Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 12.12.2000, Az.: 7 A 2501/99

Arbeitgeber; besonderer Fall; Betrieb; Konkurs; Kündigung; Mutterschutz; Schutzfrist; Stilllegung; Zustimmung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
12.12.2000
Aktenzeichen
7 A 2501/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 42072
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Der Beigeladene wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Lehrte vom 16. Juni 1997 zum Konkursverwalter in dem Konkursverfahren über das Vermögen der Firma K-GmbH & Co. in S. bestellt. Die Klägerin war in der Firma K. zur Erledigung von Büroarbeiten angestellt.

2

Mit Schreiben vom 15. Juli 1997 beantragte der Beigeladene gegenüber dem Beklagten die Erteilung der Zustimmung zur Kündigung der Klägerin. Jene habe ihre Schwangerschaft angezeigt, sei aber noch nicht im Mutterschaftsurlaub. Er teilte mit, dass die Betriebseinstellung bereits vor Eröffnung des Konkursverfahrens erfolgt und der Betrieb nicht durch Dritte übernommen worden sei.

3

Die Klägerin nahm am 21. Juli 1997 gegenüber dem Beklagten dahingehend Stellung, dass sie mit ihrer Kündigung nicht einverstanden sei, da ein Mitarbeiter den Betrieb übernommen habe.

4

Unter dem 28. Juli 1997 führte der Beigeladene aus, dass es weitere bestehende Betriebe, Betriebsteile oder Arbeitsplätze, die von der Gemeinschuldnerin unterhalten würden, nicht gäbe. Ein rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang gemäß § 613a BGB liege ebenfalls nicht vor. Angaben über eine zukünftige Nutzung der betrieblichen Räumlichkeiten könne er nicht machen, da die Firma K. lediglich Mieterin der Räume gewesen sei und das Mietverhältnis vor Konkurseröffnung wegen Mietrückständen von dem Vermieter fristlos gekündigt worden sei. Die Firma K. habe ihren Betrieb am 16. Mai 1997 eingestellt und am 20. Mai 1997 den Konkursantrag gestellt.

5

Ausweislich eines Vermerks in dem Verwaltungsvorgang des Beklagten wurden am 29. Juli 1997 die Betriebsräume der Firma K. aufgesucht. Bei einem Gespräch sei ersichtlich geworden, dass durch Herrn R., einem ehemaligen Mitarbeiter der Firma K., ein neuer Betrieb - Tief- und Rohrleitungsbau - geführt werde. Hierzu seien diverse Maschinen, 15 Arbeitnehmer und Büroräume "übernommen" worden. Am 30. Juli 1997 äußerte sich Herr R. telefonisch dahingehend, dass seiner Meinung nach kein rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang gemäß § 613a BGB vorliege, da es sich um eine Umgründung gehandelt habe. Ein Arbeitsplatz für die Klägerin stehe nicht zur Verfügung.

6

Mit Bescheid vom 1. August 1997 erklärte der Beklagte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin durch den Beigeladenen für zulässig. Unter der Bezeichnung als "Bedingung" führte der Beklagte weiter aus, dass von der Kündigungszulassung erst Gebrauch gemacht werden dürfe, wenn endgültig feststehe, dass der Betrieb der Firma K. nicht durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber übergehe. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass ein besonderer Fall gegeben sei, in dem ausnahmsweise die Zulassung zur Kündigung erteilt werden dürfe. Es sei kein Arbeitsplatz mehr vorhanden, an dem die Klägerin beschäftigt werden könne.

7

Unter dem 8. August 1997 kündigte der Beigeladene das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 30. September 1997. Die Zustimmung des Betriebsrates gelte als erteilt und auch der Beklagte habe die Kündigung für zulässig nach dem Mutterschutzgesetz erklärt. Die vom Beklagten ausgesprochene Bedingung sei erfüllt, da ein rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang nicht erfolgt sei.

8

Gegen den Bescheid vom 1. August 2000 legte die Klägerin am 21. August 1997 Widerspruch mit der Begründung ein, dass ein Betriebsteilübergang gemäß § 613a BGB vorliege. Die Gemeinschuldnerin sei durch die Firma R. übernommen worden. Jene Firma habe die Räumlichkeiten der Gemeinschuldnerin gemietet und 14 Mitarbeiter übernommen. Sie habe den gleichen Geschäftsgegenstand wie die Gemeinschuldnerin und habe diverse Tiefbaumaschinen übernommen. Die Klägerin gab weiter an, ihr Arbeitsplatz sei auch nicht weggefallen, sondern sei vielmehr von der Ehefrau des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin besetzt worden.

9

Am 28. Januar 1998 kam die Klägerin nieder.

10

Unter dem 14. Juli 1998 teilte die Klägerin mit, dass das von ihr angestrengte Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht H. bis zur Bestandskraft des Bescheides des Beklagten vom 1. August 1997 ausgesetzt worden sei.

11

Mit Bescheid vom 7. Mai 1999 wies die Bezirksregierung H. den Widerspruch der Klägerin unter Aufhebung der im Bescheid vom 1. August 1997 genannten "Bedingung" zurück. Zur Begründung führte die Bezirksregierung aus, dass der in § 613a BGB geregelte Lebenssachverhalt des Betriebsübergangs keine Berührung zu den wertenden Erwägungen habe, die bei der Prüfung anzustellen seien, ob einer Kündigung der Gedanke des Mutterschutzes entgegenstehe. § 613a BGB normiere einen eigenen Schutztatbestand, dessen Vorliegen im Streitfall von den Arbeitsgerichten zu beurteilen sei. Zwar sei nach dem Konkurs der Firma K. die Firma JR-GmbH entstanden und sei die neue Firma im Wesentlichen in demselben geschäftlichen Bereich tätig wie die ehemalige Firma. An einem Betriebsübergang bestünden jedoch erhebliche Zweifel, da von den etwa 60 Mitarbeitern der ehemaligen Firma nur 15 bei dem neuen Unternehmen beschäftigt seien. Auch der vermeintliche Verkauf einiger Maschinen an die neue Firma reiche für die Annahme eines Betriebsübergangs nicht aus. Mögliche Verflechtungen zwischen der Gemeinschuldnerin und der Firma R-GmbH seien ohne Bedeutung. Es liege ein besonderer Fall im Sinne des § 9 Abs. 3 MuSchG vor, da der Betrieb der Firma K. seine Tätigkeit eingestellt habe und damit keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr für die Klägerin bestehe. Die im Bescheid vom 1. August 1997 enthaltene Bedingung sei allerdings aufzuheben, denn mit dieser Bedingung habe in unzulässiger Weise sichergestellt werden sollen, dass die sich aus § 613 a BGB ergebende Vorgabe beachtet werde. Eine zivilrechtliche Angelegenheit dürfe jedoch nicht zum Gegenstand eines öffentlich-rechtlichen Verfahrens gemacht werden.

12

Die Klägerin hat am 4. Juni 1999 Klage erhoben.

13

Sie hat zunächst mit Schriftsatz vom 15. September 1999 zur Begründung vorgetragen, eine Betriebsstilllegung liege nicht vor. Vielmehr sprächen für eine Betriebsfortsetzung in Form eines Betriebsübergangs gemäß § 613 a BGB mehrere Indizien. Nach dem Konkurs ihres Arbeitgebers sei sofort die Firma R-GmbH entstanden, welche im gleichen Geschäftsfeld wie ihr früherer Arbeitgeber tätig sei und ihren Betriebssitz auf dem ursprünglichen Betriebshof ihres früheren Arbeitgebers habe. Sie nutze darüber hinaus das frühere Büro und habe den Geschäftsbetrieb unmittelbar nach Konkurs ihres Arbeitgebers fortgesetzt. Sie habe weiterhin ab dem 2. Juni 1997 15 Mitarbeiter ihres früheren Arbeitgebers übernommen und diverse Maschinen weiter genutzt. Da die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 613 a BGB vorlägen, müsse sie in dem neuen Betrieb weiter beschäftigt werden. Selbst wenn man aber annehme, dass wegen des Konkurses ihres Arbeitgebers ein besonderer Fall im Sinne des § 9 MuSchG vorläge, wäre die Entscheidung des Beklagten rechtswidrig, da kein Ermessen ausgeübt worden sei.

14

Mit Schriftsatz vom 7. Dezember 1999 hat die Klägerin ihren Vortrag dahingehend ergänzt, dass die Firma R.  ihre Geschäftstätigkeit spätestens am 1. Juni 1997, also vor Konkurseröffnung, aufgenommen habe. Mit dem Beigeladenen müssten insoweit Absprachen erfolgt sein bezüglich der Übernahme der Mieträumlichkeiten und des Maschinenparks sowie weiteren Inventars. Die kurze Einstellung des Betriebes vom 20. Mai 1997 bis zum 1. Juni 1997 reiche für die Annahme einer Betriebseinstellung nicht aus. Soweit sie die Indizien für einen Betriebsübergang dargelegt habe, habe sie verdeutlichen wollen, dass besondere Umstände, die eine Zustimmung zur Kündigung ermöglichen würden, nicht gegeben seien. Voraussetzung für die Erteilung einer Zustimmung zur Kündigung gemäß § 9 MuSchG sei, dass der Betrieb stillgelegt werde. Eine Betriebsstilllegung liege hier aber nicht vor.

15

Mit Schriftsatz vom 31. Januar 2000 trägt die Klägerin schließlich vor, ein Betriebsübergang liege inzwischen unstreitig nicht vor. Die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB seien von ihr nur beispielhaft angeführt worden. Der Betrieb sei nicht untergegangen, sondern sei fortgesetzt worden mit der Folge, dass ihr Arbeitsverhältnis mit dem Beigeladenen noch existent sei.

16

Die Klägerin beantragt,

17

den Bescheid des Beklagten vom 1. August 1997 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung H. vom 7. Mai 1999 aufzuheben.

18

Der Beklagte beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Er nimmt Bezug auf die angefochtenen Bescheide sowie ein Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 13. Juli 1999 - 5 A 5293/98 - und führt ergänzend aus, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin in dem übernehmenden Betrieb kraft Gesetzes weiter bestünde, wenn eine eventuelle rechtsgeschäftliche Übernahme des Betriebes gegeben sei. Für diesen Fall wäre die erteilte Zustimmung zur Kündigung gegenstandslos.

21

Der Beigeladene beantragt,

22

die Klage abzuweisen.

23

Er trägt vor, dass die Voraussetzungen für einen Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB nicht vorlägen. Er habe zu keinem Zeitpunkt wie auch immer geartete Verhandlungen geschweige denn Rechtsgeschäfte mit der Firma R- GmbH oder der Firma R-VerwaltungsGmbH getätigt. Zwar sei zutreffend, dass sich in den vormaligen Betriebsräumen der Gemeinschuldnerin Mitarbeiter des Gemeinschuldnerunternehmens nach Konkurseröffnung selbstständig gemacht und mit einem Teil der verbliebenen Mitarbeiter der Gemeinschuldnerin einen Teilbereich fortgeführt hätten. Jedoch habe es zu keinem Zeitpunkt irgendwelche vertraglichen Vereinbarungen zwischen ihm und den vorgenannten Mitarbeitern gegeben. Aufgrund der zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung bereits erfolgten Betriebsstilllegung habe er sämtlichen Mitarbeitern unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gekündigt. Weiterhin habe die Gemeinschuldnerin ihren Geschäftsbetrieb in gemieteten Räumlichkeiten ausgeübt und habe die Vermieterin bereits vor Konkursantragstellung das Mietverhältnis mit der Gemeinschuldnerin fristlos am 16. Mai 1997 gekündigt. Auch habe er entgegen dem Vortrag der Klägerin keine "diversen Maschinen" auf eine Nachfolgegesellschaft übertragen, sondern habe mit der Verwertung der noch vorhandenen Gerätschaften den Versteigerer B. beauftragt. Offensichtlich hätten die vormaligen Mitarbeiter der Gemeinschuldnerin Maschinen direkt von diesem Versteigerer erworben. Er habe schließlich zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung keinen funktionsfähigen Betrieb oder Betriebsteil vorgefunden, mit dem ein Betriebsübergang hätte vollzogen werden können. Zum Zeitpunkt der Anordnung der Sequestration sei der Betrieb der Gemeinschuldnerin vollständig eingestellt gewesen.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen. Gegenstand der Entscheidung sind insbesondere auch der Inhalt der Gerichtsakte des Arbeitsgerichts Hannover 6 Ca 599/97 und der Konkursgerichtsakte des Amtsgerichts L. 7 N 28/97, soweit sie sich in Kopie bei der hiesigen Gerichtsakte finden (Bl. 70 bis 81 und 84 bis 98).

Entscheidungsgründe

25

Die Klage der Klägerin ist zulässig. Sie ist als Anfechtungsklage gerichtet auf Aufhebung eines den Beigeladenen begünstigenden Verwaltungsaktes, der die Klägerin als Dritte belastet.

26

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid vom 1. August 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 1999 ist rechtmäßig.

27

Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Erklärung der Zulässigkeit der Kündigung der Klägerin ist § 9 Abs. 3 Satz 1 MuSchG. Zwar ist die Klägerin zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 7. Mai 1999 bereits seit geraumer Zeit im Erziehungsurlaub gewesen. Das Gericht ist jedoch der Ansicht, dass in Fällen wie dem vorliegenden die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides nicht maßgeblich sein kann. Allerdings ist die Frage des maßgeblichen Zeitpunkts bei der Beurteilung von Verwaltungsakten in Literatur und Rechtsprechung äußerst umstritten (vgl. zum Streitstand lediglich Kopp, VwGO, 12. Aufl. 2000, § 113 Rdnr. 29 ff.). Vorherrschend ist allerdings die Feststellung, dass das materielle Recht ausschlaggebend ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 7. März 1991 - 5 B 114.89 -, ZfSH/SGB 1991, S. 311; vgl. auch wiederum die Nachweise bei Kopp, a.a.O.).

28

Das materielle Recht stellt sich in Fällen einer Zulässigkeitserklärung nach § 9 Abs. 3 Satz 1 MuSchG wie folgt dar: Wird einer Arbeitnehmerin, welche unter den Schutzbereich des § 9 Abs. 1 MuSchG fällt, gekündigt, ohne dass die Kündigung zuvor gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 MuSchG für zulässig erklärt worden ist, ist diese Kündigung unwirksam. Sie muss nach Erklärung ihrer Zulässigkeit in jedem Fall wiederholt werden. Wird die Erklärung nach § 9 Abs. 3 Satz 1 MuSchG mit einem Widerspruch angefochten, ist die zeitlich der Erklärung nachfolgende Kündigung schwebend wirksam bis zur Bestandskraft der Zulässigkeitserklärung (vgl. nur LAG Rh.-Pf., Entsch. v. 14. Februar 1996 - 2 Sa 1081/95 -, juris; Meisel/Sowka, Mutterschutz und Erziehungsurlaub, 5. Aufl. 1999, § 9 MuSchG Rdnr. 111). Mit der Bestandskraft der Zulässigkeitserklärung wird die Kündigung wirksam ab dem Zeitpunkt ihres Zugangs bei der Arbeitnehmerin.

29

Insbesondere diese materiell-rechtlich vorgegebene zeitliche Reihenfolge von Zulässigkeitserklärung und Kündigung führt nach Ansicht des Gerichts zu der Konsequenz, entweder auf den Zeitpunkt des Erlasses der Erklärung nach § 9 Abs. 3 Satz 1 MuSchG oder - spätestens - auf denjenigen des Zugangs der Kündigung abzustellen, nicht aber den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides oder denjenigen der mündlichen Verhandlung als streitentscheidend anzusehen. Weiterhin erscheint es verfehlt, bei der gerichtlichen Kontrolle einer Zulässigkeitserklärung Sach- und Rechtsänderungen zu berücksichtigen, die nach dem Zugang der Kündigung bei der Arbeitnehmerin eingetreten sind. Entscheidend kann nur die Sach- und Rechtsgrundlage der Kündigung sein, denn deren Wirksamkeit soll schließlich - rückwirkend - hergestellt werden (so auch BVerwG, Beschl. v. 7. März 1991, a.a.O., hinsichtlich der Zustimmungserklärung zur Kündigung eines Schwerbehinderten; sowie OVG NW, Urteil vom 23. Januar 1992 - 13 A 297/91 -, juris).

30

Die Entscheidung, ob der Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheides - hier der 1. August 1997 - oder der des Zugangs der Kündigung - hier der 12. August 1997 - maßgebend ist, kann im Weiteren dahin stehen, da Sach- und Rechtslage in dem sich ergebenden Zeitrahmen nicht auseinander fielen.

31

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG ist die Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung grundsätzlich unzulässig. Gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 MuSchG kann allerdings die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle in besonderen Fällen, die nicht mit dem Zustand einer Frau während der Schwangerschaft oder ihrer Lage bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung in Zusammenhang stehen, ausnahmsweise die Kündigung für zulässig erklären.

32

Der Beklagte war nach Ziff. 5.5 und 5.8.1 der Anlage 2 zur Verordnung über die Regelung von Zuständigkeiten im Gewerbe- und Arbeitsschutzrecht sowie in anderen Rechtsgebieten (ZustVO GewAR 1991 vom 12. Dezember 1990, Nds. GVBl. S. 491) zuständig für die Erklärung der Zulässigkeit der Kündigung der Klägerin.

33

Zum Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheides am 1. August 1997 und zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung war eine Kündigung der Klägerin gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG grundsätzlich ausgeschlossen, da die Klägerin schwanger war.

34

Der Beklagte konnte die Kündigung allerdings für zulässig erklären, denn es lag ein "besonderer Fall" im Sinne des § 9 Abs. 3 Satz 1 MuSchG vor.

35

Ein besonderer Fall ist anzunehmen, wenn außergewöhnliche Umstände das Zurücktreten der vom Gesetz als vorrangig angesehenen Interessen der Schwangeren hinter die des Arbeitgebers rechtfertigen (seit BVerwG, Urt. v. 18. August 1977 - 5 C 8.77 -, Buchh. 436.4 § 9 MuSchG Nr. 5). Dabei kennzeichnet die Stilllegung eines Betriebes in aller Regel eine Lage, in der die Interessen des Arbeitgebers an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses während der in § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG bestimmten Schutzfrist Vorrang vor dem Interesse der Arbeitnehmerin an der Erhaltung ihres Arbeitsplatzes gebührt. Die Schließung eines Betriebes bewirkt, dass für die Zukunft eine Beschäftigungsmöglichkeit nicht mehr besteht; der Arbeitnehmer kann seiner Verpflichtung, Arbeit zu leisten, nicht mehr nachkommen. Da aber die wesentliche Verpflichtung des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis die Zahlung von Lohn als Gegenleistung für vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeit ist, bewirkt eine Betriebsstilllegung, dass eine wesens- und sinngerechte Fortsetzung der Rechtsbeziehungen aus tatsächlichen Gründen unmöglich wird (BVerwG, Urt. v. 18. August 1977, a.a.O.).

36

Dass eine Betriebsstilllegung grundsätzlich geeignet ist, einen "besonderen Fall" im Sinne des Mutterschutzgesetzes darzustellen, wird soweit ersichtlich auch von den Beteiligten nicht in Frage gestellt. Die Beteiligten streiten allein um die Frage, ob hinsichtlich des Betriebes der Firma K. Bauunternehmen GmbH & Co. eine Stilllegung tatsächlich vorliegt. Ob eine solche Tatsachenfrage allerdings in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren über die Rechtmäßigkeit einer Erklärung nach § 9 Abs. 3 Satz 1 MuSchG überhaupt abschließend zu klären ist, ist in der Rechtsprechung umstritten.

37

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung im Jahre 1977 (a.a.O.) allerdings ausgeführt, dass im Falle einer Teilstilllegung oder der Stilllegung eines Betriebes, welcher Teil eines im Übrigen fortbestehenden Unternehmens sei, gerichtlicherseits festzustellen sei, ob die Arbeitnehmerin in dem Unternehmen anderweitig beschäftigt werden könne. Mit der Feststellung, das Oberverwaltungsgericht habe seiner Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, in dieser Hinsicht nicht genügt und es im angefochtenen Urteil an ausreichenden tatsächlichen Feststellungen fehlen lassen, hat das Bundesverwaltungsgericht ehemals das Verfahren zur Aufklärung in tatsächlicher Hinsicht zurück verwiesen. Unter Bezugnahme auf dieses Urteil hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in einem Urteil vom 8. August 1997 (24 A 1763/94) die Frage, ob die dortige Klägerin nach Stilllegung eines Betriebsteiles hätte umgesetzt werden können, unter Verwendung einer Beweisaufnahme des Arbeitsgerichtes einer eigenen Entscheidung zugeführt.

38

Die Annahme eines solchen Prüfungsmaßstabes überzeugt zumindest in Verfahren wie dem Vorliegenden, in denen es nicht um eine Umsetzung geht, sondern eine Betriebsstilllegung in Frage steht, jedoch nicht. Es kann weder der gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 MuSchG zuständigen Behörde noch dem Verwaltungsgericht obliegen, rechtsverbindlich zu klären, ob das Arbeitsverhältnis möglicherweise noch besteht und - oder - auf einen neuen Arbeitgeber übergegangen ist. Dies muss allein in die Prüfungskompetenz des Arbeitsgerichtes als sachnäherem Gericht fallen, wobei der Arbeitgeber das Risiko dafür trägt, dass er nach Auffassung des Arbeitsgerichts überhaupt noch Arbeitgeber und damit berechtigt ist, eine Kündigung auszusprechen (vgl. VG Braunschweig, Urt. v. 13. Juli 1999 - 5 A 5293/98 -; VG Berlin, Urt. v. 21. März 1995 - 8 A 187.94 -, juris). Wenn sich eine Arbeitnehmerin in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren gegen die Erklärung der Zulässigkeit ihrer Kündigung gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 MuSchG wendet und zugleich ein arbeitsgerichtliches Kündigungsschutzverfahren betreibt, widerspricht es jeder zu fordernden Verfahrensökonomie, wenn in beiden Verfahren - unter Umständen nach umfangreichen Beweisaufnahmen - dieselben Tatsachen entscheidungserheblich festgestellt werden müssten. Die Feststellungen hinsichtlich einer Betriebsstilllegung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren würden schließlich ad absurdum geführt, wenn das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis käme, eine Betriebsstilllegung zu bejahen und die Erklärung gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 MuSchG für rechtmäßig zu erachten und das Arbeitsgericht im Kündigungsschutzverfahren davon abweichend nach eigenen Feststellungen die Kündigung aufhebt mit der Begründung, dass eine Betriebsstilllegung nicht vorläge. Insbesondere aber auch mit Blick auf die Konstellation, dass im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Erklärung der Zulässigkeit einer Kündigung mit der Begründung aufgehoben wird, eine Betriebsstilllegung liege nicht vor und im arbeitsgerichtlichen Verfahren daraufhin die Kündigungsschutzklage allein mit der Begründung - und ohne zu der Frage der Betriebsstilllegung eine Sachentscheidung überhaupt zu treffen - abgewiesen werden müsste, dass es an der Erklärung gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 MuSchG fehle, wird in der Rechtsprechung nach Ansicht des Gerichts überzeugend vertreten, dass für die Entscheidung über die Erklärung der Zulässigkeit einer Kündigung allein auf den vom Arbeitgeber vorgetragenen Sachverhalt abzustellen sei (vgl. VG Braunschweig, a.a.O.; VG Berlin, a.a.O.; VG Hannover, Urt. v. 17. September 1996 - 3 A 1792/95.Hi - hinsichtlich der Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbehinderten). Etwas anderes soll allein dann gelten, wenn ein Betriebsübergang evident ist (wie eben).

39

Die Zugrundelegung des arbeitgeberseitig vorgetragenen Sachverhalts beschneidet in Fällen wie dem Vorliegenden auch nicht die Rechtsschutzmöglichkeiten der Klägerin. Der Streit über den Kündigungsgrund der Betriebsstilllegung wird im einem Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht dann zu klären sein, wenn im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Erklärung der Zulässigkeit der Kündigung nicht aus Gründen des Mutterschutzes aufgehoben worden ist. Eine Arbeitnehmerin im Mutterschutz vor einem vorgetäuschten Kündigungsgrund zu schützen, ist weder Aufgabe der für die Erklärung nach § 9 MuSchG zuständigen Behörden noch der Verwaltungsgerichte (vgl. BVerwG, Urt. v. 2. Juli 1992 - 5 C 39.90 -, BVerwGE 90, 275, 283 zum Kündigungsschutz von Schwerbehinderten bei vorgetäuschten Kündigungsgründen). Denn der Gefahr, mit vorgetäuschten Kündigungsgründen überzogen zu werden, ist auch der Arbeitnehmer ausgesetzt, der sich nicht im Mutterschutz befindet. Letzterem steht aber allein die Möglichkeit der Kündigungsschutzklage vor den Arbeitsgerichten offen.

40

Für diese Auffassung spricht schließlich, dass durch die Erklärung der Zulässigkeit nach § 9 MuSchG deren Gegenstand bestimmt wird. Sollte sich in einem anschließenden arbeitsgerichtlichen Verfahren herausstellen, dass die bei Erteilung der Zulässigkeitserklärung zugrunde gelegte Annahme einer Betriebstilllegung falsch gewesen ist und der Betrieb noch existiert oder aber übergegangen ist, wäre die Zulässigkeitserklärung offenkundig gegenstandslos.

41

Der dargestellten Auffassung entsprechend ist für den vorliegenden Fall zunächst festzustellen, dass ein Betriebsübergang zumindest nicht offensichtlich ist. Dies zeigt bereits der Streit zwischen den Beteiligten. Im Weiteren verdeutlicht es aber auch der Vortrag der Klägerin im gesamten Verfahren. Dieser ging zunächst sowohl in ihrem Widerspruch vom 21. August 1997 als auch in ihrem Schriftsatz vom 15. September 1999 missverständlich dahin, unter ständiger Bezugnahme auf § 613a BGB einen Betriebsteilübergang - also den Übergang eines Teils des Betriebes des ursprünglichen Arbeitgebers auf einen neuen Betriebsinhaber - zu behaupten. In ihrem Schriftsatz vom 7. Dezember 1999 schränkte die Klägerin sodann ihren Vortrag dahingehend ein, dass eine Betriebsstilllegung nicht vorliege. In ihrem Schriftsatz vom 31. Januar 2000 wechselte die Klägerin schließlich dazu über, dass sie nunmehr die Fortführung des alten Betriebes behauptet.

42

Nach dem Vortrag des Beigeladenen aber ist der Betrieb des früheren Arbeitgebers der Klägerin insgesamt stillgelegt. Der Betrieb ist am 16. Mai 1997 eingestellt und es ist für ihn am 20. Mai 1997 der Konkurs beantragt worden. Die Firma R.  führt ihren Betrieb auch nicht in Betriebsräumen weiter, die im Eigentum der früheren Firma K. standen, sondern hat offensichtlich lediglich die Räumlichkeiten, die früher von der Firma K. gemietet waren, ihrerseits angemietet. Schließlich ist die Firma R.  nicht in die Arbeitsverträge der Firma K. mit deren Mitarbeitern eingetreten, sondern hat vielmehr mit einem Teil der früheren Mitarbeiter der Firma K. neue Arbeitsverträge abgeschlossen, nachdem Arbeitsverhältnisse mit der in Konkurs gegangenen Firma K. nicht mehr bestanden.

43

Schließlich lässt zumindest der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung H. vom 7 Mai 1999 erkennen, dass eine Ermessensentscheidung getroffen worden ist. Ermessensfehler sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

44

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Auch entspricht es der Billigkeit im Sinne des § 161 Abs. 2 VwGO, die Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, denn mit der Stellung eines eigenen Sachantrags hat sich der Beigeladene seinerseits einem Kostenrisiko ausgesetzt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.