Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 21.09.2015, Az.: 5 U 123/15

Auskunftsansprüche des mutmaßlichen Opfers einer Denunziation

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
21.09.2015
Aktenzeichen
5 U 123/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 31333
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2015:0921.5U123.15.0A

Fundstelle

  • NZG 2015, 6

Gründe

I.

Der Kläger, ehemals Vorstand der Volksbank H., nimmt die Beklagte, eine Mitarbeiterin der Volksbank H., auf Auskunft in Anspruch. Dem Kläger ist seinerzeit von der Volksbank ordentlich gekündigt worden, nachdem bei Staatsanwaltschaft und Polizei anonyme Anzeigen eingegangen waren, nach denen er namentlich genannte Mitarbeiterinnen - unter ihnen die Beklagte - sexuell belästige. Das Ermittlungsverfahren ist nach Vernehmung der Mitarbeiterinnen seinerzeit eingestellt worden, weil die von den Mitarbeitern bekundeten Handlungen und Bemerkungen nicht die Qualität einer sexuellen Nötigung gehabt hätten. Gleichwohl ist dem Kläger durch seinen Arbeitgeber unmittelbar im zeitlichen Zusammenhang mit der Anzeige ordentlich gekündigt worden. Der Kläger behauptet, dass die anonyme Anzeige gleichwohl den Grund für die Kündigung gebildet habe und möchte Schadensersatzansprüche gegen den Anzeigenerstatter / die Anzeigenerstatterin geltend machen. Er behauptet, die Beklagte wisse, wer die Anzeige erstattet habe. Die Beklagte bestreitet dies.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung.

Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweisbeschluss und Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Berufung unter Kostengesichtspunkten binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses.

II.

Der Senat lässt sich bei seiner Absicht, nach § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren, von folgenden Überlegungen leiten:

Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Der Senat tritt dem Landgericht in der Beurteilung bei, dass dem Kläger ein Auskunftsanspruch nicht zusteht.

Grundsätzlich gibt es keine allgemeine, nicht aus besonderen Rechtsgründen abgeleitete Auskunftspflicht (Staudinger-Bittner, § 260 BGB (2014) Rn.18.). Demgemäß verschaffte der Umstand, dass die Beklagte über Kenntnisse verfügen soll, auf die der Kläger angewiesen zu sein glaubt, dem Kläger keinen Anspruch (vgl. Staudinger aaO.).

Weitergehende besondere Rechtsgründe, die abweichend von dem eingangs genannten Grundsatz, dem Kläger vorliegend einen Auskunftsanspruch verschaffen könnten, sind nicht ersichtlich.

Anerkannt ist ein Auskunftsanspruch, wenn er zur Vorbereitung eines Leistungsanspruchs gegen den Auskunftsschuldner benötigt wird, der Gläubiger sich die Kenntnis in keiner anderen Weise verschaffen kann und der Schuldner die Auskunft unschwer erteilen kann.

Dieser Fall ist vorliegend deswegen nicht gegeben, weil dem Kläger kein Leistungsanspruch gegen die Beklagte zusteht, welchem der Auskunftsanspruch als vorbereitender Nebenanspruch zugeordnet werden könnte. Der Klägervortrag ergibt keine unerlaubte Handlung der Beklagten. Der Senat nimmt Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts.

Aber auch die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise ein aus § 242 BGB abgeleiteter Auskunftsanspruch angenommen wird, der sich gegen einen Dritten richtet, der nicht Gegner des Hauptanspruchs ist (vgl. Einzelbeispiele bei Palandt-Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 260 Rn.9), liegen nicht vor, weil es zwischen dem Kläger und der Beklagten an der rechtlichen Sonderbeziehung fehlt, die es nach Treu und Glauben geboten erscheinen ließe, dass die Beklagte - Kenntnis unterstellt - dem Beklagten Auskunft erteilen müsste. Entgegen der offenbar vom Kläger gehegten Meinung verzichtet die Rechtsprechung - auch in den vom Kläger angeführten Entscheidungen - keineswegs auf dieses Erfordernis (vgl. BGH Urteil vom 01.10.2009 I ZR 94/07 - Oracle zitiert nach Juris Rn. 27 ff: Ansprüche nach §§ 3, 6 UWG; BGH Urteil vom vom 24.03.1994 I ZR 42/93 - Cartier-Armreif zitiert nach Juris Rn.24 ff: wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz aus § 1 UWG; BGH Urteil vom 17.05.2001 I ZR 291/98 - Entfernung der Herstellungsnummer II zitiert nach Juris Rn.30: Verstoß gegen § 1 UWG i.V.m. § 4 I KosmetikVO). Dieses besondere Rechtsverhältnis kann z.B. aus einem Wettbewerbsverstoß (s. BGH aaO.), einem Energieversorgungsvertrag (vgl. LG Berlin NJW 1982, 2782 [BGH 17.05.1982 - AnwZ (B) 5/82]), aus der rechtsgeschäftsähnlichen Sonderverbindung zwischen Hausverwaltungsgesellschaft und Mieter (vgl. AG Köln NJW-RR 1989, 269 [AG Köln 08.11.1988 - 212 C 189/88]) oder dem Vertragsverhältnis zwischen Krankenhausträger und Patienten (vgl. OLG Düsseldorf NJW 1984, 670 [OLG Düsseldorf 28.07.1983 - 8 U 22/83]) im Einzelfall hergeleitet werden (vgl. weitere Fälle bei Grüneberg aaO.). In jedem Fall ist indessen eine besondere Rechtsbeziehung des Auskunftsgläubigers zum Dritten erforderlich, die im Einzelfall ausnahmsweise die Auskunft nach § 242 BGB geboten erscheinen lässt.

Eine solche besondere Rechtsbeziehung besteht zwischen den Parteien nicht, insbesondere begründet der Umstand, dass beide Parteien mit dem gleichen Arbeitgeber Arbeitsverträge abgeschlossen hatten und in der gleichen Filiale gearbeitet haben, eine solche Sonderbeziehung nicht. Wollte man dies ausreichen lassen, könnte jeder seine Kollegen auf Auskunft in Anspruch nehmen; abgesehen davon, dass dieses Ergebnis in seiner Weite und Allgemeinheit völlig unverhältnismäßig wäre, führte diese Annahme auch zu einer nahezu uferlosen Ausweitung des Anspruchs auf Drittauskunft, die mit dem strengen Ausnahmecharakter dieses Anspruchs nicht vereinbar wäre.