Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 27.08.2002, Az.: 4 A 207/98

Finanzhilfe; Kindertagesstätte; Kindertagesstättenförderung

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
27.08.2002
Aktenzeichen
4 A 207/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43628
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

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Der Kläger begehrt für die Jahre 1997 und 1998 von dem Beklagten Zuschüsse für den von ihm betriebenen Kindergarten.

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Der Kläger ist Trägerverein des Waldorfkindergartens B., der seit 1989 in dem Ortsteil B. der Gemeinde A. besteht. Seit 1993 ist der Kindergarten in einem eigenen Gebäude des Klägers untergebracht. Der Kindergarten, der zunächst mit einer Gruppe eingerichtet worden war, verfügt seit 1995 über 2 Gruppen mit insgesamt 44 Plätzen. In der Einrichtung des Klägers werden überwiegend Kinder aus dem Bereich des Beklagten sowie einzelne Kinder aus den Landkreisen B. und C. betreut. Im Kindergartenjahr 1996/1997 besuchten aus dem Bereich des Beklagten 13 Kinder aus A., 13 Kinder aus W., 7 Kinder aus F. und ein Kind aus C. den Kindergarten des Klägers. Im Kindergartenjahr 1997/1998 waren es 18 Kinder aus A., 11 Kinder aus W., 10 Kinder aus F. und ein Kind aus C.. Von der Gemeinde A. und der Stadt F. erhält der Kläger regelmäßig Zuschüsse für die aus der jeweiligen Gemeinde bzw. Stadt stammenden Kinder, wobei die Stadt F. Zuschüsse für bis zu zehn Kindern gewährt.

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Im Juli 1995 beantragte der Kläger bei der Stadt W., das Defizit zu übernehmen, das ihm im Kindergartenjahr 1994/95 aus der Betreuung von drei Kindern aus dem Stadtgebiet W. entstanden sei. Die Stadt W. lehnte den Antrag mit Bescheid vom 3. August 1995 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 1995 ab. Die dagegen erhobene Klage wies die erkennende Kammer mit Urteil vom 19. Juni 1998 ab (4 A 4/96).

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Mit Schreiben vom 9. Juli 1998 beantragte der Kläger bei dem Beklagten einen Zuschuss zu den laufenden Betriebskosten für das Kindergartenjahr 1997/98 in Höhe von 30.135,-- DM für die von ihm betreuten Kinder aus der Stadt W. und der Samtgemeinde C.. Mit weiteren Schreiben vom 9. Juli 1998 beantragte der Kläger außerdem Zuschüsse für das Kindergartenjahr 1994/95 in Höhe von 6.778,13 DM, für das Kindergartenjahr 1995/96 in Höhe von 21.226,-- DM und für das Kindergartenjahr 1996/97 in Höhe von 34.570,20 DM.

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Mit Bescheid vom 12. Oktober 1998 lehnte der Beklagte die Anträge des Klägers auf Förderung seines Kindergartens ab. Zur Begründung gab er an, dass die Aufgabe der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen nach einer entsprechenden Verwaltungsvereinbarung von den kreisangehörigen Gemeinden und Städten wahrgenommen werde. Danach stehe es den Gemeinden frei, zur Erfüllung der Aufgabe mit anderen Trägern Vereinbarungen zu schließen, wie dies zwischen dem Kläger und der Gemeinde A. der Fall sei. Dass andere Gemeinden keine solchen Vereinbarungen über die Aufnahme von Kindern aus ihrem Bezirk im Waldorfkindergarten geschlossen hätten, sei von ihm nicht zu beanstanden. Im Übrigen seien die Plätze des Waldorfkindergartens des Klägers nicht in die Bedarfsplanung für die Erfüllung des Rechtsanspruchs aufgenommen worden. Eine Förderung sei schon deshalb ausgeschlossen, weil die Versorgung mit Kindergartenplätzen möglichst ortsnah zu erfolgen habe, d.h. im Bereich der eigenen Gemeinde. Eine ortsnahe Versorgung bestehe nicht bei Kindern aus W., D. und C., wenn sie den Kindergarten des Klägers besuchten. Der öffentliche Jugendhilfeträger entscheide gem. § 74 Abs. 3 SGB VIII über Art und Höhe der Förderung von Trägern der freien Jugendhilfe im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel nach pflichtgemäßem Ermessen. Wichtige Entscheidungsgrundlage sei der festgestellte Bedarf. Es sei von keiner kreisangehörigen Gemeinde zur Deckung ihres Bedarfs an Kindergartenplätzen für erforderlich gehalten worden, den Waldorfkindergarten zur Bedarfsdeckung in die Planung einzubeziehen. So verfüge die Standortgemeinde A., für die der Gesichtspunkt der Wohnortnähe maßgebend sei, mindestens seit 1994 ohne Hinzurechnung der durch sie genutzten Plätze im Waldorfkindergarten über ein ausreichendes Platzangebot mit einem Versorgungsgrad von über 100 %. Der wirtschaftliche Umgang mit öffentlichen Mitteln gebiete es, auf die bereits geförderten und in der Bedarfsplanung rechnerisch berücksichtigten Plätze zurückzugreifen. Es sei auch ein plurales Angebot von Tageseinrichtungen vorhanden. Von den 72 Tageseinrichtungen seien 43 in freigemeinnütziger bzw. privater Trägerschaft und 29 in kommunaler Trägerschaft. Der Anspruch auf Besuch eines Kindergartens umfasse nicht den Anspruch auf Aufnahme in eine bestimmte Einrichtung. Er sei auf die Teilnahme an einem Regelangebot und nicht auf eine bestimmte Grundrichtung der Erziehung gerichtet. Der Wahl und den Wünschen der Leistungsberechtigten solle gem. § 5 SGB VIII entsprochen werden, sofern dies nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden sei. Dies wäre hier aber der Fall.

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Der Kläger legte am 15. Oktober 1998 gegen den Bescheid des Beklagten vom 12. Oktober 1998 Widerspruch ein. Er stellte klar, dass er bezüglich aller aus dem Landkreis A. stammenden Kinder eine Volldefizitdeckung für die Jahre 1994 bis 1998 begehre. Rechtsgrundlage dafür sei § 74 Abs. 5 SGB VIII. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 1998 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und verwies darauf, dass die Kindergartenplätze des Klägers nicht zur Bedarfsdeckung in der Gemeinde A. benötigt würden.

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Der Kläger hat am 16. Dezember 1998 Klage erhoben.

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Nachdem er zunächst Förderung für den Zeitraum ab 1994 begehrt hat, hat er die Klage auf Zuschüsse für die Jahre 1997 und 1998 beschränkt und die Klage für den darüber hinausgehenden Zeitraum im Termin zur mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

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Er trägt vor, dass der Beklagte das bei dem Betrieb seiner Kindertagesstätte entstehende Defizit zu übernehmen habe, soweit es auf die Kinder aus dem Landkreis A. entfalle. Ausweislich seiner Bilanz ergebe sich für 1997 ein Gesamtjahresdefizit von 28.531,54 DM. Unter Berücksichtigung der Zahlungen der Mitgliedsgemeinden verbleibe ein Restdefizit von 16.433,04 DM. Für 1998 betrage das Jahresdefizit 25.667,81 DM und das Restdefizit nach Abzug der Zahlungen der Gemeinde A. und der Stadt F. 12.541,09 DM. Zwar könne es sein, dass ein quantitativ ausreichendes Platzangebot vorgelegen habe. Die Nachfrage sei aber eine andere gewesen, da sie sich auf andere Plätze, nämlich diejenigen des Waldorfkindergartens bezogen habe. Damit sei die Planung falsch gewesen und stehe dem Anspruch auf Förderung nicht entgegen. Da im Dezember 1999 seine Einrichtung in den Kindertagesstättenbedarfsplan aufgenommen worden sei, sei davon auszugehen, dass bereits in den Vorjahren eine Aufnahme hätte erfolgen müssen. Eine Überversorgung mit Kindergartenplätzen habe es nicht gegeben. Wenn dies der Fall wäre, hätten die kreisangehörigen Gemeinden dafür gesorgt. So habe die Stadt F. 1994 einen neuen Kindergarten mit vier Gruppen eröffnet. Die Gemeinde A. habe über 25 Kindergartenplätze neu geschaffen. Die Stadt W. habe seit 1994 zwei Nachmittagsgruppen mit 50 Plätzen sowie eine Vormittagsgruppe mit 25 Plätzen eingerichtet.

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Der Kläger hat zunächst sinngemäß beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 12. Oktober 1998 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 30. November 1998 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger Zuschüsse in Höhe von 16.433,04 DM für das Jahr 1997 und in Höhe von 12.541,09 DM für das Jahr 1998 zu zahlen.

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Der Kläger beantragt nunmehr,

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den Bescheid des Beklagten vom 12. Oktober 1998 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 30. November 1998 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über seinen Antrag auf Förderung der Kindergartenplätze in seinem Waldorfkindergarten, die 1997 und 1998 von im Landkreis A. wohnenden Kindern belegt worden sind, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

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Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

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Er erwidert, dass die Aufnahme in den Kindertagesstättenbedarfsplan im Dezember 1999 auf einer veränderten Bedarfssituation beruht habe. Ab dem 1. August 2002 könne der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz nicht mehr durch Plätze in Vorklassen erfüllt werden. Daher habe ihn die Gemeinde A. gebeten, 15 Plätze des Kindergartens des Klägers in die Bedarfsplanung aufzunehmen.

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In der fortgeschriebenen Kindertagesstättenbedarfsplanung des Beklagten vom 13. Dezember 1999 ist der Waldorfkindergarten des Klägers mit 30 Plätzen berücksichtigt worden, wobei 15 Plätze der Gemeinde A. zugeordnet worden sind. Mit Bescheid vom 5. Oktober 2001 hat der Beklagte dem Kläger Förderung der laufenden Betriebskosten für das Jahr 2000 in Höhe von 9.563,88 DM gewährt. Aufgrund der veränderten Bedarfssituation im Landkreis A. seit dem Jahr 2000 habe er den Waldorfkindergarten mit 30 Plätzen in die Kindertagesstättenbedarfsplanung vom 13. Dezember 1999 aufgenommen. In den Jahren 1997, 1998 und 1999 habe der Bedarf an Kindergartenplätzen dagegen ohne den Waldorfkindergarten gedeckt werden können.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte zu diesem Verfahren und zu dem Verfahren 4 A 117/00 sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Soweit der Kläger die Klage in Bezug auf eine Förderung für die Jahre 1994 bis 1996 in vollem Umfang und durch die Beschränkung des Klagebegehrens auf Neubescheidung seines Antrages für die Jahre 1997 und 1998 zurückgenommen hat, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

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Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet.

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Der Kläger hat für die Jahre 1997 und 1998 Anspruch auf Förderung des von ihm betriebenen Waldorfkindergartens. Rechtsgrundlage hierfür ist § 74 SGB VIII. Nach § 74 Abs. 1 SGB VIII sollen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe die freiwillige Tätigkeit auf dem Gebiet der Jugendhilfe anregen; sie sollen sie fördern, wenn der jeweilige Träger 1. die fachlichen Voraussetzungen für die geplante Maßnahme erfüllt, 2. die Gewähr für eine zweckentsprechende und wirtschaftliche Verwendung der Mittel bietet, 3. gemeinnützige Ziele verfolgt, 4. eine angemessene Eigenleistung erbringt und 5. die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit bietet. Eine auf Dauer angelegte Förderung setzt in der Regel die Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe nach § 75 SGB VIII voraus. Gem. § 74 Abs. 3 SGB VIII entscheidet der Träger der öffentlichen Jugendhilfe über die Art und Höhe der Förderung im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel nach pflichtgemäßem Ermessen.

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Der Kläger ist Mitglied des Paritätischen Niedersachsen und damit selbst anerkannter Träger der freien Jugendhilfe. Er erfüllt unstreitig die Voraussetzungen des § 74 Abs. 1 SGB VIII, so dass der Beklagte gem. § 74 Abs. 3 SGB VIII nach pflichtgemäßem Ermessen über die Förderung zu entscheiden hat. Die Förderung setzt dabei eine Jugendhilfeplanung nach § 80 SGB VIII nicht voraus. Liegt eine derartige Planung vor, ist sie Grundlage einer Förderungsentscheidung und bei der Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit zu berücksichtigen (BVerwG, Besch. v. 30.12.1996 - BVerwG 5 B 27.96 -, FEVS 47, 529). Wurde der Kindergarten in den Bedarfsplan nach § 80 SGB VIII i.V. mit dem KiTaG aufgenommen, um den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz zu erfüllen, ist das Ermessen regelmäßig dahingehend reduziert, dass eine Förderung zu erfolgen hat, wenn die Einrichtung für die Bedarfsdeckung tatsächlich erforderlich ist. Zu einer Ermessensreduzierung in diesem Sinne führt es auch, wenn die Aufnahme der Kindertagesstätte in den Bedarfsplan des Jugendhilfeträgers gemessen an den gesetzlichen Planungsvorgaben zu Unrecht unterblieben ist (Nds.OVG, Beschl. v. 12.1.1999 - 4 M 1528/98 -, NdsRpfl. 1999, 155).

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Eine derartige Ermessensreduzierung war hier eingetreten. Dabei ist fraglich, ob der Kindergarten des Klägers schon im streitigen Zeitraum in der Kindertagesstättenbedarfsplanung vom 5. Juni 1997 als Bedarf berücksichtigt worden und das Ermessen des Beklagten bereits aus diesem Grund reduziert gewesen ist. So wird einerseits in der Zusammenfassung der Planung bei der abschließenden Beurteilung ausgeführt, dass im Landkreis A. 4.247 Plätze, bei Hinzurechnung von 24 genutzten Plätzen des Waldorfkindergartens (Angabe vom November 1995) 4.271 Plätze, die den Anforderungen des Rechtsanspruchs genügten, zur Verfügung stünden. Damit hat der Beklagte die Plätze des Waldorfkindergartens in die Berechnung der Plätze einbezogen, die den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz erfüllen. Dies spricht dagegen, dass der Waldorfkindergarten nur im Bestand erwähnt worden ist, um feststellen zu können, wie viele Kinder durch Nutzung anderer Angebote, die nicht den Rechtsanspruch erfüllen, tatsächlich versorgt sind. Andererseits werden in den Tabellen der Zusammenfassung und der Einzelpläne, in denen der Bedarf dargestellt wird und die u.a. die vorhandenen Plätze ausweisen, die den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz erfüllen, die Plätze des Waldorfkindergartens des Klägers nicht berücksichtigt. Letztlich kann diese Frage aber offen bleiben. Denn wenn die Kindertagesstättenbedarfsplanung des Beklagten aus dem Jahr 1997 den Kindergarten des Klägers für die hier umstrittenen Jahre 1997 und 1998 nicht berücksichtigt hat, ist die Planung mit den u.a. aus §§ 12, 13 KiTaG (in der Fassung vom 25. September 1995, NdsGVBl. S. 304) sowie aus § 80 SGB VIII folgenden gesetzlichen Leitlinien der Planung nicht vereinbar und aus diesem Grunde das Ermessen des Beklagten, den Kindergarten zu fördern, reduziert.

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Nach § 80 Abs. 1 SGB VIII haben die Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen ihrer Planungsverantwortung (§ 79 SGB VIII) u.a. den Bedarf unter Berücksichtigung der Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen und der Personensorgeberechtigten für einen mittelfristigen Zeitraum zu ermitteln (Nr. 2) und die zur Befriedigung des Bedarfs notwendigen Vorhaben rechtzeitig und ausreichend zu planen; dabei ist Vorsorge zu treffen, dass auch ein unvorhergesehener Bedarf befriedigt werden kann (§ 80 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII).

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Der Bedarf im Sinne des § 80 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII wird nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (allein) durch die Nachfrage bestimmt, wobei diese Nachfrage allerdings einen bestimmten Umfang und eine bestimmte Dauer erreichen muss (vgl. Beschl. v. 12.1.1999 - 4 M 1528/98 -, NdsRpfl. 1999, 155 m.w.N.). Folgt man dem, so bestand hier für die von dem Kindergarten des Klägers vorgehaltenen Plätze ein Bedarf. Denn seit Jahren besuchten regelmäßig etwa 30 Kinder aus dem Bereich des Beklagten, die vorwiegend aus der Gemeinde A., der Stadt W. und der Stadt F. stammten, den Kindergarten des Klägers.

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Nach der zu § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist hingegen der Begriff des „Bedarfs“ nicht nur faktisch im Sinne einer bloßen Nachfrage zu verstehen, sondern als normativer Begriff, der im Zusammenhang mit der Gesamtverantwortung des Jugendhilfeträgers (§ 79 SGB VIII) und im Rahmen seiner Planungsverantwortung nach § 80 Abs. 1 und 2 SGB VIII zu bestimmen ist (Urt. v. 27.1.2000 - BVerwG 5 C 19/99 -, BVerwGE 110, 320). Es kann offen bleiben, inwieweit diese Rechtsprechung auf den Begriff des „Bedarfs“ im Sinne des § 80 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII übertragen werden kann. Auch bei einem erweiterten Verständnis des genannten Rechtsbegriffs ist die vorliegende Entscheidung des Beklagten, den Kindergarten des Klägers nicht für Kinder aus seinem Bereich zu berücksichtigen, gemessen an den gesetzlichen Vorgaben der Planung rechtsfehlerhaft.

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Die Kindergartenbedarfsplanung hat mit Blick auf den aus § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII i.V. mit § 12 Abs. 1 KiTaG folgenden Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz zu erfolgen. Der Anspruch richtet sich auf einen Platz in einer Vormittagsgruppe eines Kindergartens oder einer dem Kindergarten entsprechenden Kleinen Kindertagesstätte (§ 12 Abs. 1 Satz 2 KiTaG). Weiter sind als Ausprägung des allgemeinen Wunsch- und Wahl-rechts (§ 5 Abs. 1 SGB VIII) bei der Bedarfsermittlung die Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen und der Personensorgeberechtigten zu berücksichtigen (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII).

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Diese Planungsvorgaben hat der Beklagte nicht hinreichend beachtet. Der Umstand, dass der Kindergarten des Klägers seit Jahren in weit überwiegendem Umfang von Kindern aus dem Gebiet des Beklagten besucht wurde, zeigt, dass eine Erziehung ihrer Kinder in dem Waldorfkindergarten des Klägers dem Wunsch und dem Interesse eines zahlenmäßig nicht zu vernachlässigenden Teils der Personensorgeberechtigten im Gebiet des Beklagten entsprach. Wenn der Beklagte bei einer derartigen, nicht unerheblichen und regelmäßigen Nachfrage die im Kindergarten des Klägers vorhandenen Plätze nicht berücksichtigen wollte, hätte dies einer an den gesetzlichen Planungsleitlinien ausgerichteten, tragfähigen Begründung bedurft. Eine solche ist hier nicht ersichtlich.

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Soweit der Beklagte darauf verweist, dass die Gemeinde A., in der sich der Kindergarten des Klägers befinde, über ein ausreichendes Angebot an Kindergartenplätzen verfüge und außerdem in seinem Bereich bereits ein plurales Angebot an Tageseinrichtungen - darunter viele in privater Trägerschaft - vorhanden sei, lässt dies außer Acht, dass die Waldorfpädagogik eine spezielle Art der Pädagogik ist, die nur in Waldorfkindergärten und nicht in sonstigen Einrichtungen kommunaler oder privater Träger praktiziert wird. Der Kindergarten des Klägers ist der einzige Waldorfkindergarten im Bereich des Beklagten. Zwar trifft es zu, dass der Anspruch auf Besuch eines Kindergartens nicht den Anspruch auf Aufnahme in eine bestimmte Einrichtung umfasst. Wenn aber von einem zahlenmäßig nicht unerheblichen Teil der Personensorgeberechtigten über einen längeren Zeitraum eine bestimmte Grundrichtung der Erziehung nachgefragt wird, hat der Jugendhilfeträger dies nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII in seine Bedarfsplanung einzubeziehen, soweit nicht planungsrechtlich tragfähige Erwägungen dem entgegenstehen. Solche sind hier nicht ersichtlich. Gerade im vorliegenden Fall, in dem der Waldorfkindergarten bereits seit 1989 zunächst mit einer Gruppe und seit 1995 sogar mit zwei Gruppen betrieben wurde, hätte begründet werden müssen, warum dieser Kindergarten im Rahmen der Bedarfsplanung nicht berücksichtigt worden ist. Angesichts des Wunsch- und Wahlrechts der Personensorgeberechtigten (§ 5 SGB VIII) reicht der Hinweis des Beklagten, dass der wirtschaftliche Umgang mit öffentlichen Mitteln es gebiete, auf die bereits geförderten und in der Bedarfsplanung rechnerisch berücksichtigten Plätze zurückzugreifen, nicht aus. Wirtschaftlich wäre es nämlich auch, u.U. die Förderung für andere Plätze einzustellen, soweit diese dem Wunsch und Interesse der Erziehungsberechtigten nicht mehr entsprechen.

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Der Umstand, dass der Kindergarten des Klägers in der Gemeinde A. gelegen ist, gebietet nicht, ihn bei der Planung für andere Gemeinden im Kreisgebiet unberücksichtigt zu lassen. Zwar ist der Anspruch auf die Bereitstellung eines Kindergartenplatzes nach § 24 SGB VIII i.V. mit § 12 Abs. 1 Satz 5 KiTaG möglichst ortsnah zu erfüllen. Allein dies führt aber nicht dazu, dass die Planung auf das Gebiet von Gemeinden begrenzt werden könnte. Denn das Wunsch- und Wahlrecht aus § 5 Abs. 1 SGB VIII bedingt, dass im Einzelfall grenzübergreifende Lösungen für das Kindertagesstättenangebot gefunden werden müssen (vgl. Nds.OVG, Beschl. v. 12.1.1999 - 4 M 1528/98 -, NdsRpfl. 1999, 155). Dies hat der Beklagte in seiner fortgeschriebenen Bedarfsplanung vom 13. Dezember 1999 im Übrigen auch getan, in dem er neben 15 Plätzen für die Standortgemeinde A. weitere 15 Plätze allgemein für den Landkreis als Bedarf aufgenommen hat.

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Die Ausrichtung des Kindergartens des Klägers an den besonderen Erziehungszielen der Waldorfpädagogik führt ebenfalls nicht dazu, dass der Beklagte ihn bei seiner Planung ohne Weiteres unberücksichtigt lassen konnte. Zwar hat der Jugendhilfeträger keinen Einfluss auf den Bedarf an Waldorfkindergärten, auch kann er einen möglichen Antragsteller nicht im Rahmen des § 24 SGB VIII i.V. mit § 12 Abs. 1 Satz 1 KiTaG gegen seinen Willen auf einen freien Platz in einem Waldorfkindergarten verweisen. Dies rechtfertigt aber lediglich, das Risiko von Veränderungen und Schwankungen bei der Nachfrage nach Waldorfkindergartenplätzen im Allgemeinen dem Träger dieser Einrichtung aufzuerlegen, soweit nicht auf Grund des Umfangs des Bedarfs und einer gesetzlich bestimmten Gruppengröße es gerechtfertigt erscheint, die Zahl der bisher angebotenen Gruppen beizubehalten (Nds.OVG, Beschl. v. 12.1.1999 - 4 M 1528/98 -, NdsRpfl. 1999, 155.). Hier ist mit Rücksicht auf das durch die Nachfrage in der Vergangenheit dokumentierte Interesse an Plätzen in dem Kindergarten des Klägers mit einer Unterbesetzung der Plätze nicht zu rechnen.

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Fehlerhaft war es insbesondere, dass der Beklagte den Kindergarten des Klägers bei der Planung des Bedarfs für die Städte F. und W. unberücksichtigt ließ, aus deren Gebieten ab 1995 regelmäßig zwischen 7 und 10 Kinder (F.) bzw. 10 bis 13 Kinder (W.) den Waldorfkindergarten in B. besuchten. Denn bei Abschluss der Planungen im Jahr 1996 war ersichtlich, dass die im Gebiet dieser beiden Städte vorhandenen Kindertagesstätten nicht ausreichten, um die zahlenmäßig notwendigen Plätze zur Verfügung zu stellen. Für die Stadt F. ergab sich bei der Erstellung der Planung im Jahr 1996 ein Defizit von 34 Plätzen ab dem 1. August 1996 und von 14 Plätzen ab dem 1. August 1997. Nach der Einzelplanung für die Stadt W. fehlten im streitigen Zeitraum rechnerisch 55 Plätze ab dem 1. August 1996 und 11 Plätze ab dem 1. August 1997. Erst ab dem 1. August 1998 reichten die vorhandenen Plätze aus, um den Bedarf zu decken. Die Planung für die Zeit bis zum 1. August 1998 wird auch nicht dadurch fehlerfrei, dass der Beklagte plante, das erkannte und auch zukünftig erwartete Defizit durch die Einrichtung neuer Nachmittagsgruppen auszugleichen. Zwar kann der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz nach § 12 Abs. 3 Satz 1 KiTaG auch durch das Angebot eines Platzes in einer Nachmittagsgruppe eines Kindergartens oder in einem Kinderspielkreis erfüllt werden. Dies gilt nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift aber nur, soweit ein ausreichendes Angebot an Vormittagsplätzen nicht zur Verfügung steht. Deswegen sind auch bei der Planung vorhandene und tatsächlich nachgefragte Vormittagsplätze vor Nachmittagsplätzen zu berücksichtigen, soweit nicht andere planungsrechtlich zulässige Gründe ausnahmsweise eine abweichende Entscheidung rechtfertigen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - die Vormittagsplätze bereits vorhanden sind, während die Nachmittagsplätze noch geschaffen werden müssen. Ist eine ausreichende Anzahl von Vormittagsplätzen vorhanden, die dem Wunsch und dem Interesse der Personensorgeberechtigten entsprechen, besteht für eine ersatzweise Neuschaffung von Nachmittagsplätzen nämlich planungsrechtlich keine Notwendigkeit. Zudem soll die öffentliche Jugendhilfe nach § 4 Abs. 2 SGB VIII von eigenen Maßnahmen absehen, soweit geeignete Einrichtungen von anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe betrieben werden oder rechtzeitig geschaffen werden können.

32

Nach allem ist die Entscheidung des Beklagten, den Kindergarten des Klägers bei der Bedarfsplanung nicht zu berücksichtigen, fehlerhaft. Der Anspruch des Klägers auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung hat sich damit zu einem Förderungsanspruch dem Grunde nach verdichtet, soweit der Kläger die Förderung der Kindergartenplätze in den Jahren 1997 und 1998 begehrt, die durch Kinder aus dem Bereich des Beklagten besucht wurden.

33

Zu Recht hat der Kläger aber lediglich die Neubescheidung über seine Förderungsanträge beantragt; denn die Sache ist noch nicht spruchreif (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

34

Nach § 74 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII sind, sofern gleichartige Maßnahmen von der freien und öffentlichen Jugendhilfe durchgeführt werden, bei der Förderung die Grundsätze und Maßstäbe anzuwenden, die für die Finanzierung der Maßnahmen der öffentlichen Jugendhilfe gelten. Gleichartig sind vor allem Maßnahmen, die dasselbe Arbeitsfeld betreffen. Eigene Kindergärten betreibt der Beklagte nicht. Er hat diese Aufgaben vertraglich den Gemeinden überlassen. Soweit diese Kindergärten selbst betreiben, werden die Kindergärten von dem Beklagten nicht gefördert, weil die Gemeinden die für die Finanzierung erforderlichen Haushaltsmittel zur Verfügung stellen. Diese Finanzierung stellt im Ergebnis eine Defizitförderung dar, die sich der Beklagte zurechnen lassen muss (vgl. Nds.OVG, Beschl. v. 16.6.1997 - 4 M 129/97 - FEVS 48, 213.). Allerdings führt die Defizitförderung nicht dazu, dass die Kosten des Klägers in unbegrenzter Höhe zu decken wären. Bei den freien Trägern ist vielmehr ein Ausstattungsstandard zu finanzieren, der dem der kommunalen Kindertagesstätten qualitativ gleichwertig ist (VG Braunschweig, Urt. v. 23.2.2000 - 1 A 1185/96 -). Für die Bemessung der Zuwendung relevante Merkmale sind dabei fachliche Standards, Vergütung des Personals und sonstige haushaltsrechtliche Vorgaben (Wiesner u.a., SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, 2. Aufl. 2000, § 74 Rdnr. 51). Dies bedeutet, dass der Beklagte zunächst die Grundsätze und Maßstäbe der Förderung der von den Gemeinden betriebenen Kindertagesstätten ermitteln müsste. Im Übrigen ist der Anspruch eines Trägers der freien Jugendhilfe auf Förderung seiner Tätigkeit auf dem Gebiet der Jugendhilfe der Höhe nach unter Berücksichtigung seiner Einnahmen für diese Tätigkeit (z. B. Entgelte), von Fördermitteln von dritter Seite und eigener Leistungen des Trägers und der Benutzer seiner Einrichtung (vgl. § 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VIII) und seiner sonstigen finanziellen Verhältnisse zu bemessen und es sind diesen "Einnahmen" die Kosten für den Betrieb der Einrichtung gegenüberzustellen. Soweit es um abgeschlossene Zeiträume geht, begrenzt die Höhe des festgestellten Defizits die Höhe des Förderungsanspruchs (Nds.OVG, Urt. v. 17.5.2000 - 4 L 869/00 -).