Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 30.04.2019, Az.: L 9 R 30/18 B

Informationspflicht; Untätigkeitsklage, Sachstandsanfrage, Auskunftsrecht

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
30.04.2019
Aktenzeichen
L 9 R 30/18 B
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 69576
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 28.12.2017 - AZ: S 13 R 914/17

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Liegt ein zureichender Grund für die Überschreitung der Dreimonats- bzw. Sechsmonatsfrist vor, führt der Umstand, dass die Behörde den Antragsteller bzw. Widerspruchsführer darüber nicht informiert hat, nicht zur Begründetheit der Untätigkeitsklage. Eine Pflicht der Behörde, bei Fristüberschreitung und Vorliegen eines zureichenden Grundes den Sachstand mitzuteilen, ist in § 88 SGG nicht geregelt. Eine solche Pflicht ergibt sich auch nicht aus dem Auskunftsanspruch nach § 15 SGB I.

2. Es ist nicht erforderlich, in § 88 SGG eine Mitteilungspflicht der Behörde hineinzuinterpretieren. Sofern ein Antragsteller bzw. Widerspruchsführer nach Ablauf der in § 88 SGG genannten Fristen für sich in Betracht zieht, eine Untätigkeitsklage zu erheben, er aber mangels Kenntnis über den Verfahrensstand die Erfolgsaussichten einer solchen Untätigkeitsklage nicht abschätzen kann, hat er ein entsprechendes Auskunftsinteresse. Er kann dann gegenüber der Behörde den Auskunftsanspruch nach § 15 SGB I geltend machen und nach dem Bearbeitungsstand fragen.

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen den die Gewährung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 28. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren, das eine Untätigkeitsklage zum Gegenstand hatte.

Mit Bescheid vom 18. Juli 2017 (nach Bl. 42 Verwaltungsakte – VA) lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom 23. Februar 2017 (Bl. 1 VA) mit der Begründung ab, dass der Kläger nach ihrer medizinischen Beurteilung noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne. Auch sei der vor dem 2. Januar 1961 geborene Kläger nicht berufsunfähig.

Dagegen erhob der Kläger (vertreten durch die Prozessbevollmächtigten) am 3. August 2017 Widerspruch (Bl. 43 VA). Zur Begründung übersandte er einen Bescheid des Niedersächsischen Landesamtes für Soziales, Jugend und Familie vom 19. Mai 2016 (Bl. 51 VA), mit dem dieses bei dem Kläger ab dem 2. Mai 2016 aufgrund einer Lungenerkrankung (Einzel-GdB 80) und einer Funktionsbehinderung des Schultergelenkes links (Einzel-GdB 20) einen Grad der Behinderung (GdB) von 90 festgestellt hatte, und führte aus, dass er an Lungenkrebs im Stadium der Heilungsbewährung erkrankt und das linke Schultereckgelenk entfernt worden sei. Darüber hinaus habe er Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule. Mit diesen erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen dürfte eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für ihn nicht mehr zumutbar sein. Der Kläger bat die Beklagte um Übersendung des Gutachtens der Dres. G. (Bl. 28 Gutachtenheft – GH), das ihrer Entscheidung zu Grunde lag. Zudem erklärte er, dass er einer Entscheidung binnen der Frist des § 88 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entgegensehe. Wenn der Beklagten eine Entscheidung nicht zeitnah möglich sein sollte, dürfte es ihr wegen des Schutzzwecks des § 88 SGG regelmäßig zumutbar sein, den Sachstand hinsichtlich der Bearbeitung des Widerspruchs vor Ablauf der sich aus § 88 SGG ergebenden Frist mitzuteilen. Hierzu verwies der Kläger auf Beschlüsse des Sozialgerichts Oldenburg aus dem Bereich der Grundsicherung für Arbeitssuchende.

Mit Schreiben vom 22. August 2017 (Bl. 54 VA) übersandte die Beklagte das von dem Kläger angeforderte Gutachten der Dres. G. und bat den Kläger um Begründung des Widerspruchs innerhalb von fünf Wochen. Mit Schreiben vom 31. August 2017 (Bl. 55 VA) teilte der Kläger mit, dass er den Widerspruch bereits begründet habe, und bat um abschließende Entscheidung im Widerspruchsverfahren.

Die Beklagte übersandte die Akte an ihren ärztlichen Dienst, wo sie am 18. September 2017 einging (Bl. 56 GA). Auf Anforderung des ärztlichen Dienstes vom 29. September 2017, der aufgrund bisher fehlender Lungenfunktionsmessung die Einholung eines aktuellen pulmologischen Berichts mit Lungenfunktionstest für notwendig erachtete (Bl. 57 VA), holte die Beklagte von dem den Kläger behandelnden Lungenfacharzt Dr. H. einen Befundbericht ein, den dieser am 2. Oktober 2017 erteilte (Bl. 36 Gutachtenheft – GH).

Am 7. November 2017 hat der Kläger bei dem Sozialgericht Hannover Untätigkeitsklage erhoben und beantragt, die Beklagte zu verpflichten, über den Widerspruch vom 3. August 2017 zu entscheiden. Er habe gegen den „Bescheid der Beklagten vom 19.05.2017“ mit Schreiben vom 3. August 2017 Widerspruch erhoben, über den die Beklagte bis zum heutigen Tage nicht entschieden habe, ohne dass hierfür ein zureichender Grund erkennbar sei, sodass die Untätigkeitsklage zulässig und begründet sei. Zudem hat er beantragt, ihm für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt I. zu bewilligen.

Die sozialmedizinische Beurteilung durch den ärztlichen Dienst der Beklagten ist am 14. November 2017 erfolgt (Bl. 56R VA).

Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2017 (abgesandt am 6. Dezember 2017) hat die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen (Bl. 60 VA).

Mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2017 (Bl. 37 Gerichtsakte – GA) hat die Beklagte eingewendet, dass der Untätigkeitsvorwurf nicht gerechtfertigt sei. Sie habe unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers weitere medizinische Sachaufklärung betrieben. Nach Vorlage der mit Schreiben vom 2. Oktober 2017 übersandten Befundberichte von Herrn Dr. J. und eingehender Prüfung des medizinischen Sachverhalts habe der Widerspruchsausschuss der Beklagten in der Sitzung am 5. Dezember 2017 über den Widerspruch vom 3. August 2017 entschieden.

Der Kläger hat daraufhin den Rechtsstreit für erledigt erklärt und beantragt, die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen (Bl. 45 GA). Nachdem er der Beklagten mit Schreiben vom 31. August 2017 deutlich gemacht habe, dass er um eine Entscheidung bitte, und nachdem er zuvor mit Schreiben vom 3. August 2017 die Beklagte bereits auf die Frist des § 88 Abs. 2 SGG hingewiesen habe, hätte es der Beklagten oblegen, ihn darüber zu unterrichten, dass und gegebenenfalls aus welchem Grund eine Entscheidung innerhalb der Frist des § 88 Abs. 2 SGG nicht möglich sein werde.

Auf den Kostenantrag des Klägers hat das Sozialgericht Hannover mit Beschluss vom 28. Dezember 2017 (Bl. 48 GA) entschieden, dass außergerichtlichen Kosten für die Untätigkeitsklage nicht zu erstatten seien. Zwar habe der Kläger mit der Erhebung des Widerspruchs sogleich darauf hingewiesen, dass er innerhalb der Dreimonatsfrist des § 88 Abs. 2 SGG mit einer Bearbeitung seines Rechtsbehelfs rechne. Allein mit dieser Mitteilung gelinge es dem Kläger jedoch nicht, der Beklagten eine Pflicht zur Erteilung von Zwischenmitteilungen aufzuerlegen bzw. sie zu zwingen, gleichsam eine Fehlanzeige unmittelbar vor Ablauf der Dreimonatsfrist zu erstatten. Vielmehr sei es Aufgabe der Beklagten, das Widerspruchsverfahren zügig und zielgerichtet durchzuführen. Nichts anderes sei vorliegend geschehen. Die Beklagte sei nicht gehalten, den Kläger über jeden einzelnen Bearbeitungsschritt zu unterrichten. Vielmehr sei dem Kläger vor Ablauf der entsprechenden Bearbeitungsfrist des § 88 SGG eine Sachstandsanfrage mit kurzer Fristsetzung zuzumuten. Dies gelte jedenfalls für den Standardfall einer Erwerbsminderungsrente, auf den sich etwaige Erwägungen aus dem Recht der Grundsicherung entsprechend den von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zitierten Entscheidungen nicht übertragen ließen, weil das Recht der Grundsicherung direkt und unmittelbar der Sicherung der Grundbedürfnisse zur Sicherung des Lebensunterhaltes diene und deshalb diese Fälle einer besonders zügigen und schnellen Bearbeitung bedürften, sodass dort möglicherweise strengere Maßstäbe zu gelten hätten.

Mit einem weiteren Beschluss vom 28. Dezember 2017 (Bl. 41 PKH-Heft) hat das Sozialgericht Hannover die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten aus den Gründen des in der Sache ergangenen Kostenbeschlusses vom 28. Dezember 2017 abgelehnt.

Mit der gegen den dem Kläger am 5. Januar 2018 zugestellten (Bl. 53 GA) Beschluss über die Ablehnung von Prozesskostenhilfe eingelegten Beschwerde (Bl. 43 PKH-Heft) hat dieser am 15. Januar 2018 im Wesentlichen ausgeführt, dass es nicht von Bedeutung sei, ob es ihm hätte zugemutet werden können, sich vor Erhebung der Untätigkeitsklage nach dem Stand der Bearbeitung des von ihm erhobenen Widerspruchs bei der Beklagten zu erkundigen.

Der Kläger beantragt ausdrücklich,

ihm für das Verfahren S 13 R 914/17 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt I. zu bewilligen und den Beschluss des Gerichtes vom 28. Dezember 2017 aufzuheben, insoweit er diesem Begehren entgegensteht.

Dem Senat haben die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten vorgelegen. Sie sind Gegenstand der Entscheidung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie frist- und formgerecht (§ 173 SGG) erhoben worden.

Die Beschwerde ist aber unbegründet. Das Sozialgericht hat den von dem Kläger gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt.

Nach § 114 Zivilprozessordnung (ZPO), der gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG auch im Sozialgerichtsverfahren gilt, erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe (PKH), wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Für eine hinreichende Aussicht auf Erfolg genügt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit. Hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung ausgeht. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussicht ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über den PKH-Antrag. Frühestmöglicher Zeitpunkt ist derjenige der Antragstellung (B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG 12. Aufl. 2017, § 73a, Rn. 7 ff.). Die von dem Kläger am 7. November 2017 erhobene Untätigkeitsklage hatte keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit bestand hier nicht.

Die Untätigkeitsklage war zwar zulässig.

Insbesondere kann das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers nicht etwa deshalb verneint werden, weil er sich vor Erhebung der Untätigkeitsklage nicht an die Beklagte gewendet und nach dem Verfahrensstand erkundigt hat.

Die Gerichte haben die Aufgabe, den Beteiligten zu ihrem Recht zu verhelfen, soweit das notwendig ist. Soweit eine Möglichkeit besteht, das Recht außerprozessual durchzusetzen, besteht kein Anlass, die Hilfe des Gerichts zur Verfügung zu stellen. Deswegen besteht der allgemeine Grundsatz, dass niemand die Gerichte unnütz oder gar unlauter in Anspruch nehmen oder ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren zur Verfolgung zweckwidriger und insoweit nicht schutzwürdiger Ziele ausnutzen darf (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, Vor § 51, Rn. 16). Daher setzt jede Rechtsverfolgung ein Rechtsschutzbedürfnis (Rechtsschutzinteresse) voraus, auch wenn das im SGG und in den anderen Verfahrensgesetzen nur vereinzelt zum Ausdruck gebracht worden ist. Diese Sachentscheidungsvoraussetzung begründet sich aus dem auch im Prozessrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB), dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte und dem Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns; prozessuale Rechte dürfen nicht zu Lasten der Funktionsfähigkeit des staatlichen Rechtspflegeapparats missbraucht werden. Während es bei der Klagebefugnis ausschließlich auf die Möglichkeit einer Verletzung der Rechte des Klägers ankommt, ist beim Rechtsschutzinteresse auf die Frage abzustellen, ob angesichts der besonderen Umstände des Falls die Klageerhebung deshalb nicht erforderlich ist, weil der Kläger seine Rechte auf einfachere Weise verwirklichen kann oder die Klage aus anderen Gründen unnütz ist (a.a.O., Rn. 16a).

Mit einer vorherigen Erkundigung nach dem Sachstand hätte der Kläger sein Recht auf Bescheiderlass nicht verwirklichen können. Auch sind keine anderen Gründe ersichtlich, weshalb die von ihm erhobene Untätigkeitsklage unnütz und damit unzulässig gewesen sein sollte.

Bei der Erkundigung nach dem Sachstand vor Erhebung einer Untätigkeitsklage geht es um eine Auskunft (§ 15 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – SGB I) darüber, ob ein „zureichender Grund“ im Sinne von § 88 Abs. 1 Satz 2 SGG dafür vorliegt, dass der Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist. Das Nichtvorliegen eines zureichenden Grundes stellt keine Prozessvoraussetzung (Zulässigkeitsvoraussetzung) dar, sondern eine Sachurteilsvoraussetzung (Begründetheit; B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 88, Rn. 6). § 15 SGB I begründet einen Anspruch auf Auskunft (Öndül, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Auflage 2018, § 15 SGB I, Rn. 38; Seewald, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 101. EL September 2018, § 15, Rn. 13). Der Auskunftsanspruch umfasst gemäß § 15 Abs. 2 SGB I „alle Sach- und Rechtsfragen, die für die Auskunftssuchenden von Bedeutung sein können und zu deren Beantwortung die Auskunftsstelle imstande ist“. Der Anspruch auf Auskunft darüber, ob ein zureichender Grund im Sinne von § 88 Abs. 1 Satz 2 SGG vorliegt, ist unabhängig von dem in § 88 SGG geregelten Anspruch auf fristgemäße Bescheiderteilung. Bei Unterlassen der beantragten Auskunft kann der Auskunftsanspruch eigenständig mit einer Leistungsklage verfolgt werden (Seewald, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 101. EL September 2018, § 15, Rn. 13, Rn. 43). Mit der Erfüllung des Auskunftsanspruchs durch Mitteilung über den Verfahrensstand hat ein Antragsteller bzw. Widerspruchsführer im Hinblick auf sein in § 88 SGG geregeltes Recht auf fristgemäße Bescheiderteilung allerdings noch nichts erreicht. Mit seiner Erkundigung nach dem Sachstand kann er daher sein Recht aus § 88 SGG nicht auf einfachere Weise verwirklichen. Die Erkundigung nach dem Sachstand macht eine Untätigkeitsklage damit auch nicht aus anderen Gründen unnütz und damit unzulässig. Vor diesem Hintergrund lässt sich ein Rechtsschutzbedürfnis nicht deshalb verneinen, weil der Antragsteller bzw. Widerspruchsführer sich vor Erhebung der Untätigkeitsklage nicht bei der Behörde nach dem Sachstand erkundigt hat.

Die Untätigkeitsklage war auch im Übrigen zulässig: Gemäß § 88 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 2 SGG ist eine Untätigkeitsklage nicht vor Ablauf von drei Monaten seit Erhebung des Widerspruchs zulässig. Über den Widerspruch des Klägers vom 3. August 2017 gegen den Bescheid der Beklagten vom 18. Juli 2017 hatte die Beklagte bei Klageerhebung am 7. November 2017 nicht innerhalb von drei Monaten entschieden.

Die Untätigkeitsklage war aber unbegründet. Für die hier vorliegende Verzögerung lag ein zureichender Grund vor.

Gemäß § 88 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 2 SGG setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, wenn ein zureichender Grund dafür vorliegt, dass über den Widerspruch noch nicht entschieden worden ist.

Ob ein zureichender Grund vorliegt, muss unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Dabei sind auch die Garantien des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) und des Rechts auf Entscheidung innerhalb angemessener Frist gemäß Art. 6 Abs. 1 Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) zu berücksichtigen. Ein zureichender Grund für eine fehlende Entscheidung innerhalb der Frist können z.B. besondere Schwierigkeiten, insbesondere hinsichtlich des Sachverhalts (z.B. Notwendigkeit von Sachverständigengutachten) sein, wobei die Behörde die zur Beschleunigung erforderlichen Maßnahmen zu treffen hat (B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 88, Rn. 7a).

Unter Berücksichtigung der vorliegenden Umstände lag ein zureichender Grund dafür vor, dass die Beklagte über den Widerspruch des Klägers vom 3. August 2017 gegen den Bescheid der Beklagten vom 18. Juli 2017 erst vier Monate nach Widerspruchserhebung am 5. Dezember 2017, und damit einen Monat nach Ablauf der Dreimonatsfrist (§ 88 Abs. 2 SGG) entschieden hat. Zu beanstandende Untätigkeitszeiten sind nicht ersichtlich.

Auf den Widerspruch des Klägers vom 3. August 2017, mit dem dieser um Übersendung des Gutachtens der Dres. G. bat, übersandte die Beklagte dieses Gutachten mit Schreiben vom 22. August 2017 und bat den Kläger um Begründung des Widerspruchs innerhalb von fünf Wochen. Zwischen diesen beiden Tagen liegen zwölf Arbeitstage. Da eine Behörde nicht sofort nach Eingang des Widerspruchs nach außen hin tätig werden kann und es eine gewisse Zeit benötigt, bis der Widerspruch dem zuständigen Bearbeiter vorliegt, dieser evtl. zuvor auch noch weitere ältere Vorgänge zu bearbeiten und das weitere Vorgehen nach Erhebung des Widerspruchs zu überprüfen hat, hält der Senat den Bearbeitungszeitraum vom 3. August 2017 bis 22. August 2017 nicht für unverhältnismäßig lang.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte mit ihrem Schreiben von 22. August 2017 den Kläger aufgefordert hat, den Widerspruch zu begründen, obwohl der Kläger bereits mit seinem Widerspruch vom 3. August 2017 eine Begründung vorgelegt hatte. Denn der Kläger hatte in dem Widerspruchsschreiben das Gutachten der Dres. G. angefordert, sodass die Beklagte davon ausgehen durfte, dass der Kläger nach Kenntnisnahme dieses Gutachtens weiter vortragen würde.

Auf die Bitte des Klägers mit Schreiben vom 31. August 2017, eine abschließende Entscheidung im Widerspruchsverfahren zu treffen, übersandte die Beklagte den Vorgang an ihren ärztlichen Dienst, wo der Vorgang am 18. September 2017 einging, und der am 29. September 2017 um Einholung eines Befundberichts bat. Eine unverhältnismäßig lange Bearbeitungszeit lässt sich auch hier nicht feststellen. Die Beklagte war aufgrund des Widerspruchs im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht (§ 20 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – SGB X) gehalten, den medizinischen Sachverhalt zu ermitteln. Dass sie sich dafür eines sachverständigen ärztlichen Dienstes bedient hat und dass der Verwaltungsweg dorthin und die Bearbeitung dort eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, ist nachvollziehbar. Ein unverhältnismäßig langer Bearbeitungszeitraum ist nicht ersichtlich.

Auf den eingeholten Befundbericht vom 2. Oktober 2017 erfolgte die sozialmedizinische Beurteilung durch den ärztlichen Dienst am 14. November 2017. Da mit der Erhebung des Widerspruchs die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides insgesamt und damit auch die bisherige medizinische Beurteilung der nochmaligen Prüfung unterzogen wird, musste der ärztliche Dienst den gesamten medizinischen Sachverhalt unter Einbeziehung des neu eingeholten Befundberichts erneut prüfen. Unter Berücksichtigung eines normalen Verwaltungsgangs ist auch der Bearbeitungszeitraum zwischen Eingang des Befundberichts und der medizinischen Stellungnahme des ärztlichen Dienstes nicht unverhältnismäßig lang.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2017 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Auch zwischen der Stellungnahme des ärztlichen Dienstes und dem Erlass des Widerspruchsbescheides liegt keine unverhältnismäßig lange Bearbeitungsdauer.

Zusammenfassend liegt aufgrund der im Widerspruchsverfahren durchgeführten medizinischen Ermittlungen ein zureichender Grund dafür vor, dass die Dreimonatsfrist hier um gut einen Monat überschritten worden ist.

Dass die Beklagte den Kläger nicht darüber informiert hat, dass sie aufgrund weiterer Ermittlungen die Dreimonatsfrist nicht einhalten könne, führt nicht dazu, dass sie diese Frist ohne zureichenden Grund überschritten hat und damit die Untätigkeitsklage begründet war.

Eine solche Mitteilungspflicht ergibt sich nicht aus § 88 SGG. Darin ist nur geregelt, dass nach Fristablauf bei Fehlen eines zureichenden Grundes ein Anspruch auf Bescheiderlass besteht. Voraussetzung für eine Verpflichtung zum Bescheiderlass ist also das Fehlen eines zureichenden Grundes. Eine Pflicht, bei Fristüberschreitung und Vorliegen eines zureichenden Grundes den Sachstand mitzuteilen, ist dagegen in § 88 SGG nicht geregelt.

Eine solche Verpflichtung ergibt sich auch nicht aus dem Auskunftsanspruch nach § 15 SGB I. Denn dieser setzt nach § 15 Abs. 2 Halbsatz 2 SGB I („Sach- und Rechtsfragen“) eine konkrete Frage voraus. Danach besteht kein Anspruch auf Auskunft ohne konkretes Ersuchen. Eine sogenannte Spontanauskunft kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, nämlich dann, wenn aufgrund der konkreten Umstände ein Auskunftsinteresse offensichtlich ist (vgl. Öndül, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl. 2018, § 15 SGB I, Rn. 42). Das ist bei der bloßen Möglichkeit, eine Untätigkeitsklage wegen Ablaufs der Dreimonatsfrist bzw. Sechsmonatsfrist zu erheben, nicht der Fall. Denn eine Behörde kann nicht davon ausgehen, dass jeder Antragsteller bzw. Widerspruchsführer bei Überschreiten der Fristen nach § 88 SGG Untätigkeitsklage erheben wird. Und selbst wenn man in einem solchen Fall eine Verletzung einer Pflicht zur Spontanauskunft bejahen würde, würde sich dadurch nichts daran ändern, dass nach § 88 SGG die Untätigkeitsklage allein dann begründet ist, wenn kein zureichender Grund vorliegt. Rechtsfolge einer Auskunftspflichtverletzung kann offensichtlich nicht die Erweiterung einer gesetzlichen Regelung – hier § 88 SGG – sein. Als Rechtsfolgen einer Auskunftspflichtverletzung kommen Amtshaftungsansprüche, der sozialrechtliche Herstellungsanspruch sowie die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht (Öndül, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl. 2018, § 15 SGB I, Rn. 46). So könnte man allenfalls unter Heranziehung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs bei einer Kostenentscheidung nach § 193 SGG, bei der auch Veranlassungsgesichtspunkte zu berücksichtigen sind, zu dem Schluss kommen, dass der Behörde Verfahrenskosten aufzuerlegen sind, weil bei erteilter Auskunft über den Verfahrensstand eine Untätigkeitsklage nicht erhoben worden wäre. Für die Begründetheit der Untätigkeitsklage ist dieser Aspekt aus den oben genannten Gründen jedoch nicht beachtlich.

Sofern ein Antragsteller bzw. Widerspruchsführer nach Ablauf der in § 88 SGG genannten Fristen für sich in Betracht zieht, eine Untätigkeitsklage zu erheben, er aber mangels Kenntnis über den Verfahrensstand die Erfolgsaussichten einer solchen Untätigkeitsklage naturgemäß nicht abschätzen kann, hat er ein entsprechendes Auskunftsinteresse und kann gegenüber der Behörde den Auskunftsanspruch nach § 15 SGB I geltend machen und nach dem Bearbeitungsstand fragen. Es ist daher auch gar nicht erforderlich, in § 88 SGG eine dort nicht geregelte Mitteilungspflicht der Behörde hineinzuinterpretieren.

Soweit für den – hier nicht vorliegenden – Fall einer kurzfristigen Überlastung der Behörde im Zusammenhang mit dem zureichenden Grund verlangt wird, dass die Behörde dem Antragsteller/Widerspruchsführer die Verzögerungsgründe substantiiert darzulegen, Beschleunigungsmaßnahmen zu ergreifen und ihm aufzuzeigen habe, wann er voraussichtlich mit der Bescheidung rechnen könne (Michael Wolff-Dellen in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 88, Rn. 11 mit Verweis auf Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. März 2007 – L 17 B 26/06 U –, juris Rn. 10; Claus in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 88 SGG, Rn. 39 mit Verweis auf Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 15. Februar 2008 – L 7 B 184/07 AS –, juris Rn. 19; B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 88, Rn. 7a mit Verweis auf u.a. Landessozialgericht für das Land Niedersachsen, Beschluss vom 31. Mai 2001 – L 8 B 105/01 AL –, juris, Rn. 13 sowie NdsRpfl 01, 387), kann dies aus den oben genannten Gründen nicht überzeugen. Es wird in den oben genannten Fundstellen auch nicht begründet, weshalb die Behörde verpflichtet sein sollte, den Verfahrensstand mitzuteilen. Ebenso wenig geht aus den oben genannten Fundstellen hervor, ob diese Mitteilung auch ungefragt erfolgen soll. Es wird außerdem nicht begründet, weshalb entgegen dem Wortlaut von § 88 SGG die Behörde sich bei Vorliegen eines zureichenden Grundes durch eine Verfahrensstandmitteilung exkulpieren müsse (so LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. März 2007 – L 17 B 26/06 U –, juris Rn. 10).

Weshalb sich die oben erwähnte Auffassung nur auf eine Verzögerung wegen einer kurzfristigen Arbeitsüberlastung, nicht aber auf Fälle mit weiterem medizinischen Ermittlungsbedarf bezieht, ergibt sich aus den oben genannten Fundstellen nicht. Eine Erklärung könnte sein, dass bei streitigen medizinischen Sachfragen eine längere Bearbeitungszeit zu erwarten ist.

Es liegen auch keine besonderen Umstände vor („unter Umständen Zwischenbescheid geben muss“, B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 88, Rn. 7a), die hier die Beklagte dazu hätten veranlassen müssen, dem Kläger den Verfahrensstand mitzuteilen. Der Hinweis des Klägers bei Widerspruchserhebung auf § 88 SGG ist kein solcher Umstand. Wie bereits oben ausgeführt, setzt § 15 Abs. 2 Halbsatz 2 SGB I eine konkrete Frage voraus. Bezogen auf § 88 SGG muss die konkrete Frage auf den aktuellen Verfahrensstand kurz vor oder nach Ablauf der Dreimonatsfrist bzw. Sechsmonatsfrist gerichtet sein. Denn das Auskunftsinteresse besteht darin, in Erfahrung zu bringen, ob ein zureichender Grund für die Verzögerung vorliegt oder nicht. Der Antragsteller bzw. Widerspruchsführer möchte wissen, ob eine beabsichtigte Untätigkeitsklage begründet wäre. Dazu muss er wissen, ob es einen zureichenden Grund für die Verzögerung gibt. Erst ab einem Zeitpunkt kurz vor Ablauf der in § 88 SGG genannten Fristen ist für die Behörde konkret absehbar, dass und aus welchen Gründen eine Überschreitung der in § 88 SGG genannten Fristen zu erwarten ist. Erst dann stellt sich für den Antragsteller bzw. Widerspruchsführer die Frage, ob er eine Untätigkeitsklage erheben soll. Der konkrete in § 15 Abs. 2 Halbsatz 2 SGB I geregelte Auskunftsanspruch (s.o.) kann folglich bei Widerspruchserhebung durch den Kläger noch nicht bestanden haben, sodass der abstrakte Hinweis des Klägers auf § 88 SGG bei Erhebung des Widerspruchs unerheblich ist. Es bestand im vorliegenden Fall auch kein Anspruch auf die oben genannte Spontanauskunft. Bei dieser handelt es sich zwar auch um einen konkreten Auskunftsanspruch. Dieser Anspruch besteht aber auch ohne ausdrückliche Geltendmachung, wenn aufgrund der konkreten Umstände ein Auskunftsinteresse offensichtlich ist (s.o.). Aus dem Umstand, dass der Kläger in seinem Widerspruch abstrakt auf § 88 SGG und eine (vermeintlich bestehende) Pflicht, den Verfahrensstand mitzuteilen, hingewiesen hat, war in der konkreten Situation vor Ablauf der Dreimonatsfrist für die Beklagte nicht ersichtlich, dass der Kläger tatsächlich in der konkreten Situation vor Ablauf der Dreimonatsfrist den Verfahrensstand erfahren wollte. Ein konkretes Auskunftsbegehren, welches nach § 15 Abs. 2 Halbsatz 2 SGB I notwendig ist, geht aus dieser situationsunabhängigen Wissensmitteilung nicht hervor, weil sich bei Erhebung des Widerspruchs die Frage, ob ein zureichender Grund vorliegt und damit eine Untätigkeitsklage unbegründet ist, noch gar nicht stellt.

Zusammenfassend ist es für die Begründetheit einer Untätigkeitsklage unerheblich, ob die Behörde vor Erhebung der Untätigkeitsklage dem Antragsteller/Widerspruchsführer den Bearbeitungsstand des Antrags- bzw. Widerspruchsverfahrens mitgeteilt hat. Die Frage, ob im Rahmen einer Kostenentscheidung nach § 193 SGG unter Berücksichtigung des Veranlassungsprinzips etwas anderes gilt, war hier nicht zu entscheiden, und konnte vom Senat daher offengelassen werden. Dagegen spricht aber, dass für die Kostenentscheidung nach § 193 SGG bei Erledigung des Rechtsstreits ohne gerichtliche Entscheidung grundsätzlich die Erfolgsaussichten einer Klage maßgeblich sind (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 193, Rn. 13) und nach Auffassung des Senats eine generelle Mitteilungspflicht über den Bearbeitungsstand nicht besteht (s.o.; so im Ergebnis auch der 10. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen, vgl. Beschuss vom 30. November 2004 – L 10 B 43/04 RI- m. w. N., sowie Beschlüsse vom 27. November 1997 – L 10 B 155/97 RI – und vom 8. Januar 1998 – L 10 B 275/97 RI -).

Andererseits kann nicht schon für die Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage verlangt werden, dass sich der Antragsteller/Widerspruchsführer vor Erhebung der Untätigkeitsklage nach dem Verfahrensstand erkundigt (s.o.).

Dass keine Pflicht besteht, sich vor Erhebung einer Untätigkeitsklage nach dem Verfahrensstand zu erkundigen, lässt sich allerdings wenig überzeugend damit begründen, dass nicht ersichtlich sei, dass eine solche in Rechtsprechung und Literatur vertreten werde, und sich eine solche zusätzliche Voraussetzung auch nicht in § 88 SGG hineinlesen lasse, weil die Vorschrift davon ausgehe, dass nach dem Ablauf der Wartefrist ohne weitere Voraussetzungen Klage erhoben werden könne und dass es in der Hand der Behörde liege, eine Bescheidung in der gesetzlichen Frist sicherzustellen (so Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07. Februar 2013 – L 9 AL 367/12 B –, juris Rn. 5; Claus, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 88 SGG, Rn. 24). Mit dieser Begründung müsste auch bei jeder Klageart ein Rechtsschutzbedürfnis als Prozessvoraussetzung verneint werden, weil dieses für keine Klageart gesetzlich geregelt ist (s.o.). Dass das Rechtsschutzbedürfnis aber Prozessvoraussetzung bei allen Klagearten ist, dürfte niemand ernsthaft in Zweifel ziehen. Aus § 88 SGG ergibt sich auch nicht, dass der Ablauf der Wartefrist alleinige Zulässigkeitsvoraussetzung ist. Geregelt ist nur, dass die Klage „nicht vor Ablauf von sechs Monaten“ (bzw. drei Monaten) zulässig ist. Die Klage darf also nicht vor Ablauf der in § 88 SGG geregelten Fristen erhoben werden. Geregelt wird mithin nur eine Mindestanforderung für die Untätigkeitsklage, die eine besondere Form der Verpflichtungsklage (Bescheidungsklage) darstellt. Damit werden die allgemein für alle Klagearten geltenden Prozessvoraussetzungen nicht obsolet.

Kosten sind nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.

Diese Entscheidung ist nach § 177 SGG unanfechtbar.