Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.05.2021, Az.: 10 K 198/20

Verkauf eines selbst bewohnten Reihenhauses als kein privates Veräußerungsgeschäft

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
27.05.2021
Aktenzeichen
10 K 198/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 68842
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 19.07.2022 - AZ: IX R 20/21

Tatbestand

Streitig ist der Ansatz von Einkünften aus einem privaten Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG für die Veräußerung eines Reihenhauses.

Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr zusammen veranlagt. Sie schlossen am 12. April 2011 einen Kaufvertrag über die Immobilie A in H, die mit einem Reihenhaus (ca. 150 qm Wohnfläche) bebaut ist, und erwarben diese zu einem Kaufpreis von 141.000,00 Euro. Sie bewohnten die Immobilie mit ihren Kindern selbst.

In den Jahren 2012 bis 2017 vermieteten sie einzelne Zimmer im Dachgeschoss des Hauses daneben tageweise an Messegäste und erzielten daraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Im Vermittlungsvertrag zwischen den Klägern und der C-OHG, die die Messegäste als Mieter an die Kläger vermittelte, wurde unter § 3 "Pflichten des Vermieters" dazu ausgeführt, dass bei einer Apartmentvermietung das Apartment der in der verbindlichen Buchungsbestätigung angegebenen und mitgeteilten Personenzahl zur alleinigen Nutzung zur Verfügung gestellt werde. Die Nutzung von elektrischen Geräten im Apartment stehe dem Mieter während der Mietdauer uneingeschränkt zur Verfügung. Die Nutzung des Apartments während des Buchungszeitraums durch den Vermieter sei nicht gestattet. Sollten sich dort trotzdem der Vermieter oder andere Personen aufhalten, so könne der Mieter die Buchung fristlos kündigen oder eine Minderung der Mietsumme verlangen. Der Vermieter sei verpflichtet, alle Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, die von ihm im Vermittlungsvertrag aufgeführt worden seien.

Außerdem wurden sogenannte "Empfehlungen zum Miet- bzw. Beherbergungsvertrag" gegeben, wonach allein der Vermieter und der Mieter Vertragspartner des durch die Vermittlung abgeschlossenen Vertrags seien. Es werde dem Vermieter deshalb empfohlen, eigenständig einen schriftlichen Miet- bzw. Beherbergungsvertrag mit dem Mieter abzuschließen.

In den verbindlichen Buchungsbestätigungen, die für die vermieteten Zeiträume in den Jahren 2012 bis 2017 vollständig vorliegen, ist als Objekttyp "Haus" bzw. im Jahr 2012 "Haus ohne Vermieter" angegeben.

Im Rahmen der eigenständig abgeschlossen Miet- bzw. Beherbergungsverträge mit den Mietern einigten sich die Kläger mit den Messegästen aber jeweils darauf, dass nicht das gesamte Haus, sondern lediglich - je nach Anzahl der Gäste - ein bis zwei Zimmer im Dachgeschoss des Hauses vermietet wurden. Diese Zimmer wurden in der übrigen Zeit von den Klägern als Kinderzimmer genutzt. Im Einzelnen wurden die Zimmer an folgenden Tagen an Messegäste vermietet:

AnreiseAbreiseTagePersonenEinnahmen
22.04.201225.04.201234840,00 Euro
17.09.201227.09.20121052.750,00 Euro
12.11.201216.11.2012441.040,00 Euro
174.630,00 Euro
04.03.201309.03.2013551.600,00 Euro
08.04.201312.04.2013441.040,00 Euro
04.05.201309.05.201351325,00 Euro
16.09.201322.09.2013651.650,00 Euro
204.615,00 Euro
06.04.201411.04.2014541.420,00 Euro
24.09.201427.09.201435825,00 Euro
10.11.201414.11.201444960,00 Euro
123.205,00 Euro
14.03.201520.03.2015641.320,00 Euro
11.04.201517.04.2015641.380,00 Euro
07.06.201514.06.2015751.820,00 Euro
194.520,00 Euro
13.03.201618.03.2016541.420,00 Euro
23.04.201630.04.2016752.240,00 Euro
123.660,00 Euro
19.03.201724.03.2017531.299,99 Euro
22.04.201729.04.2017762.842,00 Euro
17.09.201721.09.2017451.200,00 Euro
10.11.201719.11.2017932.336,50 Euro
257.678,49 Euro

Nachdem der Beklagte durch eine Kontrollmitteilung von den erzielten Einnahmen Kenntnis erlangt hatte, berücksichtigte er diese für die Jahre 2012 bis 2017 bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Als Werbungskosten brachte der Beklagte insbesondere die Absetzung für Abnutzung (AfA) i.H.v. 36,10 Euro (2012), 34,76 Euro (2013), 16,04 Euro (2014), 25,40 Euro (2015), 22,76 Euro (2016) und 53,47 Euro (2017) in Abzug.

Mit notariellem Vertrag vom 16. November 2017 verkauften die Kläger die Immobilie zu einem Kaufpreis von 294.500,00 Euro. Der Kaufpreis war am 1. März 2018 zur Zahlung fällig und floss den Klägern auch im Jahr 2018 zu.

Der Beklagte ging wegen der zeitweise erfolgten Vermietung einzelner Zimmer des Hauses davon aus, dass durch die Veräußerung ein privates Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu berücksichtigen sei. Dabei nahm der Beklagte im Einzelnen an, dass das gesamte Dachgeschoss (2 Zimmer zur Alleinnutzung sowie Flur und Bad zur Mitnutzung) zeitweise vermietet worden sei und ermittelte die Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft deshalb unter Berücksichtigung der Fläche des Dachgeschosses von 35 qm wie folgt:

Veräußerungspreis294.500,00 Euro
Anschaffungskosten./. 141.000,00 Euro
Anschaffungsnebenkosten./. 9.165,00 Euro
Gewinn144.335,00 Euro
davon anteilig 35/150 qm33.678,17 Euro
zzgl. AfA 201236,10 Euro
zzgl. AfA 201334,76 Euro
zzgl. AfA 201416,04 Euro
zzgl. AfA 201525,40 Euro
zzgl. AfA 201622,76 Euro
zzgl. AfA 201753,47 Euro
Einkünfte aus privatem Veräußerungsgeschäft33.866,67 Euro

Mit Bescheid vom 14. Juli 2020 für 2018 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Zinsen setzte der Beklagte gegen die Kläger Einkommensteuer i.H.v. 17.672,00 Euro fest und berücksichtigte dabei Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.H.v. 16.934,00 Euro für den Kläger zu 1. und 16.933,00 Euro für die Klägerin zu 2.

Der dagegen von den Klägern eingelegte Einspruch vom 30. Juli 2020 wurde vom Beklagten mit Einspruchsbescheid vom 20. August 2020 als unbegründet zurückgewiesen.

Der Beklagte führte darin im Wesentlichen aus, dass eine Ausnahme von der Besteuerung eines privaten Veräußerungsgeschäfts nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nur gegeben sei, wenn innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraums im Jahr der Veräußerung sowie den beiden vorangegangenen Jahren das veräußerte Wirtschaftsgut Wohnzwecken gedient und Eigennutzung vorgelegen habe.

Würden ehemals Räume des Wirtschaftsguts zu anderen als eigenen Wohnzwecken genutzt (z.B. als Arbeitszimmer oder als Vermietungsobjekt) und würden die Räume mittlerweile zu eigenen Wohnzwecken genutzt, sei zu prüfen, ob die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken innerhalb der letzten drei Kalenderjahre vor der Veräußerung in einem zusammenhängenden Zeitraum gegeben gewesen sei. Sei dies der Fall, unterliege auch der anteilige, auf diese Räume entfallende Veräußerungsgewinn nicht der Besteuerung.

Im Falle der Kläger seien diese Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt. Denn eigene Wohnzwecke setzten die persönliche Nutzung durch den Steuerpflichtigen voraus. Diese Voraussetzung sei erfüllt, wenn er das Wirtschaftsgut allein, mit seinen Familienangehörigen oder gemeinsam mit einem Dritten bewohne. Würden diese Voraussetzungen erfüllt, sei es unschädlich, wenn Teile des Wirtschaftsguts (z.B. einzelne Räume) einem Dritten unentgeltlich zu Wohnzwecken überlassen würden.

Da im Streitfall aber eine zeitweise entgeltliche Vermietung vorliege und das Gebäude damit teils zu eigenen Wohnzwecken genutzt und teils fremdvermietet werde, lägen zwei Wirtschaftsgüter vor und es komme deshalb nur eine teilweise Freistellung in Betracht.

Für das Dachgeschoss sei ein zusammenhängender Zeitraum der Eigennutzung innerhalb der letzten drei Kalenderjahre vor der Veräußerung nicht gegeben, eine unschädliche Freigrenze im Sinne einer nur untergeordneten Vermietung sei weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung vorgesehen.

Es könne auch nicht von einer ausschließlichen Vermietung nur der beiden Zimmer im Dachgeschoss ohne Mitbenutzung von Flur und Bad (17 qm statt 35 qm) ausgegangen werden, weil bei der Zahl der Tage und der Anzahl der jeweiligen Gäste von einer Mitvermietung des im Dachgeschoss befindlichen Badezimmers auszugehen sei.

Mit der am 21. September 2020 gegen den Einspruchsbescheid erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.

Sie sind der Ansicht, dass der Veräußerungsgewinn einer zu privaten Wohnzwecken genutzten Immobilie zu Unrecht der Besteuerung unterworfen worden sei.

Der Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG zweite Alternative sei auch einschlägig, wenn einzelne Räume einer grundsätzlich und durchgehend zu privaten Wohnzwecken genutzten Immobilie, die auch den Hauptwohnsitz und Lebensmittelpunkt der Familie darstelle, kurzzeitig - aber mit einer gewissen Regelmäßigkeit - an Messegäste untervermietet werde. Die Untervermietung an Messegäste habe im Durchschnitt nicht mehr als 10 % eines Jahres betragen.

Voraussetzung für den Ausnahmetatbestand sei, dass die Immobilie im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden sei. Die Voraussetzung der "Ausschließlichkeit" beziehe sich nur auf die erste Alternative der Norm.

Die Immobilie habe seit 2011 ausschließlich den eigenen Wohnzwecken der Kläger und ihrer Familie gedient. Die Familie habe während der Untervermietungszeiten nicht woanders gewohnt. Es seien die Kinderzimmer vermietet worden. Die Kinder seien in dieser Zeit in einen ausgebauten Kellerraum bzw. ins Wohnzimmer umgezogen.

Das gelegentliche Untervermieten einzelner Räume der selbstgenutzten Immobilie verhindere nicht die Anwendung der Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG zweite Alternative. Für 2015 ergebe sich beispielsweise, dass die beiden Kinderzimmer an insgesamt 19 Tagen des Jahres an Messegäste vermietet gewesen seien. Die ausschließliche Nutzung zu eigenen Wohnzwecken werde deshalb durch eine Vermietung an nicht einmal 10 % der Tage des Jahres nicht in Frage gestellt.

Berücksichtigt werden müsse auch, dass lediglich 17 qm an Messegäste vermietet gewesen seien, die private Wohnnutzung sei danach nicht unterbrochen gewesen. Einschränkungen der privaten Nutzung seien ebenso unerheblich gewesen.

Auch im Jahr der Veräußerung sei die Untervermietung an Messegäste nur untergeordnet gewesen. Die Familie habe die Eigennutzung bei Messevermietung nicht aufgegeben. Der Verkauf des Hauses sei mit notariellem Vertrag am 16. November 2017, der am 20. November 2017 ausgefertigt worden sei, erfolgt. Die letzten Messegäste seien am 19. November 2017 abgefahren. Umgezogen sei die Familie der Kläger im Februar 2018. Damit stehe fest, dass die Immobilie auch im Jahr der Veräußerung privaten Wohnzwecken gedient habe.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid für 2018 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Zinsen vom 14. Juli 2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. August 2020 aufzuheben und die Einkommensteuer 2018 unter Berücksichtigung der Steuerbefreiung des Veräußerungsgewinnes der selbstgenutzten Immobilie neu festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte nimmt Bezug auf seine Ausführungen im Einspruchsbescheid und hält unter Verweis auf das BMF-Schreiben vom 17. Juni 2020 (BStBl I 2020, 576) an diesen in vollem Umfang fest.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Der Bescheid für 2018 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Zinsen vom 14. Juli 2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. August 2020 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).

I. Der Beklagte hat zu Unrecht für den auf das Dachgeschoss der verkauften Immobilie entfallenden Veräußerungsgewinn ein privates Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG angenommen.

Gemäß § 22 Nr. 2 EStG sind sonstige Einkünfte solche aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 EStG. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG sind private Veräußerungsgeschäfte unter anderem Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt.

Zwar liegen die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG vor; die Kläger haben die Immobilie A in H innerhalb von zehn Jahren nach Anschaffung wieder veräußert.

Es greift jedoch für den Verkauf der gesamten Immobilie die Ausnahme von der Besteuerung nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG ein. Nach dieser Vorschrift liegt bei solchen Wirtschaftsgütern kein privates Veräußerungsgeschäft vor, welche im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alt.) oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden (2. Alt.).

Die Kläger haben die Immobilie nach Ansicht des Senats im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG genutzt. Die Nutzung einzelner Zimmer des Hauses zur tageweisen entgeltlichen Vermietung an Messegäste ändert an dieser Beurteilung nichts.

1. Der Senat geht dabei davon aus, dass Beurteilungsobjekt des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG das gesamte Gebäude als Wirtschaftsgut ist. Die zeitweise Vermietung des Dachgeschosses führt nicht dazu, dass hinsichtlich des Dachgeschosses innerhalb des Gebäudes ein selbstständiges Wirtschaftsgut entsteht, das im Rahmen des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG gesondert zu betrachten wäre.

a) Diese Auffassung steht zwar im Widerspruch zur wohl überwiegenden Ansicht in der Literatur, die den Begriff des Wirtschaftsguts im Rahmen des § 23 EStG für identisch mit dem Begriff des Wirtschaftsguts beispielsweise im Rahmen der Ermittlung der Gewinneinkünfte nach den §§ 4, 5 EStG hält.

Nach Musil seien danach Wirtschaftsgüter eines Gebäudes auch Gebäudeteile, die eigenbetrieblich, fremdbetrieblich, zu eigenen Wohnzwecken oder zu fremden Wohnzwecken genutzt würden. So seien z.B. einzelne vermietete Zimmer selbstständige Wirtschaftsgüter, die wegen ihrer Vermietung nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt würden (Musil in: Hermann/Heuer/Raupach, EStG, Stand: Dezember 2020, § 23 Rn. 129). Auch weitere Teile der Literatur nehmen für zu Wohnzwecken vermietete Gebäudeteile ein selbstständiges Wirtschaftsgut im Rahmen des § 23 EStG an (Bachem in: Bordewin/Brandt, EStG, Stand: Mai 2013, § 23 Rn. 129b; Kube in: Kirchhof/Seer, EStG, Stand: 20. Auflage 2021, § 23 Rn. 6; Lindberg in: Frotscher, EStG, Stand: 203. Lieferung 2/2018, § 23 Rn. 38).

b) In der neueren Rechtsprechung und Teilen der Literatur wird jedoch die Auffassung des Senats geteilt.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat in seinem Urteil vom 23. Juli 2019 (5 K 338/19, EFG 2020, 46) ausgeführt, dass ein häusliches Arbeitszimmer, das im Rahmen von Überschusseinkünften genutzt wird, im Rahmen des § 23 EStG nicht als selbstständiges Wirtschaftsgut zu beurteilen sei.

Veräußerungsgegenstand im Sinne des § 23 Abs. 1 EStG ist ein Wirtschaftsgut. Dies ergibt sich aus der Formulierung "Veräußerungsgeschäfte bei anderen Wirtschaftsgütern" im Auffangtatbestand des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG (so auch Wernsmann in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand: Oktober 2020, § 23 Anm. B 5). Zudem müssen das veräußerte und das erworbene Wirtschaftsgut identisch sein (BFH-Urteil vom 29. März 1989, X R 4/84, BStBl II 1989, 652 m.w.N.). Bei einer Aufteilung des erworbenen Wirtschaftsguts bleibt die Identität des aufgeteilten Wirtschaftsguts in den Teilen erhalten, wenn die Teilung ohne aufwendige technische Maßnahmen durchgeführt werden kann und sich die Marktgängigkeit des bisherigen Wirtschaftsguts in den Teilen fortsetzt. Das ist allgemein für Wirtschaftsgüter anzunehmen, die durch bloßen Realakt, ggf. verbunden mit einer Vermessung, geteilt werden und weiterhin verkehrsfähig bleiben (BFH-Urteil vom 19. Juli 1983, VIII R 161/82, BStBl II 1984, 26). Es muss sich somit bei den aus der Aufteilung hervorgehenden Teilen wiederum um eigenständige Wirtschaftsgüter handeln.

Für den vom FG Baden-Württemberg entschiedenen Fall sei somit nicht das Arbeitszimmer, sondern die gesamte veräußerte Eigentumswohnung das zu beurteilende Wirtschaftsgut im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG. Es fehle bereits an einer Aufteilung des Wirtschaftsguts "Eigentumswohnung" in das Arbeitszimmer und die restliche Wohnung. Eine solche Teilung wäre bereits rechtlich nicht möglich, das abgetrennte Arbeitszimmer wäre aber zumindest nicht marktgängig bzw. verkehrsfähig, denn das Arbeitszimmer könne nicht unabhängig von den anderen Teilen der Wohnung veräußert werden (so auch Wernsmann in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand: Oktober 2020, § 23 Anm. B 53).

Auch das Finanzgericht Köln geht in seinem Urteil vom 20. März 2018 (8 K 1160/15, EFG 2018, 1256) davon aus, dass ein häusliches Arbeitszimmer kein selbstständiges Wirtschaftsgut darstellt, weil es nicht unabhängig von den anderen Teilen der Wohnung veräußerbar sei.

Zumindest hinsichtlich des häuslichen Arbeitszimmers wird diese Auffassung ausdrücklich auch in anderen Teilen der Literatur vertreten (Ratschow in: Blümich, EStG, Stand: März 2021, § 23 Rn. 55; Carlé in: Korn, EStG, Stand: 116. Lieferung, § 23 Rn. 40).

c) Der Senat schließt sich der zweiten Auffassung auch für den hier zu entscheidenden Fall der tageweisen entgeltlichen Vermietung einzelner Räume eines Gebäudes an.

Nach Überzeugung des Senats sind die Erwägungen aus den zitierten Urteilen des Finanzgerichts Baden-Württemberg und des Finanzgerichts Köln, die zwar zur Beurteilung eines häuslichen Arbeitszimmers als selbstständiges Wirtschaftsgut im Sinne des § 23 EStG ergangen sind, auch darüber hinaus für die Frage, was generell als Wirtschaftsgut im Sinne des § 23 EStG anzusehen ist, heranzuziehen und deshalb auf den hier zu entscheidenden Fall übertragbar.

Die zeitweise vermieteten Räume im Dachgeschoss der von den Klägern veräußerten Immobilie sind nicht als selbstständiges Wirtschaftsgut zu qualifizieren, weil sie nicht einzeln und unabhängig von den anderen Gebäudeteilen veräußert werden konnten.

Veräußerungsgegenstand ist auch in diesem Fall die gesamte Immobilie. Dabei hat der Senat insbesondere berücksichtigt, dass sich das Dachgeschoss - auch während der Vermietung - weiter im Privatvermögen der Kläger befunden hat. Deshalb kommt nach Ansicht des Senats die Definition eines Wirtschaftsguts nach der ersten Ansicht, die im Wesentlichen im Rahmen der Ermittlung der Gewinneinkünfte nach den §§ 4, 5 EStG und dort maßgeblich anhand des Begriffs des Vermögensgegenstands aus dem Handelsrecht entwickelt wurde (vgl. Wernsmann in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand: Oktober 2020, § 23 Anm. B 7f.), hier nicht zum Tragen.

2. Trotz der tageweise erfolgten entgeltlichen Vermietung einzelner Räume ist die von den Klägern verkaufte Immobilie insgesamt nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG von der Besteuerung auszunehmen.

Dem Gesetzeswortlaut des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG lässt sich nicht das Erfordernis entnehmen, dass sämtliche Teile eines Gebäudes zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden müssten, um die Ausnahme von der Besteuerung annehmen zu können. Zwar sieht § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG in seiner ersten Alternative eine "ausschließliche" Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung vor. Dieses Kriterium ist dabei nicht im Sinne von "räumlich ausschließlich", sondern als "zeitlich ausschließlich" zu verstehen. Dies ergibt ein Vergleich mit § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG in seiner zweiten Alternative, die eine Ausschließlichkeit nicht vorsieht. Das ist nur verständlich, wenn die Ausschließlichkeit einen Gesamtzeitraum abdecken soll, der in der ersten Alternative kürzer als in der zweiten Alternative, aber auch länger bemessen sein kann. In der zweiten Alternative ist hingegen der Zeitraum genau bestimmt, sodass das Wort "ausschließlich" hier entbehrlich war (Urteil des FG Köln vom 20. März 2018, 8 K 1160/15, EFG 2018, 1256; Wernsmann in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand: Oktober 2020, § 23 Anm. B 50f.; Musil in: Hermann/Heuer/Raupach, EStG, Stand: Dezember 2020, § 23 Rn. 128 und 131; Hoheisel in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, Stand: April 2020, § 23 Rn. 74).

Soweit in diesem Zusammenhang teilweise davon ausgegangen wird, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG setze auch in seiner zweiten Alternative im Jahr der Veräußerung und den beiden vorangegangenen Jahren eine "ausschließliche" Eigennutzung im Sinne einer zusammenhängenden und ununterbrochenen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken voraus (Urteil des FG Baden-Württemberg vom 4. April 2016, 8 K 2166/14, EFG 2016, 1521; Weber-Grellet in: Schmidt, EStG, 39. Auflage 2020, § 23 Rn. 18; Kube: in Kirchhof/Seer, EStG, 20. Auflage 2021, § 23 Rn. 6), steht dies der Auffassung, dass "ausschließlich" im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG jedenfalls nicht eine "räumliche Ausschließlichkeit" bedeutet, nicht entgegen.

Ist für die Frage der Eigennutzung eines einheitlich zu beurteilenden Gebäudes deshalb eine räumlich ausschließliche Eigennutzung nicht Voraussetzung für die Ausnahme von der Besteuerung nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG, ist es unschädlich, wenn Teile des Gebäudes nicht dauerhaft eigengenutzt, sondern tageweise vermietet werden.

Dies gilt nach Ansicht des Senats jedenfalls dann, wenn das Gebäude im Übrigen - wie hier zu ca. 76 % (115 qm von 150 qm) - auch während der Vermietungszeiten ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Denn die Eignung des Gebäudes, auch während der Vermietung des Dachgeschosses weiterhin eigenen Wohnzwecken zu dienen, war durch die Vermietung nicht bzw. nur in unerheblicher Weise eingeschränkt.

3. Selbst wenn man mit der dargestellten Gegenauffassung annehmen wollte, dass im Rahmen des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG auch einzelne Räume eines Gebäudes als selbstständige Wirtschaftsgüter der Besteuerung unterworfen werden könnten, führt die tageweise entgeltliche Vermietung des Dachgeschosses nach Ansicht des Senats unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände nicht dazu, dieses als selbstständiges Wirtschaftsgut zu qualifizieren.

Denn auch nach der Gegenauffassung ist für die Bewertung als selbstständiges Wirtschaftsgut ein von der privaten Eigennutzung abweichender Nutzungs- und Funktionszusammenhang erforderlich (Trossen in: Kirchhof/Kulosa/Ratschow, EStG, Stand: 2020, § 23 Rn. 185; Lindberg in: Frotscher, EStG, Stand: 203. Lieferung 2/2018, § 23 Rn. 36; Carlé in: Korn, EStG, Stand: Juli 2017, § 23 Rn. 24; Hoheisel in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, Stand: April 2020, § 23 Rn. 75).

Dieser abweichende Nutzungs- und Funktionszusammenhang mag zwar bei dauerhafter entgeltlicher Vermietung von Gebäudeteilen gegeben sein. Ein abweichender Nutzungs- und Funktionszusammenhang entsteht nach Auffassung des Senats hingegen nicht durch eine zeitlich nur untergeordnete entgeltliche Vermietung von Räumen, die in den Jahren vor der Veräußerung jeweils nicht mehr als 5 - 10 % der Tage im Jahr betrug. Die Eigennutzung zu Wohnzwecken auch dieser tageweise vermieteten Räume überwiegt in diesem Fall so deutlich die Fremdnutzung, dass der Nutzungs- und Funktionszusammenhang zur - ununterbrochenen - Eigennutzung des übrigen Gebäudes eindeutig im Vordergrund steht. Dies ergibt sich auch daraus, dass die zeitweise vermieteten Räume im Dachgeschoss in der Zeit, in der sie nicht vermietet wurden, durch die Kläger als Kinderzimmer genutzt und damit als eindeutiger Bestandteil der eigenen Wohnnutzung angesehen und verwendet und gerade nicht lediglich zur kurzfristigen Vermietung bereitgehalten wurden.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

III. Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 151 FGO i.V.m. §§ 708, 709, 711 ZPO.

IV. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zuzulassen. Die Rechtsfrage, ob der Gewinn aus dem Verkauf von selbstgenutzten Wohneigentum auch dann nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG in vollem Umfang steuerfrei ist, wenn zuvor einzelne Räume des Gebäudes lediglich an einzelnen Tagen vermietet wurden, hat grundsätzliche Bedeutung. Zudem ist die Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, da die vorliegende Entscheidung von der Rechtsprechung des Finanzgerichts Münster (Urteil vom 28. August 2003, 11 K 6243/01 E, EFG 2004, 45) zumindest insoweit abweicht, als dass Beurteilungsobjekt des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG dort ein einzelner Raum des Gebäudes war.