Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 21.03.1994, Az.: 7 W 12/94
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 21.03.1994
- Aktenzeichen
- 7 W 12/94
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1994, 25351
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1994:0321.7W12.94.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Nienburg - 16.11.1993 - AZ: 1 Lw 10/93
In der Landwirtschaftssache
betreffend die Feststellung der im Grundbuch von . ehemals ., jetzt Blatt . eingetragenen landwirtschaftlichen Besitzung
hat der 7. Zivilsenat -; Senat für Landwirtschaftssachen -; des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ., den Richter am Oberlandesgericht . und die Richterin am Oberlandesgericht . als Berufsrichter sowie die Landwirte . und . als ehrenamtliche Richter am 21. März 1994 beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landwirtschaftsgerichts Nienburg vom 16. November 1993 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 2 trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und hat dem Beteiligten zu 1 die diesem im Beschwerdeverfahren erwachsenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gegenstandswert der Beschwerde: 9.000,00 DM.
Tatbestand:
I.
Der Beteiligte zu 1 und der am 4. September 1991 verstorbene Ehemann der Beteiligten zu 2 sind Brüder. Ihre Eltern hatten jeder Höfe im Sinne der Höfeordnung, der Vater den im Grundbuch von . Blatt ., jetzt Blatt . eingetragenen Hof zur Größe von 16.36.34 ha, die Mutter den im Grundbuch, von . Blatt . eingetragenen Hof zur Größe von 23.48.75 ha.
Durch Vertrag vom 4. September 1970 (UR-Nr. 97/70 des Notars .) übertrug die Mutter dem Beteiligten zu 1 von ihrem im Grundbuch von . Blatt . eingetragenen Grundbesitz das Eigentum an dem Flurstück . der Flur . zur Gesamtgröße von 4.606 qm mit den aufstehenden Gebäuden, der Hofstelle. Dieser Grundbesitz wurde im Grundbuch von . Blatt . eingetragen. Die Ländereien des Hofes wurden wie schon zuvor von der Hofstelle des Vaters aus bewirtschaftet. Die Mutter verstarb am 10. August 1980. Das Landwirtschaftsgericht . erteilte Hoffolgezeugnis für den Ehemann der Beteiligten zu 2 vom 12. Oktober 1981 (9 LwH 52/81), durch das dieser als Hoferbe seiner Mutter ausgewiesen wurde.
Durch Übergabevertrag vom 29. Januar 1982 (UR-Nr. 96/82 des .) übertrug der Vater seinen im Grundbuch von . Blatt . eingetragenen Hof zur Größe von 16.36.34 ha auf den Ehemann der Beteiligten zu 2. Zur Abfindung von dem Hof des Vaters und von dem Hof der Mutter übertrug der Übernehmer dem Beteiligten zu 1 zwei Flurstücke zur Größe von 0.77.28 ha bzw. 2.56.63 ha aus dem früheren Besitz der Mutter. In dem Vertrag heißt es dazu, daß der Beteiligte zu 1 sich mit der Übertragung der vorbezeichneten Flurstücke als von den Höfen des Vaters und der Mutter für abgefunden erkläre und auf ihm etwa gemäß § 12 HöfeO noch zustehende Ansprüche bezüglich der beiden Höfe verzichte.
In dem Verfahren 1 Lw 32/92 AG Nienburg (7 W 4/93 OLG Celle) hat der Beteiligte zu 1 die Einziehung des Hoffolgezeugnisses vom 12. Oktober 1981 begehrt mit der Begründung, der von der Mutter hinterlassene Grundbesitz sei kein Hof im Sinne der Höfeordnung gewesen, weil die Hofstelle im Zeitpunkt des Erbfalls gefehlt habe. Die Entscheidung in diesem Verfahren ist mit Rücksicht auf das vorliegende Feststellungsverfahren noch nicht getroffen.
In diesem Verfahren hat der Beteiligte zu 1 beantragt,
festzustellen, daß der im Grundbuch von . Blatt . eingetragene Grundbesitz am 10. August 1980 kein Hof im Sinne der Höfeordnung war.
Die Beteiligte zu 2 hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat das Feststellungsverfahren für unzulässig gehalten, weil der Beteiligte zu 1 auf sämtliche höferechtlichen Ansprüche verzichtet habe. Im übrigen habe die landwirtschaftliche Besitzung der Mutter ihre Hofeigenschaft nicht verloren, weil im Zeitpunkt des Erbfalls der Hofvermerk noch im Grundbuch eingetragen gewesen sei und die Hofeigenschaft nur durch Löschung des Hofvermerkes habe entfallen können.
Das Landwirtschaftsgericht hat durch den angefochtenen Beschluß, der der Beteiligten zu 2 am 22. November 1993 zugestellt worden ist und auf den im übrigen Bezug genommen wird, die Feststellung getroffen, daß der Grundbesitz der Mutter im Zeitpunkt deren Todes kein Hof im Sinne der Höfeordnung gewesen sei.
Dagegen richtet sich die am 2. Dezember 1993 beim Amtsgericht eingegangene sofortige Beschwerde der Beteiligten, die sie mit Schriftsatz vom 24. Februar 1994 begründet hat und mit der sie beantragt,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den gestellten Antrag zurückzuweisen.
Der Beteiligte zu 1 hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Dem Senat lagen die Grundakten von . Blatt . und Blatt . sowie von . Blatt . und .. vor, ferner die Akten 1 Lw 32/92 AG Nienburg.
Gründe
II.
Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2 ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Beteiligte zu 1 hat ein rechtliches Interesse an der Feststellung, ob der ehemals im Grundbuch von . Blatt . eingetragene Grundbesitz der Mutter bzw. Schwiegermutter der Beteiligten im Zeitpunkt deren Todes ein Hof im Sinne der Höfeordnung gewesen ist (§ 11 Abs. 1 a HöfeVerfO). Seine Erklärung im Übergabevertrag vom 29. Januar 1982, daß er sich sowohl von dem Hofe seines Vaters als auch von dem seiner Mutter für abgefunden erkläre und auf ihm etwa gemäß § 12 HöfeO noch zustehende Ansprüche bezüglich der beiden Höfe verzichte, steht dem nicht entgegen. Der Verzicht des Beteiligten zu 1 beschränkte sich auf höferechtliche Ansprüche, nicht aber auf sämtliche Erbansprüche. War aber die Besitzung der Mutter im Zeitpunkt des Erbfalls kein Hof im Sinne der Höfeordnung, sondern hofesfreier Besitz und damit nach allgemeinem Erbrecht des BGB vererbt, so ging der Verzicht auf höferechtliche Ansprüche insoweit ins Leere, berührte aber nicht Ansprüche nach allgemeinem Erbrecht.
Auch für einen zurückliegenden Zeitpunkt kann die durch den Hofvermerk begründete Vermutung der Hofeigenschaft im Feststellungsverfahren gemäß § 11 HöfeVerfO widerlegt werden (vgl. BGH RdL 1965, 236).
Die landwirtschaftliche Besitzung der Mutter, damals eingetragen im Grundbuch von . Blatt ., war im Zeitpunkt des Todes der Mutter am 10. August 1980 kein Hof im Sinne der Höfeordnung, obwohl zu diesem Zeitpunkt der Hofvermerk im Grundbuch noch verzeichnet war. Nach gefestigter Rechtsprechung auch des Senats entfällt die Hofeigenschaft abgesehen von den ausdrücklich aufgeführten Fällen des § 1 Abs. 4 HöfeO und unabhängig davon außerhalb des Grundbuchs auch dann, wenn der Hofeigentümer zu erkennen gibt, daß er die Bewirtschaftung des Hofes auf Dauer aufgeben und nicht wieder aufnehmen wolle (vgl. BGH AgrarR 1982, 245; Senatsbeschluß vom 20. November 1989 zu 7 WLw 24/89). Denn die Höfeordnung will nur solche "land- oder forstwirtschaftlichen Besitzungen" im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 HöfeO durch Unterstellung unter das besondere höferechtliche Erbrecht schützen, die als Betriebe im Sinne einer Organisations- und Betriebseinheit geführt werden. Daran fehlt es hier. Die Erblasserin hat durch die Übertragung der (ehemaligen) Hofstelle der Besitzung auf den Beteiligten zu 1 bereits 1970 zu erkennen gegeben, daß von dieser Stelle aus Landwirtschaft nicht mehr betrieben werden solle. Spätestens diese Maßnahme hat die Organisations- und Betriebseinheit, sofern diese damals überhaupt noch bestanden hat, bewußt für immer zerschlagen. Daß auf den der Erblasserin verbliebenen landwirtschaftlich genutzten Flächen weiterhin Landwirtschaft betrieben wurde, und zwar auch von dieser selbst und ihrem Ehemanne von dessen Hofstelle aus, ändert an dieser Beurteilung nichts. Diese Umstände hätten allenfalls zur Bildung eines Ehegattenhofes führen können mit der Hofstelle des Ehemannes der Erblasserin. Für das Fortbestehen des ursprünglichen Hofes der Erblasserin hatte das jedoch keine Bedeutung.
Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, daß der Hofvermerk noch eingetragen war und ist. Dieser hätte im übrigen gemäß Art. 3 § 1 Abs. 2 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Höfeordnung vom 29. März 1976 (BGBl. I S. 881) spätestens nach dem 31. Dezember 1978 von Amts wegen gelöscht werden müssen, weil im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neufassung der Höfeordnung am 1. Juli 1976 die Besitzung der Erblasserin nach den Vorschriften der Höfeordnung kein Hof mehr war und auch nicht aufgrund einer Erklärung der Erblasserin Hof hätte werden können, weil eine Hofstelle fehlte. Im übrigen wird insoweit auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Die in Agrarrecht 1980, 337 mitgeteilte Entscheidung des Bundesgerichtshofs läßt nicht erkennen, welche tatsächlichen Umstände die Annahme des Fortbestehens der Hofeigenschaft ohne Hofstelle gestützt haben.
Die Entscheidung über die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 34 Abs. 1, 44 Abs. 1 LwVG. Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 hat die Beteiligte zu 2 die dem Beteiligten zu 1 im Beschwerdeverfahren erwachsenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Den Geschäftswert hat der Senat gemäß §§ 34 Abs. 2 Satz 1 LwVG, 19 a HöfeVfO, 30, 131 Abs. 2 KostO festgesetzt. Dabei ist maßgeblich das vom Antragsteller verfolgte Interesse an der Teilhabe des mütterlichen Nachlasses unter Berücksichtigung der Vorempfänge.