Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 27.08.2002, Az.: 4 A 101/00
Finanzhilfe; Kindergartenförderung; Kindertagesstätte
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 27.08.2002
- Aktenzeichen
- 4 A 101/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 43530
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 5 KTagStG ND
- § 6 KTagStG ND
- § 80 Abs 1 S 2 SGB 8
Tatbestand:
Der Kläger, ein Mitglied des Paritätischen Niedersachsen, begehrt von dem Beklagten für die Jahre 2000 und 2001 einen Zuschuss für den in A. betriebenen Waldkindergarten. Der Kindergarten wurde 1998 gegründet. Zum Betrieb einer Vormittagsgruppe mit höchstens 15 Kindern als Modellvorhaben (§ 11 Abs. 2 KiTaG in der damals geltenden Fassung) erteilte das Niedersächsische Landesjugendamt dem Kläger zunächst mit Bescheid vom 20. Oktober 1998 mit Wirkung vom 1. Oktober 1998 eine bis zum 31. Januar 2001 befristete Erlaubnis. Mit Bescheid vom 23. September 1999 erteilte das Niedersächsische Landesjugendamt die Betriebserlaubnis mit Wirkung vom 1. September 1999 an unbefristet.
Der Kindergarten ist auf einem Waldgelände der Gemeinde A. gelegen. Mit dieser schloss der Kläger am 7. Oktober 1998 einen Vertrag, in dem es u.a. heißt:
"§ 3
Die regelmäßige Betreuungszeit der Einrichtung ist mindestens von montags bis freitags von 8:00 - 12:00 Uhr. Grundsätzlich werden nur Kinder aufgenommen, die ihren Wohnsitz in der Gemeinde A. haben. Die Gemeinde behält sich ein Vorschlagsrecht für die Belegung von 3 Plätzen vor. Dieses Vorschlagsrecht kann in einer Nebenabrede geregelt werden...."
§ 4
Die Gemeinde verpflichtet sich, dem Verein für die Laufzeit des Vertrages einen jährlichen Zuschuss zu den Betriebskosten zu gewähren...
Weiter verpflichtete sich die Gemeinde A. in § 5 des Vertrages, dem Kläger monatlich einen Zuschuss zu den ungedeckten Betriebskosten in Höhe von zunächst 200,91 DM für jedes Kind zu zahlen, das seinen Hauptwohnsitz in der Gemeinde A. hat, wobei die Erhöhung des Zuschusses in der Folgezeit vereinbart wurde. In dem hier streitigen Zeitraum betrug der monatliche Zuschuss je Kind 207,14 DM.
In dem Kindertagesstättenbedarfsplan des Beklagten für die Kindergartenjahre 1997/98 bis 2002/2003, der von dem Kreisausschuss des Beklagten mit Beschluss vom 2. März 1999 zustimmend zur Kenntnis genommen wurde, ist der Kindergarten des Klägers nicht enthalten. In dem derzeit vorliegenden Entwurf für eine Fortschreibung ist er im Bestandsverzeichnis nicht aber im Bedarfsteil aufgeführt.
Am 29. Dezember 1999 beantragte der Kläger für das Jahr 2000 Förderung durch Übernahme des zu erwartenden Defizits, das er auf 16.980,-- DM bezifferte. Derzeit würden 15 Kinder aus dem Gebiet des Beklagten betreut. Davon wohnten 12 Kinder in der Gemeinde A., drei Kinder stammten aus Nachbargemeinden, eines aus dem Landkreis B..
Mit Bescheid vom 31. Januar 2000 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Der Bedarf an Kindergartenplätzen könne im Jahr 2000 ohne den Kindergarten des Klägers gedeckt werden. Wenn Eltern sich dafür entschieden, das Angebot der örtlichen bzw. örtlich zuständigen Kindergärten nicht anzunehmen, sondern ihre Kinder in den Waldkindergarten schickten, müssten sie die finanziellen Konsequenzen selbst tragen. Dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe könne dies nicht angelastet werden. Bei dem Waldkindergarten handele es sich um ein besonderes Angebot, d.h. Eltern könnten nicht darauf verwiesen werden, ihre Kinder in diesen Kindergarten zu schicken. Der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz beziehe sich nicht auf eine bestimmte Grundrichtung der Erziehung. Dies bedeute, dass er, der Beklagte, nicht verpflichtet sei, finanzielle Leistungen für die Betreuung der Kinder im Waldkindergarten zu erbringen, weil ortsnah bzw. in zumutbarer Entfernung ein Kindergarten besucht werden könne. Weiter beschränke § 5 KiTaG das Wunsch - und Wahlrecht der Eltern auf wohnortnahe Einrichtungen. Wenn der Kindergarten des Klägers praktisch für Kinder aus dem gesamten Kreisgebiet offen stehe, könne von einer ortsnahen Betreuung nicht gesprochen werden.
Der Kläger erhob am 1. März 2000 Widerspruch. Er begehre Gleichbehandlung mit den sonstigen kommunalen Kindertagesstätten. Es sei fehlerhaft, den Kindertagesstättenbedarfsplan auf die Plätze zu beschränken, die zur Abdeckung des Rechtsanspruches auf einen Kindergartenplatz erforderlich seien. Im Übrigen sei in der Planung der Bedarf entsprechend den Wünschen und Interessen der Eltern und Kinder festzustellen. Diese Wünsche seien hier eindeutig. Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts müssten die Bedarfszahlen zwar ortsteilbezogen abgewickelt werden, dies schließe aber grenzüberschreitende Lösungen im Einzelfall nicht aus, weil nur so dem Wunsch - und Wahlrecht Rechnung getragen werden könne. Das Wunsch - und Wahlrecht beschränke sich auch nicht auf eine ortsnahe Versorgung.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 19. April 2000 zurück. Der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz könne auch ohne den Waldkindergarten erfüllt werden. In der Gemeinde A. hielten das Deutsche Rote Kreuz und die Ev. Luth. Kirchengemeinde insgesamt 193 Kindergartenplätze vor, davon 150 Vormittagsplätze. Derzeit seien 192 Plätze belegt. Die Gemeinde A. habe erklärt, sie könne - falls dies notwendig sei - jederzeit kurzfristig eine Nachmittagsgruppe für 25 Kinder oder eine sogenannte 10er Gruppe einrichten. Es bestehe jedoch kein Anlass, diese Plätze neu zu schaffen, solange eine bestimmte Anzahl von Eltern freiwillig das Betreuungsangebot des Waldkindergartens in Anspruch nähmen. Wenn diese Eltern sich dazu entschlossen hätten, das vorhandene bzw. jederzeit erweiterbare Angebot der beiden bestehenden Regelkindergärten nicht anzunehmen, sei dies ihre freie Entscheidung, deren finanzielle Konsequenzen sie selbst tragen müssten. Die Bereitschaft der Gemeinde A., den Waldkindergarten zu fördern, binde ihn, den Beklagten, nicht. Zwar habe die Gemeinde nach der mit ihm geschlossenen Vereinbarung vom 19. Juli 1994 die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen als Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises übernommen, seine, des Beklagten, Verpflichtung nach § 79 Abs. 1 SGB VIII bleibe hiervon aber ausdrücklich unberührt.
Am 28. August 2000 beantragte der Kläger bei dem Beklagten für das Jahr 2001 Förderung in Höhe des anfallenden Betriebskostendefizits. Darüber hat der Beklagte bis heute nicht entschieden.
Der Kläger hat wegen der für das Jahr 2000 begehrten Förderung am 22. Mai 2000 und wegen der für das Jahr 2001 begehrten Förderung am 14. Februar 2001 Klage erhoben.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor:
Er habe Anspruch auf Förderung. Der Beklagte habe den Waldkindergarten zu Unrecht nicht in seinen Bedarfsplan aufgenommen. Die Einrichtung werde seit mehreren Jahren betrieben. Sie werde regelmäßig fast ausschließlich von Kindern aus dem Gebiet des Beklagten besucht. Sie sei nicht nur von den Eltern gewünscht, sondern auch zur Deckung des Bedarfs erforderlich gewesen, weil es in der Gemeinde A. keine leerstehenden Plätze gegeben habe. Auch der Vertrag mit der Gemeinde A. zeige, dass diese den Kindergarten für erforderlich gehalten habe. Soweit der Beklagte anführe, er sei jederzeit in der Lage, das bestehende Angebot in den Regelkindergärten zu erweitern, verstoße dies gegen § 4 Abs. 2 SGB VIII. Das im Jahr 2000 entstandene Defizit beziffert der Kläger auf 4.836,74 DM (2472,99 €), das Defizit für 2001 betrage 4.448,58 DM (2.274,51 €).
Der Kläger beantragt,
1. den Bescheid des Beklagten vom 31. Januar 2000 und den Widerspruchsbescheid vom 19. April 2000 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über seinen Antrag auf Defizitausgleich der Betriebskosten der von ihm betriebenen Kindertagesstätte für das Jahr 2000 erneut zu entscheiden und dabei die Rechtsauffassung des Gerichts zu beachten,
2. den Beklagten zu verpflichten, über seinen Antrag vom 24. August 2000 auf Förderung der von ihm betriebenen Kindertagesstätte für das Jahr 2001 zu entscheiden und dabei die Rechtsauffassung des Gerichts zu beachten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seinen bisherigen Vortrag. Ergänzend trägt er vor:
Nur weil die Gemeinde A. den Kindergarten des Klägers fördere, bedeute dies nach ihrer Aussage nicht, dass sie die Einrichtung als erforderlich ansehe. Wenn einige Eltern ihre Kinder in den Waldkindergarten schickten, müsse er, der Beklagte, daraus keine Konsequenzen ziehen. Berücksichtige man die Kinder, die den Waldkindergarten besuchen, liege allerdings in der Gemeinde A. rein rechnerisch eine Unterdeckung von 12 Plätzen vor. Hätten die fraglichen Eltern ihre Ansprüche auf einen Kindergartenplatz ihm gegenüber geltend gemacht, hätte er in Absprache mit der Gemeinde A. dafür Sorge getragen, dass die Kinder einen Platz in einem der vorhandenen Regelkindergärten erhielten. Dazu sei die Gemeinde A. ohne Weiteres in der Lage gewesen, denn sie hätte kurzfristig neue Kapazitäten schaffen können. Da die betreffenden Eltern sich zum Waldkindergarten orientiert hätten, habe dafür aber kein Anlass bestanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die im Gerichtsverfahren gewechselten Schriftsätze und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Es haben weiter die Gerichtsakten 4 A 163/99, 4 A 243/99 und 4 B 111/00 nebst Beiakten vorgelegen. Weiter haben die Akten 4 A 53/00 und 4 A 60/01 vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist - soweit sie das Jahr 2001 betrifft als Untätigkeitsklage - zulässig und begründet.
Der Kläger hat für die Jahre 2000 und 2001 Anspruch auf Förderung der von ihm betriebenen Kindertagesstätte. Rechtsgrundlage hierfür ist § 74 SGB VIII. Nach § 74 Abs. 1 SGB VIII sollen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe die freiwillige Tätigkeit auf dem Gebiet der Jugendhilfe anregen; sie sollen sie fördern, wenn der jeweilige Träger 1. die fachlichen Voraussetzungen für die geplante Maßnahme erfüllt, 2. die Gewähr für eine zweckentsprechende und wirtschaftliche Verwendung der Mittel bietet, 3. gemeinnützige Ziele verfolgt, 4. eine angemessene Eigenleistung erbringt und 5. die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit bietet. Eine auf Dauer angelegte Förderung setzt in der Regel die Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe nach § 75 SGB VIII voraus. Gem. § 74 Abs. 3 SGB VIII entscheidet der Träger der öffentlichen Jugendhilfe über die Art und Höhe der Förderung im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel nach pflichtgemäßem Ermessen.
Der Kläger ist Mitglied des Paritätischen Niedersachsen und damit selbst anerkannter Träger der freien Jugendhilfe. Er erfüllt unstreitig die Voraussetzungen des § 74 Abs. 1 SGB VIII, so dass der Beklagte gem. § 74 Abs. 3 SGB VIII nach pflichtgemäßem Ermessen über die Förderung zu entscheiden hat. Die Förderung setzt dabei eine Jugendhilfeplanung nach § 80 SGB VIII nicht voraus. Liegt eine derartige Planung vor, ist sie Grundlage einer Förderungsentscheidung und bei der Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit zu berücksichtigen (BVerwG, Beschl. v. 30.12.1996 - 5 B 27.96 - FEVS 47, 529). Wurde der Kindergarten in den Bedarfsplan nach § 80 SGB VIII i.V. mit dem KiTaG aufgenommen, um den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz zu erfüllen, ist das Ermessen regelmäßig dahingehend reduziert, dass eine Förderung zu erfolgen hat, wenn die Einrichtung für die Bedarfsdeckung tatsächlich erforderlich ist. Zu einer Ermessensreduzierung in diesem Sinne führt es auch, wenn die Aufnahme der Kindertagesstätte in den Bedarfsplan des Jugendhilfeträgers gemessen an den gesetzlichen Planungsvorgaben zu Unrecht unterblieben ist (Nds.OVG, Beschl. v. 12.1.1999, - 4 M 1528/98 -, NdsRpfl. 1999, 155).
Dies war hier der Fall. Soweit der für die umstrittenen Jahre 2000 und 2001 geltende Kindergartenbedarfsplan des Beklagten vom März 1999 den Kindergarten des Klägers nicht berücksichtigt, ist die Planung mit den gesetzlichen Leitlinien der Planung nicht vereinbar, die sich aus § 6 KiTaG (in der Fassung vom 4.8.1999, Nds.GVBl. S. 309) sowie aus § 80 SGB VIII ergeben.
Nach § 80 Abs. 1 SGB VIII haben die Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen ihrer Planungsverantwortung (§ 79 Abs. 1 SGB VIII) u.a. den Bedarf unter Berücksichtigung der Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen und der Personensorgeberechtigten für einen mittelfristigen Zeitraum zu ermitteln (Nr. 2) und die zur Befriedigung des Bedarfs notwendigen Vorhaben rechtzeitig und ausreichend zu planen; dabei ist Vorsorge zu treffen, dass auch ein unvorhergesehener Bedarf befriedigt werden kann (§ 80 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII).
Der Bedarf im Sinne des § 80 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII wird nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (allein) durch die Nachfrage bestimmt, wobei diese Nachfrage allerdings einen bestimmten Umfang und eine bestimmte Dauer erreichen muss (vgl. Beschl. v. 12.1.1999, - 4 M 1528/98 -, NdsRpfl. 1999, 155 m.w.N.). Folgt man dem, so bestand hier für die von dem Kindergarten des Klägers vorgehaltenen Plätze ein tatsächlicher Bedarf. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die dem Kläger erteilte Betriebserlaubnis nur auf den Betrieb einer Gruppe mit 15 Kindern erstreckt. Seit der Eröffnung des Waldkindergartens im Oktober 1998 waren diese Plätze regelmäßig nahezu belegt und wurden dabei von mindestens 10 Kindern aus dem Gebiet des Beklagten, insbesondere von Kindern aus der Gemeinde A. besucht. Nach den im Verfahren 4 A 163/99 von dem Kläger vorgelegten Zahlen waren es ab Oktober 1998 acht Kinder aus A. und zwei aus C.. Ein Kind stammte aus dem Landkreis B.. Ab April 1999 besuchten 11 Kinder allein aus A. den Kindergarten des Klägers und im Jahr 2000 13 Kinder aus A..
Nach der zu § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist hingegen der "Bedarf" nicht nur faktisch im Sinne einer bloßen Nachfrage zu verstehen, sondern als normativer Begriff, der im Zusammenhang mit der Gesamtverantwortung des Jugendhilfeträgers (§ 79 SGB VIII) und im Rahmen seiner Planungsverantwortung nach § 80 Abs. 1 und 2 SGB VIII zu bestimmen ist (Urt. v. 27.1.2000 - 5 C 19/99 - BVerwGE 110, 320). Es kann offen bleiben, inwieweit diese Rechtsprechung auf den Begriff des "Bedarfs" im Sinne des § 80 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII übertragen werden kann. Auch bei einem erweiterten Verständnis des genannten Rechtsbegriffs ist die vorliegende Entscheidung des Beklagten, den Kindergarten des Klägers bei der Planung nicht zu berücksichtigen, gemessen an deren gesetzlichen Vorgaben rechtsfehlerhaft.
Die Kindergartenbedarfsplanung hat vor allem mit Blick auf den aus § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII i.V. mit § 5 Abs. 1 KiTaG folgenden Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz zu erfolgen. Der Anspruch richtet sich auf einen Platz in einer Vormittagsgruppe eines Kindergartens oder einer dem Kindergarten entsprechenden Kleinen Kindertagesstätte; die örtlichen Träger haben darauf hinzuwirken, dass ein ausreichendes Angebot an Vormittagsplätzen zur Verfügung steht, das insbesondere den Bedarf jener Kinder deckt, die wegen einer besonderen sozialen Situation einen Vormittagsplatz benötigen (§ 5 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 KiTaG). Weiter sind als Ausprägung des allgemeinen Wunsch - und Wahlrechts (§ 5 Abs. 1 SGB VIII) bei der Bedarfsermittlung die Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen und der Personensorgeberechtigten zu berücksichtigen (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII).
Diese Planungsvorgaben hat der Beklagte nicht hinreichend beachtet. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die in der Gemeinde A. in den fraglichen Jahren vorhandenen zwei Kindergärten nicht ausreichten, um die der Anzahl nach notwendigen Plätze zur Verfügung zu stellen. Dies hat der Beklagte in dem Verfahren selbst ausdrücklich eingeräumt. Dabei kommt es an dieser Stelle zunächst auf die tatsächlich vorhandenen Plätze an, unerheblich ist, ob neue Plätze geschaffen werden könnten. Wenn der Beklagte bei einem derart ausgewiesenen Platzdefizit die im Kindergarten des Klägers vorhandenen und regelmäßig auch von Kindern aus seinem Landkreis, vor allem aus der Gemeinde A. genutzten Plätze nicht berücksichtigen wollte, hätte dies einer gemessen an den gesetzlichen Planungsleitlinien tragfähigen Begründung bedurft.
Daran fehlt es hier. Die Gründe, aus denen der Beklagte von einer Aufnahme des Waldkindergartens in seinen Bedarfsplan abgesehen hat, sind mit den aus dem Gesetz folgenden Vorgaben der Planung nicht vereinbar. Der Beklagte ist zunächst der Auffassung, er brauche die Plätze wegen des besonderen Erziehungskonzepts des Waldkindergartens nicht zu berücksichtigen, auch, weil sie nicht geeignet seien, den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz zu erfüllen. Hierbei berücksichtigt er nicht das in § 5 Abs. 1 SGB VIII geregelte Wunsch - und Wahlrecht der Leistungsberechtigten, das sich auch in der Regelung des § 80 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII niederschlägt. Die zuletzt genannte Vorschrift bestimmt ausdrücklich, dass bei der Bedarfsermittlung die Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen und der Personensorgeberechtigten zu berücksichtigen sind. Weiter sind nach § 6 Abs. 4 KiTaG die verschiedenen Grundrichtungen der Erziehung nach Möglichkeit zu berücksichtigen. Der Umstand allein, dass eine Kindertagesstätte eine besondere pädagogische Ausrichtung hat, rechtfertigt es deswegen nicht, sie bei der Planung unberücksichtigt zu lassen, wenn durch eine regelmäßige und nicht ganz unerhebliche Nachfrage erkennbar ist, dass eine derartige Erziehung dem Wunsch und dem Interesse eines zahlenmäßig nicht zu vernachlässigenden Teils der Personensorgeberechtigten in dem Planungsgebiet bzw. in einem Teil des Gebiets entspricht. Dies gilt, obwohl der Jugendhilfeträger keinen Einfluss auf den Bedarf an Waldkindergärten hat und mögliche Antragsteller nicht im Rahmen des § 24 SGB VIII i.V. mit § 5 Abs. 1 Satz 1 KiTaG gegen ihren Willen auf einen freien Platz in einem derartigen Kindergarten verweisen kann. Hierdurch wird lediglich gerechtfertigt, das Risiko von Veränderungen und Schwankungen bei der Nachfrage im Allgemeinen dem Träger dieser Einrichtung aufzuerlegen, soweit nicht auf Grund des Umfangs des Bedarfs und einer gesetzlich bestimmten Gruppengröße es gerechtfertigt erscheint, die Zahl der bisher angebotenen Gruppen beizubehalten (Nds.OVG, Beschl. v. 12.1.1999, - 4 M 1528/98 -, NdsRpfl. 1999, 155.). In dem hier maßgebenden Zeitraum war mit Rücksicht auf das durch die Nachfrage dokumentierte Interesse an Plätzen in dem Kindergarten des Klägers mit einer Unterbesetzung der Plätze in absehbarer Zeit nicht zu rechnen.
Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass es den Trägern der beiden in A. noch vorhandenen Kindergärten möglich gewesen wäre, ihre Kapazitäten durch Einrichtung neuer Nachmittagsgruppen zu erweitern. Zwar kann der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz nach § 5 Abs. 3 Satz 2 KiTaG auch durch das Angebot eines Platzes in einer Nachmittagsgruppe eines Kindergartens oder in einem Kinderspielkreis erfüllt werden. Dies gilt nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift aber nur, soweit ein ausreichendes Angebot an Vormittagsplätzen nicht zur Verfügung steht. Deswegen sind auch bei der Planung vorhandene und tatsächlich nachgefragte Vormittagsplätze vor Nachmittagsplätzen zu berücksichtigen, soweit nicht andere planungsrechtlich zulässige Gründe ausnahmsweise eine abweichende Entscheidung rechtfertigen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - die Vormittagsplätze bereits vorhanden sind, während die Nachmittagsplätze noch geschaffen werden müssen. Ist eine ausreichende Anzahl von Vormittagsplätzen vorhanden, die dem Wunsch und dem Interesse der Personensorgeberechtigten entsprechen, besteht für eine ersatzweise Neuschaffung von Nachmittagsplätzen nämlich planungsrechtlich keine Notwendigkeit.
Der Umstand, dass der Kindergarten des Klägers erst im Oktober 1998 seinen Betrieb aufgenommen hatte und bei Abschluss der Planungen im März 1999 noch eine lediglich befristete Erlaubnis besaß, rechtfertigt es ebenfalls nicht, ihn bei der Planung in dem hier umstrittenen Zeitraum, den Jahren 2000 und 2001, unberücksichtigt zu lassen, weil die Bedarfszahlen nach § 6 Abs. 1 Satz 2 KiTaG jährlich fortzuschreiben sind. In den hier umstrittenen Jahren verfügte der Kläger für den Waldkindergarten bereits über eine unbefristete Erlaubnis. Allerdings wird ein Kindergartenbedarfsplan nicht zwangsläufig unmittelbar beim Auftreten neuer Elternwünsche fehlerhaft (vgl. Urt. des erkennenden Gerichts vom 18.8.1999 - 6 A 78/98 -). Besteht aber - wie hier - rechnerisch ein Defizit an Plätzen, bedürfte es besonderer, planungsrechtlich zulässiger Gründe, um eine den Elternwünschen entsprechende (neue) Einrichtung, die tatsächlich ausreichend nachgefragt wird und gerade die Versorgungslücke deckt, nicht in die Planung einzubeziehen. Solche Gründe sind hier nicht ersichtlich.
Auch wenn - wie der Beklagte vorträgt - der Waldkindergarten den Kindern aus dem gesamten Kreisgebiet zur Verfügung steht, ist es nicht gerechtfertigt, ihn bei der Bedarfsplanung unberücksichtigt zu lassen. Zwar ist der Anspruch auf die Bereitstellung eines Kindergartenplatzes nach § 24 SGB VIII i.V. mit § 5 As. 1 Satz 4 KiTaG möglichst ortsnah zu erfüllen. Allein dies führt aber nicht dazu, dass die Planung auf das Gebiet von Gemeinden begrenzt werden könnte. Denn das Wunsch- und Wahlrecht aus § 5 Abs. 1 SGB VIII bedingt, dass im Einzelfall grenzübergreifende Lösungen für das Kindertagesstättenangebot berücksichtigt werden müssen (vgl. Nds.OVG, Beschl. v. 12.1.1999, - 4 M 1528/98 -, NdsRpfl. 1999, 155). Im Übrigen wird die Einrichtung des Klägers tatsächlich auch in weit überwiegendem Umfang von Kindern aus der Gemeinde A. besucht. Nach dem Vertrag, den der Kläger am 7. Oktober 1998 mit der Gemeinde geschlossen hat, steht er sogar in der Regel nur ortsansässigen Kindern zur Verfügung.
Nach allem ist die Entscheidung des Beklagten, den Kindergarten des Klägers bei der Bedarfsplanung nicht zu berücksichtigen, fehlerhaft. Der Anspruch des Klägers auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung (§ 74 Abs. 3 SGB VIII) hat sich damit in dem hier umstrittenen Zeitraum zu einem Förderungsanspruch dem Grunde nach verdichtet.
Zu Recht hat der Kläger aber lediglich die Neubescheidung über seine Förderungsanträge beantragt; denn die Sache ist noch nicht spruchreif (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Nach § 74 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII sind, sofern gleichartige Maßnahmen von der freien und öffentlichen Jugendhilfe durchgeführt werden, bei der Förderung die Grundsätze und Maßstäbe anzuwenden, die für die Finanzierung der Maßnahmen der öffentlichen Jugendhilfe gelten. Gleichartig sind vor allem Maßnahmen, die dasselbe Arbeitsfeld betreffen. Eigene Kindergärten betreibt der Beklagte nicht. Er hat diese Aufgaben vertraglich den Gemeinden überlassen. Soweit diese Kindergärten selbst betreiben, werden die Kindergärten von dem Beklagten nicht gefördert, weil die Gemeinden die für die Finanzierung erforderlichen Haushaltsmittel zur Verfügung stellen. Diese Finanzierung stellt im Ergebnis eine Defizitförderung dar, die sich der Beklagte zurechnen lassen muss (vgl. Nds.OVG, Beschl. v. 16.6.1997 - 4 M 129/97 - FEVS 48, 213.). Allerdings führt die Defizitförderung nicht dazu, dass die Kosten des Klägers in unbegrenzter Höhe zu decken wären. Bei den freien Trägern ist vielmehr ein Ausstattungsstandard zu finanzieren, der dem der kommunalen Kindertagesstätten qualitativ gleichwertig ist (VG Braunschweig, Urt. v. 23.2.2000 - 1 A 1185/96 -). Für die Bemessung der Zuwendung relevante Merkmale sind dabei fachliche Standards, Vergütung des Personals und sonstige haushaltsrechtliche Vorgaben (Wiesner u.a., SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, 2. Aufl. 2000, § 74 Rdnr. 51). Dies bedeutet, dass der Beklagte zunächst die Grundsätze und Maßstäbe der Förderung der von den Gemeinden betriebenen Kindertagesstätten ermitteln müsste. Im Übrigen ist der Anspruch eines Trägers der freien Jugendhilfe auf Förderung seiner Tätigkeit auf dem Gebiet der Jugendhilfe der Höhe nach unter Berücksichtigung seiner Einnahmen für diese Tätigkeit (z. B. Entgelte), Fördermittel von dritter Seite und eigener Leistungen des Trägers und der Benutzer seiner Einrichtung (vgl. § 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VIII) und seiner sonstigen finanziellen Verhältnisse zu bemessen und sind diesen "Einnahmen" die Kosten für den Betrieb der Einrichtung gegenüberzustellen. Soweit es um abgeschlossene Zeiträume geht, begrenzt die Höhe des festgestellten Defizits die Höhe des Förderungsanspruchs (Nds.OVG, Urt. v. 17.5.2000 - 4 L 869/00 -).