Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 19.06.1981, Az.: 3 U 30/81

Zahlungsverpflichtung für einen Heilpraktiker-Anwärter-Lehrgang bei Nichtteilnahme; Dienstverhältnis nicht nur bei Schuld des überwiegenden Teils von Arbeitskraft oder wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Dienstberechtigten; Abbedingung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinsichtlich Kündigung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
19.06.1981
Aktenzeichen
3 U 30/81
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1981, 18999
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1981:0619.3U30.81.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - AZ: 13 O 311/80

Fundstelle

  • NJW 1981, 2762 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Vergütung aus Dienstvertrag

In dem Rechtsstreit
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts ...
auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Juni 1981
durch
die Richter am Oberlandesgericht ... und ... und
den Richter am Landgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 26. November 1980 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts ... wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Wert der Beschwer: 3.960 DM.

Tatbestand

1

(Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen).

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist unbegründet.

3

Das Landgericht hat den Beklagten zu Recht verurteilt, an die Klägerin das im Einschreibungsantrag vom 9.3.1979 vereinbarte Honorar von insgesamt 4.640 DM zu zahlen.

4

Diese Verpflichtung des Beklagten besteht, obwohl er die im Vertrage vereinbarten und von der Klägerin der Vereinbarung entsprechend angebotenen Dienste nicht abgenommen hat (§ 615 BGB). Dem steht nicht entgegen, daß er den Vertrag vom 9.3.1979 nach seiner allerdings bestrittenen Behauptung erstmals mit Schreiben vom 13.6.1979 und unstreitig durch Anwaltsschreiben vom 3.7.1980 gekündigt hat. Denn diese Kündigung war unwirksam. Der Beklagte behauptet schon selbst nicht, daß ihm ein Rücktrittsrecht im Sinne des Abs. 17 der Studienbedingungen der Klägerin oder ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung gemäß § 626 BGB zugestanden habe. Ein Kündigungsrecht nach § 627 BGB bestand aber nicht, weil dieses weder vertraglich vereinbart war noch die gesetzlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift vorlagen. Schließlich hat sich die Klägerin dem Beklagten gegenüber auch nicht dadurch schadensersatzpflichtig gemacht, daß sie es unterlassen hat, ihn auf die Durchführung des Kurses hinzuweisen und gegebenenfalls die Gründe für seine Nichtteilnahme aufzuklären.

5

I.

Der Beklagte ist der Klägerin zur Zahlung der im Einschreibungsantrag aufgeführten Vergütung nach § 615 BGB verpflichtet. Danach kann der Dienstverpflichtete, wenn der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug kommt, für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Die Klägerin hat den Kurs für Heilpraktiker-Anwärter, für den sich der Beklagte am 9.3.1979 "eingeschrieben" hat, unstreitig abgehalten. Der Beklagte hat nach seinem eigenen Schreiben vom 15.3.1980 (Bl. 33 d.A.) am 16.6.1979, wenn auch nur unter Vorbehalt, an einem Unterrichtstag teilgenommen, war mithin über den Beginn des Kurses und Ort und Zeit seiner Abhaltung unterrichtet. Im übrigen ergibt sich die Kernunterrichtszeit aus Abs. 5 der Studienbedingungen; der Termin für den jeweils nächsten Unterrichtstag wird gemäß Abs. 7 der Studienbedingungen am vorhergehenden Unterrichtstag vom Dozenten bekannt gegeben, wobei die Klägerin nicht verpflichtet ist, einem an einem Kurstag nicht am Unterricht teilnehmenden Studierenden den folgenden Kurstermin gesondert mitzuteilen. Unstreitig hat der Beklagte in der Folgezeit am Unterricht der Klägerin nicht teilgenommen.

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II.

Von seiner Zahlungsverpflichtung hat sich der Beklagte nicht wirksam dadurch gelöst, daß er durch Schreiben vom 13.6.1979 oder 3.7.1980 vom Vertrage zurückgetreten ist. Ein solcher Rücktritt konnte nach Abs. 17 der Studienbedingungen nur mittels eingeschriebenen Briefes und nur innerhalb von 4 Wochen nach Ablauf der 12-wöchigen "Verschiebefrist" seit dem voraussichtlichen Kursbeginn, der dem Vertrage zugrundeliegt, ausgesprochen werden. Das Schreiben vom 13.6.1979 ist kein Einschreiben, wie der Beklagte in seinem Schreiben vom 15.3.1980 (Fotokopie Bl. 33 d.A.) selbst eingeräumt hat. Die Kündigung vom 3.7.1980 geschah nicht innerhalb der 4-Wochenfrist nach dem ausweislich des eigenen Schreibens des Beklagten vom 15.3. jedenfalls am 16.6.1979 erfolgten Beginn des Kurses. Im übrigen hat der Beklagte aber auch nicht vorgetragen, daß dieser Kursbeginn mehr als 12 Wochen verschoben worden war, was nach Satz 3 in Verbindung mit Satz 4 des Abs. 17 der Studienbedingungen Voraussetzung des Rücktrittsrechtes ist. Der Beklagte ist in der Berufungsinstanz hierauf nicht mehr zurückgekommen.

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III.

Der Beklagte hat nicht vorgetragen, daß Tatsachen vorgelegen hätten, aufgrund derer ihm unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses mit der Klägerin bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht hätte zugemutet werden können und er deshalb berechtigt gewesen sei, das Dienstverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen (§ 626 BGB).

8

IV.

Der Beklagte konnte das Dienstverhältnis zur Klägerin auch nicht gemäß § 627 BGB wirksam kündigen.

9

1.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist ein solches Kündigungsrecht zwischen den Parteien nicht dadurch vereinbart worden, daß der Beklagte Abs. 13 der Studienbedingungen, nach dessen Inhalt eine ordentliche Kündigung des Vertrages durch den Studierenden oder eine Kündigung nach § 627 BGB ausgeschlossen sein sollte, bei der Unterzeichnung des Einschreibungsantrages ausdrücklich von der Anerkennung als Bestandteil des Vortrages ausgenommen und die Klägerin dem nicht widersprochen hat, so daß der Einschreibungsantrag gemäß Abs. 1 Satz 2 der Studienbedingungen in der vom Beklagten gestellten Form als angenommen gilt. Denn die Abbedingung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin in diesem speziellen Punkt unterstellte den Vertrag der Parteien insoweit wieder der allgemeinen gesetzlichen Regelung des BGB, ohne daß hierdurch positiv bereits ein Kündigungsrecht des Beklagten - unabhängig vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen - vereinbart wurde.

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2.

Das Vertragsverhältnis der Parteien ist auch nicht gemäß § 627 BGB jederzeit kündbar.

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a)

Bei den Diensten der Klägerin handelt es sich nicht um solche, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen. Nach der Entstehungsgeschichte des § 627 BGB soll ein fristloses ordentliches Kündigungsrecht nur in Frage kommen, wenn eine genau bestimmte Leistung den Gegenstand des Vertrages bildet, deren Ausführung eine besondere, persönliche Beziehung zwischen dem Dienstherrn und dem Dienstgeber voraussetzt; dagegen soll das Kündigungsrecht des § 627 BGB ausgeschlossen sein, wenn die Ausführung des Dienstes nicht auf einem besonderen persönlichen Verhältnis der Parteien beruht (vgl. im einzelnen dazu Schlosser NJW 1980, 273 ff (274)). Das kann auch heute noch als Sinn und Zweck des § 627 BGB angesehen werden. Für die "normale", durchschnittliche Vertrauensstörung, deren Gründe durch äußere Tatsachen beweisbar sind, gibt § 626 BGB das Recht zur außerordentlichen Kündigung, wenn die Störung im Sinne dieser Vorschrift schwer genug wiegt. Auch § 627 BGB enthält - allerdings unausgesprochen - den Kündigungsgrund des Vertrauensverlustes. Wenn dieser indessen nicht bewiesen werden muß und außerdem eine Interessenabwägung wie in § 626 BGB entfällt, so rechtfertigt sich das nur dadurch, wenn ein besonderes Vertrauen Voraussetzung der Anwendung dieser Vorschrift ist, ein Vertrauen, welches im persönlichen Bereich wurzelt und dessen Verlust dem Beweis ungleich schwerer zugänglich ist als ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB. Die Klägerin läßt ausweislich ihrer Studienbedingungen den Lehrstoff durch beliebige Dozenten vermitteln (Abs. 2, 4, 7 der Studienbedingungen). Die Kursusteilnehmer werden diese normalerweise nicht kennen, solche Dienste werden der Klägerin bzw. ihren Dozenten daher nicht aufgrund eines besonderen persönlichen Verhältnisses der Parteien übertragen (so auch Schlosser, a.a.O.).

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b)

Die Klägerin stand im übrigen zum Beklagten in einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen. Der Vertrag war auf die Dauer von 20 Monaten geschlossen worden (Abs. 6 der Studienbedingungen). Er sah immerhin die Abhaltung von 245 Unterrichtsstunden an 45 bzw. 90 Kurstagen vor (Abs. 4 der Studienbedingung). Das Entgelt betrug neben der Einschreibgebühr von 680 DM bei der vom Beklagten gewählten Zahlungsweise monatlich 198 DM. Ein dauerndes Dienstverhältnis kann bereits vorliegen, wenn es ein nur einjähriges ist. Die Annahme eines solchen Dienstverhältnisses erfordert es auch nicht, daß der Dienstverpflichtete den überwiegenden Teil seiner Arbeitskraft schuldet oder wirtschaftlich vom Dienstberechtigten abhängig ist (vgl. BGHZ 47, 303 [BGH 31.03.1967 - VI ZR 288/64]; Senatsurteil vom 18.3.1981 - ... -.

13

Es genügt, daß Dauer und Regelmäßigkeit der Vergütung für den Dienstverpflichteten eine beachtliche wirtschaftliche Größe sind und als Grundlage seiner wirtschaftlichen Planung dienen, wie z.B. hier der Einstellung von Lehrkräften, der Anmietung von Unterrichtsräumen usw.

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V.

Der Beklagte kann von der Klägerin auch nicht im Wege des Schadensersatzes verlangen, aus seinen vertraglichen Verpflichtungen entlassen zu werden. Die Klägerin war nämlich nicht verpflichtet, sich mit dem Beklagten nach mehrwöchiger Nichtteilnahme am Kurs in Verbindung zu setzen, diesen noch einmal auf die Durchführung des Kurses hinzuweisen und gegebenenfalls die Gründe für die Nichtteilnahme am Kurs aufzuklären. Der Beklagte hatte, wie sein Schreiben vom 15.3.1980 ergibt, am 16.6.1979 an einem Unterrichtstage, wenn auch nur unter Vorbehalt, teilgenommen. Seine Kündigungsschreiben zeigen, daß er sich seiner rechtlichen Verpflichtung aus diesem Vertrage bewußt war. Der Beklagte war erkennbar nicht "belehrungsbedürftig". Angesichts dieser Umstände würde es aber auf eine Überspannung der Pflichten der Klägerin aus dem Dienstvertrag hinauslaufen, wenn man von ihr verlangen wollte, den volljährigen und geschäftsfähigen Beklagten nochmals auf Ort und Zeit des Kurses und die finanziellen Folgen seiner Nichtteilnahme hinzuweisen. Ob etwas anderes dann zu gelten hat, wenn die Klägerin Grund für die Annahme hat, es mit einer Person zu tun haben, die sich der Tragweite der Studienbedingungen nicht bewußt (und möglicherweise darüber hinaus für den Lehrgang ungeeignet) ist, läßt der Senat offen. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

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VI.

Da der Beklagte auch nicht behauptet hat, daß die Klägerin infolge seiner Nichtteilnahme an ihrem Unterricht etwas erspart oder durch anderweitige Verwendung ihrer Dienste erworben oder zu erwerben böswillig unterlassen habe (§ 615 Satz 2 BGB), ist der Beklagte danach verpflichtet, der Klägerin die vereinbarte Vergütung in vollem Umfange zu zahlen.

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VII.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 546 Abs. 2, 703 Nr. 10, 713 ZPO. Eine Zulassung der Revision konnte nicht erfolgen, weil deren gesetzliche Voraussetzungen nicht vorliegen.

Streitwertbeschluss:

Wert der Beschwer: 3.960 DM.