Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 26.11.2010, Az.: 2 A 23/10

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
26.11.2010
Aktenzeichen
2 A 23/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 41042
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2010:1126.2A23.10.0A

Fundstelle

  • HRA 2010, 10

Gründe

1

Der gemäß §§ 165, 151 VwGO statthafte Antrag,

  1. der Beklagten in Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eine Kostenerstattung weiterer 82,11 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. September 2010 zuzusprechen,

2

hat Erfolg.

3

Der Beklagten steht der volle Ersatz der ihrem in G. ansässigen Anwalt entstandenen Reisekosten zum Termin der mündlichen Verhandlung am 15. September 2010 zu.

4

Rechtsgrundlage ist § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO, wonach Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts als Prozessbevollmächtigten stets erstattungsfähig sind. Nach herrschender Meinung steht diese grundsätzliche Erstattungsfähigkeit jedoch unter dem Vorbehalt, dass es sich um zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Auslagen handeln muss. Der daraus abzuleitende Grundsatz der Kostenminimierung ist bei der Anwaltswahl mit der Folge zu beachten, dass ohne nähere Prüfung Reisekosten eines Rechtsanwalts nur dann voll zu erstatten sind, wenn er seine Kanzlei am Sitz oder im Bezirk des angerufenen Gerichts oder am Wohnsitz bzw. Geschäftssitz seines Mandanten oder in dessen Nähe hat (BVerwG, Beschluss vom 11.9.2007 -9 KSt 5/07  u.a.-, NJW 2007, 3656 [BVerwG 11.09.2007 - BVerwG 9 KSt 5.07; 9 A 20.05]; Bay.VGH, Beschluss vom 24.2.2010 -11 C 10/81 -, zitiert nach juris, jeweils m.w.N., a.A. VG Aachen, Beschluss vom 8.6.2010 -6 K 1309/06.A-, zitiert nach juris, das eine Einschränkung der Kostenerstattung allein im Fall des Rechtsmissbrauchs befürwortet.). Erfüllt der beauftragte Anwalt, wie hier, nicht das Kriterium der Gerichts- oder Mandantennähe, muss der Nachweis geführt werden, dass es zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen ist, gerade diesen Anwalt zu beauftragen. Das ist dann der Fall, wenn der Anwalt über Spezialkenntnisse verfügt und das Mandat Fragen aus dem Fachgebiet aufwirft, so dass ein verständiger Beteiligter die Hinzuziehung eines solchen Anwalts für ratsam erachten durfte; ferner wird es als unzumutbar angesehen, bloß zum Zwecke der Kostenersparnis einen Anwaltswechsel zu vollziehen, wenn zwischen dem Mandanten und dem auswärtigen Rechtsanwalt bereits ein Vertrauensverhältnis besteht (BVerwG u. Bay.VGH, a.a.O.), wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist.

5

Nach diesen Maßstäben steht der Beklagten die Erstattung der vollen Reisekosten zu.

6

Zwar warf das Mandat nicht Fragen eines Fachgebiets auf, in dem der Prozessbevollmächtigte der Beklagten über besondere Spezialkenntnisse verfügt. Solche Kenntnisse macht der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu Unrecht unter Hinweis auf eine Tätigkeit als Kommentator des Standardkommentars zum Kommunalabgabenrecht geltend, denn der Streitfall entstammt dem anders gelagerten Rechtsgebiet der Grundsteuer. Es ist gerichtsbekannt, dass es im hiesigen Zuständigkeitsbereich eine ausreichende Anzahl auf diesem Rechtsgebiet kundiger Anwälte und Steuerberater gibt.

7

Die Beklagte hat jedoch nachgewiesen, dass zwischen ihr und ihrem Prozessbevollmächtigten ein besonderes Vertrauensverhältnis bestand, das es unzumutbar gemacht hätte, das Mandat zu wechseln. Dabei geht das Gericht davon aus, dass auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts, wie die Beklagte, ein Vertrauensverhältnis zu einer Anwaltskanzlei entwickeln kann; denn insoweit kommt es auf das Verhältnis der für die juristische Person handelnden Personen zu dem Anwalt an. Die Beklagte hat schriftlich dargelegt und bestätigt, dass ein besonderes Vertrauensverhältnis zu der von ihr beauftragten Anwaltskanzlei aufgrund der langjährigen vertrauensvollen Zusammenarbeit in den bisherigen verschiedenen Verwaltungsstreit- und Verwaltungsgerichtsverfahren bestand, weshalb die Kanzlei auch im Streitfall mit der Interessenwahrnehmung beauftragt worden sei. Dies genügt auch bei Anlegung eines strengen Maßstabs den dargelegten Kriterien für die Erstattungsfähigkeit der vollen Reisekosten des auswärtigen Anwalts. So hat auch das Bundesverwaltungsgericht in der mehrfach zitierten Entscheidung unter Hinweis auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der lang dauernden Betreuung durch einen sog. "Hausanwalt" einen gewichtigen Grund dafür gesehen, bei Klageerhebung auf die Wahl eines anderen Anwalts zu verzichten.