Landgericht Braunschweig
Urt. v. 27.12.1995, Az.: 12 S 101/95
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 27.12.1995
- Aktenzeichen
- 12 S 101/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 33659
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGBRAUN:1995:1227.12S101.95.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Salzgitter - 18.08.1995 - AZ: 12a C 668/95
In dem Rechtsstreit
...
hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 1995 durch den Präsidenten des Landgerichts ... die Richterin am Landgericht ... und die Richterin am Landgericht ... für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Salzgitter vom 18.8.1995 abgeändert und die wie folgt neu gefaßt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4 503,00 DM zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte zu 82 %, 18 % trägt die Klägerin.
Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz auf 5 472,00 DM festgesetzt.
Von der Darstellung des
Tatbestand
wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat hinsichtlich des Zahlungsanspruches überwiegend Erfolg. Im übrigen ist sie unzulässig, § 519 ZPO.
Der Klägerin steht gemäß § 765 BGB in Verbindung mit § 11 Ziffer 8 des Heimvertrages ein Vergütungsanspruch gegen den Beklagten für die Zeit vom ... bis ... zu. Ein Zahlungsanspruch ist im Verhältnis zu dem am ... verstorbenen ... entstanden. Denn ausweislich § 11 Ziffer 8 des Vertrages ist das Vertragsverhältnis erst zum Ende desjenigen Monats beendet worden, der auf den Sterbemonat gefolgt ist. Zwar konnte der Verstorbene mit Eintritt seines Todes nicht mehr Vertragspartner der Klägerin sein. Denn mit dem Tod endet die Rechtsfähigkeit und damit auch die Fähigkeit, Adressat von Verpflichtungen zu sein. Der Verstorbene hat sich jedoch zu seinen Lebzeiten wirksam verpflichtet, für die vor seinem Tod entstandene, wenn auch erst nach seinem Ableben fällig werdende, Vergütungsforderung der Klägerin aufzukommen.
Die Regelung des § 11 Ziffer 8 Abs. 1 des Heimvertrages ist nicht unwirksam wegen Verstoßes gegen Vorschriften des AGB-Gesetzes, namentlich § 10 Nr. 7 oder 11 Nr. 5 AGBG in Verbindung mit § 6 AGBG. Zwar hat die Klägerin durch den Verweis auf die Pauschalregelung des § 9 des Heimvertrages keine angemessene Regelung zur Festsetzung der Höhe der von ihr ersparten Aufwendungen getroffen, wie unten auszuführen sein wird. Die Frage, ob unter bestimmten Bedingungen überhaupt Vergütung oder Aufwendungsersatz zu entrichten sind, bleibt hiervon jedoch unberührt; denn die Kontrolle des Anspruchsgrundes richtet sich nicht nach § 10 Nr. 7 oder 11 Nr. 5 AGBG (vgl. Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 3. Aufl., § 10 Rz. 21). Die Unwirksamkeit der gesamten Fortsetzungsklausel ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht wegen Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der einschlägigen Gesetzesvorschriften aus § 9 AGBG. Denn § 11 Ziffer 8 Satz 1 u. 2 des Vertrages weichen nicht von der einschlägigen gesetzlichen Bestimmung des Heimgesetzes ob. Zwar sieht § 4b Abs. 8 Satz 1 Heimgesetz eine Beendigung des Vertragsverhältnisses beim Tod des Heimbewohners vor. In Satz 2 der Vorschrift werden hiervon abweichende vertragliche Vereinbarungen jedoch ausdrücklich für zulässig erklärt mit der in Satz 3 der Vorschrift angeordneten Folge, daß sich das vereinbarte Entgelt in diesen Fällen um den Wert der vom Heimträger ersparten Aufwendungen ermäßigt. Anders als der Beklagte meint, läßt sich der Vorschrift des § 4b Abs. 8 Heimgesetz somit gerade keine Mißbilligung von Fortsetzungsklauseln der hier vorliegenden Art entnehmen. Die Vereinbarung einer solchen Klausel kann nicht wegen Abweichung von wesentlichen Grundsätzen des Gesetzes als den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligend beurteilt werden. Auch ist nach der gesetzlichen Regelung der Abzug der ersparten Aufwendungen von der nach dem Tod des Heimbewohners zu zahlenden Vergütung nicht etwa eine Wirksamkeitsbedingung für die Fortsetzungsklausel des § 4b Abs. 8 Satz 2 Heimgesetz, sondern umgekehrt deren gesetzliche Folge, an der in Allgemeinen Geschäftsbedingungen etwa getroffene abweichende Regelungen sich messen lassen müssen. Der entgegengesetzten Argumentation des Landgerichts Düsseldorf (vgl. NJW RR 1991, 184f.) vermag die Kammer nicht zu folgen. Sie ist überdies unvereinbar mit dem in § 6 AGBG verankerten Grundsatz, wonach prinzipiell nur die unangemessene Klausel selbst der gerichtlichen Inhaltskontrolle zum Opfer fällt, während andere Allgemeine Geschäftsbedingungen aufrechterhalten bleiben, soweit sie selbst inhaltlich unbedenklich, aus sich selbst heraus verständlich und sprachlich und inhaltlich teilbar sind, selbst wenn sie den gleichen Sachverhaltskomplex betreffen (vgl. Palandt-Heinrichs, 53. Aufl., Vorbem. vor § 8 AGBG Rz. 11 m.w.N.). Diese Voraussetzungen treffen für die inhaltlich der gesetzlichen Vorschrift. des § 4b Abs. 8 Satz 2 bis 3 Heimgesetz entsprechenden Regelungen in § 11 Ziffer 8 Satz 1 u. 2 des Heimvertrages zu.
Für den dem Grunde nach im Verhältnis zu dem verstorbenen ... entstandenen Vergütungsanspruch haftet der Beklagte aus Bürgschaft, § 765 BGB. Durch schriftlichen Vertrag vom ... hat er die selbstschuldnerische Bürgschaft für die Forderungen der Klägerin gegen den verstorbenen ... übernommen. Der Beklagte hat seine auf den Abschluß des Bürgschaftsvertrages gerichtete Willenserklärung insbesondere nicht wirksam angefochten, §§ 119, 142 BGB. Denn es ist nicht ersichtlich, daß er sich bei Unterzeichnung der Bürgschaftsurkunde über deren Inhalt geirrt hätte. Die bloße Unkenntnis über den Umfang der aus dem Bürgschaftsversprechen tatsächlich folgenden Inanspruchnahme berechtigt als bloßer Motivirrtum nicht zur Anfechtung.
Der Zahlungsanspruch der Klägerin ist jedoch nur in Höhe von 4 503,00 DM (38 × 118,50 DM) entstanden. Denn die Klägerin muß sich einen Abzug von 9,50 DM von ihrem Tagessatz gefallen fassen, § 287 ZPO, § 11 Ziffer 8 Satz 2 des Heimvertrages. Die von ihr in Bezug genommene, ihr günstigere, Pauschalregelung des § 8 Ziffer 8 Satz 3 in Verbindung mit § 9 des Heimvertrages ist wegen Verstoßes gegen §§ 10 Nr. 7 bzw. 11 Nr. 5 in Verbindung mit § 6 AGBG unwirksam. Die Vorschrift des § 10 Nr. 7 AGB ist auf alle Entgeltansprüche entsprechend anwendbar, die dem Verwender nach gesetzlichen oder vertraglichen Regelungen bei einer vorzeitigen Beendigung des Vertrages zustehen (vgl. Palandt/Heinrichs, § 10 AGBG, Rz. 34). Die pauschale Bemessung der Höhe der von der Klägerin nach dem Tod eines Heimbewohners ersparten Aufwendungen ist mit 8,- DM unangemessen niedrig. Denn auf der Grundlage ihrer eigenen Angaben liegt die nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu erwartende Einsparung bei Fehlen eines Heimbewohners mehr als 10 % oberhalb der von ihr zugrundegelegten Pauschale (vgl. Palandt/Heinrichs, § 11, Rz. 26). Unter Zugrundelegung der Angaben der Klägerin zu den von ihr irn einzelnen ersparten Aufwendungen ist eine tägliche Ersparnis von 9,50 DM realistisch, § 287 ZPO. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte sind die Ersparnisse bei Lebensmitteln und Beköstigung mit dem kalkulatorischen Jahrensdurchschnittswert von 8,67 DM zugrunde zu legen. Hinzu kommen 0,30 DM für Wasser- und Energieverbrauch. Unabhängig von den in einem Mehrbettzimmer einheitlich anfallenden Heiz- und Lichtkosten dürften insoweit rund 0,10 DM pro Tag für individuell nutzbare Lichtquellen und weitere individuell genutzte Elektrogeräte in Ansatz zu bringen sein sowie 0,20 DM für ersparten Wasserverbrauch in Form von Toilettenspülung, Duschen, Baden, Waschen etc. Daneben ist eine Einsparung pro Tag für sonstigen Wirtschaftsbedarf in Ansatz zu bringen, der angesichts des relativ hohen kalkulatorischen Betrages von 2,55 DM der Klägerin mit 0,50 DM angemessen erfaßt scheint Aufgerundet ergibt dies 9,50 DM.
Die weitergehende Berufung ist unzulässig, § 519 ZPO. Denn hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Zinsanspruches und des Auskunftsanspruches ist die Berufung nicht begründet worden. Die pauschale Bezugnahme auf den in erster Instanz gehaltenen Vortrag ist nicht geeignet, die fehlende Berufungsbegründung zu ersetzen (vgl. Zöller-Schneider, ZPO, 16. Aufl., § 5199, Rz. 40).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Die Streitwertfestsetzung auf § 3 ZPO.