Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 07.12.2010, Az.: 2 A 153/09

Einkunftsart; Jahreseinkommen; Pauschal versteuerter Arbeitslohn; horizontaler Verlustausgleich; Verlustausgleich; Wohngeld

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
07.12.2010
Aktenzeichen
2 A 153/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 48020
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der Ausgleich von pauschal gemäß § 40a EStG versteuerten Einkünften aus einer studentischen Hilfstätigkeit mit negativen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 EStG (Studienkosten als vorweggenommene Werbungskosten) ist als horizontaler Verlustausgleich zulässig.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten höhere Wohngeldleistungen.

Er studiert an der Georg-August-Universität C. seit dem Wintersemester 2006/2007 Mathematik; es handelt sich um ein Zweitstudium, wie das Studentenwerk C. unter dem 13. Januar 2009 bestätigt hat. Der Kläger wohnt in einem Zimmer eines Studentenwohnheims, für das er eine berücksichtigungsfähige Miete von 215,52 Euro monatlich zahlt.

Der Kläger erzielte ab dem 1. April 2009 dem Grunde und der Höhe nach unstreitig folgende Einkünfte:

Unterhalt

monatlich

400,00 Euro

Kapitalvermögen

jährlich

378,15 Euro

Minijob

monatlich

308,80 Euro

Die Einkünfte aus dem Minijob erzielt der Kläger aus einem Arbeitsvertrag als studentische Hilfskraft ab 1. April 2009. Gemäß § 5 des Vertrages vom 2. März 2009 endet das Arbeitsverhältnis spätestens mit der Exmatrikulation (§ 33 Abs. 2 NHG).

Für sein Studium zahlte der Kläger im Jahr 2009 Studiengebühren in Höhe von 1.891,78 Euro. Ferner hatte er Aufwendungen für Arbeitsmittel, bestehend aus Kosten für Bücher und Aufwendungen für Abschreibung auf Computer in Höhe von insgesamt 526,00 Euro. Die entsprechenden Aufwendungen sind im Veranlagungszeitraum 2007 laut Einkommensteuerbescheid für den Kläger vom 9. Februar 2008 in Höhe von 2.009,00 Euro als negative Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit behandelt worden.

Am 28. Januar 2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Bewilligung von Wohngeld. Mit Bescheid vom 19. August 2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger ein monatliches Wohngeld in Höhe von 24,00 Euro. Bei der Einkommensermittlung berücksichtigte sie einen Werbungskostenpauschbetrag in Höhe von 100,00 Euro jährlich bei den Einkünften aus Kapitalvermögen und den pauschalen Abzug gemäß § 16 WoGG in Höhe von 10% der Summe der Einkünfte mindernd. Weitere Abzüge nahm die Beklagte nicht vor.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 22. September 2009 Klage erhoben.

Zu dessen Begründung trägt er vor, die Kosten seines Zweitstudiums seien anders als diejenigen für ein Erststudium Werbungskosten; so sei es auch in seinem Einkommensteuerbescheid für das Veranlagungsjahr 2007 berücksichtigt worden. Einnahmen als studentische Hilfskraft erziele er nur, soweit er eingeschrieben sei. Deshalb seien die Studiengebühren Einnahmen zum Erhalt der Einkünfte aus dieser Tätigkeit.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 19. August 2009 ihm Wohngeldleistungen für die Zeit vom 1. April bis 30. September 2009 in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass bei der Einkommensermittlung nach §§ 13 ff. WoGG weiteren Aufwendungen als die berücksichtigten abgezogen werden. Negative Einkünfte könnten nicht berücksichtigt werden. Kosten für das Studium gehörten nicht zu den berufsbezogenen Aufwendungen. Der Kläger unternehme sein Zweitstudium nicht, um als studentische Hilfskraft tätig zu sein. Deshalb lägen keine Aufwendungen zum Erwerb, zur Sicherung oder zum Erhalt der Einkünfte im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 13 WoGG vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf den tenorierten monatlichen Wohngeldbetrag, so dass der Bescheid der Beklagten vom 19. August 2009, soweit er dem entgegensteht aufzuheben ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Die Beklagte hat in ihrem angefochtenen Bescheid das Gesamteinkommen nach § 13 WoGG i.d.F. vom 24. September 2008 (BGBl I S. 1856) nicht zutreffend ermittelt. Das Gesamteinkommen ist bei einem Einpersonenhaushalt, wie dem des Klägers, das Jahreseinkommen des Wohngeldberechtigten. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 WoGG ist das Jahreseinkommen vorbehaltlich des Absatzes 3 die Summe der positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zuzüglich der Einnahmen nach Absatz 2 abzüglich der Abzugsbeträge für Steuern und Sozialversicherungsbeiträge (§ 16). Satz 3 der Vorschrift besagt, dass ein Ausgleich mit negativen Einkünften aus anderen Einkunftsarten oder mit negativen Einkünften des zusammenveranlagten Ehegatten nicht zulässig ist.

Der Kläger hat negative Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 2.273,78 Euro glaubhaft gemacht. Es handelt sich hierbei um die von ihm 2009 gezahlten Studiengebühren, Aufwendungen für Fachbücher und solche für Abschreibung für einen Computer. Diese Aufwendungen sind objektiv durch das Mathematikstudium des Klägers veranlasst und subjektiv von ihm zum Zwecke des Studiums aufgewendet, so dass es sich im Hinblick auf eine spätere Berufstätigkeit des Klägers um vorweggenommene Werbungskosten handelt. So sind sie auch im Einkommensteuerbescheid des Klägers für den Veranlagungszeitraum 2007 behandelt worden und so ergibt es sich aus §§ 9 Abs. 1, 12 Nr. 5 EStG, da es sich bei dem Studium des Klägers um ein Zweitstudium handelt. Diese Aufwendungen führen zu negativen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne von § 19 EStG. Allerdings sind die Abschreibungsaufwendungen nur für einen Computer berücksichtigungsfähig; der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht, dass beide Computer zu besitzen, beruflich veranlasst war. Die negativen Einkünfte verringern sich dadurch auf 2.273,78 Euro.

Daneben hat der Kläger positive Einkünfte im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 13 WoGG, die zu seinem Jahreseinkommen gehören. Es sind dies die monatlich 308,80 Euro aus seiner Tätigkeit als studentische Hilfskraft. Ein Ausgleich dieser Einnahmen mit den negativen Einkünften nach § 14 Abs. 1 WoGG ist zulässig. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen.

Die Erwähnung von pauschal versteuertem Arbeitslohn nach § 40 a EStG in § 14 Abs. 2 WoGG ist unsystematisch und eigentlich überflüssig. Denn die Vorschrift regelt nur eine besondere Art und Weise der Lohnsteuererhebung bei geringfügig Beschäftigten, nicht aber, wie fast alle anderen von § 14 Abs. 2 WoGG erfassten Tatbestände steuerfreie Einnahmen, die der Gesetzgeber trotz ihrer Steuerfreiheit zum wohngeldrechtlichen Jahreseinkommen zählen wollte. Rechtssystematisch handelt es sich bei dem pauschalierten Arbeitslohn um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne von §§ 2 Abs. 1 Nr. 4, 19 EStG; als solche sind sie Teil des Jahreseinkommens nach § 14 Abs. 1 WoGG. Nur so lässt es sich auch erklären, dass nach herrschender Meinung ein zu Unrecht pauschalierter Arbeitslohn zwar nicht unter § 14 Abs. 2, wohl aber Abs. 1 WoGG fällt.

Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass der Gesetzgeber mit § 14 Abs. 2 WoGG eine eigenständige Regelung des Jahreseinkommens getroffen hätte. Das mag so sein, wenngleich es, wie dargelegt für den Arbeitslohn nach § 40 a EStG überflüssig gewesen ist, ändert aber nichts daran, dass die Frage, welcher Einkunftsart ein Geldzufluss zuzurechnen ist, nach steuerlichen Vorschriften zu entscheiden ist (vgl. ausdrücklich Stadtler/Gutekunst u.a., WoGG, Loseblatt Stand Januar 2004 zur Vorgängervorschrift § 10 Rn. 14). Als Ergebnis ist festzuhalten, dass es sich bei dem pauschal versteuerten Arbeitslohn des Klägers aus seiner Tätigkeit als studentische Hilfskraft um Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit handelt. Gleiches gilt für die negativen Einkünfte aus vorweggenommenen Werbungskosten. Sie stammen mithin nicht aus einer anderen Einkunftsart, so dass ein horizontaler Verlustausgleich stattzufinden hat, der von § 14 Abs. 1 Satz 3 WoGG nicht ausgeschlossen ist (vgl. Nr. 10.101 WoGVwV; Buchsbaum/Hartmann, WoGG, Loseblatt Stand 12/2006 § 10 Rn. 58). Im Ergebnis greift die Argumentation der Beklagten, negative Einkünfte könnten nicht berücksichtigt werden, damit zu kurz.

Auf die Frage, ob die Studiengebühren auch Werbungskosten im Hinblick auf die Einkünfte aus der Tätigkeit als studentische Hilfskraft sein können, kommt es damit entscheidungserheblich nicht an. Zumindest ein objektiver Veranlassungszusammenhang zwischen Zahlung der Studiengebühren und Erzielung der Einkünfte als studentische Hilfskraft (vgl. hierzu st. Rspr. des BFH seit Urteil vom 28.11.1980 -VI R 193/77-, BStBl II 1981, 368) liegt jedoch unzweifelhaft vor. Ohne Immatrikulation könnte der Kläger nicht studentische Hilfskraft sein (§ 33 Abs. 2 NHG) und ohne Zahlung der Studiengebühren könnte er nicht immatrikuliert sein (§ 19 Abs. 6 Satz 3 NHG).

Es errechnet sich daher ein Jahreseinkommen von 5.631,59 Euro (7.905,37 - 2.273,78) und ein Monatseinkommen von 469,29 Euro. Bei einer zu berücksichtigenden Miete von 215,52 ergibt sich ein monatliches Wohngeld in Höhe von 93,00 Euro.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Soweit der Kläger die Berücksichtigung noch höherer Aufwendungen begehrt hat, unterliegt er nur zu einem geringen Teil.