Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 22.09.1992, Az.: 7 A 7256/91

Anspruch auf Übertragung des Amtes des Rektors an der Orientierungsstufe auf Lebenszeit; Grundsatz der Einheit des Amtes im statusrechtlichen und funktionellen Sinn

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
22.09.1992
Aktenzeichen
7 A 7256/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1992, 22076
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:1992:0922.7A7256.91.0A

Verfahrensgegenstand

Umwandlung eines Amtes auf Zeit in eines auf Lebenszeit

In dem Verwaltungsrechtssache
...
hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig
durch
die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Hartermann,
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Bieler und
die Richterin am Verwaltungsgericht Schlingmann-Wendenburg sowie
die ehrenamtlichen Richter ... und ...
auf die mündliche Verhandlung vom 22. September 1992
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1

I.

Der Kläger begehrt die Umwandlung einer befristeten Stelle als Rektor einer Orientierungsstufe in eine nicht befristete.

2

Der am ... geborene Kläger hat im Jahre 1969 die Prüfung für das Lehramt an Volksschulen und im Jahre 1974 für das Lehramt an Realschulen abgelegt. Nachdem ihm an der Integrierten Gesamtschule (IGS) Braunschweig-West bereits zweimal das Amt eines Jahrgangsleiters auf Zeit übertragen worden war, wurde er auf eigenen Wunsch am 30.7.1980 an die Orientierungsstufe Braunschweig-Querum versetzt. Mit Verfügung vom 23.9.1980 wurde ihm erstmalig für die Zeit vom 1.8.1980 bis 31.7.1989 und zum zweiten Mal mit Verfügung vom 19.5.1989 für die Zeit vom 1.8.1989 bis zum 31.7.1998 das Amt eines Rektors an der Orientierungsstufe Querum auf Zeit übertragen. Er wurde in eine Planstelle der Bes.-Gr. A 14 BBesO zuzüglich Amtszulage nach Fußnote 5 eingewiesen. Nach §46 BBesG erhält er eine widerrufliche Zulage in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Grundgehalt mit Ortszuschlag der Bes.-Gr. A 13 und dem Grundgehalt mir Ortszuschlag der Bes.-Gr. A 14 zuzüglich Amtszulage nach Fußnote 5. In der Verfügung vom 23.9.1990 wurde er darauf hingewiesen, daß seine Rechtsstellung als Realschullehrer nicht berührt werde. Die Verfügung vom 19.5.1989 enthält weiterhin folgende Formulierung: "Das Amt mit zeitlicher Begrenzung wird Ihnen, sobald die erforderlichen Gesetzesänderungen in Kraft getreten sind, unter den dann gegebenen Voraussetzungen auf Lebenszeit übertragen."

3

Mit Schreiben vom 8.1.1991 beantragte der Kläger, ihm die Stelle des Rektors auf Lebenszeit zu übertragen. Diesen Antrag wies die Beklagte mit Bescheid vom 4.2.1991 zurück.

4

Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 24.7.1991 zurück.

5

Dagegen hat der Kläger am 27.8.1991 Klage erhoben.

6

Er trägt zur Begründung im wesentlichen vor, daß die Regelung des Niedersächsischen Schulgesetzes (NSchG), die die Übertragung des Amtes des Rektors an einer Orientierungsstufe auf Zeit vorsieht, gegen das Bundesbesoldungsgesetz verstoße und verfassungswidrig sei. Hieraus resultiere ein Anspruch auf Übertragung des Amtes auf Lebenszeit. Im übrigen habe er auch auf die Zusage in der Verfügung vom 19.5.1989 sowie in den vorangegangenen Ausschreibungen, vertraut, daß das Amt des Rektors auf Zeit in eines auf Lebenszeit umgewandelt werde und deshalb von anderweitigen Bewerbungen abgesehen.

7

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 4.2.1991 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 24.7.1991 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger das Amt eines Rektors an der Orientierungsstufe Querum auf Lebenszeit zu übertragen.

8

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Sie vertritt die Auffassung, die Regelungen des Niedersächsischen Schulgesetzes, nach denen sie verfahren sei, verstießen nicht gegen höherrangiges Recht.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren mit ihrem wesentlichen Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

11

II.

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übertragung des Amtes des Rektors an der Orientierungsstufe auf Lebenszeit.

12

Nach dem Bundesbesoldungsgesetz wird ein Rektor einer selbständigen Orientierungsstufe mit 180 bis 360 Schülern (die Orientierungsstufe Querum hatte bei Übertragung des Amtes auf den Kläger ca. 330 Schüler) in die Bes.-Gr. A 14 mit Zulage nach Fußnote 5 (A 14 Z) eingestuft. Die Fußnote 5 verweist auf die Anlage IX, danach beträgt die Zulage zu A 14 zur Zeit monatlich 222,81 DM.

13

In Niedersachsen sieht §37 Abs. 5 NSchG vor, daß an Orientierungsstufen das Amt des Rektors auf Zeit übertragen werden kann und dementsprechend die Einweisung in die Planstelle auch vorübergehend erfolgt. Dazu erhält der auf Zeit bestellte Rektor eine Zulage nach §46 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 BBesG, da sich an seiner Rechtsstellung - hier als Realschullehrer - nichts ändert. Der Kläger erhält gemäß §46 BBesG als widerrufliche Zulage die Differenz zwischen A 13 und A 14 Z BBesO. Diese Zulage gehört nach §46 Abs. 3 erst dann zu den ruhegehaltsfähigen Dienstbezügen, wenn sie länger als 10 Jahre ununterbrochen gewährt wird.

14

Grundsätzlich hat ein Beamter keinen Anspruch auf Übertragung eines bestimmten Amtes, auch wenn er die Obliegenheiten eines höherwertigen Dienstpostens bereits wahrnimmt (BVerwG, Urt. v. 24.1.1985 - DÖV 1985, 875, 876 [BVerwG 28.02.1985 - BVerwG 2 C 31.84] -).

15

Im vorliegenden Fall ist dem Kläger aber das Amt - im funktionellen Sinne - bereits auf Zeit übertragen, und er hat sich im Auswahlverfahren für die Rektorenstelle an der Orientierungsstufe Querum als Bester, §§14, 8 NBG, erwiesen. Ein Anspruch auf Übertragung des Amtes auf Lebenszeit könnte daher bestehen, wenn die Regelung des §37 Abs. 5 NSchG verfassungskonform so ausgelegt werden müßte, daß eine Übertragung auf Zeit grundsätzlich nicht geschehen dürfte.

16

Dies ist zur Überzeugung der Kammer aber nicht der Fall.

17

Die Handhabung des §37 Abs. 5 NSchG durch die Beklagte verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

18

Das Beamtenrecht ist in Ausfüllung von Art. 33 Abs. 5 GG geprägt vom Grundsatz der Einheit des Amtes im statusrechtlichen und funktionellen Sinn (BVerfG, Beschluß vom 3.7.1985 - 2 BvL 16/82 - DVBl. 1986, 33, 34 [BVerfG 03.07.1985 - 2 BvL 16/82]). Elemente dieses Grundsatzes sind §§18 und 20 BBesG. Danach sind die Funktionen der Beamten nach den mit ihnen verbundenen Anforderungen sachgerecht zu bewerten und Ämtern zuzuordnen (§18), und in Landesbesoldungsordnungen dürfen nur Ämter aufgenommen werden, soweit dies in diesem Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist bzw. wenn sie sich von den Ämtern in den Bundesbesoldungsordnungen nach dem Inhalt der zugeordneten Funktionen wesentlich unterscheiden (§20 Abs. 3). Die Beamtengesetze des Bundes und der Länder gehen von der dauerhaften Ernennung aus, z.B. §5 BRRG. Auch das Beamtenverhältnis auf Zeit ist während seiner Dauer grundsätzlich unantastbar.

19

Entgegen der Auffassung, die der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Niedersächsischen Landtages in einem vom Kläger vorgelegten Gutachten vom 20.12.1991 vertritt, verstößt die befristete Übertragung des Amtes des Rektors an der Orientierungsstufe nach §37 Abs. 5 NSchG nicht gegen diesen Grundsatz, sondern stellt eine zulässige Ausnahme dar.

20

Soweit das Gutachten zu dem Ergebnis kommt, es fehle bereits an einer materiellrechtlichen Ermächtigung in den Bundesgesetzen, die es zuließe, daß die Länder in Abweichung von §§18, 20 BBesG und der BBesO Regelungen über die Übertragung von Ämtern auf Zeit treffen (S. 12 des Gutachtens) folgt die Kammer dieser Auffassung nicht, weil §46 BBesG gerade eine solche Ausnahme voraussetzt. Auch das Bundesverfassungsgericht (a.a.O., S. 35) sieht §46 BBesG als "Möglichkeit ... landeseigentümlichen Besonderheiten, sofern diese im übrigen verfassungsgemäß und mit einfachem Bundesrecht vereinbar sind ..., besoldungsrechtlich Rechnung zu tragen." Das bedeutet, daß dem Landesgesetzgeber die Möglichkeit gegeben sein muß, solche ämterspezifischen Ausnahmen zuzulassen, denn sonst würde §46 BBesG leerlaufen, wenn die zwei Ausnahmen, die bei seinem Erlaß bestanden (Bezirksamtsleiter in Hamburg, sog. Dirigierende Ärzte in Berlin) wegfielen. Entgegen der im erwähnten Gutachten vertretenen Auffassung, aus der Einheit von Amt im funktionellen und statusrechtlichen Sinne ergebe sich, daߧ46 BBesG praktisch leerlaufe (S. 11), bildet nach Auffassung der Kammer §46 BBesG gerade die Grundlage für die Ausnahmeregelung. Auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O., S. 35) sind die Ausnahmen, die in §46 BBesG geregelt werden sollen, gerade nicht nur die beiden oben genannten Fälle, sondern weitere sind denkbar. Allerdings gebietet der Ausnahmecharakter des §46 BBesG eine restriktive Interpretation der Vorschrift. Ausnahmen von der Regel der §§18, 20 BBesG (als Ausprägung der Grundsätze des Berufsbeamtentums nach §33 Abs. 5 GG) sind auf der Grundlage des §46 BBesG nur in qualitativ wie quantitativ eng begrenztem Rahmen zulässig.

21

Die Kammer ist der Auffassung, daߧ37 Abs. 5 NSchG Ausnahmecharakter im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat. Zur Begründung ist darauf abzustellen, daß es die Laufbahn eines Lehrers an Orientierungsstufen nicht gibt, daß an Orientierungsstufen Hauptschullehrer, Realschullehrer und Gymnasiallehrer unterrichten und eine solche Schule leiten können. Das heißt, die Orientierungsstufe ist für die in ihr beschäftigten Beamten laufbahnübergreifend. Hierin liegt eine Besonderheit, die die Abweichung von §§18, 20 BBesG rechtfertigt (Im Ergebnis ebenso NdsOVG, Urteil vom 26.1.1988 - 2 OVG A 116/85 - ZBR 1989, 207; Urteil vom 8.10.1991 - 5 L 103/89 -). Daran ändert auch nichts, daß die Orientierungsstufen jetzt Regelschulen sind. Sie sind weiterhin laufbahnübergreifend und stellen insoweit eine landesrechtliche Besonderheit dar. An der Einstufung als landesrechtliche Besonderheit ändert es nichts, wenn auch das Recht anderer Bundesländer eine solche Besonderheit kennt. Es ist im Rahmen der Ausnahmeregelung nach §46 BBesG den Ländern überlassen, ob sie landesrechtlichen Besonderheiten auch im Beamtenrecht Rechnung tragen oder nicht.

22

Durch die Feststellung, daß die Orientierungsstufe laufbahnübergreifend ist, ergibt sich auch, daß die - neben der zeitlichen Begrenzung - zweite Voraussetzung des §46 BBesG für die Gewährung der Zulage, nämlich die Tatsache, daß der Betroffene das höherwertige Amt auf dem übertragenen Dienstposten nicht im Wege der Beförderung erreichen kann, gegeben ist. Ein Hauptschullehrer kann wohl eine Orientierungsstufe leiten, aber er kann das Amt A 14 BBesO nicht im Wege der Beförderung - ohne Laufbahnwechsel - erreichen. Dies ist genau der Fall des §46 BBesG.

23

Auch aus dem Gesichtspunkt der Ermessensreduzierung auf Null hat der Kläger keinen Anspruch auf Ernennung zum Rektor auf Lebenszeit. Eine Ermessensreduzierung auf Null liegt vor, wenn im Einzelfall - hier im Rahmen des §37 Abs. 5 NSchG - nur eine bestimmte Entscheidung ermessensfehlerfrei ergehen kann, alle anderen Entscheidungen ermessensfehlerhaft wären.

24

Es bestehen keine Besonderheiten im Fall des Klägers, die das Ermessen der Beklagten auf Null reduziert hätten. Die Tatsache, daß ihm bereits an der Integrierten Gesamtschule zweimal ein Funktionsamt befristet übertragen wurde, mag von ihm als belastend empfunden werden, führt jedoch nicht als regelwidriger Fall zur Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null. Insoweit ist zu berücksichtigen, daß die dem Kläger nach §46 Abs. 3 Ziff. 1 BBesG gewährte Zulage zu den ruhegehaltsfähigen Dienstbezügen gehört, wenn sie länger als 10 Jahre ununterbrochen gewährt worden ist. Die Zulage ist im Falle des Klägers ruhegehaltsfähig geworden, da die Amtsübertragungen nahtlos erfolgten. Daran ändert nichts, daß die Bestellungszeiträume jeweils kürzer als 10 Jahre waren, es ist lediglich darauf abzustellen, daß es sich um eine nahtlose Folge von Bestellungszeiträumen handelt (Schwegmann/Summer, BBesG, Rdnr. 21 zu §46 BBesG).

25

Auch soweit der Kläger geltend macht, daß er sich auf die Zusage, ihm werde das Amt auf Lebenszeit übertragen, verlassen habe, kann er daraus im vorliegenden Verfahren keine Rechte herleiten. In der ihm zugegangenen Verfügung vom 19.5.1989 ist ausdrücklich angeführt, daß ihm das Amt erst dann auf Lebenszeit übertragen werde, wenn die erforderlichen Gesetzesänderungen - hier eine Änderung von §37 Abs. 5 NSchG - in Kraft getreten seien. Diese Bedingung ist gerade noch nicht eingetreten.

26

Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus §154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

27

III.

Gegen dieses Urteil ist die Berufung an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft. Die Berufung ist bei dem Verwaltungsgericht Braunschweig, An der Katharinenkirche 11, Postfach 47 27, 3300 Braunschweig, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsschrift muß das angefochtene Urteil bezeichnen und einen bestimmten Antrag enthalten. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg eingeht.

Hartermann Richter am Verwaltungsgericht
Dr. Bieler ist durch Urlaub an der Unterschrift gehindert Hartermann
Schlingmann-Wendenburg