Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 05.04.2019, Az.: L 11 AS 668/18 NZB

Undifferenzierter Überprüfungsantrag in Bezug auf Leistungen nach dem SGB II; Prüfanliegen im Einzelfall; Antrag auf Überprüfung sämtlicher bestandskräftiger Bescheide auf ihre Rechtmäßigkeit

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
05.04.2019
Aktenzeichen
L 11 AS 668/18 NZB
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 41490
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Braunschweig - AZ: S 57 AS 1922/17

Fundstelle

  • FA 2019, 226

Redaktioneller Leitsatz

1. Nicht mehr klärungsbedürftig ist, dass ein Prüfanliegen "im Einzelfall" auch dann zu bejahen ist, wenn anstatt einer bestimmten Fragestellung tatsächlicher oder rechtlicher Natur lediglich die zu überprüfende Verwaltungsentscheidung konkret benannt wird.

2. Ein Antrag auf "Überprüfung sämtlicher bestandskräftiger Bescheide auf ihre Rechtmäßigkeit" ist nicht hinreichend bestimmt.

3. In solchen Fällen besteht keine Verpflichtung zur inhaltlichen Prüfung durch den SGB II-Träger.

Tenor:

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 17. Juli 2018 - S 57 AS 1922/17 - wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe

I.

Die Beschwerde des Beklagten richtet sich gegen die Nichtzulassung der Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 17. Juli 2018 (S 57 AS 1922/17). Im erstinstanzlichen Verfahren haben die Beteiligten um die Überprüfung des Bescheides vom 21. Oktober 2005 im Wege des § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gestritten.

Die 1969 geborene Klägerin stand u.a. in der Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2009 im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Für die Zeit vom 1. November 2005 bis 30. April 2006 hatte der Beklagte der Klägerin sowie ihrem im vorliegenden Verfahren nicht beteiligten 1992 geborenen Sohn mit Bescheid vom 21. Oktober 2005 laufende SGB II-Leistungen bewilligt. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 14. August 2009 beantragte die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten, Rechtsanwalt G., per Telefax die Überprüfung des für den Bewilligungszeitraum November 2005 bis April 2006 ergangenen Bewilligungsbescheides vom 21. Oktober 2006 (vermutlich gemeint: 2005) nach Maßgabe des § 44 SGB X. Das Telefax lautete auszugsweise wie folgt:

ich vertrete obige Mandantschaft und

(x) lege für obige Mandantschaft gegen obigen Bescheid bzw. Bescheide des Bewilligungsabschnitts Widerspruch ein

(x) beantrage für obige Mandantschaft Bescheidsrücknahme gem. § 44 SGB X

(x) beantrage ich für obige Mandantschaft Verzinsung von zu spät gezahlten Leistungen für obigen Bewilligungsabschnitt.

Begründung:

1. Jede Mandantschaft vertritt sich selbst. § 38 Abs. 2 SGB II findet keine Anwendung. 2. 3. Die Vollmacht (§ 13 Abs. 1 Satz 2 SGB X) bezieht sich auf das gesamte Verwaltungsverfahren einschließlich eines möglichen Widerspruchsverfahrens. 4. 5. Rein vorsorglich wird für den Fall, dass eine Widerspruchsfrist nicht eingehalten worden sein sollte, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, da die Mandantschaft ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Frist einzuhalten. 6. Diese Voraussetzungen liegen hier u.a. aus dem Grunde vor, da der Text des Bescheids unübersichtlich und schwer verständlich ist (BSGE 60, 262 [BSG 16.10.1986 - 12 RK 13/86]) und es an einer ausreichenden Begründung mangelt.

7. Nach § 25 SGB X wird Antrag auf Akteneinsicht gestellt, damit eine vollständige Begründung des Widerspruchs/Antrages möglich ist; hilfsweise wird beantragt, einen Aktenauszug per Kopie nur auf Kosten der ARGE übermitteln. 8. 9. Aus dem Bescheid und der Begründung ist nicht ersichtlich, welche Beweismittel der Entscheidung zu Grunde gelegen haben; dies ist nachzuholen. 10. 11. Nach § 33 SGB X muss ein Verwaltungsakt inhaltlich bestimmt sein, was hier nicht vorliegt, zumal der Inhalt auch nicht aufgrund von beigegebenen Erläuterungen zu verstehen ist (BVerwG DVBl 1972, 955 [BVerwG 12.07.1972 - BVerwG VI C 24.69]). 12. 13. Nach § 35 SGB X muss ein schriftlicher VA mit einer Begründung versehen sein und der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. 14. Dabei sind bei dieser gebundenen Entscheidung die konkreten Verhältnisse des Einzelfalls zu berücksichtigen (BSGE 59, 157 [BSG 14.11.1985 - 7 RAr 123/84]) und kann sich nicht wie hier aus formelhaften Floskeln bzw. Wiederholungen des gesetzlichen Tatbestandes erschöpfen (BSG SozR 1300 § 35 Nr. 3).

Voraussetzung ist zumindest, dass die Entscheidung nachprüfbar ist BVerwG Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 19).

Die Mandantschaft muss in die Lage versetzt werden, die Rechte sachgerecht wahrzunehmen.

Diese Voraussetzungen liegen aufgrund des Bescheids nicht vor.

Die Bescheidungen sind unter allen rechtl. Gesichtspunkten zu prüfen; u.a. ist die Regelleistung zu niedrig.

Weitere neun inhaltlich gleichlautende Anträge stellte die Klägerin am selben Tag per Telefax für sämtliche Bewilligungszeiträume seit Beginn des SGB II-Leistungsbezugs (Januar 2005), d.h. für die Bewilligungszeiträume Januar bis April 2005, Mai bis Oktober 2005, November 2005 bis April 2006, Mai bis Oktober 2006, November 2006 bis April 2007, Mai bis Oktober 2007, November 2007 bis April 2008, Mai bis Oktober 2008, Juli bis Oktober 2008, November 2008 bis April 2009 und Mai bis Oktober 2009.

Der Beklagte lehnte diesen Überprüfungsantrag acht Jahre später, nämlich mit Bescheid vom 23. August 2017 ab. Zur Begründung führte er aus, dass der Antrag der Klägerin keine inhaltliche Prüfpflicht auslöse, weil das Verwaltungshandeln des Beklagten insgesamt ohne jegliche Differenzierung und Gründe zur Überprüfung gestellt worden sei. Der Beklagte könne somit den zu überprüfenden Einzelfall nicht objektiv ermitteln. Ein Einzelfall sei nach der Rechtsprechung des BSG nur zu bejahen, wenn entweder eine bestimmte Fragestellung tatsächlicher oder rechtlicher Natur oder eine konkrete Verwaltungsentscheidung benannt werde.

Der Bevollmächtigte der Klägerin sandte diesen Bescheid am 16. September 2017 per Telefax an den Beklagten zurück, ergänzt um den nur schwierig zu entziffernden handschriftlichen Zusatz "Lege für die Mandantschaft gegen diesen Bescheid Widerspruch ein". Eine Begründung des Widerspruchs erfolgte nicht. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2017 zurück.

Der von der Klägerin am 16. November 2017 erhobenen Klage hat das SG mit Urteil vom 17. Juli 2018 teilweise stattgegeben. Es hat den Beklagten unter Abänderung des Ablehnungsbescheides vom 23. August 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2017 sowie des Bewilligungsbescheides vom 21. Oktober 2005 verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum 1. bis 30. Dezember (gemeint wohl: November) 2005 weitere SGB II-Leistungen in Höhe von 85,28 Euro und für den Zeitraum 1. Dezember 2005 bis 30. April 2006 weitere SGB II-Leistungen in Höhe von 81,28 Euro pro Monat zu gewähren. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass bei zutreffender Berechnung des Bedarfs, der zu übernehmenden Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) und des erzielten Einkommens ein weiterer Leistungsanspruch in Höhe der austenorierten Beträge bestehe (vgl. im Einzelnen: Seite 7 bis 10 des Urteils). Der Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X sei innerhalb der damals maßgeblichen Vierjahresfrist gestellt worden. Entgegen der Auffassung des Beklagten habe der Antrag vom 14. August 2009 auch eine inhaltliche Prüfpflicht ausgelöst. Durch den Antrag sei ein hinreichend konkretisierter Einzelfall i.S.d. § 44 Abs. 1 SGB X zur Überprüfung gestellt worden, nämlich der Bescheid vom 21. Oktober 2005. Darüber hinaus habe keine "Fragestellung tatsächlicher oder rechtlicher Natur" benannt werden müssen. Schließlich habe das BSG in der Entscheidung vom 13. Februar 2014 - B 4 AS 22/13 R - einen Einzelfall bejaht, wenn entweder eine bestimmte Fragestellung tatsächlicher oder rechtlicher Natur oder aber eine konkrete Verwaltungsentscheidung vom Antragsteller benannt werde. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Urteil des erkennenden Senats vom 25. Februar 2016 (L 11 AS 1392/13). Soweit dort ausgeführt worden sei, dass die Anforderungen an eine hinreichende Konkretisierung des Antragsbegehrens nach § 44 SGB X nicht dadurch unterlaufen werden könnten, dass statt eines einzigen pauschalen Überprüfungsantrags eine Vielzahl - ebenfalls pauschaler und nicht einzelfallbezogen begründeter - Einzelanträge nach § 44 SGB X hinsichtlich praktisch sämtlicher bislang ergangener Bescheide gestellt werden, schließe sich das SG dem aus eigener Überzeugung an. Diese Rechtsprechung führe jedoch nicht dazu, dass strengere Anforderungen an die Konkretisierung des Überprüfungsbegehrens zu stellen seien, allein weil mehrere Überprüfungsanträge gestellt würden. Aus dem Urteil des 6. Senats des erkennenden Gerichts vom 28. Juli 2016 (L 6 AS 1485/13) ergebe sich ebenfalls nichts anderes, da auch diese Entscheidung der bereits zitierten Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 13. Februar 2014) folge.

Gegen das dem Beklagten am 14. August 2018 zugestellte Urteil richtet sich seine am 23. August 2018 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde. Er ist der Auffassung, dass folgende Rechtsfrage grundsätzlich zu klären sei: Genügt es für eine inhaltliche Prüfpflicht des Jobcenters nach § 44 SGB X, dass der Antragsteller nur einen Verwaltungsakt bzw. einen Bewilligungsabschnitt benennt, ohne aufzuzeigen, worin die Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns des Beklagten liegt? Diese Rechtsfrage sei in den Entscheidungen des BSG vom 13. Februar 2014 (B 4 AS 22/13) und 28. Oktober 2014 (B 14 AS 39/14) nicht abschließend beantwortet worden, habe jedoch grundsätzliche Bedeutung für die Handhabung des § 44 SGB X, insbesondere im Hinblick auf die Verfahrensweise des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, der auch für andere Mandanten entsprechende Anträge nach § 44 SGB X gestellt habe bzw. stelle. Bislang habe das BSG die Frage offengelassen, ob ein Ausgangsbescheid auch ohne inhaltliches oder rechtliches Vorbringen im Rahmen eines Antrags nach § 44 SGB X zu überprüfen ist. Die Rechtsauffassung der "unbedingten Prüfpflicht" des 2. Senats des BSG sei vielfach in die Kritik geraten. U.a. in der Kommentarliteratur werde für eine restriktive Handhabung der ersten Tatbestandsalternative des § 44 Abs 1 SGB X plädiert. Dementsprechend genüge die bloße Benennung eines Bewilligungsabschnitts nicht, um eine inhaltliche Prüfpflicht nach § 44 SGB X auszulösen. Das SG hätte die Klage somit ohne weitere inhaltliche Prüfung abweisen müssen.

Darüber hinaus weiche die Entscheidung des SG von den Entscheidungen des erkennenden Gerichts vom 25. Februar 2016 - L 11 AS 1392/13 - und 12. März 2018 - L 6/9 AS 54/14 - ab. In der Entscheidung des 6. Senats werde ausgeführt, dass keine inhaltliche Prüfpflicht des Sozialleistungsträgers ausgelöst werde, wenn der Kläger die "Überprüfung aller Bescheide ohne des geringsten Hinweises auf eine mögliche Rechtswidrigkeit" begehre. Hieran ändere auch eine im Überprüfungsantrag erfolgte Bezeichnung des betroffenen Bewilligungszeitraums nichts, wenn zeitgleich weitere pauschale und nicht einzelfallbezogen begründete Einzelanträge nach § 44 SGB X hinsichtlich vieler - wohl aller - Bescheide mehrerer Bewilligungsabschnitte gestellt werden. Dagegen habe das SG in Abweichung zu den o.g. Entscheidungen des 6. und 11. Senats trotz der pauschalen Überprüfungsanträge für mehrere Bewilligungszeiträume ein hinreichend konkretisiertes Überprüfungsbegehren bejaht.

Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Nichtzulassungsbeschwerde sei zurückzuweisen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet. Es liegt kein Zulassungsgrund vor.

Die Berufung gegen ein erstinstanzliches Urteil ist in den in § 144 Abs 1 Satz 1 SGG genannten Fällen (hier: Wert des Beschwerdegegenstandes i.H.v. 491,68 Euro und damit unter 750,01 Euro) zuzulassen, wenn

1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. 3. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 4. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 144 Abs 2 SGG).

Der vorliegende Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung.

Dies wäre nur der Fall, wenn die Rechtssache eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Rechtsmittelgericht bedürftig und fähig ist. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie bisher nicht geklärt ist und ihre Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Steht die Rechtsfrage dagegen praktisch außer Zweifel oder ist sie bereits höchstrichterlich entschieden worden, ist sie nicht mehr klärungsbedürftig (vgl. BSG, Beschlüsse vom 25. August 2011 - B 8 SO 1/11 B - und vom 16. Juli 2010 - B 11 AL 180/09 B -; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 160 Rn 8, 8a mit umfangreichen weiteren Nachweisen).

Es ist durch die Rechtsprechung des BSG bereits geklärt, dass ein Prüfanliegen "im Einzelfall" (§ 44 SGB X) auch dann zu bejahen ist, wenn anstatt einer bestimmten Fragestellung tatsächlicher oder rechtlicher Natur lediglich die zu überprüfende Verwaltungsentscheidung konkret benannt wird (BSG, Urteil vom 13. Februar 2014 - B 4 AS 22/13 R -, Rn 15). Höchstrichterlich geklärt ist auch bereits, dass es bei einem Antrag auf "Überprüfung sämtlicher bestandskräftiger Bescheide auf ihre Rechtmäßigkeit" an einem hinreichend konkretisierten Antrag i.S.d. § 44 SGB X fehlt und somit in entsprechenden Fallkonstellationen keine Verpflichtung zur inhaltlichen Prüfung des SGB II-Trägers besteht (BSG, Urteil vom 13. Februar 2014 - B 4 AS 22/13 R -). Dass diese Anforderungen an eine hinreichende Konkretisierung des Überprüfungsantrags nach § 44 SGB X nicht dadurch unterlaufen werden können, dass statt eines einzigen pauschalen Überprüfungsantrags mehrere, ebenfalls pauschale und nicht einzelfallbezogen begründete Einzelanträge nach § 44 SGB X hinsichtlich praktisch sämtlicher bislang ergangener Bescheide gestellt werden, ist ebenfalls geklärt (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 25. Februar 2016 - L 11 AS 1392/13 - ; ebenso: 6. Senat des erkennenden Gerichts vom 1. März 2018 - L 6/9 AS 54/14 -).

Die Entscheidung, ob im vorliegenden Fall die o.g. Voraussetzungen erfüllt sind, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls. Eine derartige Einzelfallentscheidung hat von vornherein keine grundsätzliche Bedeutung.

Die Berufung ist auch nicht wegen Divergenz zuzulassen.

Divergenz i.S.d. § 144 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn ein abstrakter Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung mit einem Rechtssatz in einer Entscheidung der in dieser Vorschrift genannten Gerichte nicht übereinstimmt und der angefochtenen Entscheidung tragend zugrunde liegt (vgl. BSG, Beschluss vom 19. November 2009 - B 13 RS 61/09 B -, Rn 14; Leitherer, a.a.O., § 160 Rn 13). Um eine Abweichung handelt es sich somit nicht bereits, wenn das SG einen Rechtssatz nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn diesem Rechtssatz tatsächlich widersprochen, d.h. ein anderer Rechtssatz aufgestellt und angewandt wurde. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet eine Zulassung der Berufung wegen Divergenz (BSG, Beschluss vom 19. November 2009, a.a.O., Rn 14; Udsching in: BeckOK Sozialrecht, Stand: 2018, § 160 SGG Rn 19; Leitherer, a.a.O., § 160 Rn 19 - jeweils zur Divergenz i.S.d. § 160 Abs 2 Nr 2 SGG).

In Übereinstimmung mit dem Beklagten hält auch der erkennende Senat die im vorliegenden Einzelfall vom SG getroffene Entscheidung im Ergebnis für unrichtig. Entgegen der Rechtsauffassung des SG handelte es sich bei dem am 14. August 2009 durch den Bevollmächtigten der Klägerin gestellten Überprüfungsantrag (betreffend den Bewilligungsbescheid vom 21. Oktober 2005) nicht um einen hinreichend konkretisierten Antrag i.S.d. § 44 SGB X. Schließlich hatte die Klägerin am 14. August 2009 insgesamt zehn gleichlautende und inhaltlich nicht näher konkretisierte Anträge nach § 44 SGB X gestellt, die sich auf den gesamten Leistungszeitraum seit Beginn des SGB II-Leistungsbezugs (Januar 2005) bezogen - und damit gleichzeitig auf die gesamte Zeit seit Inkrafttreten des SGB II. Zwar war jeder einzelne der zehn Überprüfungsanträge für sich genommen hinreichend konkretisiert, da sich jeder Überprüfungsantrag jeweils nur auf einen von der Klägerin konkret benannten Bewilligungsbescheid bezog (vgl. hierzu erneut: BSG, Urteil vom 13. Februar 2014 - B 4 AS 22/13 R -, Rn 15). Da jedoch ein pauschales und auf sämtliche bestandskräftigen Bescheide gerichtetes Überprüfungsbegehren keinen hinreichend konkretisierten Antrag i.S.d. § 44 SGB X darstellt (so dass keine inhaltliche Prüfverpflichtung des SGB II-Leistungsträgers ausgelöst wird, vgl. BSG, Urteil vom 13. Februar 2014, a.a.O.) und dies auch für die Fallkonstellation gilt, dass statt eines (einzigen) pauschalen Überprüfungsantrags mehrere, ebenfalls pauschale und nicht einzelfallbezogene begründete Einzelanträge nach § 44 SGB X hinsichtlich praktisch sämtlicher ergangener Bescheide gestellt werden (vgl. hierzu erneut: Urteile des erkennenden Gerichts vom 25. Februar 2016 - L 11 AS 1392/13 - und vom 12. März 2018 - L 6/9 AS 54/14 -), lösten die zehn Überprüfungsanträge der Klägerin vom 14. August 2009 (betreffend sämtliche Bewilligungsbescheide aus der Zeit von Januar 2005 bis Oktober 2009) keine inhaltliche Prüfpflicht des Beklagten aus. Der Beklagte hat sich vielmehr rechtsfehlerfrei auf die Bestandskraft der ergangenen Bewilligungsbescheide bezogen und eine weitergehende inhaltliche Überprüfung dieser Bescheide abgelehnt. Aufgrund der Rechtmäßigkeit dieser Bescheide hätte das SG die Klage abweisen müssen, anstatt in eine inhaltliche Prüfung des Bewilligungsbescheides vom 21. Oktober 2005 zu treten und weitere SGB II-Leistungen zuzusprechen (vgl. zur Entbehrlichkeit der vorherigen Aufforderung zur Konkretisierung des Überprüfungsbegehrens, wenn - wie im vorliegenden Fall - bereits in dem auf den Überprüfungsantrag ergangene Bescheid dargelegt wurde, dass mangels inhaltlicher Konkretisierung des Überprüfungsbegehrens keine inhaltliche Prüfung des Leistungsanspruchs erfolgt ist: Urteil des erkennenden Senats vom 25. Februar 2016 - L 11 AS 1392/13 -).

Unabhängig von der inhaltlichen Unrichtigkeit des im vorliegenden Verfahren angefochtenen Urteils des SG kann der Senat dem angefochtenen Urteil jedoch keine grundsätzliche Abweichung zur Rechtsprechung der in § 144 Abs 2 Nr 2 SGG genannten Gerichte entnehmen. Vielmehr ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil zweifelsfrei, dass sich das SG sowohl der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 13. Februar 2014, a.a.O.), des erkennenden Senats (Urteil vom 23. Februar 2016 - L 11 AS 1392/13 -) als auch des 6. Senats ausdrücklich angeschlossen hat (Urteil vom 28. Juli 2016 - L 6 AS 1485/13 -). Allein ein Rechtsirrtum (wie z.B. das Missverstehen obergerichtlicher Rechtsprechung, eine fehlerhafte Subsumtion oder eine insgesamt unzutreffende Beurteilung) stellt keine Divergenz i.S.d. § 144 Abs 2 Nr 2 SGG dar (vgl. Leitherer, a.a.O., § 160 Rn 14 m.w.N. - zur Divergenz i.S.d. § 160 Abs 2 Nr 2 SGG).

Die vom Beklagten angefochtene erstinstanzliche Entscheidung divergiert auch nicht von der Entscheidung des 6. Senats des erkennenden Gerichts vom 12. März 2018 - L 6/9 AS 54/14 - (vgl. zum diesbezüglichen Vortrag des Beklagten: Seite 8 der Beschwerdebegründung). Der Beklagte hat in seiner Beschwerdebegründung nicht deutlich gemacht, welcher allgemeine Rechtssatz vom SG aufgestellt worden sein soll, der der Entscheidung des 6. Senats im Grundsätzlichen widersprechen soll. Auch der erkennende Senat kann eine solche Divergenz im Grundsätzlichen nicht benennen. Anders als im vorliegenden Fall bezog sich in der o.g. Entscheidung des 6. Senats der Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X nicht auf einen einzigen Bescheid, sondern auf einen Bewilligungszeitraum, für den im Überprüfungsantrag insgesamt neun Bescheide datumsmäßig benannt wurden - ergänzt um den Zusatz "und alle weiteren Bescheide". Damit war nach Auffassung des 6. Senats das "Verwaltungshandeln - ohne jede Differenzierung - insgesamt zur Überprüfung gestellt worden" (vgl. Urteil des 6. Senats vom 12. März 2018, a.a.O.). Zusätzlich hatte sich im dortigen Fall der Prozessbevollmächtigte der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung auch auf Nachfrage des SG geweigert, die Gründe zu benennen, aufgrund derer aus Sicht der Kläger möglicherweise Leistungen zu Unrecht nicht erbracht worden seien. Erst unter Berücksichtigung dieser Umstände des Einzelfalls ist der 6. Senat von einem nicht hinreichend konkretisierten Überprüfungsantrag i.S.d. § 44 SGB X ausgegangen (unter zusätzlicher Berücksichtigung der gleichzeitig auch noch für andere Bewilligungszeiträume gestellten inhaltsgleichen Überprüfungsanträge). Soweit das SG die Tragweite dieser Entscheidung des 6. Senats nicht erkannt haben sollte, läge ein (einfacher) Rechtsanwendungsfehler vor, der ebenfalls keine Divergenz i.S.d. § 144 Abs 2 Nr 2 SGG begründen würde.

Verfahrensfehler i.S.d. § 144 Abs 2 Nr 3 SGG sind nicht zu prüfen, da es an entsprechenden konkreten Verfahrensrügen fehlt (vgl. zum Erfordernis der ausdrücklichen Geltendmachung und Darlegung eines konkreten Verfahrensmangels im Rahmen des § 144 Abs 2 Nr 3 SGG: BSG, Urteil vom 21. März 1978 - 7/12/7 RAr 41/76 -, SozR 1500 § 150 Nr 11; Urteil vom 15. Mai 1985 - 7 RAr 40/84, SozSich 1985, 346; Leitherer, a.a.O., § 144 Rn 36).

Dass es bei der Abfassung des Urteilstenors offensichtlich zu einem Schreibfehler gekommen ist (" für den Zeitraum 1. bis 30. Dezember 2005 " anstatt " 1. bis 30. November 2005 " stellt ebenfalls keinen Zulassungsgrund dar. Die Beteiligten können ggf. beim SG eine Urteilsberichtigung beantragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).