Landgericht Verden
Urt. v. 02.07.2004, Az.: 3 - 19/04

Art; Benutzung; Beschaffenheit; Entziehungsanstalt; Fahrzeug; Führen; Gefahr; Kokain; Kraftfahrzeug; Körperverletzung; Missbrauch; Pistole; Raub; Schreckschusspistole; schwere räuberische Erpressung; sonstiges Werkzeug; Ungeeignetheit; Unterbringung; Waffe; Werkzeug

Bibliographie

Gericht
LG Verden
Datum
02.07.2004
Aktenzeichen
3 - 19/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50870
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

I. Es sind schuldig:

1. Die Angeklagten W., J., M. und L. des schweren Raubes.

2. Der Angeklagte B. des schweren Raubes und der schweren räuberischen Erpressung.

3. Der Angeklagte T. des schweren Raubes und der Beihilfe zum schweren Raub.

II. Es wird verhängt:

1. Gegen den Angeklagten W. eine Jugendstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts vom 19. Mai 2004, Az.: 9 a Ds 213 Js 43742/03.

2. Gegen den Angeklagten J. eine Jugendstrafe von 2 Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

3. Gegen den Angeklagten B. eine Jugendstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten.

4. Gegen den Angeklagten T. eine Jugendstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten unter Einbeziehung der Urteile des Amtsgerichts vom 23.07.2003, Az.: 9 a Ds 100/03 213 Js 14495/03 und des Amtsgerichts vom 14.01.2004, Az.: 9 b Cs 559/03 213 Js 36979/03.

5. Gegen den Angeklagten M. eine Jugendstrafe von 3 Jahren unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts vom 10. Juli 2002, Az.: 9 a Ls 12/02 213 Js 8246/02.

III. Der Angeklagte L. wird unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts vom 19.04.2004 - Az.: 9 a Ds 213 Js 30620/03 - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

IV. Es wird davon abgesehen, den Angeklagten W., J., B., T. und M. die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Ihre notwendigen Auslagen tragen sie jedoch selbst.

Der Angeklagte L. hat die Kosten des Verfahrens zu tragen sowie seine eigenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen.

Angewandte Strafvorschriften:

1. bzgl. W.:

§§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, 25 Abs. 2 StGB, 1, 3 JGG

2. bzgl. J.:

§§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, 25 Abs. 2 StGB, 1, 105 JGG

3. bzgl. B.:

§§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 1 Nr. 1 b, Abs. 2 Nr. 1, 253, 255, 25 Abs. 2, 21 StGB, 1, 105 JGG

4. bzgl. T.:

§§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, 27, 25 Abs. 2, 21 StGB, 1, 105 JGG

5. bzgl. M.:

§§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, 25 Abs. 2 StGB, 1, 105 JGG

6. bzgl. L.:

§§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, 25 Abs. 2, 55 StGB.

Gründe

1

(abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 StPO bezüglich der Angeklagten W., J. und L.)

2

I. 1. Der Angeklagte A.W. wurde am XX.XX 1986 in T./ K. geboren. Dort ging er bereits zwei Jahre zur Schule, als sich die Familie 1994 entschloss, nach Deutschland auszusiedeln. 1995 wurde der Angeklagte in V./Aller in die 3. Klasse eingeschult, die er ein Jahr später wiederholte. Schon dort fiel er wegen seines unbeherrschten Verhaltens gegenüber anderen auf. Nach der Orientierungsstufe besuchte er für etwa ein halbes Jahr das ”Gymnasium am Wall” in V.. Dieses musste er jedoch zum einen auf Grund seiner laschen Arbeitshaltung, zum anderen aber auch wegen seines fortbestehenden aggressiven Verhaltens anderen Schülern gegenüber verlassen und zur Realschule in V. wechseln. Aber auch dort war der Angeklagte W. derart verhaltensauffällig, dass er in die Realschule nach K. umgeschult wurde, wo es wiederum zu solch gravierenden Verstößen kam, dass er als disziplinarische Maßnahme zeitweise Schulverbot erhielt. Dort wiederholte er die 7. Klasse.

3

Aus dieser Zeit stammt auch die erste Voreintragung des Angeklagten vom 15. Januar 2001 durch das Amtsgericht - 9a Ds 8 Js 26059/00 (163/00) - wegen versuchter Erpressung, Körperverletzung in 2 Fällen, versuchter Nötigung sowie Beleidigung, wofür er die richterliche Weisung erhielt, Arbeitsleistungen zu erbringen.

4

Am 1. Februar 2001 stellte das Amtsgericht - 9a Ds 218/00 8 Js 32958/00 - ein weiteres Verfahren wegen Körperverletzung gem. § 47 JGG ein.

5

Am 14. Mai 2001 verhängte das Amtsgericht - 9a Gs 213 Js 7036/01 - 77/01 - 4 Tage Jugendarrest, wiederum wegen vorsätzlicher Körperverletzung.

6

Infolge weiterer Verstöße musste der Angeklagte W. nach der 8. Klasse auch die Realschule in K. verlassen und es folgte eine Serie von Ahndungen weiterer Straftaten.

7

So verhängte das Amtsgerichts am 8. Juli 2002 wegen gemeinschaftlicher Nötigung sowie Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte - 9a Ds 115/02, 213 Js 5727/02 - eine Woche Jugendarrest gegen den Angeklagten.

8

Am 15. Juli 2002 folgte durch das Amtsgericht 9a Ds 213 Js 10327/02 wegen Sachbeschädigung ein weiterer Freizeitarrest.

9

Am 21. Oktober 2002 schließlich wurden unter Einbeziehung der beiden o. g. Entscheidungen vom 8. und 15. Juli 2002 durch das Amtsgericht - 9a Ds 93/02, 213 Js 36626/01 - wegen gemeinschaftlicher Unterschlagung und Nötigung zwei Wochen Jugendarrest verhängt.

10

Zu dieser Zeit hatte der Angeklagte W. gerade das Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) bei der Berufsschule in D. begonnen, das er schließlich mit einem Hauptschulabschluss beendete.

11

Kurz zuvor war am 4. Juli 2003 durch das Amtsgericht - 9a Ds 175/02, 213 Js 27482/02 - ein Verfahren wegen Körperverletzung gem. § 47 JGG gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt worden.

12

Am 30. Juli 2003 verhängte das Amtsgericht - 9a Ls 213 Js 1948/03 (10/03) - wiederum wegen vorsätzlicher Körperverletzung in 2 Fällen, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie Urkundenfälschung und unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln erstmals gegen den Angeklagten eine Jugendstrafe von 8 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

13

Kurz danach begann der Angeklagte W. bei der Abendschule seinen Realschulabschluss nachzumachen. Dieses Unterfangen endete jedoch jäh aufgrund seiner Inhaftierung in dieser Sache am 27. Januar 2004. Er befand sich auf Grund des Haftbefehls des Amtsgerichts vom 23. Januar 2004 - 9a Gs 148/04 -bis zum 29. Januar 2004 in der JVA V. und von da an in der JVA V. in Untersuchungshaft.

14

Am 19. Mai 2004 verhängte schließlich das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - 9a Ls 213 Js 43742/04 (4/04) - gegen den Angeklagten W. wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Körperverletzung und Beleidigung unter Einbeziehung der Strafe aus dem o. g. Urteil des Amtsgerichts vom 30. Juli 2003 eine Jugendstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten. Zu diesen Straftaten war es anlässlich einer Hausdurchsuchung im vorliegenden Verfahren gekommen. Das Amtsgericht hat hierzu folgenden Sachverhalt festgestellt:

15

”In einem Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten wegen Raubes - in jenem Verfahren sitzt der Angeklagte zurzeit in Untersuchungshaft ein - und diverse Einbruchsdiebstähle hatte das Amtsgericht einen Durchsuchungsbeschluss erlassen sowie angeordnet, dass dem Angeklagten eine Speichelprobe entnommen werden sollte. Eine Woche vor der hier in Rede stehenden Tat hatten Polizeibeamten den Angeklagten aufgesucht, ihn mit der Sachlage konfrontiert und ihm Gelegenheit zur freiwilligen Abgabe - jedenfalls der Speichelprobe - gegeben. Dies verweigerte der Angeklagte. Auf Grund ihrer Erfahrung mit dem Angeklagten - insoweit wird auf die Vorverurteilungen wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte verwiesen - begaben sich die Polizeibeamten N. und S. am Tage der geplanten Durchsuchung, dem 22. Oktober 2003, zur Arbeitsstelle des Vaters des Angeklagten in der M.-Straße in V.. Dieser war in einer Firma als Hausmeister tätig. Sie konfrontierten den Vater mit der Sachlage, der sich sofort daraufhin bereit erklärte, die Beamten zur gemeinsamen Wohnung der Familie zu begleiten, um die Durchsuchungsmaßnahme nicht eskalieren zu lassen. Er öffnete die Wohnung, der Angeklagte schlief zu dieser Zeit noch in seinem Zimmer. Der Vater weckte den Angeklagten. Dem Angeklagten wurde der Durchsuchungs- und Speichelprobenentnahmebeschluss des Amtsgerichts offenbart. Daraufhin nahm der Angeklagte sofort eine Drohgebärde ein und verlangte, seinen Anwalt zu sprechen, ohne den laufe hier nichts. Die Beamten ermöglichten dem Angeklagten, mit seinem Verteidiger zu telefonieren, den dieser jedoch nicht erreichte.

16

Während der Vater des Angeklagten im Wohnzimmer Platz nahm, äußerte der Angeklagte gegenüber dem Beamten N.: ”Ich hätte dich letztes Mal umgehauen, wenn ihr euch nicht verpisst hättet”, lief mit diesen Worten in sein Zimmer zurück. Die Polizeibeamten N. und S. waren im Beisein der Zeugin G., einer zur Durchsuchungsmaßnahme beigezogenen Kommunalbeamtin, - der Polizeibeamtinnen A. und P. in den folgenden 30 Minuten damit beschäftigt, dem Angeklagten klar zu machen, dass er auf Grund des Beschlusses die Durchsuchungsmaßnahme und die Entnahmemaßnahme dulden müsse. Der Angeklagte ”tigerte” immer wieder in der gesamten Wohnung herum, nahm Drohgebärden gegenüber den Beamten ein und stellte sich ihnen schließlich im Türrahmen seines Zimmers in den Weg, als diese nunmehr erklärten, jetzt würde durchsucht werden. Vorsorglich riefen der Beamte N. Verstärkung herbei, die mit dem Beamten R. kurz darauf eintraf. Die Beamten N. und S. befanden sich nunmehr mit dem Angeklagten in seinem Zimmer - dieser hatte sich schützend vor seinen Kleiderschrank gestellt -, während der Vater des Angeklagten versuchte, mit Worten auf seinen Sohn dahin einzuwirken, dass dieser die angeordneten Maßnahmen dulden werde. Der Angeklagte wurde immer aggressiver und zeigte den Beamten die Fäuste, so dass die Beamtinnen P. und A. den Vater mit aus dem Zimmer nahmen und sich mit ihm in der Folgezeit im Wohnzimmer aufhielten. Um die angeordneten Maßnahmen durchzuführen, kündigten die Beamten N. und S. dem Angeklagten an, ihm Handfesseln anzulegen. Der Angeklagte erklärte, dies auf keinen Fall geschehen zu lassen. Inzwischen war der Beamte R. zur Verstärkung eingetroffen und begab sich ebenfalls ins Zimmer des Angeklagten. Zu dritt versuchten die Beamten nun, dem Angeklagten Handfesseln anzulegen, was jedoch infolge seiner Gegenwehr - Schläge, Tritte gegen die Beamten - nicht möglich war. Der Angeklagte griff im Zuge der Auseinandersetzung dem Beamten N. in die Haare und riss ihm mehrere Haarbüschel aus, was für den Beamten mehrere Tage lang schmerzhaft war. Er trat und schlug um sich, wobei er die Beamten N. und R. traf. Nachdem die Beamten den Angeklagten zu Boden gebracht hatten, ihm mit Mühe Handfesseln anlegen können und der Beamte R. mehr oder minder auf dem Angeklagten saß, bezeichnete dieser den Beamten R. als ”Fettsack”. Der Beamte S. war im Zuge der Auseinandersetzung mit dem Kopf an einen Heizkörper geschlagen, was zu einer Verletzung führte, die schmerzhaft war. Am rechten Oberarm bildete sich ein Hämatom.”

17

Hinsichtlich der Strafzumessung ist ausgeführt worden:

18

”Bei den zu treffenden Maßnahmen war zu berücksichtigen, dass der Angeklagte bereits mehrfach einschlägig in Erscheinung getreten ist. Er ist der Polizei als äußert aggressiv bekannt, wie sich in den Vorstrafen der hier festgestellten Verhaltensweise zeigt. Dem Angeklagten sind im vorliegenden Fall jegliche ”Brücken” gebaut worden. Er ist mit Brutalität gegen die Beamten vorgegangen. Auf Grund der vorgenannten Umstände war der Angeklagte unter Einbeziehung der vorerwähnten Verurteilung des Amtsgerichts zu einer Jugendstrafe in Höhe von 1 Jahr und 6 Monaten zu verurteilen, deren Aussetzung zur Bewährung nicht mehr in Betracht kommt.”

19

Bis zu seiner Inhaftierung hatte der Angeklagte zuhause gewohnt, zusammen mit seiner älteren Schwester, die derzeit 19-jährig ihre Friseurgesellenprüfung absolviert. Die Eltern des Angeklagten, die von Beginn der Schulzeit ihres Sohnes an mit den Lehrern, der Schulleitung und auch mit der Erziehungsberatungsstelle in V. wegen des unbeherrschten und aggressiven Verhaltens des Angeklagten in Kontakt standen, verharmlosten in der Vergangenheit sein Verhalten, sahen die Schuld eher bei anderen und zeigten sich dem Angeklagten gegenüber äußerst nachgiebig.

20

Der Angeklagte geht in seiner Freizeit gern ins Fitnessstudio und macht dort - sichtbar - Bodybuilding.

21

2. Der Angeklagte H.S.J. entstammt einer sehr traditionell orientierten libanesischen Familie, die 1984 infolge der Bürgerkriegswirren nach Deutschland einwanderte. Der Angeklagte hat 5 weitere Geschwister, von denen das jüngste 14 Monate und der älteste Bruder 22 Jahre alt ist. Der Angeklagte selbst ist der zweitälteste. Auch hier in Deutschland versuchte der Vater stets die tradierten Muster und Werte beizubehalten, was bei den Kindern teilweise zu Orientierungs- und Integrationsschwierigkeiten führte. Die familiäre Situation wurde zusätzlich durch die gesundheitlichen Probleme des Vaters, der im Libanon Maurer war, belastet, da dieser schon lange gesundheitlich schwer angeschlagen und deshalb auch nicht berufstätig ist. Die Familie bezieht Sozialhilfe und lebte zeitweise mit 8 Personen in einer 4-Zimmer-Wohnung; bislang hatte der Angeklagte J. noch nie ein eigenes Zimmer, sondern schlief auf einer Luftmatratze im Wohnzimmer.

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Nach ihrem Zuzug bezog die Familie J. zunächst Wohnung in V., wo der Angeklagte zur Grundschule ging. Nach einem schweren Unfall und dadurch bedingtem ca. 6-monatigem Krankenhausaufenthalt besuchte er die schule (Schule für Lernhilfe) in V.. 1996 verzog die Familie nach B.. Dort besuchte der Angeklagte die Hauptschule in B.- B. bis zur 9. Klasse. Nach dem Umzug der Familie innerhalb B. besuchte er die allgemeine Berufsschule und erlangte dort 2002 den erweiterten Hauptschulabschluss.

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Zuvor war der Angeklagte erstmals strafrechtlich in Erscheinung getreten: Am 11. Dezember 2001 wurde durch das Amtsgericht - 101 Ds 440 Js 38417/00 - ein Verfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit unbefugtem Gebrauch eines Fahrzeugs, Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und unerlaubten Entfernens vom Unfallort eingestellt nach § 47 JGG.

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Am 15. November 2002 sah die Staatsanwaltschaft in einem weiteren Verfahren wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis - 440 Js 52047/02 - von der Verfolgung nach § 45 Abs. 1 JGG ab.

25

Zu dieser Zeit hatte sich der Angeklagte erfolglos um einen Ausbildungsplatz bemüht und begann stattdessen mit einem Trainingsprogramm mit Namen ” Zeto ” zur beruflichen Orientierung. Bis zum März 2004 war er danach bei der Firma W. in B. im Baugewerbe beschäftigt. Seit dem 1. Mai 2004 ist er als Lagerist bei der Firma S. in V. bei einem monatlichen Bruttoverdienst von 1.400,00 € tätig. Diesen Job fand der Angeklagte mit Hilfe seines Onkels, dem Bruder seiner Mutter, der auch bei der Firma S. arbeitet und der den Angeklagten in den letzten Monaten unterstützt hat, um ihm aus der schwierigen familiären Situation heraus zu helfen.

26

Der Angeklagte J. ist seit 5 1/2 Jahren befreundet mit C.T., welche ihn zusammen mit ihrer Mutter im letzten halben Jahr bei sich zuhause aufgenommen hat.

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3. Der Angeklagte E.B. entstammt einer deutschstämmigen Familie und wuchs bis zur Übersiedlung der Familie nach Deutschland im Jahr 1994 in einfachen und ländlichen Verhältnissen in auf. Er hat noch einen jüngeren Bruder und eine ältere Schwester. Der Angeklagte galt in als guter Schüler und hatte viele Freunde, mit denen er vor allem Fußball spielte. Obwohl seine Mutter mit ihren Schwestern in Deutsch gesprochen hatte, war der Angeklagte der deutschen Sprache bei der Übersiedlung nicht mächtig. Für ein paar Monate besuchte er hier noch die Grundschule, bevor er in die Orientierungsstufe in V. wechselte. Dort fühlte sich der Angeklagte völlig überfordert, weil er gleichzeitig Deutsch und Englisch lernen musste. Er wiederholte daraufhin die 5. Klasse und musste im Anschluss auf die schule (Schule für Lernhilfe) wechseln, was seinen Stolz erheblich verletzte. Sein Versuch, auf der Sonderschule den Hauptschulabschluss zu erlangen, missglückte insbesondere vor dem Hintergrund mangelnder Deutschkenntnisse. Daraufhin begann er ein Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) in den berufsbildenden Schulen in D. im Bereich ”Metall”.

28

In dieser Zeit machte der Angeklagte B. erste Erfahrungen mit dem Jugendrichter des Amtsgerichts , der ihm am 19. April 2000 wegen gemeinschaftlichen Diebstahls - 9a Ds 8 Js 7788/00 (360/00) - eine richterliche Weisung erteilte, nachdem zuvor am 11. Oktober 1998 bereits die Staatsanwaltschaft - 8 Js 26020/98 - von der Verfolgung eines Verfahrens wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 45 Abs. 1 JGG abgesehen hatte.

29

Das BVJ schloss der Angeklagte schließlich mit dem Erfolg eines Hauptschulabschlusses ab; eine daraufhin begonnene Lehre zum Heizungsbauer brach er jedoch noch in der Probezeit ab, weil er den theoretischen Anforderungen in der Berufsschule nicht gewachsen war. Im Anschluss daran arbeitete er für verschiedene Leihfirmen als Staplerfahrer oder Lagerarbeiter. Von dem verdienten Geld leistete sich der Angeklagte einen PKW Golf IV.

30

Am 29. Oktober 2001 verhängte das Amtsgericht wegen gefährlicher Körperverletzung - 9a Ds 213 Js 20493/01 (188/01) - gegen den Angeklagten 3 Wochen Jugendarrest.

31

Im Juli 2003 wurde der Angeklagte arbeitslos. Von da an ”hing” er nur noch mit seinen Freunden, insbesondere dem ehemaligen Mitangeklagten N.- A., und den weiteren Mitangeklagten T. und W. ”herum”. Seit dieser Zeit konsumierte der Angeklagte B. Kokain, teilweise exzessiv bis zu 3 g am Tag. Wenn die Kokainwirkung nachließ, empfand er stets den starken Wunsch, erneut Kokain zu konsumieren. Allerdings gab es zwischendurch immer auch mehrere Tage, an denen er kein Kokain nahm.

32

Seit November 2003 konsumiert der Angeklagte B. keine Drogen mehr und hat auch den Kontakt zu dem ehemaligen Mitangeklagten N.- A. abgebrochen. Auch von den anderen Mitangeklagten hat er sich distanziert.

33

Am 9. Dezember 2003 wurde der Angeklagte in dieser Sache auf Grund des Haftbefehls des Amtsgerichts vom 21. Oktober 2003 - 9a Gs 1794/03 - in Untersuchungshaft genommen. Durch Beschluss des Amtsgerichts vom 29. Dezember 2003 - 9a Gs 1794/03 - wurde der Haftbefehl aufgehoben und der Angeklagte am gleichen Tag entlassen.

34

Seitdem wohnt er wieder bei seinen Eltern, die auch zu ihm halten und ihn wirtschaftlich und moralisch unterstützen. Er hat sich für sein Leben erstmals Ziele gesetzt und arbeitet in dieser Folge seit Mai 2004 mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag bei der Fa. H. in K..

35

Seit 1 Jahr und 8 Monaten hat der Angeklagte B. eine feste Freundin.

36

4. Der Angeklagte W.T. wurde am ... 1983 in V. als jüngstes von drei Kindern in schwierigen familiären Verhältnissen geboren. Sein Vater arbeitete zunächst als Lkw-Fahrer, verlor jedoch nicht zuletzt aufgrund seines Alkoholproblems diesen Job und arbeitete fortan als Heizungsinstallateur, seine Mutter arbeitete ab seinem sechsten Lebensjahr als ungelernte Arbeiterin bei einer Elektrofirma. Die häusliche Situation war geprägt von der schweren Alkoholproblematik der Eltern, die die zehn Jahre ältere Schwester des Angeklagten schon dazu veranlasst hatte, bereits mit sechzehn Jahren auszuziehen. Sein fünf Jahre älterer Bruder verbüßte mit achtzehn Jahren wegen Handels mit Heroin eine zweieinhalbjährige Haftstrafe in Hameln, in der dieser seinen Hauptschulabschluss nachholte und eine Lackierer - Lehre absolvierte. Heute arbeitet der Bruder als Vorarbeiter bei der Fa. D. in A.. Seine Schwester ist mittlerweile verheiratet, hat ein Kind und ist von Beruf Ärztin. Ein Kontakt zwischen dem Angeklagten und seinen Geschwistern besteht nur sporadisch.

37

Der Angeklagte selbst besuchte zunächst die Grundschule in B., wo er häufig den Unterricht störte und Probleme hatte, stillzusitzen. Teilweise wurden bereits dort disziplinarische Maßnahmen, wie z. B. Schulverbot, gegen ihn verhängt. Höchstwahrscheinlich litt der Angeklagte schon zu diesem Zeitpunkt an ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung). Nach der Orientierungsstufe besuchte der Angeklagte die Hauptschule, schwänzte allerdings den Unterricht häufig.

38

Schon in der 7. Klasse wurde er erstmals strafrechtlich auffällig in einem Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung, das am 20. April 1998 vom Amtsgericht - 9 Ds 8 Js 4999/98 (47/98) - nach § 47 JGG mit einer Ermahnung eingestellt wurde.

39

Zwei Tage nach der Hauptverhandlung im eben genannten Verfahren beging der Angeklagte einen Diebstahl, wofür ihm das Amtsgericht - 9 Ds 8 Js 14987/98 (146/98) - am 17. August 1998 eine richterliche Weisung erteilte.

40

Als der Angeklagte in der 8. Klasse war, die er später wegen seiner vielen Fehlzeiten wiederholen musste, kamen weitere Straftaten hinzu:

41

Am 10. Mai 1999 verhängte das Amtsgericht erstmals wegen Beleidigung und versuchter Körperverletzung - 9 Ds 8 Js 5953/99 (55/99) - einen Freizeitarrest, der dem Angeklagten nach seinen Angaben allerdings nicht viel ausmachte.

42

Am 23. August 1999 verhängte das Amtsgericht wegen gefährlicher Körperverletzung - 9 Ds 8 Js 16217/99 (154/99) - zwei Wochen Jugendarrest.

43

Am 6. März 2000 verhängte das Amtsgericht wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit Beleidigung unter Einbeziehung der o. g. Entscheidung vom 23. August 1999 gegen den Angeklagten in dem Verfahren 9a Ds 8 Js 34783/99 (1/00) - einen Jugendarrest von drei Wochen.

44

Nach der wiederholten 8. Klasse musste der Angeklagte aus disziplinarischen Gründen die Schule verlassen und erhielt lediglich ein Abgangszeugnis. Daraufhin absolvierte er ein Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) ohne Abschluss. Anschließend begann er eine Lehre als Fliesenleger, die er jedoch nach 3 Monaten abbrach, weil ihm bis dahin kein Lohn gezahlt worden war. Seit Ende 2001 übt der Angeklagte ab und an Gelegenheitsjobs aus. Das Angebot einer Leiharbeitsfirma, eine Arbeitsstelle in C. ohne Erstattung von Fahrtkosten aufzunehmen, lehnte er ab und erhielt daraufhin die Kündigung. Bislang hat der Angeklagte keine feste Anstellung oder einen anderweitigen Einstig in das Berufsleben gefunden.

45

Der Angeklagte erhielt aus seinem Elternhaus keinerlei Unterstützung, weder finanzielle, noch anderweitige. Seit 2001/2002 konsumierte er regelmäßig und teilweise exzessiv Alkohol und Cannabis. Ab 2003 nahm der Angeklagte auch Kokain, an das er durch den gesondert erfolgten N.- A. gekommen war. Während er Alkohol nur in Gesellschaft trinkt, Cannabis vor allem zur Entspannung raucht, konsumierte der Angeklagte Kokain überwiegend auf Partys und vor Einbrüchen. Seit Oktober 2003 allerdings, genauer seit dem Tag seiner Festnahme in dieser Sache am 22. 10.2003 hat er den Kokainkonsum aufgegeben.

46

Am 23. Juli 2003 verhängte das Amtsgericht in dem Verfahren 9a Ds 100/03, 213 Js 14495/03, wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz gegen den Angeklagten eine Geldauflage sowie die Erbringung von Arbeitsleistungen. Die Vollstreckung ist erledigt.

47

Am 19. Dezember 2003 erließ das Amtsgericht gegen den Angeklagten wegen Trunkenheit im Verkehr - 9b Cs 559/03 (213 Js 36979/03) - einen Strafbefehl, in dem gegen ihn eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 12,00 € festgesetzt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperre für die Fahrerlaubnis bis zum 18. November 2004 verhängt wurde. Der Strafbefehl wurde ohne Einspruch am 14. Januar 2004 rechtskräftig.

48

Dem Strafbefehl lag folgender Sachverhalt zugrunde:

49

Am 2. November 2003 gegen 05:15 Uhr befuhr der Angeklagte mit einem VW Polo mit dem amtlichen Kennzeichen ... öffentliche Straßen, u. a. den B. Ring mit einer Fahrgeschwindigkeit von 70 km/h, obwohl er auf Grund der zuvor genossenen Alkoholmenge nicht in der Lage gewesen ist, das Fahrzeug sicher zu führen und ein BAK-Wert von mindestens 1,7 g ‰ (Abnahmezeitpunkt: 5,48 Uhr) zur Tatzeit hatte.

50

Der Angeklagte T. spielt seit frühester Kindheit leidenschaftlich Fußball, erst im TSV V., später wechselte er in den Verein T.. Er verbrachte seine Freizeit überwiegend im Kreise verschiedener Deutschrussen, so dass er auch unter dem Spitznamen ”Russe” bekannt ist und sogar mit einem leichten Akzent spricht, wie man ihn bei russischen Aussiedlern häufig hört.

51

In dieser Sache ist der Angeklagte am 22.10.2003 festgenommen worden aufgrund Haftbefehls des AG vom 21.10.2003 -9a Gs 1793/03 -, welcher zunächst am 23.10.2003 außer Vollzug gesetzt und dann am 06.01.2004 aufgehoben worden ist.

52

5. Der Angeklagte A.M. ist das jüngste von vier Kindern einer syrischen Familie, die 1990 nach Deutschland kam, und ist hier jetzt unbefristet geduldet. Er lebte mit Ausnahme der Zeiten seiner Inhaftierung stets im Haushalt seiner Eltern. Die familiären Verhältnisse sind geprägt von deren gesundheitlichen Problemen, insbesondere ist sein Vater, der in Syrien als Bäcker gearbeitet hatte, seit längerer Zeit schwer nierenkrank und deshalb nicht mehr berufstätig; seine Mutter ist Hausfrau. Die ältere Schwester des Angeklagten und einer seiner älteren Brüder leben bereits selbständig, während ein weiterer älterer Bruder aus gesundheitlichen Gründen - er leidet an einer schweren Augenkrankheit - in den elterlichen Haushalt zurückgekehrt ist. Die gesundheitlichen Probleme in der Familie, insbesondere bei Vater und Bruder, belasten den Angeklagten; er empfindet sein Verhältnis zu seiner Familie als gut.

53

Der Angeklagte M. besuchte nach dem Zuzug nach Deutschland zunächst in V. die Vorschule im Ortsteil D., danach die dortige Grundschule. In der Orientierungsstufe musste der Angeklagte in die schule (Schule für Lernhilfe) wechseln. Nach dem dortigen Schulabschluss (mit Abschlusszeugnis) im Jahr 2000 besuchte der Angeklagte zunächst das Berufsvorbereitungsjahr mit dem Schwerpunkt ”Bau” und dem Ziel, den Hauptschulabschluss zu erlangen, führte es jedoch nicht zu Ende.

54

Bereits mit 14 Jahren war der Angeklagte erstmals strafrechtlich aufgefallen. Am 1. März 1999 verhängte das Amtsgericht - 9 Ds 8 Js 33812/98 (14/99) wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung zwei Freizeiten Jugendarrest sowie eine richterliche Weisung gegen den Angeklagten.

55

Am 14. Januar 2002 erteilte das Amtsgericht wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis dem Angeklagten die Weisung, für die Dauer eines Jahres an der sozialpädagogischen Gruppenarbeit des Landkreises teilzunehmen.

56

Der Angeklagte nahm auch die Gruppenarbeit auf, musste sie jedoch abbrechen, da er am 25. März 2002 vorläufig fest- und am 26. März 2002 in Untersuchungshaft genommen wurde in dem Verfahren 213 Js 8246/02, in dem gegen den Angeklagten am 10. Juli 2002 vom Amtsgericht (Jugendschöffengericht) - 9a Ls 12/02 - wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes in 6 Fällen eine Jugendstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten verhängt wurde. Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

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”Die beiden Angeklagten F.Ö. und A.M. haben 6 Überfälle auf 4 Tankstellen, ein Sonnenstudio sowie einen Kiosk begangen. Die beiden Angeklagten entschieden jeweils zusammen, wo sie die Überfälle verüben wollten, wobei der Angeklagte A.M., der in V. wohnt, über die bessere Ortskenntnis verfügte. Die Angeklagten haben dabei jeweils abgewartet, bis keine Kundschaft mehr in den entsprechenden Verkaufsräumen war. Die bei den Überfällen verwendeten Schreckschusswaffen waren nicht geladen. Sie versteckten diese im Wald bei V., wo sie jedoch von der Polizei nach der 3. Tat gefunden wurden.

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Die Angeklagten verübten Überfälle, weil sie mehr Geld als ihr Taschengeld wollten, um sich teurere Kleidung, wie z. B. eine Jeans für 120,00 € kaufen zu können. Darüber hinaus haben sie das Geld noch für Essen und Spielautomaten ausgegeben.

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1.) Die beiden Angeklagten haben am 15. Februar 2002 gegen 21:42 Uhr maskiert die Shell-Tankstelle am B. Ring in V. betreten und die Kassiererin, die Zeugin A., unter Vorhalt einer Schreckschusswaffe und eines Messers aufgefordert, die Kasse zu öffnen und Geld herauszugeben. Der Angeklagte Ö. hatte eine Schreckschusswaffe dabei, der Angeklagte M. ein Messer. Die Angeklagten entnahmen der Kasse einen Geldbetrag von ca. 500,00 € und entwendeten darüber hinaus ein Handy der Marke Nokia 7110 und die Geldbörse der Zeugin A., die auf dem Tresen lagen.

60

2.). Am 16. Februar 2002 gegen 22:40 Uhr betraten die beiden Angeklagten ebenfalls maskiert die DEA-Tankstelle in A., V. Straße.... Unter Vorhalt einer Schreckschusswaffe und eines Messer erklärten sie dort der anwesenden Zeugin D., es handele sich um einen Überfall und verlangten von ihr, die Kasse zu öffnen. Der Angeklagte Ö. hatte eine Schreckschusswaffe und der Angeklagte M. wiederum ein Messer dabei. Weil die Zeugin D. auf die Frage nach den Telefonkarten nicht schnell genug reagierte, schlug ihr der Angeklagte zu 2.) mit der von ihm mitgeführten Pistole auf das rechte Ohr. Anschließend fragte er die Zeugin D. nach dem Tresor. Als diese erklärte, dass sie da jetzt nicht rankäme, versetzte ihr der Angeklagte Ö. mit der Waffe noch einmal einen Schlag auf die Nase. Die Zeugin erlitt dabei eine blutende Platzwunde am rechten Ohr sowie eine offene Fraktur des Nasenbeins.

61

Hinsichtlich der Anwendung von Gewalt war zwischen den beiden Angeklagten vereinbart worden, dass sie bei Widerstand keine Gewalt gegenüber den Opfern anwenden wollten. Die Gewaltanwendung gegenüber der Zeugin D. ging allein von dem Angeklagten Ö. aus.

62

Die Angeklagten entwendeten bei diesem Überfall ca. 500,00 € Bargeld sowie Telefonkarten.

63

3.) Am 22. Februar 2002 betraten die Angeklagten gegen 22:15 Uhr maskiert die ARAL-Tankstelle L. Straße in V.. Sie forderten mit vorgehaltenen Schreckschusswaffen den Kassierer, den Zeugen Bastian B.Martens M., auf, Geld herauszugeben und entwendeten aus der vom Zeugen Martens M. geöffneten Kasse ca. 500,00 € sowie Telefonkarten und 3 Stangen Zigaretten. Bei dieser Tat waren beide Angeklagten mit einer Schreckschusspistole bewaffnet.

64

4.) Am 14. März 2004 stürmten die beiden Angeklagten gegen 21:18 Uhr maskiert in das Sonnenstudio H.L.X in V. und drängten die dort angestellte Zeugin S.K. in eine Ecke. Aus einer Schublade im Tresen nahmen die Angeklagten eine Geldkassette mit Inhalt und entwendeten dieses Geld sowie die Geldbörse der Zeugin und deren Handy Nokia 3210. Die Zeugin K. öffnete auf Verlangen der Angeklagten auch den Tresor, der jedoch leer war. Bei dieser Tat waren beide Angeklagten jeweils mit 1 Messer bewaffnet, wobei der Angeklagte M. seines jedoch nicht zeigte und in der Hosentasche mit sich führte.

65

5.) Am 17. März 2004 stürmten die beiden Angeklagten gegen 21:58 Uhr ebenfalls maskiert in die Score-Tankstelle in V., L. Straße XX. Dabei riefen sie ”Überfall” und verlangten unter Vorhalt eines Messer durch den Angeklagten M. von dem Zeugen G., die Kasse zu öffnen. Als der Zeuge G. die Kasse nicht schnell genug öffnete, bewarf der Angeklagte M. ihm mit einer Getränkedose und einem Überraschungsei, um ihm Angst zu machen. Die Angeklagten entwendeten aus der Kasse ca. 727,00 € sowie Telefonkarten im Werte von ca. 999,00 €.

66

Ebenfalls anwesend in der Tankstelle war die Ehefrau des Zeugen, die sich jedoch in einem Nebenzimmer einschloss, als die Angeklagten die Tankstelle betraten.

67

6.) Am 25. März 2004 betraten die Angeklagten gegen 18:05 Uhr in D. maskiert den Verkaufsraum des Kiosk von W.H.. Der Angeklagte Ö. war dabei mit einer Schreckschusswaffe bewaffnet, der Angeklagte M. mit einem Messer. Sie forderten die anwesende Zeugin I.V. unter Vorhalt dieser Waffen auf, Geld herauszugeben. Die Angeklagten entwendeten Geld in Höhe von 500,00 €.

68

Das Geld wurde, nachdem die beiden Angeklagten auf der Flucht gefasst wurden, zurückgegeben.”

69

Zur Strafzumessung ist ausgeführt worden:

70

”Da die Angeklagten beide zum Tatzeitpunkt noch Jugendliche waren, ist Jugendstrafrecht anzuwenden.

71

In diesem Fall ist eine Jugendstrafe zu verhängen. Die Schwere der Schuld wird durch den Verbrechenscharakter der einzelnen, von den beiden Angeklagten verwirklichten, Straftaten indiziert.

72

Eine Jugendstrafe wurde auch von den jeweiligen Vertretern der zuständigen Jugendämter befürwortet.

73

Zu Gunsten beider Angeklagten ist bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, dass beide bereits vor der Polizei bzw. dem Ermittlungsrichter die Straftaten vollumfänglich eingeräumt haben. Ferner ist dabei zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, dass die Waffen nicht geladen waren.

74

Zu ihrem Nachteil ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Angeklagten sehr aggressiv und massiv bedrohlich gegenüber den jeweiligen Opfern auftraten. Darüber hinaus sind beide Angeklagten bereits strafrechtlich wegen Körperverletzungsdelikten in Erscheinung getreten.

75

Zu Ungunsten des Angeklagten Ö. ist zudem noch zu berücksichtigen, dass er gegenüber der Zeugin D. Gewalt angewendet und diese erheblich verletzt hat.

76

Unter Berücksichtigung und sorgfältiger Abwägung aller Tatumstände wird der Angeklagte Ö. zu einer Jugendstrafe von 2 Jahren verurteilt, der Angeklagte M. zu 1 Jahr 10 Monaten. Die Abweichung im Strafmaß ergibt sich aus der vom Angeklagten Ö. verübten Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin D..

77

Die Strafe wird nicht zur Bewährung ausgesetzt. Die Vollstreckung der Jugendstrafe ist im Hinblick auf die Entwicklung der Angeklagten geboten.

78

Dies ergibt sich für den Angeklagten M. daraus, dass dieser weitere Überfälle beging, obwohl er nach der dritten Tat wusste, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren lief.”

79

Mit Beschluss vom 9. Juli 2003 des Amtsgerichts - 100 VRJs 41/03 - wurde der Rest der vom Angeklagten daraufhin verbüßten Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt und er selber am 16. Juli 2003 aus der Haft entlassen. Die Bewährungszeit wurde auf 2 Jahre festgelegt und folgende Auflagen erteilt:

80

a) jede Änderung seines Wohnsitzes unverzüglich dem Bewährungshelfer anzuzeigen;

81

b) ab dem 1. September 2003 bei den Jugendwerkstätten V. zur Verfügung stehende Ausbildungsmaßnahmen aufzunehmen und sich vorher um Aushilfstätigkeit bis zum 1. September 2003 zu bemühen;

82

c) ohne Genehmigung des Bewährungshelfers seine Arbeitsstelle und seine Wohnung nicht aufzugeben;

83

d) den Weisungen des Bewährungshelfers unbedingt Folge zu leisten.

84

Zur Begründung wurde im genannten Beschluss ausgeführt, die Mitarbeit des Angeklagten im Vollzug sei insgesamt positiv zu bewerten gewesen; außerdem könne er mit der Entlassung in den elterlichen Haushalt zurückkehren und am 1. September 2003 eine Ausbildungsmaßnahme beginnen.

85

Tatsächlich nahm der Angeklagte M. am 1. September 2003 bei der BQ (Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft mbH, Landkreis ) einen Förderlehrgang zur Berufsvorbereitung im Bereich ”Metall” auf, um sich für seinen jetzigen Berufswunsch - Kfz-Mechaniker - vorzubereiten. Ziel der Maßnahme war außerdem, dass der Angeklagte einen Hauptschulabschluss erlangen sollte. Nach den Angaben seiner Bewährungshelferin zeigte sich der Angeklagte dort auch zuverlässig, kooperativ, interessiert und hilfsbereit. Der Angeklagte verfügt auch im übrigen über ein ausgesprochen hilfsbereites, lenkbares Wesen; ihm fehlt allerdings aus dem familiären Umfeld eine ausreichende Orientierung, so dass seine Hilfsbereitschaft nicht endet, wenn strafbares Verhalten an ihn herangetragen wird.

86

Der Besuch in der oben angeführten BQ - Maßnahme endete mit seiner Inhaftierung in der vorliegenden Strafsache am 22. Dezember 2003 auf Grund des Haftbefehls des Amtsgerichts vom 19. Dezember 2003 - 9a Gs 2298/03 -. Der Angeklagte befindet sich seitdem in der JVA V. in Untersuchungshaft. Dort wurde er inzwischen als Hausarbeiter eingesetzt, weil er sich den Angaben des Sozialarbeiters zufolge umgänglich, ruhig und zuverlässig verhalte. Er zeige dort, dass er bei entsprechender Lenkung und Führung gewillt ist, die an ihn gerichteten Anforderungen zu erfüllen.

87

Der Angeklagte M. hat außer Fußballspielen keine nennenswerten Hobbies und nimmt keine Drogen.

88

6. Der Angeklagte M.L. wurde am XX.XX 1981 in V. geboren. Sein Vater ist Maschinist bei der Fa. M., seine Mutter arbeitet als Putzfrau im Altersheim.

89

Nach dem Besuch von Grundschule und Orientierungsstufe in V. absolvierte der Angeklagte L. die Hauptschule bis zur 9. Klasse. Er war als Kind während der Schulzeit dadurch auffällig, dass er den Unterricht fortwährend gestört hat, indem er beispielsweise regelmäßig mit Mitschülern ”schwatzte”, mit dem Stuhl ”kippelte”, mit Papierschnipseln warf, vor ihm sitzenden Mitschülern in den Rücken stieß oder ihnen auf den Kopf schlug, was zur Folge hatte, dass seine Mutter mehrmals im Schulhalbjahr zum Gespräch mit dem Klassenlehrer bzw. der Klassenlehrerin oder dem Schulleiter gerufen wurde. Der Angeklagte schwänzte in der Hauptschule häufiger den Unterricht, erschien verspätet oder verließ verfrüht den Unterricht. Er verließ die Hauptschule letztendlich mit einem Hauptschulabschluss.

90

Eine Lehre zum Gas- und Wasserinstallateur brach er nach 2 Monaten ab und besuchte stattdessen das Berufsgrundbildungsjahr (BGJ) im Bereich ”Metall”.

91

Danach begann er eine Ausbildung als Konstruktionsmechaniker im Bereich ”Schiffsbautechnik”. Diese konnte er jedoch wegen der Insolvenz der Lehrfirma nach etwa 2 Jahren Ausbildung nicht mehr beenden.

92

In der Folgezeit arbeitete er mit jeweils befristeten Arbeitsverträgen bei verschiedenen Leiharbeitsfirmen und auch bei einem der größten Arbeitgebern der Umgebung, der Fa. D. in A.. Seit dem 1. August 2003 ist er arbeitslos, unternimmt derzeit allerdings ein Bewerbungstraining. Der Angeklagte bezog vorübergehend mit seiner Freundin eine gemeinsame Wohnung, zog dann aber sehr bald wieder zu den Eltern und löste die Verbindung mit der Freundin, weil er immer nur mit seinen Kumpels aus der Gruppe zusammen sein wollte und die Wohnung verließ und die Freundin alleine zurückließ, sobald ihn ein Anruf eines der Kumpels per Handy erreichte.

93

Der Angeklagte bezieht derzeit Arbeitslosenhilfe von 600,00 €.

94

Seine erste Verurteilung erhielt der Angeklagte durch das Amtsgericht vom 23. Juli 2001 - 4 Cs 324/01, 213 Js 18900/01 - wegen fahrlässiger Körperverletzung; er wurde zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 15,00 DM verurteilt.

95

Noch innerhalb der Lehrzeit wurde er vom Amtsgericht am 26. Juni 2002 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr - 9b Cs 177/02, 213 Js 3070/02 - zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20,00 € verurteilt und es wurde gegen ihn eine Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis bis zum 25. September 2002 verhängt.

96

Am 19. April 2004 verurteilte das Amtsgericht - 9a Ds 213 Js 30620/03 (5/04) - den Angeklagten wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Auf Grund der Rücknahme des Rechtsmittels mit Schriftsatz des Verteidigers vom 17. Juni 2004 wurde das Urteil rechtskräftig. Ihm lag folgender Sachverhalt zugrunde:

97

”Am Abend des 1. Juni 2003 fand bei dem Zeugen D.J. in V. in der B. Straße XX, wo J. eine Wohnung hatte, ”Party” statt, d. h. es kamen diverse Bekannte des J. vorbei. Auf dieser Party wurde reichlich Alkohol getrunken und sehr laut Musik gehört, was einen Nachbarn dazu veranlasste, sich zu beschweren. Auf dieser ”Party” hielten sich auch die Angeklagten auf, wobei A.L. eigenen Angaben zufolge länger, der Angeklagte M.L. nur sehr kurz geblieben sein wollen. Kurz vor 04:00 Uhr in dieser Nacht kamen die Brüder M. und T.S. aus der Innenstadt von der ”Domweih”, einem Volksfest. Beide waren deutlich alkoholisiert und gingen zu Fuß - gut gelaunt und pfeifend - die B. Straße in Richtung der Wohnung des M.S. nach Hause. Als sie sich in Höhe des Hauses, in dem J. wohnt, befanden, wurden sie plötzlich von hinten von 4 - 5 jungen Männern - darunter auch M. und A.L. - völlig grundlos angegriffen. Opfer und Täter waren einander völlig fremd. Sie versetzten T.S. zunächst einen Schlag in den Nacken, so dass dieser sofort nach vorne aufs Gesicht fiel und die Besinnung verlor. Er ist erst im Krankenhaus wieder zu sich gekommen. Hieraufhin wollte M.S. seinem am Boden liegenden Bruder helfen, wovon die beiden Angeklagten ihn mit mehrfachen Faustschlägen und Fußtritten abhielten. Auch M.S. ging zu Boden und wurde von beiden noch am Boden liegend getreten.

98

Der Zeuge T.S. erlitt einen Schädelhirntrauma 1. Grades, Verletzungen im Gesicht (Schürfwunden) und eine Nasenbeinfraktur.

99

Der Zeuge M.S. erlitt eine Platzwunde an der Lippe, die mit mehreren Stichen genäht werden musste und noch heute deutlich als Narbe erkennbar ist. Darüber hinaus erlitt er diverse Prellungen und Schürfwunden sowie mehrfache Rippenfrakturen. Beide Zeugen lagen mehrere Tage im Krankenhaus.

100

Der Angeklagte M.L. war bei der brutalen Körperverletzung zum Nachteil der Brüder S. derjenige, der das deutlichere Maß an Gewalt ausgeübt hat. Im Hinblick darauf, dass er noch keine einschlägigen Vorstrafen hat, meint das Gericht jedoch, hier bei der Mindeststrafe von 6 Monaten Freiheitsstrafe bleiben zu können und hat auf eine solche erkannt. Da der Angeklagte bislang noch nicht mit Freiheitsstrafe belegt worden ist, war es vertretbar, die Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen.”

101

II. Die Angeklagten M., L., J., T. und den ehemaligen Mitangeklagten N.- A. verbindet aus Kindertagen eine lange Bekanntschaft. Die Angeklagten W. und B. kannten sich ebenfalls bereits länger, als sich etwa vor einem Jahr die verschiedenen Cliquen vermischten.

102

Gemeinsam war ihnen, dass sie einerseits in Schule oder Berufsausbildung gescheitert waren, andererseits jedoch zur Befriedigung ihrer Konsum- und - zum Teil - Drogenwünsche einen erheblichen Geldbedarf hatten. Um diesen zu stillen, begingen sie in unterschiedlicher Beteiligung folgende Straftaten:

103

1. Die Tat zu Ziff. 1) der Anklageschrift:

104

Am 2. September 2003 traf sich der ehemalige Mitangeklagte N.- A. mit dem Angeklagten B. in B.. Beide hatten, wie es häufig der Fall war, kein Geld mehr, wollten aber ihre erheblichen Konsumbedürfnisse und Drogenwünsche befriedigen. Beide hatten bereits in B. Kokain gezogen. So kamen sie auf die Idee, Geld durch einen Überfall auf eine Tankstelle zu erbeuten.

105

Aus dem Auto von B. telefonierte der ehemalige Mitangeklagte N.- A. mit seinem Handy herum, um weitere ”Freunde” für diese Unternehmung zu gewinnen. Er erreichte den Angeklagten W.T. telefonisch und verabredete sich mit ihm beim Aldi-Markt in V.. Dort trafen sie nicht nur T. an, sondern auch die Angeklagten A.W. und H.J.. Gemeinsam stiegen sie in den Golf IV des Angeklagten B. ein. Der ehemalige Mitangeklagte N.- A. schlug den anderen vor, die Score-Tankstelle an der H. Straße zu überfallen, um ”Geld zu machen”. Er kannte diese Tankstelle gut und wusste, dass dort häufig junge Leute als Aushilfskräfte beschäftigt sind. Der Angeklagte W. war direkt mit dem Überfall einverstanden, während die anderen beiden - T. und J. - anfangs noch zögerten. Daraufhin spendierte der ehemalige Mitangeklagte N.- A. mit den Worten: ”Dann zieht erst mal eine Bahn!” Kokain, das er aus B. mitgebracht hatte. Mit Ausnahme des Angeklagten W. zogen alle übrigen auf einer CD-Hülle eine Bahn Kokain. Schließlich ging auch noch ein Joint herum, den insbesondere der Angeklagte T. rauchte. Mit zunehmender Wirkung der Drogen stieg die Stimmung im Golf und so ließen die Angeklagten T. und J. ihren anfänglichen Widerstand gegen die Idee fallen. Noch im Auto von dem Angeklagten B. sitzend begannen der ehemalige Mitangeklagte N.- A. und die Angeklagten über die Rollenverteilung bei dem Überfall zu streiten. Es ging insbesondere darum, wer in die Tankstelle hineingehen sollte. Der Angeklagte B. wollte nicht, weil er als Fahrer agieren sollte; der ehemalige Mitangeklagte N.- A. lehnte ab, weil er zu klein sei und außerdem den Kassierer in der Score-Tankstelle kenne. Schließlich einigten sie sich darauf, dass die Angeklagten W., T. und J. maskiert in die Tankstelle hineingehen und den Überfall durchführen, während der Angeklagte B. und N.- A. die Sicherung des Überfalls übernehmen sollten.

106

Von der Wohnung der Familie des Angeklagten T., der in einem Wohngebiet hinter der Tankstelle wohnt, holten sie zu diesem Zweck zunächst zwei Mützen, einen Schal, eine Jacke und ein sogenanntes ”Rambo”-Messer mit schwarzem Griff und einer gezackten feststehenden Klinge. Für den Angeklagten W. lag eine Mütze zum Maskieren im Auto. Sie einigten sich im Folgenden weiter darauf, dass der ehemalige Mitangeklagte N.- A. auf der gegenüberliegenden Seite im Sonnenstudio ”Schmiere stehen” und den Verkehr beobachten, zunächst ein Klingelzeichen auf das Handy des Angeklagten T. als Startsignal, danach notfalls ein weiteres Klingelzeichen bei Gefahr geben sollte. B. sollte die übrigen beim Haus der Familie T. absetzen, von wo aus sie aufbrechen sollten. Von da aus sollte B. aus der Stadt kommend langsam die H. Straße vor der Tankstelle entlang fahren, damit sich während des Überfalls der Verkehr leicht aufstaut und insbesondere kein Fahrzeug auf das Tankstellengelände unerwartet auffahren konnte. Sie machten aus, dass die Beute gerecht, also zu je 1/5, unter ihnen verteilt würde.

107

Entsprechend dieser Tatplanung wurde die Tat ausgeführt, wobei die Angeklagten A.W., W.T. und H.J. sich zunächst hinter der Tankstelle versteckten, um auf das Handyklingeln zu warten. Als das Handy schließlich klingelte, zogen sich die Angeklagten T. und J. sofort ihre Mützen mit Sehschlitzen über und rannten in die Tankstelle hinein. Der Angeklagte W. war noch nicht fertig; seine Mütze hatte keine Sehschlitze und er konnte nur schlecht durch die nach unten gezogene Mütze sehen. Er kam etwas später für einen kurzen Moment - immer noch in seiner Sicht behindert - in die Tankstelle gelaufen.

108

An dem Abend hielt sich die Zeugin D.F. als Aushilfskraft in der Tankstelle zusammen mit dem Zeugen C.W. auf, der als ”neue Hilfe” noch nicht vollständig eingearbeitet war und bei der Abrechnung der Tageseinnahmen zuschauen wollte. Während die Zeugin F. im Begriff war, den Boden aufzuwischen und der Zeuge W. dabei war, Waren in die Regale unterhalb des Verkaufstresens aufzufüllen, stürmten die Angeklagten T. und J. in den Verkaufsraum hinein. J. rief mehrfach ”Überfall”, ergriff von hinten die Arme des Zeugen W. und drückte ihm diese so auf den Rücken, dass der Zeuge W. sich zwar hätte befreien können; allerdings entschied sich dieser, besser keine Gegenwehr zu leisten. So senkte der Zeuge W. von sich aus seinen Kopf hinunter auf die dort liegenden Zeitungen. Der Angeklagte T. hielt zunächst das Messer in Richtung des Zeugen W., etwa einen Meter entfernt von dessen Körper, und stürmte dann um den Tresen herum zur Kasse, wobei ihm die Zeugin F. erschrocken aus dem Weg trat. Er öffnete die Kasse und steckte die Scheine in seine Taschen, wobei einige Scheine herunterfielen. Er hob sie auf und ging danach durch die nahe Tür in das Büro und warf dort einen kurzen Blick in den dort befindlichen Schrank, in dem er aber nichts fand. Derweil rief der Angeklagte J.: ”Dennis, beeil dich!”, wobei er diesen falschen Vornamen verwendete, um die Zeugen zu täuschen. Der Angeklagte T. ging daraufhin zur Kasse zurück und entnahm ihr mit beiden Händen die ganze Kassenschublade mit Kleingeld. J. ließ den Zeugen W. los und ergriff die Flucht, gefolgt von T., der die Schublade noch in beiden Händen trug. Das Kleingeld klimperte jedoch so stark, dass T. die Kassenschublade draußen fallen ließ. Der Angeklagte W. hatte zuvor nur kurz die Tankstelle betreten, bevor er wieder hinaus rannte, gefolgt von den beiden anderen. Alle drei flüchteten mit ihrer Beute von ca. 2.050 € vom Tankstellengelände aus nach rechts und liefen durch den Stichweg hinter der Kreissparkasse zurück in das Wohngebiet, in dem der Angeklagte T. wohnte. Bei dem Haus der Familie T. angekommen, versteckten sie die Mützen, die Jacke und das Messer in einem kleinen auf dem Grundstück stehenden Gartenhäuschen. Danach suchten sie das Zimmer von T. auf, das sich im Keller des Hauses befand. Kurz darauf klingelten zwei Polizeibeamte - alarmiert und schon auf der Suche nach den Tätern des Überfalls - an der Tür. Der Angeklagte T. öffnete, ließ sich jedoch gegenüber den Beamten, deren Fragen er beantwortete, nichts anmerken, so dass diese unverrichteter Dinge wieder gingen und ihre Suche fortsetzten. Die Stimmung im Keller war nun allerdings gedrückt, alle hatten Angst. Die Angeklagten W., T. und J. teilten die Beute in der Weise auf, dass sie jeweils 500,00 € erhielten.

109

Der ehemalige Mitangeklagte N.- A. hatte, nachdem er von den anderen abgesetzt worden war, im Sonnenstudio schräg gegenüber von der Score-Tankstelle planmäßig Stellung bezogen. Er traf dort eine Bekannte und unterhielt sich mit dieser längere Zeit, während er dabei den Verkehr auf der H. Straße beobachtete. Plötzlich erschien der Angeklagte B., der zuvor mit seinem Golf vereinbarungsgemäß auf der H. Straße „patrouilliert“ hatte, und forderte ihn auf schnell einzusteigen. Zusammen fuhren sie in das Wohngebiet hinter der Tankstelle, um zu schauen, ob die anderen noch dort wären. Hier wurden sie von einer - wegen des Überfalls bereits alarmierten - Polizeistreife kontrolliert, durften nach der Kontrolle des Fahrzeugs jedoch ihre Fahrt fortsetzen. Sie fuhren zunächst zum Bahnhof, nahmen dort telefonisch Kontakt zu den anderen auf und verabredeten, diese bei T. abzuholen. Dort sammelten sie die Angeklagten W. und T. ein, mit denen sie nach O. in eine Diskothek fuhren, um den Erfolg zu feiern. Der Angeklagte J. war spätestens nach dem Klingeln durch die Polizeibeamten an der Haustür in solche Panik geraten, dass er völlig verängstigt im Kellerzimmer zurückblieb. Der Angeklagte B. und der ehemalige Mitangeklagte N.- A. erhielten vom Angeklagten T. jeweils nur 160,00 € als Anteil an der Beute mit dem Hinweis, dass ihr Risiko geringer gewesen sei.

110

Die Zeugin F. leidet noch heute psychisch an den Folgen dieser Tat.

111

2. Die Tat zu Ziff. 2) der Anklageschrift:

112

Am 10. Oktober 2003 trafen sich der ehemalige Mitangeklagte N.- A. und der Angeklagte E.B. in B.. Gemeinsam zogen sie zunächst jeweils eine Bahn Kokain und stellten wieder einmal fest, dass sie kein Geld hatten, um mehr Kokain kaufen zu können. Der Angeklagte B. schlug vor, einen Edeka-Laden in B. bei V., den er kannte und bei dem nicht viel los sei, zu überfallen, um an etwas Geld zu kommen. Zusammen beschlossen sie, zunächst Kleidungsstücke, die B. bei dem Überfall anziehen sollte, und eine Schreckschusspistole, die ungeladen seit drei Jahren im Keller der Familie B. lag und für die Patronen nicht vorhanden waren, zu holen und dann in das Wohngebiet hinter dem Edekamarkt zu fahren. Von dort aus sollte der Angeklagte B. den Laden aufsuchen, den Überfall durchführen und danach zum Auto zurückkehren, in dem der ehemalige Mitangeklagte N.- A. am Steuer fluchtbereit warten sollte.

113

Entsprechend dieser Planung führten sie die Tat aus. In B. angekommen zog der Angeklagte B. die mitgebrachte Kleidung an, nämlich eine weiße Hose, ein Paar Schuhe, einen schwarzen Pullover und eine Mütze, und lief zu Fuß bis zum Edeka - Laden. Dort zog er vor der Eingangstür seine Mütze ins Gesicht und betrat den Verkaufsraum. Der Inhaber und Zeuge M.R., der mit dem Kassenabschluss wegen der letzten Kundin im Laden noch gewartet hatte, stand ca. 3 Meter von der Tür entfernt hinter der Theke. Als der Angeklagte B. mehrmals ”Geld her! Alles!” schrie und die ungeladene schwarze Schreckschusspistole, die wie eine „normale“ Schusswaffe aussah, drohend auf den Zeugen R. richtete, wurde diesem bewusst, dass ein echter Überfall stattfand. Er öffnete die Kasse, rollte die darin befindlichen Scheine - insgesamt ca. 1.300,00 € - zusammen und übergab sie dem Angeklagten B., der sie einsteckte.

114

Dann lief der Angeklagte B. aus dem Ladenlokal hinaus und verschwand in der Straße, die zurück in das Wohngebiet und zum Auto führte, in dem der ehemalige Mitangeklagte N.- A. wartete. Der Zeuge R. verfolgte den Angeklagten B. zunächst, bis er zufällig auf seinen Sohn traf, der mit dem Auto vorbeifuhr. Vom Vater informiert nahm der Sohn des Zeugen die weitere Verfolgung mit dem Auto auf und fuhr dem Angeklagten B., der immer noch die Straße hinunter lief, hinterher. Als er diesen eingeholt hatte, blieb der Angeklagte stehen, richtete die - ungeladene - Schreckschusspistole auf den Sohn des Zeugen R., welcher daraufhin von der Verfolgung abließ. B. verschwand in einer Seitenstraße, wo er schließlich auf den in seinem Auto wartenden ehemaligen Mitangeklagten N.- A. traf.

115

Der Angeklagte B. sprang auf den Beifahrersitz und der ehemalige Mitangeklagte N.- A. fuhr den Golf aus B. hinaus Richtung V.. Der Angeklagte B. wechselte auf dem Beifahrersitz seine Kleidung und warf diese zusammen mit der Schreckschusspistole aus dem Fahrzeugfenster. Diese wurden später von der Polizei gefunden und sichergestellt. Auf einer Tankstelle wechselten sie wieder die Plätze.

116

Auf Schleich- und Umwegen fuhren sie zurück nach B., wo sie die Beute unter sich aufteilten. Von dem Geld kauften sie wie geplant Kokain, gingen zum Friseur und holten schließlich den Mitangeklagten J. ab, mit dem sie in C. eine Diskothek besuchten.

117

Die Tat zu 3):

118

Am 18. Oktober 2003 litt der ehemalige Mitangeklagte N.- A. wieder einmal unter Geldmangel. Er hatte bereits Kokain zu sich genommen und kein Geld mehr, um sein drängendes Verlangen nach mehr Kokain zu befriedigen. Er erinnerte sich daran, dass die Score-Tankstelle in V. letztes Mal leicht zu überfallen gewesen war und dort nur Aushilfskräfte beschäftigt waren. Er beschloss, noch einmal einen Überfall auf diese Tankstelle zu riskieren. Er rief deshalb beim Angeklagten M.L. an, um mit ihm einen Fahrer für das Unternehmen zu gewinnen. Als sich der ehemalige Mitangeklagte N.- A. daraufhin mit dem Angeklagten L. in V. traf, war dieser in Begleitung des Angeklagten A.M.. Weil eine weitere Person beim Überfall stärkeren Eindruck auf den Verkäufer machen würde, überredete der ehemalige Mitangeklagte N.- A. den zunächst zaudernden M. mitzumachen. Auch die Angeklagten L. und M. benötigten das aus dem Überfall erhoffte Geld für ihren Konsumbedarf und ihren Lebenswandel. Der Angeklagte L. fuhr immerhin einen 3-er BMW, den er sich gekauft hatte, als er noch in Lohn und Arbeit stand. Nach dem Tatplan, den die drei im Auto besprachen, sollte der Angeklagte L. im Wohngebiet hinter der Score-Tankstelle zwischen zwei Garagenblöcken mit seinem BMW warten, während der Angeklagte M. und der ehemalige Mitangeklagte N.- A. den Überfall auf die Score-Tankstelle durchführen sollten. Zunächst fuhren sie jedoch mit dem BMW des Angeklagten L. zum V. Stadtwald, um dort eine vom ehemaligen Mitangeklagten N.- A. vor ein paar Wochen in einem Gebüsch versteckte Mütze zur Maskierung zu holen.

119

Wegen der weiteren Ausrüstung nahm N.- A. telefonisch Kontakt zum Angeklagten W.T. auf, von dem er die bei diesem versteckten Ausrüstungsgegenstände des letzten Tankstellen-Überfalls vom 02.09.2003, nämlich eine Mütze mit Sehschlitzen, eine Jacke aus Lederimitat und das ”Rambo”-Messer, erbat, allerdings ohne T. den genauen Anlass für diese Bitte zu nennen. Die genannten Ausrüstungsgegenstände überließ ihm auch der Angeklagte T., der auch an diesem Tag Cannabis konsumiert hatte, bereitwillig, wobei jedoch der Angeklagte T. nicht in die Einzelheiten der Planung eingeweiht wurde. Ihm war jedoch klar, dass diese dem ehemaligen Mitangeklagten N.- A. übergebenen Ausrüstungsgegenstände, die sich - wie dargestellt - noch vom letzten Überfall auf die Score - Tankstelle bei T. befanden, auch für eine solche oder ähnliche Tat Verwendung finden sollten. Dies nahm der Angeklagte T. billigend in Kauf. Die Angeklagten L. und M. fuhren also mit dem ehemaligen Mitangeklagten N.- A. zum Angeklagten T., welcher ihnen die erbetenen Sachen übergab. Danach fuhren sie mit dem BMW zwischen die Garagenblocks in der S. Straße.

120

Der Angeklagte M. und der ehemalige Mitangeklagte N.- A. verließen entsprechend der oben geschilderten Tatplanung das zwischen den Garagen abgestellte Fahrzeug des Angeklagten L., welcher zur Absicherung einer evtl. erforderlich werdenden Flucht wartend zurückblieb. Sie gingen zu Fuß in Richtung Tankstelle, allerdings dieses Mal die S. Straße entlang und nicht etwa die Abkürzung über den Durchgangsweg bei der Kreissparkasse. Bei der Tankstelle angekommen warteten sie zunächst ein paar Minuten hinter dem Gebäude. Nachdem sie sich maskiert hatten, stürmten beide hinein und der Angeklagte M. schrie ”Überfall”. Er hatte bis dahin das Messer in der Jackentasche verborgen und zeigte es jetzt dem Zeugen C.W., der auch an diesem Abend seinen Dienst in der Tankstelle versah und sich im Büro neben dem Verkaufsraum aufhielt. Der Angeklagte M. forderte mit vorgehaltenem Messer den Zeugen W. auf, sich auf den Boden zu legen, während der ehemalige Mitangeklagte N.- A. derweil zur Kasse ging, um das Geld herauszuholen. Allerdings bekam er die Kassenschublade nicht auf, weshalb M. den Zeugen C.W. aufforderte, die Kasse zu öffnen. Der Zeuge W. erhob sich und ging im Verkaufsraum hinter den Tresen, öffnete die Kasse und hockte sich anschließend wieder hinter den Kassentresen auf den Boden. Der ehemalige Mitangeklagte N.- A. entnahm der Kasse Scheine im Wert von ca. 1.000,-- € und steckte sie ein. Der Angeklagte M. und der ehemalige Mitangeklagte N.- A. verließen sodann die Tankstelle, liefen draußen zunächst nach links, Richtung Stadtmitte, kehrten jedoch kurz darauf wieder um und rannten dann nach rechts Richtung Sparkasse aus dem Blickfeld des diesen Vorgang beobachtenden Zeugen W.. Durch den kleinen Durchgangsweg neben der Kreissparkasse an der H. Straße gelangten sie in das Wohngebiet und zum BMW des dort wartenden Angeklagten L., zu dem sie ins Auto stiegen. Gemeinsam fuhren sie von dort aus in das Mc Donald´s Restaurant an der H. Straße, das in unmittelbarer Nähe der Score-Tankstelle liegt. Auf dem Weg dorthin hatten sie sich noch der Jacke des Angeklagten T. sowie der Mützen entledigt, indem sie diese Dinge bei einer kleinen Brücke aus dem Autofenster warfen. Hier wurden sie später aufgefunden. Bei Mc Donald´s versteckte der Angeklagte M. das Messer auf der Herrentoilette in einem Wandloch beim Waschbecken, wo es einige Tage später von dem Angeklagten T. wieder abgeholt wurde. Der ehemalige Mitangeklagte N.- A. bezahlte das Essen bei Mc Donald´s für alle drei vom erbeuteten Geld. Er hatte den anderen gegenüber angegeben, es seien 600,00 € erbeutet worden, und teilte die Beute so auf, dass die Angeklagten L. und M. jeweils 150,-- € erhielten. Den Rest behielt er.

121

Nach dem Besuch bei Mc Donald’s brachte der Angeklagte L. den ehemaligen Mitangeklagten N.- A. nach B., von wo aus dieser weiter nach C. in eine Diskothek fuhr.

122

Die Kammer hat als wahr unterstellt, dass am 18.03.2004 der PHK N. den ehemaligen Mitangeklagten N.- A. als Beschuldigten vernommen, und dass sich letzterer zum zweiten Überfall auf die Score-Tankstelle am 18.10.2003 wie folgt geäußert hat:

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“Von W. wurde ich dann später mehrfach auf den Überfall angesprochen, weil er von der Polizei beschuldigt wurde, wieder daran beteiligt gewesen zu sein. Ob er mich auch an dem gleichen Tag noch angerufen hat, kann ich nicht sagen. Kann auch sein, dass es einen Tag später war. W. gegenüber habe ich immer aber immer geleugnet, mit dem Überfall irgend etwas zu tun zu haben.”

124

Der Zeuge W. ließ sich in der Folgezeit nach den Taten abends oft von seinem Vater abholen und schloss trotz Öffnungszeit nach Eintritt der Dunkelheit den Verkaufsraum ab.

125

III. 1. Diese Feststellungen zu den Taten zu Ziff. 1 bis 3 der Anklageschrift beruhen auf den glaubhaften Geständnissen der Angeklagten und des früheren Mitangeklagten N.- A., sowie den Aussagen der als Zeugen vernommenen Geschädigten F., W. und R.. Diese haben den Sachverhalt - im Wesentlichen übereinstimmend - entsprechend den Feststellungen geschildert.

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Lediglich zur Beschaffung der Tatmittel hinsichtlich der Tat zu Ziff. 3) am 18.10.2003 haben die Angeklagten T., M. und L. einen von den Feststellungen abweichenden Sachverhalt geschildert. So hat sich der Angeklagte T. dahingehend eingelassen, er habe am 18. Oktober 2003 den ehemaligen Mitangeklagten N.- A. am S. Berg getroffen, wo ihn N.- A. gebeten habe, ihm die Mütze, die Jacke und auch das Messer aus dem letzten Überfall zu überlassen. Er sei daraufhin von einem Freund, dessen Namen er nicht mehr wisse, nach Hause gefahren worden und habe sich schließlich zwei Stunden später erneut mit N.- A. am S. Berg getroffen und ihm eine Tüte mit den Ausrüstungsgegenständen übergeben. Dies haben die Mitangeklagten M. und L. auch insoweit bestätigt, als der ehemalige Mitangeklagte N.- A. bereits mit einer Tüte, in der sich die Maskierung und auch das später verwendete Rambo-Messer befunden hätten, am Treffpunkt eingetroffen sei.

127

Indessen sind diese Einlassungen widerlegt durch die Angaben des ehemaligen Mitangeklagten N.- A., der sich konstant auch während der polizeilichen Vernehmungen entsprechend den hierzu getroffenen Feststellungen eingelassen hat. Für die Richtigkeit seiner Einlassung spricht zum einen, dass die abweichenden Angaben der Angeklagten T., M. und L. nicht plausibel sind, sondern vielmehr konstruiert und überhaupt nicht lebensnah wirken. Allein die Überlegung, der ehemalige Mitangeklagte N.- A. laufe zu Fuß durch V. mit einer schweren Tüte, in der sich nicht nur die schwarze Jacke aus Lederimitat befunden hat, sondern auch das Rambo-Messer, ist schon für sich gesehen völlig unwahrscheinlich. Ein solches Geschehen passt aber auch im übrigen nicht zu den von allen Angeklagten und dem ehemaligen Mitangeklagten N.- A. übereinstimmend geschilderten weiteren Umständen der Vorbereitung auf den Überfall, dass nämlich der ehemalige Mitangeklagte N.- A. schon von B. aus sich um den Angeklagten L. als Fahrer für den Überfall bemüht hat, und dass auch die im Stadtwald versteckte Mütze mit dem Auto des Angeklagten L. abgeholt worden ist. Nichts hätte näher gelegen, als auch bei der Beschaffung der Ausrüstung vom Angeklagten T. die Fahrdienste des Angeklagten L. in Anspruch zu nehmen. Zudem meint sich der Angeklagte T. nicht einmal an seinen Fahrer erinnern zu können, der ihn angeblich vom S. Berg nach Hause und wieder zurück gefahren haben soll. Schließlich kommt noch hinzu, dass bei dem ehemaligen Mitangeklagten N.- A. kein Anlass erkennbar ist, warum sich dieser so früh, nämlich schon im Ermittlungsverfahren in seiner polizeilichen Vernehmung einen nicht zutreffenden Sachverhalt ausgedacht haben sollte, während sich die vom festgestellten Geschehen abweichenden Einlassungen der Angeklagten M., L. und T. durchaus mit der Aussagesituation in der Hauptverhandlung erklären lassen: So haben sich die Angeklagten M. und L. erstmals in der Hauptverhandlung zu einem Zeitpunkt eingelassen, bevor der Angeklagte T., der bis dahin stets eine Tatbeteiligung am Überfall am 18. Oktober 2003 bestritten hatte, und von den Einlassungen seiner Mitangeklagten in der Hauptverhandlung sichtlich geschockt war, ausgesagt hat. Mit der Version der Angeklagten M. und L. - dass N.- A. bereits mit den Maskierungsgegenständen und mit dem Messer in der Tüte bei Aldi eingetroffen sei - blieb es einerseits offen, woher die Maskierung und das Messer für der Überfall stammten, und andererseits dem Angeklagten T. selbst überlassen, ob bzw. wie er sich zu dieser Tat stellen würde. Dass der Angeklagte T. schließlich im Rahmen seines Geständnisses diese Version der Angeklagten M. und L. quasi übernommen und weiter gesponnen hat, was ihn ja letztlich gar nicht entlastet, weil seine Version einen ebenso strafbaren Helferdienst beschreibt, lässt sich leicht damit erklären, dass er das ”Bemühen” seiner Mitangeklagten hat honorieren wollen.

128

2. Schließlich ist die Kammer davon überzeugt, dass der Angeklagte T. mindestens billigend in Kauf genommen hat, dass die an N.- A. übergebenen Gegenstände, nämlich eine Mütze mit Sehschlitzen, eine Jacke und das Rambo-Messer, die allesamt bei dem vorangegangenen Überfall auf die Score Tankstelle am 02.09.2003 verwandt und danach beim Angeklagten T. versteckt worden waren, auch für eine solche oder zumindest ähnliche Tat benötigt werden würden.

129

Es musste dem diesbezüglichen Hilfsbeweisantrag des Angeklagten T. auch nicht nachgegangen werden, da die Kammer die Vernehmungssituation mit der entsprechenden Äußerung des vernommenen N.- A. als wahr unterstellt hat. Dass im übrigen diese damalige Äußerung des früheren Mitangeklagten N.- A. auch inhaltlich richtig ist, ist zudem bereits erwiesen durch seine entsprechenden glaubhaften Angaben in der Hauptverhandlung, die mit denen des Angeklagten T. übereinstimmte.

130

IV. Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte W. hinsichtlich der Tat zu Ziff. 1) der Anklageschrift, sowie die Angeklagten M. und L. jeweils hinsichtlich der Tat zu Ziff. 3) der Anklageschrift des schweren Raubes gem. §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, 25 Abs. 2 StGB schuldig gemacht.

131

Der Angeklagte B. hat sich hinsichtlich der Tat zu Ziff. 1) der Anklageschrift des schweren Raubes und hinsichtlich der Tat zu Ziff. 2) der Anklageschrift der schweren räuberischen Erpressung gem. §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 1 Nr. 1 b, Abs. 2 Nr. 1, 253, 255, 25 Abs. 2, 21 StGB schuldig gemacht. Die bei dem Überfall auf den Edeka-Markt am 18. Oktober 2003 verwendete ungeladene Schreckschusspistole stellt weder eine Waffe noch ein anderes gefährliches Werkzeug i. S. d. § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB dar, weil nach der objektiven Beschaffenheit der Schreckschusspistole und der konkreten Art ihrer Benutzung durch den Angeklagten B. keine Gefahr erheblicher Körperverletzungen bestanden hat. Statt dessen richtet sich die Strafbarkeit im Hinblick auf die von B. getragene ungeladene Schreckschusspistole als sonstiges Werkzeug nach dem Auffangtatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB n. F. (vgl. BGH NJW 1998, 2915, 2916 [BGH 17.06.1998 - 2 StR 167/98]).

132

Der Angeklagte T. hat sich hinsichtlich der Tat zu Ziff. 1) der Anklageschrift des schweren Raubes und hinsichtlich der Tat zu Ziff. 3) der Anklageschrift der Beihilfe zum schweren Raub gem. §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, 27, 25 Abs. 2 StGB schuldig gemacht.

133

V. 1. a) Gegen den zur Tatzeit 17 Jahre und 6 Monate alten Angeklagten A.W., an dessen strafrechtlicher Verantwortungsreife die Kammer keinen Zweifel hat, war gem. § 17 Abs. 2 JGG auf Grund der Schwere der Schuld, aber auch wegen festzustellender schädlicher Neigungen auf Jugendstrafe zu erkennen. Bei der abzuurteilenden Tat handelt es sich um ein Verbrechen, das angesichts der Verwendung von Maskierung und Messer für die Opfer durchaus erhebliche Folgen gehabt hatte. Unter diesen Umständen wäre ein Verzicht auf Jugendstrafe auch für das allgemeine Rechtsempfinden ”schlechthin unverständlich”. Schädliche Neigungen sind darüber hinaus auf Grund des eigenen Eindrucks der Kammer vom Angeklagten in der Hauptverhandlung, seiner Einlassung und insbesondere angesichts seiner Gewaltneigung, die sich in den diversen Voreintragungen und nicht zuletzt auch in den der Einbeziehung zugrundeliegenden Taten wiederspiegelt, zu bejahen. Die Eltern haben keinen erzieherischen Einfluss mehr auf den Angeklagten, der bislang - trotz vorhandener intellektueller Leistungsfähigkeit - lediglich den Hauptschulabschluss ohne berufliche Perspektive geschafft hat. Eine Jugendstrafe ist zur Einwirkung auf ihn aus erzieherischen Gründen unumgänglich.

134

b) Der Strafrahmen für die zu verhängende Jugendstrafe liegt gem. § 18 Abs. 1 JGG zwischen 6 Monaten bis zu 5 Jahren.

135

Bei der Bemessung der konkreten Jugendstrafe hat die Kammer berücksichtigt, dass dem - von allen Beteiligten jüngsten - Angeklagten lediglich ein untergeordneter Tatbeitrag zugeordnet werden kann, der ein geradezu dilettantisches Vorgehen bei der konkreten Tatausführung offenbart. Hinzu kommt, dass die Beteiligung an der Tat auf einen gewissen Gruppendruck hin erfolgt ist. Anders lässt sich gar nicht erklären, dass der Angeklagte trotz der Panne, dass er nicht richtig sehen konnte, noch in die Tankstelle hinein gelaufen ist und die Tat fortgesetzt hat. Die Kammer hat zudem bedacht, dass die erlittene Untersuchungshaft für den gerade 18 Jahre alt gewordenen Angeklagten eine besondere Belastung darstellt. Schließlich hat die Kammer auch mit abgewogen, dass der Angeklagte ein vollumfängliches Geständnis in der Hauptverhandlung abgelegt und damit gezeigt hat, dass er sich zu der Tat stellt. Das wiederum lässt hoffen, dass sich der Angeklagte mit der Tat auseinandersetzen wird, was die notwendige Voraussetzung für ein später straffreies Leben ist. Hervorzuheben ist dies nicht zuletzt deshalb, weil der Angeklagte jedenfalls in dem einzubeziehenden Verfahren sich zunächst nicht zu einem Geständnis hatte durchringen können.

136

Andererseits war neben seinen diversen Voreintragungen wegen begangener Gewaltdelikte zu bedenken, dass der Angeklagte während laufender Bewährung die hier abzuurteilende Straftat begangen hat. Nur gut einen Monat, nachdem er erstmals zu Jugendstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt worden war, beging er diesen schweren Raub. Schließlich konnte nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Tat auf die Opfer teilweise auch jetzt noch erhebliche Auswirkungen hat. So ist die Zeugin D.F., die Opfer des ersten Überfalls auf die Score-Tankstelle gewesen ist, in der Hauptverhandlung bei der Erinnerung an das Tatgeschehen vom 2. September 2003 in Tränen ausgebrochen. Auch der Zeuge W. ließ sich in der Folgezeit nach den Taten abends von seinem Vater abholen und schloss trotz Öffnungszeit nach Eintritt der Dunkelheit den Verkaufsraum ab.

137

Insgesamt hielt die Kammer es aus erzieherischen Gründen deshalb für erforderlich, eine Jugendstrafe zu verhängen, die dem Angeklagten deutlich vor Augen führt, dass die Gesellschaft nicht geneigt ist, sein kriminelles, teilweise von körperlicher Gewaltausübung geprägtes Verhalten hinzunehmen. Auch unter Abwägung aller sonstigen für und gegen den Angeklagten sprechenden Umständen und unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts des Jugendschöffengerichts vom 19. Mai 2004 - 9a Ls 213 Js 43442/04 (4/04) - war die Jugendstrafe aus erzieherischen Gründen auf 2 Jahre und 4 Monate Jugendstrafe zu bemessen.

138

2. a) Auf den zur Tatzeit 19 Jahre und 10 Monate alten Angeklagten H.S.J. war gem. § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG ebenfalls Jugendrecht anzuwenden. Bei dem Angeklagten lagen zum Zeitpunkt der Tat Reifeverzögerungen solchen Ausmaßes vor, dass sie die Gleichstellung des Angeklagten mit einem Jugendlichen rechtfertigen. So hat insbesondere die äußerst beengte, von gesundheitlichen Problemen des Vaters und der Delinquenz der beiden Brüder belastete familiäre Situation den Angeklagten deutlich in seiner Entwicklung gestört und diese verzögert. Sein Versuch, die Mutter zu schützen, die familiäre Situation zu meistern und das Leben innerhalb der Familie zu stabilisieren, haben den Angeklagten in erheblicher Weise überfordert, wie sich daran zeigt, dass sich erst jetzt, da er bei der Familie seiner Freundin untergekommen ist bzw. von seinem Onkel in D. im Hinblick auf seinen beruflichen Werdegang unterstützt wird, sein Leben langsam stabilisiert und er sich weiter entwickelt.

139

b) Zur Einwirkung auf den Angeklagten J. war wegen der Schwere der Schuld gem. § 17 Abs. 2 JGG Jugendstrafe zu verhängen. Bei der abzuurteilenden Tat handelt es sich um ein Verbrechen, das angesichts der Verwendung von Maskierung und Messer für die Opfer durchaus erhebliche Folgen gehabt hatte. Unter diesen Umständen wäre ein Verzicht auf Jugendstrafe auch für das allgemeine Rechtsempfinden ”schlechthin unverständlich”. Anhaltspunkte dafür, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung bei dem Angeklagten J. schädlichen Neigungen bestehen, liegen hingegen nicht vor.

140

c) Nach §§ 105 Abs. 3, 18 Abs. 1 JGG war ein Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 10 Jahren Jugendstrafe zu Grunde zu legen.

141

Bei der Bemessung der konkreten Jugendstrafe ist die Kammer davon ausgegangen, dass die Tat innerhalb einer Gruppe begangen worden ist und damit gruppendynamische Prozesse bestanden haben, die eine Tatbeteiligung für den Angeklagten leicht gemacht haben. Außerdem hat die Kammer angenommen, dass der Kokain-Konsum des Angeklagten J. im Auto des B. zu gewisser Enthemmung geführt hat, wobei allerdings die Kammer Anhaltspunkte weder für einen regelmäßigen Konsum noch für eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit und somit auch nicht für die Annahme der Voraussetzung des § 21 StGB hat erkennen können. Weiterhin ins Gewicht gefallen ist, dass der Angeklagte - wenn auch erst in der Hauptverhandlung - ein umfassendes Geständnis abgelegt hat und bisher nur durch zwei Delikte im Straßenverkehr in Erscheinung getreten ist. Außerdem hat er sich um einen Ausgleich mit den Geschädigten bemüht. Er hat sogar ein Schmerzensgeld in Höhe von jeweils 300,00 € an die Geschädigten F. und W. gezahlt. Dem vorausgegangen war ein Treffen, das der Angeklagte mit den beiden Geschädigten herbeigeführt hat. Ganz offensichtlich nimmt der Angeklagte dieses Verfahren zum Anlass, sein Leben zu ändern. Zudem ist der Angeklagte J. bei der konkreten Tatausführung, namentlich als er dem Geschädigten W. die Arme auf dem Rücken festhielt, nicht mit äußerster Härte vorgegangen, sondern hat vielmehr versucht, festen Druck oder gar die Verursachung von Schmerzen zu vermeiden.

142

Andererseits waren die Auswirkungen dieses Überfalls bei den Zeugen F. und W. durchaus erheblich. Letztendlich ist auch das planvolle Vorgehen bei der Tat zu berücksichtigen.

143

Insgesamt überwiegen jedoch die strafmildernden Umstände bei dem Angeklagten deutlich, so dass sich in der Gesamtschau die Tat für ihn als minder schwerer Fall darstellt, was als Strafzumessungsgesichtspunkt auch im Jugendrecht Bedeutung behält, auch wenn die Strafrahmenbestimmungen des StGB im Jugendrecht nicht gelten.

144

Unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten J. sprechenden Umstände war daher aus erzieherischen Gründen auf 2 Jahre Jugendstrafe zu erkennen.

145

d) Die Vollstreckung dieser Jugendstrafe konnte gem. § 21 Abs. 2 JGG zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Kammer hat die sichere Erwartung, dass der Angeklagte J. sich schon diese Verurteilung zur Warnung dienen lassen und auch ohne die Einwirkung des Strafvollzuges unter der erzieherischen Einwirkung in der Bewährungszeit künftig einen rechtschaffenen Lebenswandel führen wird. Seine ganze Lebenssituation hat sich in den vergangenen Monaten geordnet und stabilisiert, sei es im beruflichen, sei es im persönlichen Bereich. Durch den Umzug nach V. hat er sich dem familiären Brennpunkt entzogen. Der Angeklagte ließ in der Hauptverhandlung keinen Zweifel daran, dass er das von ihm begangene Unrecht eingesehen hat, was sich auch daran abmessen lässt, dass er sich ernsthaft um den Ausgleich mit den Geschädigten F. und W. bemüht hat. Unter diesen Umständen sieht sich die Kammer in der Lage, dem Angeklagten J. eine günstige Prognose i. S. v. § 21 Abs. 2 JGG zu stellen. Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte künftig ein straffreies Leben führen wird.

146

3. Auf den zur Tatzeit 20 Jahre und 4 bzw. 5 Monate alten Angeklagten E.B. war gem. § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG ebenfalls Jugendrecht anzuwenden. Bei dem Angeklagten lagen zum Zeitpunkt der Tat solche Reifeverzögerungen vor, die eine Gleichstellung des Angeklagten mit einem Jugendlichen rechtfertigen. Der Wegzug aus , die damit einher gehende Entwurzelung des damals 11 Jahre alten Angeklagten sowie seine auch daraus resultierende schulische Überforderung bewirkten, dass sich der Angeklagte nicht wie andere in seiner Persönlichkeit frei entwickeln und entfalten konnte. Insbesondere seine völlige Überforderung auf Grund der erheblichen Sprachschwierigkeiten, wie sie sich im Besuch der Sonderschule und im Abbruch der Lehre zeigte, verhinderte einen beruflichen Einstieg sowie überhaupt eine Verselbständigung des Angeklagten und sorgte dafür, dass sich der Angeklagte sowohl im häuslichen Bereich an seine Familie als auch im übrigen an seinen Freundeskreis, insbesondere an den ehemaligen Mitangeklagten N.- A. und die Mitangeklagten T. und W. klammerte. Soweit der Angeklagte im letzten halben Jahr eine Nachreifung durchgemacht hat, wie die Kammer in der Hauptverhandlung feststellen konnte und wie auch die Sachverständige Frau Dr. K. - Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie im Klinikum H.-L. - in der Hauptverhandlung nachvollziehbar ausführte, lässt dies die Annahme von Reifeverzögerungen unberührt, da eine Nachreifung erst nach, möglicherweise sogar infolge der letzten Tat begann, es insoweit jedoch auf den Zeitpunkt der Tat ankommt.

147

b) Bei der Anwendung des Jugendstrafrechts war auf Grund der Schwere der Schuld, aber auch wegen festzustellender schädlicher Neigungen gem. § 17 Abs. 2 JGG auf Jugendstrafe zu erkennen. Bei den hier abzuurteilenden Taten handelt es sich jeweils um Verbrechen, die angesichts der Verwendung von Maskierung und Messer für die Opfer durchaus erhebliche Folgen gehabt haben. Unter diesen Umständen wäre ein Verzicht auf Jugendstrafe auch für das allgemeine Rechtsempfinden ”schlechthin unverständlich”. Schädliche Neigungen des Angeklagten dokumentieren sich in der deutlichen kriminellen Steigerung von den vergleichsweise geringfügigen Vortaten zu den jetzt hier zur Beurteilung anstehenden zwei Taten sowohl was den Tatbeitrag, als auch die Brutalität bei der Vorgehensweise angeht. Obwohl sich mittlerweile viele Umstände im Leben und in der Person des Angeklagten verändert haben, wie seine Abkehr von der Gruppe und den Drogen sowie seiner persönlichen Stabilisierung und Nachreifung, sind die schädlichen Neigungen beim Angeklagten nach wie vor anzunehmen: Zum einen resultieren die Voreintragungen schon aus den Zeiten vor der engen Gruppenbindung und auch vor dem Kokain-Missbrauch. Zum anderen lassen die nicht nur untergeordneten, sondern gewaltgeneigten Tatbeiträge insbesondere bei der Tat zu 2) auf erhebliche Persönlichkeitsmängel schließen, die durch die Veränderung der o. g. Umstände nicht entfallen, sondern vielmehr nach wie vor eine Gesamterziehung des Angeklagten erfordern.

148

c) Der Strafrahmen für die zu verhängende Strafe Jugendstrafe liegt gem. §§ 18 Abs. 1, 105 Abs. 3 JGG zwischen 6 Monaten bis zu 10 Jahren.

149

Bei der Bemessung der konkreten Jugendstrafe hat sich die Kammer von folgenden Erwägungen leiten lassen:

150

Maßgeblich ins Gewicht gefallen ist, dass der Angeklagte B. bereits im Ermittlungsverfahren ein Geständnis über den eigenen Tatbeitrag hinaus abgegeben hat. Damit hat er letztlich die Ahndung der Taten insgesamt erst (mit-)ermöglicht.

151

Zudem ist bei dem Angeklagten B. auf Grund seines Kokain-Missbrauchs nicht auszuschließen gewesen, dass er in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich i. S. d. § 21 StGB beeinträchtigt gewesen ist. Hierzu hat die Sachverständige Dr. K. in der Hauptverhandlung ausgeführt, der Angeklagte, dessen Eingewöhnung in Deutschland von starker Verunsicherung sowie narzisstischen Kränkungen geprägt gewesen sei, habe unter dem Einfluss von Kokain den Abbau jeglicher Hemmungen und Kontrollinstanzen erlebt, gepaart mit einer Erhöhung seiner Aggressivität. Der von dem Angeklagten für einen Zeitraum von drei Monaten exzessiv betriebene Kokain-Missbrauch (ICD 10:F 14.1) habe zwar auf Grund der Kürze dieser Phase nicht zu einer Abhängigkeit geführt. Dennoch sei nicht auszuschließen, dass durch die Intoxikation mit Kokain jeweils vor den Taten die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten vermindert gewesen sei. Gleiches gelte im Hinblick auf den Wunsch des Angeklagten nach weiterer Drogenbeschaffung. Die Kammer ist den Ausführungen der Sachverständigen Dr. K. zur Schuldfähigkeit des Angeklagten, die in sich geschlossen, nachvollziehbar und plausibel gewesen sind, gefolgt und hat sich ihnen aufgrund eigener kritischer Würdigung inhaltlich angeschlossen.

152

Zu berücksichtigen war ferner, dass der Angeklagte mit dem Wegzug aus seiner von ihm als ”heil” empfundenen Welt in , wo er auch ein guter Schüler war, ”entwurzelt” wurde und in der Folgezeit ständig überfordert war, was seine Integration und Sozialisation äußerst erschwerte und es um so bemerkenswerter werden lässt, dass der Angeklagte bislang keine vollends von Straftaten durchsetzte und geprägte Lebensgeschichte aufweist. Seine wenigen Voreintragungen sind nicht direkt einschlägig.

153

Angesichts der belasteten Persönlichkeit des Angeklagten ist die Kammer außerdem davon ausgegangen, dass bei der Tatbegehung gruppendynamische Prozesse eine Rolle gespielt haben, die die Begehung der Tat für den Angeklagten erleichtert haben. Zudem wurde in der Hauptverhandlung deutlich, dass sich der Angeklagte bereits mit seinen Taten auseinander gesetzt hat. So hat er bereits seit Ende letzten Jahres versucht sein Leben zu ändern, indem er sich von der Gruppe, insbesondere von dem ehemaligen Mitangeklagten N.- A. distanziert, sowie den Konsum von Kokain aufgegeben hat. Bei der Tat zu Ziff. 1) kommt noch zu den bereits genannten Gesichtspunkten hinzu, dass der Tatbeitrag des Angeklagten vergleichsweise gering und eher von kindlichem Gepräge war. Andererseits war zu bedenken, dass die Auswirkungen des ersten Überfalls bei den Geschädigten D.F. und C.W. nicht unerheblich waren, wobei zur Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird auf die entsprechenden Ausführungen S. 35 UA. Insgesamt überwiegen deshalb in der Gesamtschau die strafmildernden Umstände derart, dass die Tat zu Ziff. 1) einen minder schweren Fall darstellen würde, was, wenn auch die Bedeutung für den Strafrahmen dem Erwachsenenstrafrecht vorbehalten bleibt, zumindest als Strafzumessungsgesichtspunkt im Jugendrecht Bedeutung erlangt.

154

Bei der Bewertung der Tat zu 2) hatte die Kammer zugunsten des Angeklagten noch zu berücksichtigen, dass der Angeklagte auch das von ihm begangene - im Vergleich zur Tat zu Ziff. 1) schwerwiegendere - Unrecht einsieht und es bereut: So stand er nach der Vernehmung des Zeugen R. auf, und entschuldigte sich ernsthaft bei dem Geschädigten.

155

Andererseits war hierbei zu bedenken, dass der Angeklagte die einer scharfen Waffe durchaus ähnlich sehende und auch als solche vom Geschädigten R. angesehene Schreckschusspistole bei der Tatbegehung nicht nur bei sich getragen, sondern sogar verwendet hat, indem er den Zeugen R. damit bedroht hat. Die erhebliche kriminelle Energie, mit der der Angeklagte vorgegangen ist, zeigt sich auch nicht zuletzt darin, dass er den ihn verfolgenden Sohn des Geschädigten R. mit der, wenn auch ungeladenen, Schreckschusspistole bedrohte.

156

Die Kammer hat auch die fraglos bereits aufgenommenen Bemühungen des Angeklagten B. um die Aufnahme einer reellen Lebensplanung gesehen. Dennoch hielt es die Kammer aus erzieherischen Gründen für erforderlich, eine Jugendstrafe zu verhängen, die dem Angeklagten die Gelegenheit bietet, seine Berufschancen durch Ausbildungsmaßnahmen zu verbessern. Für den Angeklagten ist es gerade im Hinblick auf die bisher schwierige Integration und die von der Sachverständigen Dr. K. beschriebenen narzisstischen Kränkungen für den Angeklagten von entscheidender Bedeutung, eine Berufsausbildung zu machen, die ihm das nötige Selbstbewußtsein und auch die Chance gibt, um auf dem Arbeitsmarkt dauerhaft Fuß zu fassen. Insgesamt war unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten B. sprechenden Umstände aus erzieherischen Gründen auf eine Jugendstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten zu erkennen.

157

d) Eine Unterbringung des Angeklagten B. in einer Entziehungsanstalt gem. § 64 StGB i. V. m. § 7 JGG war nicht anzuordnen. Die Voraussetzungen für eine Unterbringung liegen nicht vor.

158

Bei dem Angeklagten liegt bereits ein Hang, Kokain im Übermaß zu sich zu nehmen, zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr vor, da er seit November 2003 kein Kokain mehr konsumiert. Zudem hat der Kokain-Missbrauch, der zwar exzessiv war, angesichts der nur kurzen Konsumdauer aber nicht zu einer Abhängigkeit von der Droge geführt, wie die Sachverständige Dr. K. in der Hauptverhandlung nachvollziehbar ausgeführt hat und woran die Kammer keinerlei Zweifel hegt.

159

e) Auch die Verhängung einer Sperre zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis gem. § 69a Abs, 1 Satz 3 StGB i. V. § 7 JGG hatte zu unterbleiben. Es lagen bei dem Angeklagten B. zum einen nicht die Regelvoraussetzungen einer Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen gem. § 69 Abs. 2 StGB vor. Zum anderen ist die Kammer der Auffassung, dass - wie hier - allein die Verwendung eines Kfz aus Anlass einer Raubtat noch keine Ungeeignetheit gem. § 69 Abs. 1 StGB ausmacht. Weitere Anhaltspunkte für die Annahme einer Ungeeignetheit liegen hier aber nicht vor.

160

4. a) Der Angeklagte W.T. war zum Zeitpunkt der Taten 19 Jahre und 10 bzw. 11 Monate alt, war also i. S. d. § 105 JGG Heranwachsender. Auf ihn hat das Jugendstrafrecht Anwendung zu finden, da die gesamte Würdigung seiner Persönlichkeit ergibt, dass er zum Zeitpunkt der Taten nach seiner sittlichen und geistigen Reifeentwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand. Der Angeklagte hat bislang weder einen schulischen Abschluss erreicht, noch eine berufliche Ausbildung oder überhaupt irgendeine realistische Lebensplanung begonnen. Seit mehreren Jahren lebt er in den Tag hinein und hat insoweit bislang keinerlei Selbständigkeit erlangen können, sondern lebt derzeit praktisch perspektivlos bei seinen Eltern, ohne dass diese jedoch irgendeinen pädagogischen Einfluss auf ihn hätten.

161

b) Bei der Anwendung des Jugendstrafrechts war auf Grund der Schwere der Schuld, aber auch wegen festzustellender schädlicher Neigungen gem. § 17 Abs. 2 JGG auf Jugendstrafe zu erkennen. Bei den hier abzuurteilenden Taten handelt es sich jeweils um Verbrechen, die angesichts der Verwendung von Maskierung und Messer für die Opfer durchaus erhebliche Folgen hatten. Unter diesen Umständen wäre ein Verzicht auf Jugendstrafe auch für das allgemeine Rechtsempfinden ”schlechthin unverständlich”. Zudem sind schädliche Neigungen bei dem Angeklagten zu bejahen. Sein nicht nur untergeordneter, sondern gewaltgeneigter Tatbeitrag bei der Ausführung der Tat zu 1) lässt - insbesondere vor dem Hintergrund seiner häufig gewaltbezogenen, diversen Voreintragungen - auf erhebliche Persönlichkeitsmängel schließen, die jedenfalls nicht allein dadurch behoben werden können, dass sich der Angeklagte mittlerweile vom Kokain abgewendet hat. Irgendeine Kontrollinstanz, sei es von den Eltern oder von sonstiger Seite, gibt es im Leben des Angeklagten nicht, so dass nur im Rahmen einer Gesamterziehung auf ihn eingewirkt werden kann.

162

c) Der Strafrahmen für die zu verhängende Jugendstrafe liegt gem. §§ 18 Abs. 1, 105 Abs. 3 JGG zwischen 6 Monaten bis zu 10 Jahren.

163

Bei der Bemessung der konkreten Jugendstrafe hat die Kammer folgende Gesichtspunkte abgewogen:

164

Dem Angeklagten fällt hinsichtlich seiner Tat zu Ziff. 3) der Anklageschrift lediglich eine Beihilfe zu Last, was wegen der eigenen Strafrahmenbestimmung im Jugendrecht allerdings ”nur” als Umstand für die konkrete Bemessung der Jugendstrafe von Bedeutung ist, in dieser Weise jedoch von einigem Gewicht.

165

Zugunsten des Angeklagten war zudem nicht auszuschließen, dass er einerseits auf Grund seines Kokain-Missbrauchs im Vorfeld des ersten Überfalls auf die Score-Tankstelle (Ziff. 1)), andererseits auf Grund seines exzessiven Cannabis-Konsums im Vorfeld der Beihilfe zum zweiten Überfall auf die Score-Tankstelle (Ziff. 3) in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich i. S. d. § 21 StGB beeinträchtigt war. Die Sachverständige Dr. K. - Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie im Klinikum H.-L. - hat in der Hauptverhandlung nachvollziehbar und plausibel ausgeführt, das Kokain habe bei dem Angeklagten zu einer stark enthemmenden und aktivierenden Wirkung geführt, die der Angeklagte auch geschätzt habe. Dem gegenüber habe der Cannabisgenuss eher sedierend auf ihn gewirkt und ihn in seiner Aufmerksamkeit, Konzentration und insbesondere auch seiner Kritikfähigkeit eingeschränkt. Hinzu komme, dass der Angeklagte in seiner Person viele Risikofaktoren vereinige, nämlich ein mit aller Wahrscheinlichkeit zumindest früher vorliegendes ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung), ein nicht funktionierendes Elternhaus und eine delinquente Jugendgruppe, zu der sich der Angeklagte gehörig fühlte. Unter diesen Umständen führe bei ihm die Cannabis-Intoxikation bzw. die Kokain-Intoxikation als krankhafte seelische Störung nicht ausschließbar zur Verminderung der Steuerungsfähigkeit. Diese nachvollziehbaren und plausiblen Ausführungen stehen in Übereinstimmung mit dem Gesamtbild des Angeklagten T., das sich die Kammer im Verlauf der Hauptverhandlung selber machen konnte. Die Kammer schließt sich ihnen auch auf Grund eigener kritischer Würdigung an.

166

Zudem war zu berücksichtigen, dass der Angeklagte auf Grund der Alkoholproblematik im Elternhaus bereits sozial geschädigt war. Dass dieses dazu führte, dass der Angeklagte auf gruppendynamische Prozesse sensibel reagiert, liegt auf der Hand und ist von der Kammer bedacht worden. Schließlich ist auch ins Gewicht gefallen, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung ein umfassendes Geständnis abgegeben, sowie auch eine persönliche Entschuldigung an die Geschädigten F. und W. gerichtet hat. Schließlich konnte die Kammer nicht übersehen, dass bei dem Angeklagten eine besondere Strafempfindlichkeit vorliegt, die sich nicht zuletzt darin manifestierte, dass er in der Hauptverhandlung fast zusammenbrach, als sich auch seine Mitangeklagten J. und W. geständig einließen.

167

Anderseits hatte die Kammer zu berücksichtigen, dass insbesondere die Geschädigte F., aber auch der Geschädigte W. unter den Folgen der Taten gelitten haben, was oben S. 35 UA bereits ausgeführt worden ist und worauf Bezug genommen wird. Auch durfte nicht übersehen werden, dass der Angeklagte mehrere Voreintragungen im Bereich von Eigentums- und Gewaltdelikten aufweist.

168

Insgesamt hielt die Kammer es daher aus erzieherischen Gründe für erforderlich, eine Jugendstrafe zu verhängen, die dem Angeklagten die Gelegenheit gibt, in einem festen und strengen Rahmen berufsausbildende und ggf. auch therapeutische Maßnahmen während der Haftzeit zu nutzen, damit er nach Verbüßung der Jugendstrafe in der Lage ist, eine ernstzunehmende Lebensplanung in die Tat umzusetzen. Auch unter Berücksichtigung aller übrigen für und gegen den Angeklagten T. sprechenden Umstände und unter Einbeziehung des Strafbefehls des Amtsgerichts vom 19. Dezember 2003 - 9b Cs 559/03 (213 Js 36979/03) war daher aus erzieherischen Gründen auf eine Jugendstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten zu erkennen.

169

d) Die Unterbringung des Angeklagten T. in einer Entziehungsanstalt gem. § 64 StGB i. V. m. § 7 JGG war nicht anzuordnen, da ihre Voraussetzungen nicht vorlagen.

170

Bei dem Angeklagten T. besteht nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. K. kein Hang mehr, überhaupt Kokain zu sich zu nehmen.

171

Allerdings ist - so die Sachverständige - hinsichtlich des vom Angeklagten eingeräumten, teilweise exzessiven Konsums von Cannabis ein Hang zu bejahen, diese Droge im Übermaß zu sich zu nehmen. Indessen sind die dem Angeklagten vorzuwerfenden Taten nicht unmittelbar auf diesen Hang zurückzuführen. Vielmehr stehen im Vordergrund die von der Sachverständigen in der Hauptverhandlung genannten und ausgeführten ungünstigen Faktoren, wie das nicht behandelte - hochwahrscheinlich anzunehmende - hyperkinetische Syndrom (ADHS), die unzureichende familiäre Unterstützung und die Orientierung an einer delinquenten Jugendgruppe, die in ihrer Summe erst den Boden bereitet haben für einen Drogenmissbrauch und letztlich auch für eine Delinquenz des Angeklagten, so dass im Rahmen einer Therapie neben einer Drogenentwöhnung insbesondere die Behandlung der psychiatrischen Störungen von großer Bedeutung ist. Insoweit hält es die Kammer in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Sachverständigen auch für unbedingt erforderlich, dass der Angeklagte zur Stabilisierung seiner Persönlichkeit psychotherapeutische Hilfe während der Haftzeit in Anspruch nimmt. Soweit die Sachverständige daneben eine Entwöhnungstherapie für erforderlich hält, wird ggf. eine Entscheidung aufgrund des § 35 BtMG zu erfolgen haben, wobei einer solchen Maßnahme unter den vorliegenden Umständen bereits jetzt aus den genannten Gründen zugestimmt wird.

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5. a) Der Angeklagte A.M. war zum Zeitpunkt der Tat fast 19 Jahre alt, war also i. S. d. § 105 JGG Heranwachsender. Auch auf ihn hat das Jugendstrafrecht Anwendung zu finden, da die gesamte Würdigung seiner Persönlichkeit ergibt, dass er zur Zeit der Tat Reifeverzögerungen aufwies, die eine Gleichstellung des Angeklagten mit einem Jugendlichen rechtfertigen. Der Angeklagte lebte mit Ausnahme der Zeit seiner Inhaftierung stets bei seinen Eltern, ohne in irgendeiner Weise eine realistische Lebensplanung aufgenommen zu haben, sowohl was seine schulische Ausbildung, als auch seinen Berufswunsch bzw. den Einstieg in die Berufswelt betrifft. Nicht zuletzt auch sein ungefestigtes Wesen und der damit einhergehenden Abhängigkeit von seiner Clique spricht für erhebliche Entwicklungsverzögerungen.

173

b) Bei der Anwendung des Jugendstrafrechts war auf Grund der Schwere der Schuld, aber auch wegen festzustellender schädlicher Neigungen gem. § 17 Abs. 2 JGG auf Jugendstrafe zu erkennen. Bei der hier abzuurteilenden Tat zu Ziff 3) der Anklageschrift handelt es sich um ein Verbrechen, das angesichts der Verwendung von Maskierung und Messer für das Opfer durchaus erhebliche Folgen hatte. Unter diesen Umständen wäre ein Verzicht auf Jugendstrafe auch für das allgemeine Rechtsempfinden ”schlechthin unverständlich”. Schädliche Neigungen lagen bei dem Angeklagten M. im Hinblick auf die einzubeziehenden sechs gleichgelagerten Raubüberfälle und die erhebliche Rückfallgeschwindigkeit eindeutig vor: Nur etwa 3 Monate nach seiner Haftentlassung (auf Bewährung) wegen der genannten sechs Raubüberfälle beging er den weiteren hier abzuurteilenden Überfall auf die Score-Tankstelle am 18.10.2004.

174

c) Der Strafrahmen für die zu verhängende Jugendstrafe liegt gem. §§ 18 Abs. 1, 105 Abs. 3 JGG zwischen 6 Monaten bis zu 10 Jahren.

175

Bei der Bemessung der konkreten Jugendstrafe hat die Kammer maßgeblich berücksichtigt, dass der Angeklagte in auch noch von gesundheitlichen Problemen der Eltern und des Bruders geprägten Verhältnissen einer Einwandererfamilie aufgewachsen, und ihm deshalb von dieser Seite nicht viel Orientierung oder Unterstützung mitgegeben worden ist. Hinzu kommt noch - angesichts seiner schulischen Laufbahn - eine gewisse intellektuelle Leistungsschwäche. Unter diesen Umständen verwundert es nicht, dass der Angeklagte sehr leicht beeinflussbar ist, für gruppendynamische Prozesse sicherlich besonders anfällig war und deshalb auf die Überredungsbemühungen des - in seinem Wesen eher bestimmenden - ehemaligen Mitangeklagten N.- A. sein Zögern schnell aufgab. Weiterhin hat die Kammer bedacht, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung seinen Tatbeitrag in vollem Umfang gestanden hat.

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Zu Lasten des Angeklagten fiel erheblich ins Gewicht, dass der Angeklagte die Tat innerhalb laufender Bewährungszeit - wegen der sechs gleichgelagerten Raubüberfälle -, genauer: sogar nur 3 Monate nach seiner Haftentlassung und Reststrafenaussetzung zur Bewährung begangen hat. Außerdem hat die Tat erhebliche Auswirkungen auf den Geschädigten W. gehabt (vgl. S. 35 UA).

177

Aus erzieherischer Sicht ist es für den Angeklagten unumgänglich, dass er in einem festen Rahmen, insbesondere unter fester Lenkung und Führung die Gelegenheit erhält, seinen Schulabschluss nachzumachen und berufsorientierte Maßnahmen zu ergreifen. Insgesamt ist unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten M. sprechenden Umstände und unter Einbeziehung des Urteils des Jugendschöffengerichts vom 10. Juli 2002 - 9a Ls 12/02 (213 Js 8246/02) - aus erzieherischen Gründen auf 3 Jahre Jugendstrafe zu erkennen.

178

6. a) Bei der Strafzumessung bezüglich des Angeklagten M.L. hat sich die Kammer von folgenden Erwägungen leiten lassen:

179

Zunächst war gem. §§ 249, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB von einem Strafrahmen einer Freiheitsstrafe zwischen 5 und 15 Jahren auszugehen. Die Kammer hat sodann geprüft, ob es sich bei der Tat um einen minder schweren Fall i. S. v. § 250 Abs. 3 StGB handelt und hat dies nach Abwägung aller für und gegen einen minder schweren Fall sprechenden Umstände im Ergebnis bejaht. Dafür sprach, dass der Angeklagte bislang strafrechtlich nicht einschlägig vorbelastet ist und er als ”Fahrer” einen untergeordneten, in der Nähe einer Beihilfe einzuordnenden Tatbeitrag geleistet hat, wobei zudem zu bedenken war, dass der Angeklagte teilweise noch sehr jugendliche Verhaltensweisen an den Tag gelegt und auch das Heranwachsendenalter nur unerheblich überschritten hat. Deshalb spielten auch gruppendynamische Prozesse bei ihm eine große Rolle, die eine Beteiligung an der Tat erleichterten. Es ist außerdem ins Gewicht gefallen, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung ein Geständnis abgelegt hat. Insgesamt überwiegen daher deutlich die mildernden Faktoren gegenüber den erschwerenden Umständen, nämlich dass die Auswirkungen des zweiten Überfalls auf die Score-Tankstelle für den Geschädigten W. erheblich waren. Die Gesamtwürdigung der Tat und der Täterpersönlichkeit ergibt, dass hier nicht das Tatbild vorliegt, das der Gesetzgeber bei der Schaffung des allgemeinen Strafrahmens im Blick hatte.

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Es war daher der Strafrahmen einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr bis 10 Jahren zugrunde zu legen.

181

Bei der Bemessung der tat- und schuldangemessenen Strafe hat die Kammer zu Gunsten des Angeklagten noch einmal die bereits o. g. Aspekte berücksichtigt. Unter nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten in Betracht kommenden Strafzumessungsgesichtspunkte, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, hielt die Kammer für die hier abzuurteilende Tat eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten für tat- und schuldangemessen.

182

Gem. § 55 StGB war aus dem Urteil des Amtsgerichts - 9a Ds 5/04 (213 Js 30620/03) - eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten einzubeziehen. Deshalb waren gem. §§ 53, 54 StGB die jeweiligen Einzelstrafen zurückzuführen auf eine Gesamtstrafe. Bei deren Bildung hat sich die Kammer nochmals von den o. g. Strafzumessungserwägungen leiten lassen und hat unter nochmaliger Abwägung eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren für tat- und schuldangemessen erachtet.

183

b) Die Vollstreckung dieser Gesamtfreiheitsstrafe konnte gem. § 56 Abs. 1 bis 3 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Insbesondere war auf Grund der zu Gunsten des Angeklagten sprechenden, bereits genannten Umstände davon auszugehen, dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird. Darüber hinaus liegen auch die gem. § 56 Abs. 2 StGB erforderliche Umstände in der Tat und der Tatpersönlichkeit vor, da der Angeklagte nicht einschlägig vorbestraft ist, sein Tatbeitrag von untergeordneter Bedeutung und er geständig war. Im Ergebnis gebietet auch die Verteidigung der Rechtsordnung nicht die Vollstreckung.

184

c) Eine Entziehung der Fahrerlaubnis und Verhängung einer Sperre zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis gem. §§ 69, 69a StGB hatte zu unterbleiben. Zum einen lagen bei dem Angeklagten L. die Regelvoraussetzungen einer Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen gem. § 69 Abs. 2 StGB nicht vor. Zum anderen ist die Kammer der Auffassung, dass - wie hier - allein die Verwendung eines Kfz aus Anlass einer Raubtat noch keine Ungeeignetheit gem. § 69 Abs. 1 StGB ausmacht. Weitere Anhaltspunkte für die Annahme einer Ungeeignetheit liegen hier aber nicht vor.

185

IIX. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des Angeklagten L. auf § 465 StPO, hinsichtlich der übrigen Angeklagten auch auf § 74 JGG.