (ZustVO GewAR 1991 vom 12. Dezember 1990, Nds. GVBl. S. 491) zuständig für die Erklärung der Zulässigkeit der Kündigung, denn gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 BErzGG erfolgt die Zulässigkeitserklärung durch die von der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde bestimmten Stelle.
Die Kündigung der Beigeladenen ist gemäß § 18 Abs. 1 BErzGG zur Zeit grundsätzlich ausgeschlossen, da sich die Beigeladene noch bis zum 18. November 2001 im Erziehungsurlaub befindet.
Die Kündigung ist allerdings für zulässig zu erklären, denn es liegt ein "besonderer Fall" im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 2 BErzGG vor und das Ermessen des Beklagten ist dahingehend reduziert, dass sich lediglich die Erklärung ohne die Beifügung eines einschränkenden Zusatzes als rechtmäßig darstellt.
Ein "besonderer Fall" ist anzunehmen, wenn außergewöhnliche Umstände das Zurücktreten der vom Gesetz als vorrangig angesehenen Interessen des sich im Erziehungsurlaub befindenden Arbeitnehmers (unter dem im Folgenden genauso auch eine Frau zu verstehen ist) hinter die des Arbeitgebers rechtfertigen (seit BVerwG, Urt. v. 18. August 1977 - 5 C 8.77 -, Buchh. 436.4 § 9 MuSchG Nr. 5). Dabei kennzeichnet die Stilllegung eines Betriebes in aller Regel eine Lage, in der die Interessen des Arbeitgebers an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses Vorrang vor dem Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung des Arbeitsplatzes gebührt. Die Schließung eines Betriebes bewirkt, dass für die Zukunft eine Beschäftigungsmöglichkeit nicht mehr besteht; der Arbeitnehmer kann seiner Verpflichtung, Arbeit zu leisten, nicht mehr nachkommen. Da aber die wesentliche Verpflichtung des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis die Zahlung von Lohn als Gegenleistung für vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeit ist, bewirkt eine Betriebsstilllegung, dass eine wesens- und sinngerechte Fortsetzung der Rechtsbeziehungen aus tatsächlichen Gründen unmöglich wird (BVerwG, Urt. v. 18. August 1977, a.a.O.).
Dementsprechend liegt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Firma R-KG ... Handels GmbH & Co. und der damit verbundenen vollständigen Betriebsstilllegung ein "besonderer Fall" im Sinne des Bundeserziehungsgeldgesetzes vor, was - soweit ersichtlich - auch von den Beteiligten nicht in Frage gestellt wird.
Der Kläger hat darüber hinaus einen Anspruch darauf, dass der Beklagte sein Ermessen dahingehend ausübt, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Beigeladenen ohne einen einschränkenden Zusatz für zulässig zu erklären.
Der vom Beklagten gewählte Zusatz, dass die Kündigung nur für den Fall ihrer Wirksamkeit frühestens zum Ende des Erziehungsurlaubs wirksam werde, ist rechtswidrig. Er beruht auf sachwidrigen Erwägungen, die vom Sinn und Zweck der Ermächtigung des § 18 Abs. 1 Satz 2 BErzGG nicht gedeckt sind.
Ziel des § 18 BErzGG ist es, dem sich im Erziehungsurlaub befindenden Arbeitnehmer den Arbeitsplatz auch für die Zeit nach dem Erziehungsurlaub zu erhalten. Demgegenüber dient der normierte Kündigungsschutz nicht der Versorgung des Arbeitnehmers (so bereits BVerwG unter Bezugnahme auf das BAG zum Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz, Urt. v. 18. August 1977, a.a.O.).
Nach der vom Beklagten in seinem Bescheid vom 4. Februar 2000 ausgeführten Begründung sollte der von ihm verfügte Zusatz aber gerade der Versorgung der Beigeladenen dienen. So hat der Beklagte ausgeführt, dass es zur Vermeidung finanzieller Belastungen der Beigeladenen und ihrer Familie erforderlich sei, die Kündigung erst zum Ende des Erziehungsurlaubs wirksam werden zu lassen. Im Besonderen hat der Beklagte in der Begründung seines Bescheides darauf abgestellt, dass ein Beschäftigungsverhältnis für die Beigeladene notwendig sei, um deren Anspruch auf beitragsfreie Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung zumindest für den Bezugszeitraum des Erziehungsgeldes zu erhalten. Die Bezirksregierung Hannover hat in ihrem Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2000 diesen Ausführungen des Beklagten nichts entgegengesetzt.
Soweit der Beklagte seine Ermessensentscheidung nunmehr im gerichtlichen Verfahren auch damit begründet, dass die Beigeladene vor den Aufregungen der Kündigung bewahrt und geschützt werden müsse, damit sie sich ihrem Kind in den ersten Lebensmonaten und -jahren uneingeschränkt widmen könne, vermögen auch diese Erwägungen den Zusatz der Zustimmungserklärung nicht zu stützen. Dabei kann dahin stehen, ob diese Erwägungen dem Ziel des § 18 BErzGG noch unterfallen. Die Ausführungen des Beklagten sind bereits nicht geeignet, den in dem Bescheid vom 4. Februar 2000 aufgenommenen Zusatz zu stützen. Die Beigeladene wird durch den Zusatz nicht vor einer Kündigung bewahrt, denn die Kündigung ist nicht verhindert worden, sondern die Wirksamkeit der erforderlichen Zulässigkeitserklärung sollte lediglich aufgeschoben werden. Dementsprechend hat der Kläger die Kündigung auch mit Schreiben vom 10. Februar 2000 ausgesprochen, so dass sich die Beigeladene mit dem konkret auf ein Datum - das des Endes ihres Erziehungsurlaubs - bestimmten Ende ihres Arbeitsverhältnisses bereits im Erziehungsurlaub auseinandersetzen musste.
Weiterhin hat der Beklagte nicht dazu vorgetragen, dass im vorliegenden Fall überhaupt eine Nebenbestimmung der Erklärung ermessensfehlerfrei beigefügt werden könnte. Es ist für das Gericht die Möglichkeit der rechtmäßigen Beifügung einer Nebenbestimmung auch sonst nicht ersichtlich. Der Sinn und Zweck des § 18 BErzGG ließe sich im Hinblick auf die Beigeladene auch mit einer Nebenbestimmung nicht verwirklichen. Aufgrund der Stilllegung des Betriebes der Firma R-KG ... Handels GmbH & Co. ist eine Anschlussbeschäftigung der Beigeladenen nach Ende ihres Erziehungsurlaubs schlechterdings ausgeschlossen.
Offenkundig steht schließlich insbesondere der Annahme einer Ermessensreduktion auf Null - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht entgegen, dass die ständige Verwaltungspraxis des Beklagten bisher dahin ging, in gleichgelagerten Fällen der Zustimmungserklärung grundsätzlich einen Zusatz wie im vorliegenden Fall beizufügen. Eine ständige rechtswidrige Verwaltungspraxis vermag das Ermessen einer Behörde für die Zukunft nicht zu binden (vgl. nur Kopp, VwGO Kommentar, 12. Aufl. 2000, § 114 Rdnr. 41).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, entspräche nicht der Billigkeit im Sinne des § 161 Abs. 2 VwGO, weil die Beigeladene es vermieden hat, mit der Stellung eines eigenen Sachantrages selbst ein Kostenrisiko einzugehen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.