Landgericht Verden
Urt. v. 09.02.2004, Az.: 9 O 30/03

Darlegung einer maßgeblichen Irreführung des Verkehrs durch eine Werbemaßnahme; Irreführung eines nicht völlig unbeachtlichen Teils der Verkehrskreise; Verkauf von Markenkraftstoffen durch eine freie Tankstelle; Verwendung des Begriffes "Qualitätskraftstoffe"

Bibliographie

Gericht
LG Verden
Datum
09.02.2004
Aktenzeichen
9 O 30/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 31547
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGVERDN:2004:0209.9O30.03.0A

In dem Rechtsstreit
hat die ... Kammer für Handelssachen des Landgerichts Verden
auf die mündliche Verhandlung vom 1. Dezember 2003
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...
den Handelsrichter ... und den Handelsrichter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger - ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen - macht einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend.

2

Der Beklagte betreibt in Lemke (Landkreis Nienburg/Weser) eine freie, also nicht markengebundene, Tankstelle. Er warb u.a. am 7. März 2003 damit, dass er "ausschließlich Qualitätskraftstoffe" verkaufe.

3

Der Kläger hält das - gestützt auf eine Meinungsumfrage der GfK-Marktforschung vom August 2001 - für irreführend.

4

Er beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 100.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für eine freie, nicht markengebundene Tankstelle mit der Aussage zu werben, dass es sich bei den dort angebotenen Kraftstoffen ausschließlich um Qualitätskraftstoffe handelte.

5

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Er tritt dem Vorbringen des Klägers im Einzelnen entgegen.

7

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

8

Die Klage hat keinen Erfolg.

9

Ihr Vorbringen reicht nicht aus, eine maßgebliche Irreführung des Verkehrs durch die angegriffene Werbemaßnahme darzulegen (vgl. § 3 UWG).

10

1.

Der Kläger hält die Angabe "Qualitätskraftstoffe" zunächst deshalb für irreführend, weil ein nennenswerter Teil des Publikums damit die Vorstellung von Markentankstellen "bzw." Markenkraftstoffen verbinde. Damit ist eine Irreführung durch den Beklagten indessen nicht belegt.

11

Zum einen weist er in seiner Werbung deutlich darauf hin, dass er nicht eine Markentankstelle, sondern eine freie Tankstelle betreibt.

12

Zum anderen verkauft er unstreitig "Markenkraftstoffe", nämlich solche, die er über seinen Lieferanten von der Shell-Raffinerie in Hamburg bezieht, und Kraftstoffe der Marke BP. Der Kläger wendet gegenüber dem entsprechenden Vorbringen des Beklagten nämlich nur ein, der Beklagte vertreibe keine BP-Kraftstoffe mit der Produktbezeichnung "Top-Quality" und "Super-Top-Quality" (Schriftsatz vom 1. Dezember 2003, Bl. 101 f. d.A.).

13

2.

Der Kläger hält die Werbeangabe außerdem für irreführend, weil ein beachtlicher Teil der angesprochenen Interessenten darunter "hochwertiges bzw. hochwertigeres Benzin" verstünden. Auch das trägt den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht.

14

Dieser Vortrag ist mangels der Angabe nachprüfbarer Einzelheiten im Hinblick auf die Eignung zur Irreführung ohne ausreichende tatsächliche Substanz. Der Kläger erläutert nicht, was "hochwertiges bzw. hochwertigeres Benzin" konkret bedeuten soll und auf welchen Kriterien diese Qualitätseinschätzung beruht. Im Übrigen behauptet er nicht einmal, dass die vom Beklagten verkauften Kraftstoffe dem nicht entsprächen.

15

3.

Der Kläger hält die Werbung des Weiteren für irreführend, weil die beteiligten Verkehrskreise meinten, Qualitätskraftstoffe von freien Tankstellen seien Markenkraftstoffen von "A-Gesellschaften" qualitativ gleichwertig oder besser als diese. Dazu behauptet er, das Letztere sei nicht der Fall. Das rechtfertigt die Klage ebenfalls nicht.

16

Im Hinblick auf die Vorstellung von besserer Qualität kommt der vom Beklagten verwendeten Bezeichnung schon keine Relevanz im Hinblick auf eine etwaige Irreführung zu. Denn ausweislich des Berichtes der GfK-Marktforschung halten nur 6 % der Befragten Qualitätskraftstoffe für besser als Markenkraftstoffe der "A-Gesellschaften" (Bl. 14 d.A.). Das ist kein "nicht völlig unbeachtlicher Teil der Verkehrskreise" im Sinne der Rechtsprechung (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht 20. Aufl., Rn. 27 f. zu § 3 m.w.N.).

17

Zwar seien 54 % der beteiligten Verkehrskreise der Meinung, "Qualitätskraftstoffe" von freien Tankstellen hätten die gleiche Qualität wie Markenkraftstoffe (Bl. 14 d.A.). Das ist für sich genommen aber nicht aussagekräftig, weil der Kläger wiederum nicht erläutert, welche Bedeutung dem Begriff "Qualität" in diesem Zusammenhang vom Verkehr beigemessen wird und auf welchen Kriterien diese Einschätzung beruht. "Qualität" im Hinblick auf Kraftstoffe kann beispielsweise folgendes bedeuten:

  1. a)

    Einhaltung oder Verbesserung der entsprechenden Industrienormen (vgl. Bl. 73 d.A.); das ist bei den vom Beklagten verkauften Treibstoffen unstreitig der Fall;

  2. b)

    Verbrauch und Einfluss auf die Geschwindigkeit der Fahrzeuge; dazu trägt der Kläger nichts vor;

  3. c)

    nach dem Bericht der GfK-Marktforschung (Bl. 14 d.A.):

    1. (1)

      Gleichsetzung mit Markentankstellen und -kraftstoffen; das ist - wie bereits ausgeführt - irrelevant (s.o. 1.);

    2. (2)

      hochwertiges oder höherwertiges Benzin; das ist gleichfalls nicht ausschlaggebend (s.o. 2.);

    3. (3)

      Umweltfreundlichkeit und

    4. (4)

      geprüfte/saubere Qualität; dazu behauptet der Kläger selbst nicht, dass die vom Beklagten vertriebenen Kraftstoffe insoweit nicht denen der "A-Gesellschaften" entsprechen würden.

18

4.

Der Kläger hält die Bezeichnung "Qualitätskraftstoffe" schließlich deshalb für irreführend, weil die Verbraucher freie Tankstellen, die mit dieser Bezeichnung werben, Markentankstellen vorziehen würden. Auch das verhilft der Klage nicht zum Erfolg.

19

Den vorstehenden Erwägungen (s.o. 1.-3.) zufolge ist die Verwendung des Begriffes "Qualitätskraftstoffe" durch den Beklagten nicht zu beanstanden. Dann stellt dieseBezeichnung auch im Hinblick auf die angebliche Bevorzugung von freien Tankstellen eine wettbewerbswidrige Beeinflussung nicht dar.

20

Nach alledem kann letztlich auch sich beruhen, ob die Untersuchung der GfK-Marktforschung vom August 2001 noch hinreichende Aussagekraft im Hinblick auf die maßgebliche Verkehrsauffassung zum Zeitpunkt der angegriffenen Werbung (u.a. März 2003) und der Schlussverhandlung hat.

21

Das nicht nachgelassene Vorbringen des Klägers im Schriftsatz im 15. Januar 2004 gibt keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (§§ 296 a, 156 ZPO); es ist für die Entscheidung ohne Bedeutung.

22

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

23

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.