Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.02.2013, Az.: 13 K 69/12
Erlass von Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 1996 aus sachlichen Billigkeitsgründen; Kein Erlass von Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer wegen überlanger Verfahrensdauer
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 05.02.2013
- Aktenzeichen
- 13 K 69/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 57535
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2013:0205.13K69.12.0A
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs. 4 AO
- § 37 Abs. 1 AO
- § 227 AO
- § 233a Abs. 1 S. 1 AO
Tatbestand
Streitig ist, ob Zinsen zur Einkommensteuer 1996 in Höhe von 131.436 € aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen sind.
Die Klägerin ist Witwe und Erbin ihres im Jahr ... verstorbenen Ehemannes D. Die Eheleute waren als Kommanditisten u.a. an der C & D GmbH & Co. KG beteiligt. Die Firmengruppe C & D wurde durch das Finanzamt für Großbetriebsprüfung ab Dezember 1999 geprüft. Die Betriebsprüfung bei der C & D GmbH & Co. KG dauerte vom 6. Dezember 1999 bis zum 10. November 2008 (BP-Bericht vom 10. Dezember 2008), die Betriebsprüfung bei der Klägerin und ihrem Ehemann vom 12. Dezember 2001 bis zum 16. Januar 2009 (BP-Bericht vom 4. Februar 2009). Aufgrund der Ergebnisse der Betriebsprüfungen erging am 19. März 2009 ein geänderter Bescheid zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der C & D GmbH & Co. KG und am 18. Mai 2009 ein geänderter Bescheid zur Einkommensteuer 1996, durch den die Einkommensteuer von bis dahin 0 € auf 450.290,67 € festgesetzt wurde. Durch einen weiteren Änderungsbescheid vom 21. November 2011 wurde die Einkommensteuer 1996 auf 234.394,09 € festgesetzt. Zugleich wurden Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 1996 für den Zeitraum vom 1. April 1998 bis zum 22. Mai 2009 in Höhe von 131.436,00 € festgesetzt.
Am 14. Dezember 2011 beantragte die Klägerin den vollständigen Erlass der festgesetzten Zinsen zur Einkommensteuer 1996. Zur Begründung führte sie an, dass die Festsetzung der Zinsen aufgrund der unverhältnismäßig langen Dauer der Betriebsprüfung sachlich unbillig sei, da sie hieran kein Verschulden treffe. Das Finanzamt lehnte den Erlass mit Bescheid vom 9. Januar 2012 ab. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies es mit Einspruchsbescheid vom 24. Januar 2012 als unbegründet zurück. Zur Begründung war ausgeführt, die Voraussetzungen für einen Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen lägen nicht vor. Zweck der Vorschrift des § 233a AO sei es, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen aus welchen Gründen auch immer zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden. Die Verzinsung sei wegen ihres typisierenden Charakters unabhängig von einem Verschulden des Finanzamtes oder des Steuerpflichtigen. Auch die verzögerte Bearbeitung eines Steuerfalles durch das Finanzamt stelle daher in der Regel keinen sachlichen Billigkeitsgrund dar. Die Zinsen nach § 233a AO seien eine laufzeitabhängige Gegenleistung für eine mögliche Kapitalnutzung, so dass die Ursache für die überdurchschnittliche Bearbeitungsdauer und ein Verschulden - einerlei, wem dies zur Last falle - grundsätzlich irrelevant seien. Wegen des Prinzips der Sollverzinsung sei es auch unerheblich, wenn der Steuerpflichtige tatsächlich keine Vorteile erlangt habe, weil er z.B. die Nachzahlung unverzinslich auf seinem Girokonto bereit gehalten oder wegen eines niedrigeren Zinsniveaus im Inland geringere Zinsen erzielt habe.
Hiergegen hat die Klägerin am 24. Februar 2012 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, die Festsetzung und Erhebung von Nachzahlungszinsen im Anschluss an eine über neun Jahre fortwährende Betriebsprüfung sei nicht mehr verhältnismäßig und damit ermessensfehlerhaft. Insgesamt habe sich der Zeitraum, für den Nachzahlungszinsen festgesetzt worden seien, auf mehr als 11 Jahre erstreckt. Aufgrund der vom Finanzamt verschuldeten, außerordentlich langen Bearbeitungsdauer sei das Finanzamt verpflichtet, von der Möglichkeit, einen Billigkeitserlass auszusprechen, Gebrauch zu machen. Spätestens seit der nochmaligen Versendung von Unterlagen durch den seinerzeitigen Steuerberater B im März 2005 sei von einer Unbilligkeit der Zinsen und von einer Verpflichtung zum Erlass auszugehen. Hinzu komme, dass die Klägerin im Streitfall tatsächlich keinen Liquiditätsvorteil erlangt habe. Eine flexible Geldanlage zu einem Zinssatz von nahezu 12 % sei seinerzeit ausgeschlossen gewesen. Aufgrund des Spitzensteuersatzes und des Solidaritätszuschlages wäre eine Rendite in dieser Größenordnung aber erforderlich gewesen, um tatsächlich einen Liquiditätsvorteil zu erzielen. Die Klägerin habe stets mit einer Zahlungspflicht rechnen müssen und deswegen den Nachzahlungsbetrag nicht für einen längeren Zeitraum anlegen können. Vielmehr sei sie auf flexible und kurzfristige Anlageformen angewiesen gewesen, deren Renditen stets deutlich niedriger ausgefallen seien. Darüber hinaus liege ein Verschulden des Finanzamtes vor. Das Schreiben des Finanzamtes vom 30. Oktober 2006 (Bl. 57 d.A.) komme einem Schuldanerkenntnis gleich.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 9. Januar 2012 in der Gestalt des Einspruchsbescheids vom 25. (richtig: 24.) Januar 2012 dem Beklagten zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu verbescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf die in der Einspruchsentscheidung dargelegten Gründe. Danach komme es weder auf die Dauer der Betriebsprüfung noch auf ein Verschulden des Finanzamtes oder des Steuerpflichtigen an. Neben den Eheleuten D seien insgesamt 7 Betriebe geprüft worden, an denen die Eheleute - zumindest zeitweise - beteiligt gewesen seien. Ein Verschulden auf Seiten des Finanzamtes sei nicht gegeben. Außerdem habe der zuständige Betriebsprüfer während des Prüfungszeitraums noch eine andere Firmengruppe prüfen müssen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vom beklagten Finanzamt übersandten Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
1.)
Der mit der Klage angefochtene Ablehnungsbescheid vom 9. Januar 2012 und der Einspruchsbescheid vom 24. Januar 2012 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das beklagte Finanzamt hat den Erlass von Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 1996 frei von Ermessensfehlern abgelehnt.
Nach § 227 der Abgabenordnung (AO) können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, zu denen nach § 3 Abs. 4 AO i.V.m. § 37 Abs. 1 AO auch Nachzahlungszinsen gehören, ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Die Entscheidung über den Erlass von Nachzahlungszinsen ist eine Ermessensentscheidung des Finanzamtes und unterliegt deshalb gemäß § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Das Gericht hat nur zu prüfen, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer nicht dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (BFH, Urteil vom 16.11.2005 - X R 3/04, BStBl II 2006, 155).
Eine Unbilligkeit im Sinne des § 227 AO kann auf sachlichen oder persönlichen Gründen beruhen. Eine Unbilligkeit aus persönlichen Gründen ist im Streitfall von der Klägerin weder geltend gemacht worden noch sonst aus den Akten erkennbar. Eine Unbilligkeit aus sachlichen Gründen ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dann anzunehmen, wenn ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis zwar nach dem gesetzlichen Tatbestand besteht, seine Geltendmachung aber mit dem Zweck des Gesetzes nicht oder nicht mehr zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft (BFH, Urteil vom 21.10.2009 - I R 112/08, BFH/NV 2010, 606 m.w.N.). Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte (BFH, Beschluss vom 12.9.2007 - X B 18/03, BFH/NV 2008, 102, 105, m.w.N.). Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt dagegen keine Billigkeitsmaßnahme (BFH, Urteil vom 16.08.2001 - V R 72/00, BFH/NV 2002, 545, m.w.N.). Die generelle Geltungsanordnung des Gesetzes darf durch eine Billigkeitsmaßnahme nicht unterlaufen werden (BFH, Urteil vom 16.11.2005 - X R 3/04, BStBl II 2006, 155 [BFH 16.11.2005 - X R 3/04]). Diese Grundsätze gelten auch im Zusammenhang mit der Festsetzung von Zinsen gemäß § 233a AO (BFH, Urteil vom 21.10.2009 - I R 112/08, BFH/NV 2010, 606; BFH, Urteil vom 16.11.2005 - X R 3/04, BStBl II 2006, 155, m.w.N.).
Führt die Festsetzung der Einkommensteuer zu einer Nachzahlung, so ist diese gemäß § 233a Abs. 1 Satz 1 AO zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233a Abs. 2 Satz 1 AO), für die Einkommensteuer mithin mit Ablauf des jeweiligen Kalenderjahrs (§ 36 Abs. 1 Satz 1 EStG). Die Zinsen betragen für jeden vollen Monat einhalb vom Hundert, der zu verzinsende Betrag wird auf den nächsten durch 50 € teilbaren Betrag abgerundet (§ 238 AO). Die Zinsfestsetzung des beklagten Finanzamtes entspricht - was von der Klägerin nicht bestritten wird - diesen Grundsätzen. Die Verzinsung ist wegen ihres typisierenden Charakters unabhängig von einem Verschulden des Finanzamts oder des Steuerpflichtigen; sie ist durch ihre Abschöpfungswirkung gekennzeichnet. Zweck der Regelungen in § 233a AO ist es, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden (Begründung zum Gesetzentwurf, BTDrucks 11/2157, S. 194). Liquiditätsvorteile, die dem Steuerpflichtigen oder dem Fiskus aus dem verspäteten Erlass eines Steuerbescheides objektiv oder typischerweise entstanden sind, sollen mit Hilfe der sog. Vollverzinsung ausgeglichen werden. Ob die möglichen Zinsvorteile tatsächlich gezogen worden sind, ist grundsätzlich unbeachtlich (BFH, Urteil vom 16.11.2005 - X R 3/04, BStBl II 2006, 155; BFH, Urteil vom 19.03.1997 - I R 7/96, BStBl II 1997, 446 m.w.N.).
Eine verzögerte Bearbeitung des Steuerfalles durch das Finanzamt stellt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs regelmäßig keinen sachlichen Billigkeitsgrund dar (BFH, Urteil vom 21.10.2009 - I R 112/08, BFH/NV 2010, 606; BFH, Beschluss vom 31.01.2008 - VIII B 253/05, BFH/NV 2008, 740; BFH, Beschluss vom 26.07.2006 - VI B 134/05, BFH/NV 2006, 2029; BFH, Beschluss vom 02.02.2001 - XI B 91/00, BFH/NV 2001, 1003; BFH, Beschluss vom 03.05.2000 - II B 124/99, BFH/NV 2000, 1441; BFH, Urteil vom 19.03.1997 - I R 7/96, BStBl II 1997, 446; ebenso Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, Kommentar, 2. Aufl. 2009, § 233a AO, Rn 96; a.A. Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Kommentar, Loseblatt, 124 Erg.-Lfg, Oktober 2010, § 233a AO, Rn 79). Die generelle Geltungsanordnung eines Gesetzes darf durch eine Billigkeitsmaßnahme nicht unterlaufen werden (BFH, Urteil vom 16.11.2005 - X R 3/04, BStBl II 2006, 155 [BFH 16.11.2005 - X R 3/04]). Weder die fehlende Einwirkungsmöglichkeit des Steuerpflichtigen auf den Zeitpunkt der Steuerfestsetzung noch eine allein vom Finanzamt zu vertretende Verzögerung bei der Veranlagung begründen eine sachliche Unbilligkeit. Die Zinsen nach § 233a AO sind eine laufzeitabhängige Gegenleistung für eine mögliche Kapitalnutzung (BFH, Beschluss vom 02.02.2001 - XI B 91/00, BFH/NV 2001, 1003), so dass die Ursache für die überdurchschnittliche Bearbeitungsdauer und ein Verschulden - unabhängig davon, wem dies zur Last fällt - grundsätzlich irrelevant ist (BFH, Urteil vom 15.04,1999 - V R 63/97, BFH/NV 1999, 1392; BFH, Beschluss vom 30.11.2000 - V B 169/00, BFH/NV 2001, 654; BFH, Beschluss vom 26.07.2006 - VI B 134/05, BFH/NV 2006, 2029; BFH, Urteil vom 21.10.2009 - I R 112/08, BFH/NV 2010, 606; ebenso FG München, Urteil vom 20.07.2006 - 5 K 1287/05, in: Juris, zu überlanger Dauer einer Betriebsprüfung). Die sog. Vollverzinsung nach § 233a AO ist sowohl für Steuernachzahlungen als auch für Erstattungen bewusst verschuldensunabhängig ausgestaltet worden, um Streitigkeiten über die Ursachen einer späten Steuerfestsetzung zu vermeiden (BFH, Beschluss vom 26.07.2006 - VI B 134/05, BFH/NV 2006, 2029). Deshalb ist es unerheblich, ob der vom Gesetz typisierend unterstellte Zinsvorteil des Steuerpflichtigen auf einer verzögerten Abgabe der Steuererklärung oder einer verzögerten Bearbeitung durch das Finanzamt beruht (BFH, Beschluss vom 26.07.2006 - VI B 134/05, BFH/NV 2006, 2029).
Nach alldem führt auch eine lange Verfahrensdauer grundsätzlich nicht zur sachlichen Unbilligkeit (BFH, Beschluss vom 31.01.2008 - VIII B 253/05, BFH/NV 2008, 740; BFH, Urteil vom 16.11.2005 - X R 3/04, BStBl II 2006, 155; BFH, Beschluss vom 02.02.2001 - XI B 91/00, BFH/NV 2001, 1003; BFH, Beschluss vom 19.03.1997 - I R 7/96, BStBl II 1997, 446; FG München, Urteil vom 20.07.2006 - 5 K 1287/05, in: Juris). Entgegen der Auffassung der Klägerin wollte der Gesetzgeber den Zinslauf für die Verzinsung von Nachforderungen nicht begrenzen. Vielmehr hat er die bis zum 28. Dezember 1999 in § 233a Abs. 2 Satz 3 AO a.F. enthaltene zeitliche Begrenzung der Verzinsung auf maximal 4 Jahre, durch die seither geltende Neufassung des § 233a AO (BGBl I 1999, 2601) ersatzlos aufgehoben, so dass das Gesetz nunmehr eine zeitlich unbefristete Verzinsung vorsieht. Für den Streitfall kann dahinstehen, ob eine unangemessene, überlange Verfahrensdauer im Einzelfall gleichwohl ausnahmsweise zur sachlichen Unbilligkeit führen kann. Denn diese Grenze ist bei einer Betriebsprüfung einer komplexen Firmengruppe mit mindestens 6 verschiedenen Betrieben durch das Finanzamt für Großbetriebsprüfung - wie im Streitfall - trotz der langen Dauer der Betriebsprüfung von etwas mehr als 9 Jahren zur Überzeugung des Senats jedenfalls noch nicht überschritten.
Nach diesen Grundsätzen hat das beklagte Finanzamt den Erlass der Nachzahlungszinsen im Streitfall frei von Ermessensfehlern abgelehnt. In der Begründung der Einspruchsentscheidung heißt es hierzu unter Verweis auf den Zweck der Vorschrift des § 233a AO, dass die Verzinsung wegen ihres typisierenden Charakters unabhängig von einem Verschulden des Finanzamtes oder des Steuerpflichtigen durch ihre Abschöpfungswirkung gekennzeichnet sei. Der Grundsatz von Treu und Glauben stehe einer Festsetzung von Nachforderungszinsen grundsätzlich auch dann nicht entgegen, wenn dem Finanzamt bei der Bearbeitung einer Steuererklärung Fehler unterlaufen sind (BFH, Beschluss vom 03.05.2000 - II B 124/99, BFH/NV 2000, 1441; BFH, Beschluss vom 30.10.2001 - X B 147/01, BFH/NV 2002, 505; BFH, Beschluss vom 02.08.2005 - X B 139/04, in: Juris). Auch die verzögerte Bearbeitung eines Streitfalles durch das Finanzamt stelle in der Regel keinen sachlichen Billigkeitsgrund dar (BFH, Beschluss vom 26.07.2006 - VI B 134/05, BFH/NV 2006, 2029; BFH, Beschluss vom 02.02.2001 - XI B 91/00, BFH/NV 2001, 1003; BFH, Beschluss vom 03.05.2000 - II B 124/99, BFH/NV 2000, 1441; BFH, Urteil vom 19.03.1997 - I R 7/96, BStBl II 1997, 446 [BFH 19.03.1997 - I R 7/96]). Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die generelle Geltungsanordnung eines Gesetzes darf - wie es in der Einspruchsbegründung zutreffend heißt - durch eine Billigkeitsmaßnahme nicht unterlaufen werden. Weder die fehlende Einwirkungsmöglichkeit des Steuerpflichtigen auf den Zeitpunkt der Steuerfestsetzung noch eine allein vom Finanzamt zu vertretende Verzögerung bei der Veranlagung begründen eine sachliche Unbilligkeit. Die Zinsen nach § 233a AO sind, worauf das Finanzamt in der Einspruchsentscheidung zutreffend hinweist - eine laufzeitabhängige Gegenleistung für eine mögliche Kapitalnutzung (BFH, Beschluss vom 02.02.2001 - XI B 91/00, BFH/NV 2001, 1003), so dass die Ursache für die überdurchschnittliche Bearbeitungsdauer und ein Verschulden, unabhängig wem dies zur Last fällt, irrelevant sind (BFH, Urteil vom 15.04.1999 - V R 63/97, BFH/NV 1999, 1392; BFH, Beschluss vom 30.11.2000 - V B 169/00, BFH/NV 2001, 656).
Dem kann die Klägerin auch nicht entgegenhalten, dass sie tatsächlich keine Zinsvorteile erlangt habe. Eine flexible Geldanlage zu einem Zinssatz von nahezu 12 % sei seinerzeit ausgeschlossen gewesen. Die Klägerin habe stets mit einer Zahlungspflicht rechnen müssen und deswegen den Nachzahlungsbetrag nicht für einen längeren, mit einer höheren Rendite verbundenen Zeitraum anlegen können. Der Gesetzgeber hat im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung den auszugleichenden Zinsvorteil und -nachteil typisierend auf 0,5 v.H. pro Monat festgesetzt. Daraus folgt, dass es auf den im Einzelfall vom Steuerpflichtigen konkret erzielten bzw. vom Steuergläubiger erlittenen Zinsvorteil oder -nachteil nicht ankommen soll (vgl. BFH, Urteil vom 20.09.1995 - X R 86/94, BStBl II 1996, 53). Der konkrete Zinsvorteil oder -nachteil soll für den Einzelfall nicht ermittelt werden müssen. In vielen Fällen ist eine solche Ermittlung gar nicht möglich, weil es von subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängt, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert bzw. das noch nicht zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet. Ebenso wenig soll es darauf ankommen, welcher Zinsnachteil im konkreten Einzelfall dem Steuergläubiger entsteht und inwieweit Zinsvorteil und - nachteil voneinander abweichen. Daraus folgt gleichzeitig, dass es kein Grund für einen Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen sein kann, wenn im konkreten Einzelfall entweder der Steuerpflichtige einen Zinsvorteil erzielt oder aber der Steuergläubiger einen Zinsnachteil erleidet, der deutlich unterhalb des angesetzten Betrages von 0,5 v.H. pro Monat liegt (BFH, Urteil vom 19.03.1997 - I R 7/96, BStBl II 1997, 446 m.w.N.). Die Klägerin hätte ihre Zinszahlungspflicht - worauf das beklagte Finanzamt in der Einspruchsbegründung zutreffend verweist - dadurch vermeiden können, dass sie in Höhe der erwarteten Nachzahlung bereits vor Wirksamkeit der Steuerfestsetzung freiwillige Leistungen erbracht hätte (vgl. BFH, Urteil vom 19.03.1997 - I R 7/96, BStBl II 1997, 446; BFH, Urteil vom 26.01.2000 - IX R 11/96, BFH/NV 2000, 1177). Soweit die Klägerin freiwillige Leistungen nicht erbracht hat, kann sie sich gegenüber der Festsetzung von Nachzahlungszinsen auch nicht auf den von ihr nur in geringem Umfang gezogenen Zinsvorteil berufen (vgl. BFH, Urteil vom 19.03.1997 - I R 7/96, BStBl II 1997, 446).
2.)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.