Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.07.2021, Az.: 11 K 14125/19

Inanspruchnahme für Abzugssteuern nach § 50 a Abs. 4 Nr. 1 Einkommensteuergesetz i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1996 vom 11. Oktober 1995, des Jahressteuergesetzes 1997 vom 20. Dezember 1996 und des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 ("Künstlerabzugssteuer") als Haftende auf der sogenannten 2. Stufe

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
15.07.2021
Aktenzeichen
11 K 14125/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 66215
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - AZ: I R 35/21

Fundstellen

  • DStRE 2022, 1480-1486
  • StB 2022, 267-274

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte die Klägerin für Abzugssteuern nach § 50 a Abs. 4 Nr. 1 Einkommensteuergesetz in den Fassungen des Jahressteuergesetzes 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl. I 1995, 1250), des Jahressteuergesetzes 1997 vom 20. Dezember 1996 (BGBl. I 1996, 2049) und des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl. I 1999, 402) im Zeitraum 1996 bis 1. Quartal 1999 ("Künstlerabzugssteuer") als Haftende auf der sogenannten 2. Stufe in Anspruch nehmen durfte.

Die Klägerin ist eine österreichische Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Österreich. Sie betrieb im Streitzeitraum eine Konzertdirektion und war nicht selbst künstlerisch tätig. Ihre Tätigkeit bestand u. a. darin, für im Inland durchgeführte kulturelle Veranstaltungen Künstler zur Verfügung zu stellen. Hierzu verpflichtete sie inländische und ausländische Künstler bzw. Künstlergruppen, die bei den von ihr organisierten Aufführungen mitwirkten. Die Klägerin schloss für jede Veranstaltung zum einen mit dem Veranstalter, oft städtischen Kulturvereinen, einen Werkvertrag, in dem die Vergütung vereinbart war, die die Klägerin vom Veranstalter erhielt (sogenannte 1. Stufe), sowie einen weiteren Vertrag mit den Künstlerensembles, in dem u. a. das Honorar vereinbart war, das die Künstler erhielten (sogenannte 2. Stufe). Für die Realisierung der Projekte bediente sie sich ferner verschiedener Dienstleistungserbringer.

Der Beklagte erhielt durch vom Bundesamt für Finanzen übermittelte Durchschriften von Freistellungsbescheiden nach § 50 d Abs. 3 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung (EStG) davon Kenntnis, dass die Klägerin wie in den Vorjahren auch in der beschriebenen Weise in Deutschland Künstler vermittelt hatte. Da sie auch nach bestandskräftiger Festsetzung eines Zwangsgeldes für 1997 keine Steueranmeldungen nach § 50 a Abs. 5 Satz 3 EStG abgegeben hatte, nahm der Beklagte sie auf der sogenannten 2. Stufe gemäß § 73 g Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) mit Haftungsbescheiden vom xx. Oktober 1999 (1. bis 4. Quartal 1997), vom xx. Oktober 1999 (1. bis 4. Quartal 1998), vom xx. November 1999 (1. Quartal 1999) und vom xx. November 1999 (1. bis 4. Quartal 1996) in Anspruch. Dabei schätzte er die Höhe der in den einzelnen Quartalen von der Klägerin an die Künstler gezahlten Vergütungen. Die danach abzuführende Einkommensteuer berechnete er unter Anwendung eines Steuersatzes von 25 v. H. nach § 50 a Abs. 4 Satz 2 EStG; der Solidaritätszuschlag betrug 7,5 v. H. (für 1996 und 1997) sowie 5,5 v. H. (für 1998 und 1999). Gegen die Haftungsbescheide erhob die Klägerin am xx. November und xx. Dezember 1999 Einsprüche. Dabei trug sie vor, dass für Zahlungen an ausländische Künstler von ihr prinzipiell kein Steuerabzug vorzunehmen, mithin auch eine Haftung unzulässig sei. Dies folge aus dem Doppelbesteuerungsabkommen mit der Republik Österreich (DBA). Zudem seien die vier Haftungsbescheide inhaltlich zu unbestimmt und daher rechtswidrig.

Im Laufe des Einspruchsverfahrens übersandte der Beklagte am xx. April 2000 Auflistungen der Veranstaltungen, die er bei der Schätzung der abzuführenden Steuern zugrunde gelegt hatte. Am 27. Juli 2000 übermittelte die Klägerin eine Aufstellung der einzelnen Künstler bzw. Künstlergruppen, an die sie die verschiedenen Honorare geleistet hatte. Dabei hob sie hervor, dass es sich bei den Zahlungen teilweise um Diäten, teilweise um die Bezahlung von Hotelkosten und teilweise um die Zahlung für Fahrtkosten gehandelt habe. Die Einspruchsverfahren ruhten zunächst längere Zeit wegen entsprechender vor dem Bundesfinanzhof (BFH) und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängiger Verfahren. So hatte das Finanzgericht Münster mit Urteil vom 23. Mai 2001 8 K 1045/97 E (EFG 2001, 1376) für das Jahr 1996 entschieden, dass eine österreichische Konzertdirektion, die auf Grund eines Vertrages mit einem inländischen Konzertveranstalter verpflichtet sei, die Honorare an selbständige, ausländische Künstler für deren Auftreten in Deutschland zu zahlen, zum Steuerabzug verpflichtet sei. Ein Steuerabzug könne aber unterbleiben, wenn das Bundesamt für Finanzen auf Antrag einen Freistellungsbescheid erteilt habe. Dieser Verwaltungsakt sei auch erforderlich bei Freistellung durch ein DBA. Im hiergegen durchgeführten Revisionsverfahren entschied der BFH mit Urteil vom 22. August 2007 I R 46/02, BStBl. II 2008, 190, dass ein im Ausland ansässiger Vergütungsschuldner auch dann zum Steuerabzug verpflichtet sein könne, wenn es sich um eine "zwischengeschaltete" beschränkt steuerpflichtige Person handele und damit eine Abzugsverpflichtung auf sogenannter zweiter Ebene begründet werde. Gemeinschaftsrechtliche Bedenken gegen die Regelungen in § 50 a Abs. 4 Nr. 2 EStG 1996 habe der BFH nicht.

Am xx. Mai 2008 teilte der Beklagte der Klägerin mit, nach Abschluss des Revisionsverfahrens nunmehr zeitnah über die Einsprüche entscheiden zu wollen. Die Klägerin teilte hierzu mit, nach ihrer Kenntnis sei ein neues BMF-Schreiben zur Anwendung des § 50 a EStG zu erwarten, weshalb die Entscheidungen zurückgestellt werden sollten. Mit Einspruchsbescheid vom 25. Mai 2011 wurde der Rechtsbehelf der Klägerin gegen den Haftungsbescheid für 1994 zurückgewiesen, wobei die Haftungssumme reduziert wurde. Mit Urteil vom 18. Januar 2018 14 K 5/17 gab das Niedersächsische Finanzgericht der Klage hinsichtlich der Vergütungen an eine durch den russischen Staat subventionierte Einrichtung statt und wies sie im Übrigen ab. Die Nichtzulassungsbeschwerde wies der BFH mit Beschluss vom 12. September 2018 I B 18/18 zurück.

Mit Schreiben vom xx. Februar 2019 teilte der Beklagte der Klägerin mit, er beabsichtige nunmehr, die Haftungssummen in den Streitjahren jeweils unter Zugrundelegung der von der Klägerin mit Schreiben vom xx. Juli 2000 mitgeteilten Zahlungen an die ausländischen Künstler herabzusetzen und soweit es in den Streitjahren als beschränkt steuerpflichtige EU/EWR-Vergütungsgläubiger betreffe, von der Bemessungsgrundlage in unmittelbarem Zusammenhang mit den Einnahmen stehende Betriebsausgaben in Abzug zu bringen. Dem Schreiben war eine detaillierte Aufstellung der Kürzungsbeträge geordnet nach den einzelnen Veranstaltungen beigefügt.

Mit Schreiben vom xx. März 2019 erklärte die Klägerin, das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts sei nicht rechtmäßig ergangen und daher für die hier in Rede stehenden Streitjahre unmaßgeblich. Der Beklagte habe die vorliegenden Freistellungsbescheinigungen dem Finanzgericht "unterschlagen". Diese Verwaltungsakte seien nach wie vor wirksam und zu beachten. Im Urteil vom 25. April 2018 I R 59/15, BStBl. II 2018, 624 habe der BFH festgestellt, dass ein Steuerabzug für die Vergütungen an die Klägerin für den gewerblichen Anteil nicht in Betracht komme. Steuerpflichtig blieben nur die Vergütungen an die Künstler für ihren Auftritt in Deutschland. Das seien etwa 25 v. H. des Honorars an die Klägerin. Aufgrund des DBA unterlägen die Vergütungen von selbstständigen Künstlern mit Wohnsitz in Österreich einer Steuerpflicht in Deutschland. Künstlern mit Wohnsitz außerhalb Österreichs unterlägen entsprechend ihrem DBA mit dem Wohnsitzland einer Besteuerung, die aber nicht mehr in der Verantwortung der Klägerin liege. Die vom Beklagten in der Aufstellung angeführten Betriebseinnahmen stimmten nicht mit den tatsächlichen Einkünften der Klägerin überein. Der Steuersatz betrage entgegen der Vorgaben nur 15 v. H. laut Entscheidung des EuGH. Ferner sei dieser Steuersatz weiter zu reduzieren bzw. auf 0 zu stellen, wenn die betroffenen Künstler keine steuerbaren Einkünfte aufgrund eines geringen Jahreseinkommens erzielten. Dies treffe vom Ansatz her auf etwa 80 v. H. der mitwirkenden Künstler zu. Für die eingeforderten Steuern sei zudem bereits Zahlungsverjährung eingetreten.

Der Rechtsbehelf hatte nur insoweit Erfolg, als der Beklagte die Haftungssummen auf die Werte aus seiner Aufstellung in seinem Schreiben vom xx. Februar 2019 reduzierte. Im Einspruchsbescheid vom xx. Mai 2019 führte er zur Begründung Folgendes aus:

- Die für den Steuerabzug maßgebliche Regelung des § 50a Abs. 4 Satz 1 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung sei europarechtskonform (Hinweis auf EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2006 C-290/04, BStBl. II 2007, 352). Die Klägerin sei unter Beachtung der Rechtslage in § 50 a Abs. 4 EStG zur Einbehaltung und Abführung der Steuerabzugsbeträge verpflichtet gewesen.

- Für die Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung der Steuerabzüge komme es nicht darauf an, ob die von den Künstlern erzielten Einkünfte unter Beachtung des jeweils geltenden DBA in Deutschland nicht besteuert würden. Nach § 50 d Abs. 1 Satz 1 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung seien die Vorschriften über die Einbehaltung und Abführung ungeachtet derartiger Abkommen anzuwenden. Von der Steueranmeldung, dem Einbehalt und der Abführung habe die Klägerin nur bei Vorliegen von Freistellungsbescheinigungen für die Vergütungen an die Künstler absehen dürfen. Tatsächlich lägen aber nur Freistellungsbescheinigungen für die von der Klägerin selbst erzielten Einkünfte vor. Diese Freistellungsbescheinigungen hätten dem Gericht auch im Klageverfahren 14 K 5/17 vorgelegen.

- Die Zahlungsverjährung sei nicht eingetreten, weil die Vollziehung der streitigen Beträge durch Bescheide vom xx. und xx. Dezember 1999 ausgesetzt worden seien.

Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Ergänzend zum bisherigen Vorbringen macht die Klägerin folgende Einwände geltend:

- Bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage sei das bis 2002 bestehende Doppelbesteuerungsabkommen mit der Republik Österreich anzuwenden. Nach dieser Vorschrift unterlägen alle Einkünfte von nicht in Österreich ansässigen Künstlern dem jeweils zutreffenden DBA mit dem Wohnsitzstaat. Eine Haftung der Klägerin bestehe in diesem Fall nicht.

- Die Klägerin habe dem Beklagten die für eine Versteuerung erforderlichen Informationen über die einzelnen Künstler mitgeteilt bzw. diese hätten sich diese durch Amtshilfe beschaffen können. Eine Inanspruchnahme der Klägerin sei daher willkürlich.

- Der überwiegende Teil der Ensembles sei nicht nach § 50 a EStG steuerpflichtig gewesen, weil es sich um staatliche Theater, gemeinnützige Körperschaften etc. gehandelt habe. Diese handelten ohne Gewinnerzielungsabsicht und könnten deshalb auch keine Einkünfte erzielen. Zudem habe der Beklagte in vielen Fällen eine rechtswidrige Besteuerung der Einkünfte der Klägerin auf der ersten Ebene bei den Veranstaltern durchgeführt, obwohl Freistellungsbescheinigungen vorgelegen hätten. Für 1996 lege die Klägerin für acht Veranstaltungen dar, dass die dort tätigen Künstler keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen würden, weil sie entweder von den dortigen Staaten unterhalten würden oder aber gemeinnützig seien. Ein Künstlerquartett hätte im Jahr 1996 nur 12.000 DM vereinnahmt.

- Die Haftungsbescheide seien nicht hinreichend bestimmt, weil der Beklagte in ihnen die Einkommensverhältnisse und Ertragssteuern ordnungsgemäß benannt habe, damit die Klägerin als Haftungsschuldnerin einen zivilrechtlichen Rückgriff gegen die vermeintlich beschränkt Steuerpflichtigen durchsetzen könne.

- Wegen der langen Verfahrensdauer von 20 Jahren seien die Forderungen des Beklagten nach Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht mehr durchsetzbar.

Die Klägerin beantragt,

die Haftungsbescheide betreffend Steuerabzug nach § 50 a EStG für die Jahre 1996 bis 1998 und das 1. Quartal 1999 vom xx. Oktober, xx. und xx. November 1999 in Gestalt des Einspruchsbescheids vom xx. Mai 2019 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner im Einspruchsbescheid geäußerten Rechtsansicht fest. Ergänzend weist er auf Folgendes hin:

- Gegen das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht bei den Künstlern spreche insbesondere ihre Professionalität. Die Theater- und Musikgruppen würden europaweite Tourneen durchführen. Anhaltspunkte, dass diese Tätigkeiten aus persönlichen Motiven ausgeübt würden, seien nicht erkennbar. Die Inanspruchnahme von staatlichen Subventionen oder Fördermitteln in ihren Heimatländern spreche nicht gegen die Gewinnerzielungsabsicht der Ensembles.

- Bemessungsgrundlage für den Steuerabzug seien die Vergütungen, die die Klägerin an die Ensembles gezahlt habe und nicht die Beträge, die letztlich bei den einzelnen Künstlern angekommen seien.

- Eine Verwirkung oder Ähnliches komme schon deshalb nicht in Betracht, weil das Einspruchsverfahren zunächst einvernehmlich geruht habe, um den Ausgang einschlägiger Parallelverfahren abzuwarten.

Die Beteiligten haben mit Schreiben vom xx. Januar, xx. März und xx. Juni 2021 auf mündliche Verhandlung verzichtet. Die Klägerin hat trotz Aufforderung durch das Gericht keinen inländischen Zustellungsbevollmächtigten benannt.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Haftungsbescheide vom xx. Oktober, xx. und xx. November 1999 und der Einspruchsbescheid vom 28. Mai 2019 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die Regelung des § 50a Abs. 4 Satz 1 EStG ist in Anwendbarkeit und Auslegung der Rechtsprechung des BFH und des EuGH europarechtskonform (1.). Der Einbehaltungs- und Abführungspflicht der Klägerin nach § 50a Abs. 4 EStG steht nicht entgegen, dass es sich bei den von ihr engagierten Künstlern teilweise um Ensembles handelt, die wohl durch ausländische Mittel gefördert worden sind. Das Gericht teilt die unsubstantiierte Behauptung der Klägerin, bei den Künstlern fehle teilweise eine Gewinnerzielungsabsicht, weil es sich um Ensembles ausländischer Institutionen handele, nicht, vielmehr ist es davon überzeugt, dass auch solche Künstler im Ausland tätig werden, um Gewinne zu erzielen (2.). Der Einbehaltungs- und Abführungspflicht stehen weder die Regelungen der DBA zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den jeweiligen Wohnsitzstaaten der Künstler, das DBA zwischen Deutschland und Österreich, die vom Bundesamt für Steuern der Klägerin für ihre Einkünfte erteilten Freistellungsbescheinigungen noch der Umstand entgegen, dass die Klägerin in Deutschland weder über einen Sitz oder eine Betriebsstätte verfügt (3.). Der Beklagte hat die einzubehaltenden und abzuführenden Steuerabzugsbeträge als Haftungsbeträge sachgerecht geschätzt und insbesondere die unmittelbar im Zusammenhang mit den Einnahmen stehenden Betriebsausgaben der Künstler, auf die die Rechtsvorschriften der EU Anwendung finden, aus der Bemessungsgrundlage herausgenommen (4.). Der Haftungsbescheid in der Fassung des Einspruchsbescheids genügt den Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit von Verwaltungsakten (5.). Zahlungsverjährung ist nicht eingetreten; der Beklagte ist auch nicht an einer Durchsetzung seines Haftungsanspruchs wegen der langen Verfahrensdauer gehindert (6.).

Nach § 50 a Abs. 4 Satz 1 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung wird bei beschränkt Steuerpflichtigen die Einkommensteuer in bestimmten Fällen im Wegen des Steuerabzugs erhoben. Dem Steuerabzug unterliegen u. a. Einkünfte aus inländischen künstlerischen Darbietungen (§ 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG) einschließlich der Einkünfte aus anderen mit diesen Leistungen zusammenhängenden Leistungen und unabhängig davon, wem die Einnahmen zufließen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe d EStG). Dem Steuerabzug unterliegt der volle Betrag der Einnahmen einschließlich der Beträge nach § 3 Nr. 13 und 16 EStG. Abzüge, z. B. für Betriebsausgaben, Werbungskosten, Sonderausgaben und Steuern, sind nicht zulässig (§ 50 a Abs. 4 Sätze 3 und 4 EStG). Der Steuerabzug beträgt in diesen Fällen 25 v. H. (§ 50 a Abs. 4 Satz 2 EStG). Die Steuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Vergütung dem Gläubiger zufließt (§ 50 a Abs. 5 Satz 1 EStG). In diesem Zeitpunkt hat der Schuldner der Vergütung (Vergütungsschuldner) den Steuerabzug für Rechnung des Gläubigers (Steuerschuldner) vorzunehmen (§ 50 a Abs. 5 Satz 2 EStG) und die innerhalb eines Kalendervierteljahres einbehaltene Steuer jeweils bis zum 10. des dem Kalendervierteljahr folgenden Monates an das für ihn zuständige Finanzamt abzuführen (§ 50 a Abs. 5 Satz 3 EStG). Der Vergütungsschuldner haftet für die Einbehaltung und Abführung der Steuer (§ 50 a Abs. 5 Satz 5 EStG). Soweit der Vergütungsschuldner seine Verpflichtungen nicht erfüllt, kann das Finanzamt die Steuer bei ihm durch Haftungsbescheid anfordern (§ 73 g EStDV).

1. Die nationale Regelung des § 50 a Abs. 4 Satz 1 EStG ist in Anwendbarkeit und Auslegung der zwischenzeitlich ergangenen nationalen Rechtsprechung und der Rechtsprechung des EuGH europarechtskonform (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2006 C-290/04, BStBl. II 2007, 352). Danach bleiben das Steuerabzugsverfahren sowie ein sich ggf. anschließendes Haftungsverfahren gegenüber dem Vergütungsschuldner zumindest bis zur Geltung der Richtlinie 2002/94/EG der Kommission vom 9. Dezember 2002 zur Festlegung ausführlicher Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Artikeln der Richtlinie I 76/308/EWG über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Zusammenhang mit bestimmten Abgaben, Zöllen, Steuern und sonstigen Maßnahmen -EG-Beitreibungsrichtlinie- und damit auch für die streitgegenständlichen Besteuerungszeiträume aus Sicht des EU-Rechts unbeanstandet. Der EuGH hat das Abzugsprinzip als "angemessene Weise (...), (um) die Effizienz dieser Erhebung zu gewährleisten" ausdrücklich als "verhältnismäßiges Mittel zur Beitreibung steuerlicher Forderungen des Besteuerungsstaates" angesehen und als solches nicht in Frage gestellt. Diese Rechtsansicht hat der EuGH bestätigt (Urteil vom 18. Oktober 2021 C-498/10, IStR 2013, 26) und ihr sind auch die nationalen Gerichte gefolgt (BFH, Urteil vom 5. Mai 2010 I R 104/08, BFH/NV 2010, 1814; Nds. FG, Urteil vom 18. Januar 2018 14 K 5/17, n. v.; FG München, Urteil vom 29. Januar 2018 7 K 52/16, Juris Rdnr. 36). Im Hinblick auf eine mögliche Verletzung der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) hat der BFH zur Möglichkeit der deutschen Finanzverwaltung, auf Vereinbarungen über Amts- und Vollstreckungshilfe mit anderen Staaten zurückzugreifen, entschieden, dass diese Möglichkeiten die Nachteile, die der Finanzverwaltung aus ihrer fehlenden Ermittlungsmöglichkeit im EU-Ausland erwachsen, nicht ausgleichen.

Der in § 50 a Abs. 4 EStG geregelten Einbehaltungs- und Abführungspflicht steht die europäische Dienstleistungsfreiheit in Art. 56 AEUV nicht entgegen.

Der Bereich der direkten Steuern fällt zwar nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft; die Mitgliedstaten müssen die ihnen verbliebenen Befugnisse jedoch unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben (EuGH, Urteil vom 14. Februar 1995 C-279/93, EuGHE I 1995, 225). Nach Art. 56 AEUV sind Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, nach Maßgabe der Art. 56 ff. AEUV verboten. Gemäß Art. 57 AEUV sind Dienstleistungen im Sinne der Verträge Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen. Als Dienstleistungen gelten insbesondere gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten. Nach der Rechtsprechung des EuGH verlangt die Dienstleistungsfreiheit die Aufhebung aller Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs, die darauf beruhen, dass der Dienstleister in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen niedergelassen ist, in dem die Leistung erbracht wird (EuGH, Urteil vom 26. Februar 1991 C-180/99, EuGHE I 1991, 709). Dabei verleiht die die Dienstleistungsfreiheit nicht nur dem Erbringer von Dienstleistungen selbst, sondern auch dem Empfänger dieser Dienstleistungen Rechte (EuGH, Urteil vom 26. Oktober 1999 C-294/97, EuGHE I 1999, 7447).

Nationale Rechtsvorschriften verletzen die Dienstleistungsfreiheit, wenn der Dienstleistungsempfänger, der Schuldner der an einen gebietsfremden Dienstleister zu zahlenden Vergütung ist, im Steuerabzugsverfahren die Betriebsausgaben, die der Dienstleister ihm mitgeteilt hat und die im unmittelbaren Zusammenhang mit dessen Tätigkeit im Mitgliedstaat stehen, nicht steuermindernd geltend machen kann, während bei einem gebietsansässigen Dienstleister nur die Nettoeinkünfte der Steuer unterliegen (EuGH, Urteile vom 3. Oktober 2006 C-290/04, BStBl. II 2007, 352; vom 15. Februar 2007 C-345/04, EuGHE I 2007, 1425).

Nach Maßgabe dieser - auf Grund des Vorrangs von Gemeinschaftsrecht verbindlichen - Auslegung von Art. 56 und 57 AEUV durch den EuGH sind § 50 a Abs. 4 Sätze 2, 3 und 4 EStG in gemeinschaftskonformer Weise auszulegen: Dem Vergütungsschuldner mitgeteilte Aufwandspositionen sind prinzipiell bei Vornahme des Steuerabzugs zu berücksichtigen. Ansonsten bleibt es bei für den Vergütungsgläubiger bei dem Erfordernis, ein Freistellungs- oder Erstattungsverfahren einzuleiten und innerhalb dieses Verfahrens seine beschränkte Steuerpflicht zu klären. Ein Grund dafür, das Abzugsverfahren wegen dessen vorbehaltloser tatbestandlicher Orientierung an der geleisteten Bruttovergütung gänzlich unangewandt zu belassen, besteht nicht. Es genügt, die einschränkenden tatbestandlichen Voraussetzungen in normerhaltender Weise zu reduzieren, die Norm aber als solche weiter anzuwenden. Eine weitergehende Rechtswirkung kommt dem prinzipiellen Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht nicht zu (BFH, Urteile vom 10. Januar 2007 I R 87/03, BStBl. II 2008, 22; vom 27. Juli 2011 I R 32/10, BStBl. II 2014, 514 Rdnr. 17).

2. Der Einbehaltungs- und Abführungspflicht der Klägerin nach § 50a Abs. 4 EStG steht nicht entgegen, dass es sich bei den von ihr engagierten Künstlern teilweise um Ensembles handelt, die wohl durch ausländische Mittel gefördert worden sind. Das Gericht teilt die unsubstantiierte Behauptung der Klägerin, bei den Künstlern fehle teilweise eine Gewinnerzielungsabsicht, weil es sich um Ensembles ausländischer Institutionen handele, nicht, vielmehr ist es davon überzeugt, dass auch solche Künstler im Ausland tätig werden, um Gewinne zu erzielen.

Die Einbehaltungs- und Abführungspflicht des Vergütungsschuldners nach § 50a Abs. 4 EStG knüpft daran an, dass der beschränkt steuerpflichtige Vergütungsgläubiger der Einkommensteuer unterliegende Einkünfte nach § 1 Abs. 4 EStG erzielt. Sie setzen mithin voraus, dass die vom Vergütungsschuldner geleiteten Zahlungen aus der Sicht des Vergütungsgläubigers dem Einkünftekatalog des § 49 EStG unterfallen. Ist das nicht der Fall, scheidet mangels einer abzuführenden Steuer auch eine Haftungsinanspruchnahme des Vergütungsschuldners aus.

Nach ständiger Rechtsprechung sind Zahlungen nicht der Einkunftserzielung zuzuordnen, wenn sie im Zusammenhang mit Leistungen stehen, die sich als steuerlich unbeachtliche "Liebhaberei" darstellen (BFH, Urteil vom 7. November 2001 I R 14/01, BStBl. II 2002, 861). Eine solche liegt vor, wenn die betreffenden Leistungen nicht von dem Streben nach Gewinnerzielung getragen sind, sondern aus persönlichen Motiven erfolgen (BFH, Beschluss vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751; BFH-Urteil vom 22. April 1998 XI R 10/97, BStBl. II 1998, 663). Eine Zahlung, die auf einer solchen Leistung beruht, unterliegt deshalb bei dem Empfänger nicht der Einkommensteuer und löst für den Zahlenden keine Einbehaltungs- und Abführungspflicht i. S. des § 50 a Abs. 4 EStG aus (BFH, Urteil vom 7. November 2001 I R 14/01, a. a. O.).

Eine Zuordnung der vorliegenden Einkünfte der Vergütungsgläubiger zu den einzelnen Einkunftsarten gemäß § 49 Abs. 1 EStG - in Betracht kommen hier Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne der Nummer 3 und 4 gehören, durch künstlerische Darbietungen oder durch deren Verwertung im Inland erzielt werden, einschließlich der Einkünfte aus anderen mit diesen Leistungen zusammenhängenden Leistungen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2d EStG) oder Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die im Inland ausgeübt oder verwertet wird (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG) - erfolgt grundsätzlich unter Berücksichtigung der im In- und Ausland gegebenen Tatbestandsmerkmale. Ob eine bestimmte Leistung der steuerrechtlich relevanten Einkunftserzielung oder dem Bereich der Liebhaberei zuzuordnen ist, muss daher bei beschränkt Steuerpflichtigen nach denselben Kriterien beurteilt werden wie bei unbeschränkt Steuerpflichtigen (BFH, Urteil vom 7. November 2001 I R 14/01, a. a. O.). Bei der Frage nach der Gewinnerzielungsabsicht ist somit auf die zu beurteilende Tätigkeit der Zahlungsempfänger in ihrer Gesamtheit abzustellen.

Es kann ausgeschlossen werden, dass die von der Klägerin engagierten ausländischen Künstlerensembles unabhängig von der Frage nach ihrer Rechtsform ihre Tätigkeit im Inland nicht mit der Absicht der Gewinnerzielung ausgeübt haben. Gegen eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht spricht insbesondere, dass es sich um professionelle Theater- und Musikgruppen gehandelt hat, die europaweite Tourneen durchführen. Anhaltspunkte, dass diese die betreffenden Leistungen nicht aus Gründen des Strebens nach Gewinn erbracht haben, sondern aus persönlichen Motiven, fehlen (BFH, Beschluss vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751; BFH, Urteil vom 22. April 1998 XI R 10/97, BStBl. II 1998, 663). Die Inanspruchnahme von staatlichen Subventionen oder Fördermitteln in ihrem Heimatland, wie von der Klägerin durch Vorlage von Bescheinigungen einiger Künstlerensembles geltend gemacht, spricht nicht gegen die Gewinnerzielungsabsicht der Ensembles (BFH, Beschluss vom 17. Mai 2005 I B 108/04, BFH/NV 2005, 1778). Ausweislich der in den Akten vorhandenen Gastspielprogramme und Kontrollmitteilungen werden vor allem populäre Opern, Operetten, Musicals und Balletts gespielt, größtenteils von Bühnen, die für konventionelle und werktreue Inszenierungen bekannt sind, ein möglichst breites Publikum ansprechen und damit einen größtmöglichen kommerziellen Erfolg versprechen. Es widerspricht der Lebenserfahrung, dass unter diesen Voraussetzungen nicht das Streben nach Gewinn, sondern ausschließlich hehre künstlerische Ziele der Zweck der Aufführung ist. Auch soweit die Klägerin behauptet, dass die Ensembles teilweise Haushaltsinstitutionen der Selbstverwaltungen seien, die von staatlicher Seite unterhalten würden und nach dem Non-Profit-Prinzip arbeiteten und wirtschafteten, spricht dies nicht gegen die fehlende Gewinnerzielungsabsicht. Die Arbeit nach dem "Non-Profit-System" schließt eine Gewinnerzielungsabsicht nicht generell aus, was u. a. auch dadurch belegt wird, dass auch nach deutschem Recht gemeinnützige Körperschaften sich z. B. im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs mit Gewinnerzielungsabsicht betätigen können (Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 3. Auflage, 7.33; FG München, Urteile vom 19. Juli 2010 7 K 472/08, EFG 2010, 1921; vom 29. Januar 2018 7 K 52/16, Juris Rdnr. 27). Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalles. In dem von der Klägerin angeführten nicht veröffentlichten Urteil des Finanzgerichts Hessen vom 27. Juli 2010 4 K 982/09, bei dem Vergütungsgläubiger offensichtlich ein US-amerikanisches Musikensemble war, welches nach amerikanischen Recht als Non-Profit-Organisation eingestuft war, fehlten dem Gericht konkrete Anhaltspunkte, die eine Gewinnerzielungsabsicht hätten belegen könnten. Dieser Sachverhalt ist mit dem vorliegenden Streitfall nicht vergleichbar, da nach Auffassung des Senats ausreichend Anhaltspunkte für eine Gewinnerzielungsabsicht der Vergütungsschuldner gegeben sind. Auch der Umstand, dass ein Ensemble in Deutschland nur geringe Einnahmen erzielt hat, sagt nichts über dessen generelle Gewinnerzielungsabsicht aus.

Die gegenteilige Auffassung des 14. Senats des Nds. FG in seinem Urteil vom 18. Januar 2018 14 K 5/17, wonach bereits die staatliche Förderung einer regionalen Philharmonie in Höhe von 70 v. H. der jährlichen Ausgaben Zweifel an einer Gewinnerzielungsabsicht hervorrufen könne, teilt das Gericht nicht.

3. Der Einbehaltungs- und Abführungspflicht stehen weder die Regelungen der DBA zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den jeweiligen Wohnsitzstaaten der Künstler, das DBA zwischen Deutschland und Österreich, die vom Bundesamt für Steuern der Klägerin für ihre Einkünfte erteilten Freistellungsbescheinigungen noch der Umstand entgegen, dass die Klägerin in Deutschland weder über einen Sitz oder eine Betriebsstätte verfügt.

Ob einzelne DBA das Besteuerungsrecht für die beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte der ausländischen Künstler dem ausländischen Wohnsitzstaat zuweisen, hat ebenso wenig Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides (§ 50 d Abs. 1 Satz 1 EStG) wie die in den jeweiligen DBA verankerten Diskriminierungsverbote (BFH, Urteil vom 21. Mai 1997 I R 79/96, BStBl. II 1998, 113; Kube in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 50 a, A 50). Die Schwierigkeiten des Fiskus bei der Durchsetzung von Steuerforderungen gegenüber ausländischen Künstlern für deren inländische Auftritte rechtfertigen den Steuerabzug (BFH, Urteil vom 22. August 2007 I R 46/02, BStBl. II 2008, 190). Denn gemäß § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG sind die Vorschriften über die Einbehaltung, Abführung und Anmeldung der Steuer ungeachtet des Abkommens anzuwenden. Von der Steueranmeldung, dem Steuereinbehalt und der Steuerabführung hätte die Klägerin nach § 50 d Abs. 3 Satz 1 EStG nur dann absehen dürfen, wenn die Künstler die Steuerfreistellung ihrer Einkünfte im Abzugsverfahren durch eine Bescheinigung des damaligen Bundesamtes für Finanzen nachgewiesen hätten. Dies ist jedoch zumindest nach Aktenlage nicht geschehen.

Unerheblich für die innerstaatliche Haftung der Klägerin für die nicht abgeführte Abzugssteuer auf von ihr gegenüber den ausländischen Künstlern geschuldeten Vergütungen ist eine mögliche Freistellung der von ihr selbst im Inland erzielten Einkünfte aus der Durchführung der im Inland ausgeübten künstlerischen Darbietungen nach dem DBA Österreich (BFH, Beschluss vom 17. Mai 2005 I B 108/04, BFH/NV 2005, 1778). Das DBA Österreich spielt für die Abzugssteuer, die die Klägerin für Rechnung der ausländischen Künstler abzuführen hat und für die sie nicht Steuerschuldnerin, sondern lediglich Haftungsschuldnerin ist, keine Rolle, denn § 50a EStG und das DBA haben insoweit unterschiedliche Regelungsgegenstände. Während das DBA Besteuerungsrechte zuordnet, betrifft § 50a EStG allein die Vornahme des Steuerabzugs bei bestimmten beschränkt steuerpflichtigen Vergütungsgläubigern. Daher kommt es nicht zu einer Überlagerung der Regelungen des § 50a EStG durch DBA-​Recht (Kube in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 50a, A 49; ähnlich Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 282. Lieferung 10.2017, § 4 EStG Rdnr. 10). Auch das Verständigungsverfahren nach Art. 21 DBA Österreich, auf das sich die Klägerin beruft, hat mit der Inanspruchnahme der Klägerin als Haftungsschuldnerin nichts zu tun, sondern betrifft ihre eigenen gewerblichen Einkünfte, die sie in der Bundesrepublik Deutschland erzielt.

Auch die vom Bundesamt für Finanzen der Klägerin erteilten Freistellungsbescheide und -bescheinigungen beziehen sich nur auf die Vergütungen, die sie selbst als Gläubigerin für die Überlassung der Künstler von den Veranstaltern erhalten hat.

Die Klägerin war als Vergütungsschuldner im Sinne von § 50a Abs. 4 Nr. 3 EStG verpflichtet, den Steuerabzug für Rechnung der Künstler vorzunehmen und die einbehaltene Steuer an das FA abzuführen (§ 50a Abs. 5 Satz 2 EStG). Da sie diese Verpflichtung nicht erfüllt hat und deshalb für die einzubehaltende und abzuführende Steuer haftet (§ 50a Abs. 5 Satz 5 EStG), war der Beklagte berechtigt, die Steuer bei ihr durch Haftungsbescheid anzufordern (§ 73 EStDV). Dem Gesetz lässt sich keine Einschränkung dergestalt entnehmen, dass - wie die Klägerin meint - nur Vergütungsschuldner, die im Inland über eine Betriebsstätte oder eine vergleichbare Einrichtung verfügen, zum Steuerabzug verpflichtet sind. Nach der Rechtsprechung des BFH ist vielmehr ausreichend, dass Entgelte an Künstler oder für die Verwertung künstlerischer Darbietungen im Inland entrichtet werden, die gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG oder § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG beschränkt steuerpflichtig sind. Das Anbieten oder Verwerten künstlerischer Veranstaltungen im Inland rechtfertigt die Verpflichtung zum Steuerabzug für Rechnung der Künstler auch für Vergütungsschuldner, die über keine Betriebsstätte oder vergleichbare Einrichtung im Inland verfügen. Die an eine Betätigung im Inland anknüpfende beschränkte Steuerpflicht des Vergütungsgläubigers stellt nach der Rechtsprechung des BFH den für die Verpflichtung zum Steuerabzug erforderlichen Inlandsbezug her (BFH-, Urteil vom 22. August 2007 I R 46/02, BStBl. II 2008, 190 m. w. N.; FG München, Urteil vom 29. Januar 2018 7 K 52/16, Juris Rdnr. 31).

4. Der Beklagte hat die einzubehaltenden und abzuführenden Steuerabzugsbeträge als Haftungsbeträge sachgerecht geschätzt und insbesondere die unmittelbar im Zusammenhang mit den Einnahmen stehenden Betriebsausgaben der Künstler, auf die die Rechtsvorschriften der EU Anwendung finden, aus der Bemessungsgrundlage herausgenommen.

Bei Erlass der einzelnen Haftungsbescheide war der Beklagte schon deshalb zur Schätzung der Haftungsbeträge nach § 162 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) berechtigt, weil die Klägerin ihrer Verpflichtung zur Anmeldung und Abführung der Steuerabzugsbeträge nicht nachgekommen ist. Die Klägerin hatte unstreitig mit den ausländischen Künstlern selbst Verträge abgeschlossen. Der Beklagte hatte nach den Rückfragen bei den einzelnen Veranstaltern keine weitere Aufklärungsmöglichkeit über die Höhe der Vergütungen, die in den Verträgen zwischen Klägerin und Künstlern festgelegt und dann auch bezahlt worden waren. Die Orientierung an den Honoraren, die die Klägerin von den Veranstaltern erhielt, war deshalb sachgerecht.

Im Einspruchsverfahren hat der Beklagte dann die neueren Erkenntnisse über die Höhe der von der Klägerin in ihrem Schreiben vom xx. Juli 2000 mitgeteilten Vergütungen an die Künstler und die darin enthaltenen Ersatzleistungen für Betriebsausgaben im unmittelbaren Zusammenhang mit den Vergütungen ausgewertet. Diese erneute Schätzung unter Berücksichtigung der eigenen Angaben der Klägerin hat der Beklagte ihr gegenüber mit Schreiben vom xx. Februar 2019 angekündigt. Substantiierte Einwände hiergegen hat die Klägerin im Rechtsbehelfsverfahren und im Klageverfahren nicht vorgetragen. Anhaltspunkte, dass die hierbei angestellten Berechnungen unzutreffend sein könnten, sieht das Gericht nicht.

5. Der Haftungsbescheid in der Fassung des Einspruchsbescheids genügt den Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit von Verwaltungsakten. Ein Haftungsbescheid muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 119 Abs. 1 AO). Die Anforderungen an die Bestimmtheit eines Haftungsbescheids sind aus § 191 Abs. 1 AO herzuleiten. Danach müssen nicht nur die erlassende Finanzbehörde, der Haftungsschuldner und der zu zahlende Gesamtbetrag erkennbar sein, sondern auch für welche Steuer und Nebenabgaben der Haftungsschuldner in Anspruch genommen wird. Die Finanzbehörde muss die Steuer nach Art, Schuldner und Erhebungszeitraum angeben (FG Münster, Urteil vom 3. März 22016 1 K 2243/12 L, Juris Rdnr. 142).

Diesen Anforderungen genügen die Haftungsbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung, weil der Beklagte in seinem Einspruchsbescheid die Bemessungsgrundlagen für die Steuerabzugsbeträge, für die die Klägerin als Haftende in Anspruch genommen wird, für jede einzelne Veranstaltung einzeln aufgeschlüsselt hat, um dann quartalsweise wegen der nicht durchgeführten Anmeldung und Abführung die sich ergebenden Steuerabzüge zu errechnen. Die Klägerin konnte somit die Steuerschuldner, die einzelnen Künstler, aus ihrem eigenen Schreiben vom xx. Juli 2000 - auf das der Beklagte im Einspruchsbescheid als Grundlage für die Berechnungen ausdrücklich hingewiesen hat - den einzelnen Veranstaltungen zuordnen. Auch die Steuerschuldner waren daher für die Klägerin hinreichend eindeutig bestimmbar.

6. Zahlungsverjährung ist nicht eingetreten; der Beklagte ist auch nicht an einer Durchsetzung seines Haftungsanspruchs wegen der langen Verfahrensdauer gehindert.

Die Haftungsschuld der Klägerin ist - wie der Beklagte im Einspruchsbescheid vom xx. Mai 2019 auf Seite 10 zu Recht ausführt, wegen der gewährten Aussetzung der Vollziehung nach § 231 Abs. 1 Nr. 1 AO unterbrochen worden. Die Unterbrechung dauerte bis zum Ablauf der Maßnahme gemäß § 231 Abs. 2 Nr. 1 AO fort, also nach der Regelung in den Bescheiden über die Aussetzung der Vollziehung bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung. Mit Ablauf des 31. Dezember 2019 begann nach § 231 Abs. 3 AO eine neue fünfjährige Verjährungsfrist.

Eine Verwirkung des Haftungsanspruchs wegen der langen Verfahrensdauer ist nicht eingetreten. Art. 6 EMRK ist auf Verfahren des Steuerrechts bereits tatbestandlich nicht anwendbar (BFH, Beschluss vom 1. März 2016 I B 32/15, BFH/NV 2016, 1141).

Das Rechtsinstitut der Verwirkung gilt als ein Bestandteil der die gesamte Rechtsordnung beherrschenden Grundsätze von Treu und Glauben auch im Steuerrecht. Der Tatbestand der Verwirkung setzt grundsätzlich neben dem Zeitmoment ein bestimmtes Verhalten des Anspruchsberechtigten voraus, demzufolge der Verpflichtete bei objektiver Beurteilung darauf vertrauen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, und darauf auch tatsächlich vertraut hat (BFH, Urteile vom 14. September 1978 IV R 89/74, BStBl. II 1979, 121; vom 7. Juni 1984 IV R 180/81, BStBl. II 1984, 780; vom 24. Juni 1988 - III R 177/85 -, BFH/NV 1989, 351). Reicht danach das Untätigbleiben der Finanzbehörden allein für die Annahme einer Verwirkung regelmäßig nicht aus, hat der Bundesfinanzhof allerdings in seiner bisherigen Rechtsprechung wiederholt die Frage aufgeworfen, ob nicht für den Fall, dass die Finanzbehörde ohne sachlichen Grund übermäßig lange untätig bleibt und dadurch die Regelverjährungsfrist wegen Ablaufhemmung ungewöhnlich lang hinausgezögert würde, eine zeitliche Grenze nach Treu und Glauben gezogen werden müsste bzw. eine Verwirkung ausnahmsweise auch einmal ohne vertrauensbedingte Disposition, etwa nur durch bloßen Zeitablauf eintreten könne (BFH, Urteile vom 10. Dezember 1971 - III R 35/71-, BStBl. II 1972, 331; vom 14. September 1978 IV R 89/74, BStBl. II 1979, 121; vom 20. Juli 1988 - I R 81/84 -, BFH/NV 1989, 78; vom 24. Juni 1988 - III R 177/85 -, BFH/NV 1989, 351; vom 4. November 1992 - X R 13/91 -, BFH/NV 1993, 454; in diesem Sinne auch Drüen in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand: 154. 2021, § 4 AO Rdnr. 173; Klein/Gersch, 14. Aufl. 2018, § 4 Rn. 21: "zB deutlich über 10 Jahre"; Krömker, in: Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, Stand: 111. EL 01.2019, § 4 AO Rdnr. 24: "deutlich über 10 Jahre"). Der Bundesfinanzhof hat dafür in seiner bisherigen Rechtsprechung eine Untätigkeit von sieben Jahren (Urteil vom 24. Juni 1988 - III R 177/85 -, BFH/NV 1989, 351) bzw. sogar 10 Jahren (Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BStBl. II 1987, 12) noch nicht genügen lassen. Der hier zur Entscheidung gestellte Fall unterscheidet sich allerdings im Hinblick auf den Ablauf des Verwaltungsverfahrens wesentlich von den Fällen einer "reinen" Untätigkeit der Finanzbehörde über eine lange Zeit. Der Beklagte hatte die Einspruchsverfahren mit Zustimmung der Klägerin bis zu Entscheidungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung ruhend gestellt und damit zu erkennen gegeben, dass er nach Klärung der Streitfragen die Rechtsbehelfsverfahren zum Abschuss zu bringen gedachte. Dies geschah dann recht zeitnah innerhalb eines halben Jahres.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung. Das Revisionsverfahren wird im Hinblick auf das Revisionsverfahren I R 8/18 zugelassen.