Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 12.06.1981, Az.: 2 U 18/81

Zustandekommen eines fernmündlich geschlossenen Frachtvertrages zwecks Beförderung eines Umzuggutes; Anspruch auf Schadensersatz wegen der Entwendung eines Frachtgutes während des Transports; Abgrenzung eines Speditionsvertrages von einem Frachtvertrag; Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs im Rahmen der Drittschadensliquidation

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
12.06.1981
Aktenzeichen
2 U 18/81
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1981, 22646
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1981:0612.2U18.81.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 09.12.1980 - AZ: 15 O 223/80

Verfahrensgegenstand

Frachtvertraglicher Schadensersatzanspruch

In dem Rechtsstreit
...
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 22. Mai 1981
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht G. sowie
der Richter am Oberlandesgericht K. u. Dr. B.
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 9. Dezember 1980 verkündete Grundurteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 5.000 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Die Beklagte darf die Sicherheit auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer öffentlichen Sparkasse, Volksbank oder deutschen Großbank leisten.

Der Wert der Beschwer der Beklagten wird auf 150.000 DM festgesetzt.

Tatbestand

1

Am 27. März 1979 bat die Klägerin die Beklagte fernmündlich, für den Transport von Umzugsgut ihres Angestellten B. von L.-N. (bei A. in H.) nach M. zu sorgen. Die Beklagte war damit einverstanden und bestätigte das fernschriftlich am selben Tage. Sie beauftragten die Firma H. aus B., den Transport auszuführen. Im Zusammenhang hiermit unterschrieben der Angestellte B. und ein Vertreter der Firma H. einen so genannten internationalen Frachtbrief, der den vorgedruckten Hinweis enthielt, dass die Beförderung trotz einer gegenteiligen Abmachung den Bestimmungen des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) unterliege. Am 4. April 1979 ließ die Firma H. das Umzugsgut durch ihren von den Möbelpackern B. und R. begleiteten Fernfahrer S. in einem geschlossenen Kastenwagen über den Brennerpass bis nach C. befördern, einen Vorort von M.. Dort stellte der Fahrer S. den Wagen um 18:55 Uhr auf dem Zollplatz ab. Die drei Männer verließen das Fahrzeug. Der Fahrer S. telefonierte mit dem Empfänger B. und teilte ihm die Ankunft in M. mit. Dann gingen sie zu Dritt zum Essen in eine nahe gelegene Gaststätte. Als sie gegen 20:15 Uhr zurück kamen, war das Fahrzeug verschwunden. Es wurde am 6. April 1979 wieder gefunden. Diebe hatten es an sich gebracht und einen Teil der Ladung gestohlen. Der Rest wurde dem Angestellten B. am selben Tage ausgehändigt.

2

Die Klägerin wandte sich an die Beklagte und verlangte Schadensersatz in Geld. Die G.-Versicherung AG (G.) erklärte für die Beklagte und die Firma H., auf die Einrede der Verjährung bis zum 30. Juni 1980 zu verzichten. Die Beklagte zahlte nicht.

3

Die Klägerin hat ihren Anspruch mit der Klage weiter verfolgt und geltend gemacht: Die Beklagte hafte als Frachtführerin auf der Grundlage der CMR, zumindest aber wegen groben Verschuldens; denn es sei sehr leichtsinnig gewesen, das ungesicherte Fahrzeug unbewacht zurück zu lassen, zumal bereits damals bekannt gewesen sei, dass sich solche Diebstähle häuften, ebenso aber auch, wie sie sich am besten vermeiden ließen. Sowohl ihre Transportversicherin, die A. AG als auch der Angestellte B. hätten ihre Ansprüche an sie abgetreten. Daraus ergebe sich ihre Sachbefugnis.

4

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihr 150.000 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 21. Juni 1979 zu zahlen.

5

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Sie hat vorgetragen: Sie habe mit der Klägerin keinen Frachtführer-, sondern einen Speditionsvertrag geschlossen. Die CMR seien unanwendbar. Es gälten vielmehr die Beförderungsbedingungen für den Möbelverkehr (BefBMö). Danach sei die Haftung ausgeschlossen, weil der Diebstahl höhere Gewalt gewesen sei. Zumindest sei die Haftung auf 2.000 DM für jeden Möbelwagenmeter beschränkt.

7

Auf keinen Fall könne der Vorwurf groben Verschuldens erhoben werden. Diebstähle dieser Art seien damals noch nicht bekannt gewesen. Die Klägerin sei auch nicht sachbefugt. Sie habe keinen Schaden erlitten. Auch aufgrund von Abtretungen habe sie keine Ersatzansprüche erlangt. Im Übrigen seien etwaige Ansprüche verjährt.

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Das Landgericht in Hannover hat mit dem Urteil vom 9. Dezember 1980 die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Es hat die Beförderungsbedingungen für den Möbelverkehr angewendet und das Verhalten des Fahrers und der beiden Begleiter als grob fahrlässig bezeichnet. Es hat angenommen, dass die A. AG den nach der Regulierung des Schadens auf sie übergegangenen Anspruch an die Klägerin abgetreten habe. Die Einrede der Verjährung hat es wegen des von der Firma G. erklärten Verzichts nicht gelten lassen.

9

Gegen dieses Urteil, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie wiederholt und ergänzt ihr Vorbringen und macht insbesondere noch geltend: Der Fahrer S. habe das Fahrzeug auf dem amtlichen und hell erleuchteten Zollparkplatz von M. abgestellt. Dort hätten sich mindestens 20 bis 30 andere Lastkraftwagen und ein Teil der Fahrer befunden. Niemand habe mit dem Diebstahl rechnen müssen, zumal der Wagen deutlich als Möbeltransportfahrzeug beschriftet gewesen sei, was auf einen geringen Wert der Ladung hingewiesen habe. Inzwischen sei bekannt, dass in I. ganze Lastzüge systematisch von gut organisierten Banden gestohlen und ausgeraubt würden. Dabei schreckten die Täter vor keiner Gewalttat zurück. Unter den Fahrern und ihren Begleitern habe es schon zahlreiche Tote und Schwerletzte gegeben. Darum sei es einfach unverantwortlich, einen abgestellten Lastkraftwagen zu bewachen. Das Personal setze sich dabei der Gefahr aus, getötet oder zumindest schwer verletzt zu werden. Der Verzicht auf die Einrede der Verjährung habe nur für eigene Ansprüche der Klägerin gelten sollen, allenfalls noch für solche des Angestellten B., dessen Abtretung jedoch der Klägerin keine Sachbefugnis verschafft habe, weil etwaige Ansprüche bereits vor der Abtretung auf die A. AG übergegangen seien, der gegenüber ein Einredeverzicht nicht ausgesprochen worden sei. Soweit dennoch eine Haftung in Betracht komme, sei sie auf den Höchstbetrag von 24.000 DM beschränkt. Das müsse im Grundurteil ausgesprochen werden.

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Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen,

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hilfsweise,

ihr Vollstreckungsnachlass zu gewähren und als Sicherheitsleistung auch selbstschuldnerische Bürgschaft einer öffentlichen Sparkasse, Volksbank oder deutschen Großbank zuzulassen.

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Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

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Auch sie ergänzt ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug. Sie trägt insbesondere vor: Für die Rechtsbeziehungen zu der Beklagten seien die Bestimmungen der CMR maßgebend, nach denen es auf ein Verschulden nicht ankomme. Diese Bestimmungen hätten jedenfalls für die Auslandsstrecke in Ö. und I. wirksam vereinbart werden können. Abgesehen hiervon liege grobe Fahrlässigkeit vor. Deutsche Fernfahrer hätten noch keinen Personenschaden erlitten. In M. gebe es bewachte Parkplätze und Lagerhäuser. Jeder Fernfahrer wisse das. Auch hätte der Wagen besser gegen Diebstahl gesichert werden können. Der Verzicht auf die Einrede der Verjährung sei umfassend erklärt worden und habe sich auf die mit dem Diebstahl des Umzugsgutes zusammenhängenden Ansprüche bezogen.

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Wegen es Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der im Berufungsrechtzug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung hat keinen Erfolg.

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Zwischen den Parteien ist ein Frachtvertrag zu Stande gekommen. Die Klägerin hat die Beklagte am 27. März 1979 fernmündlich um die Beförderung des Umzugsgutes gebeten. Die Beklagte hat das am selben Tage fernschriftlich bestätigt und hierbei als "Transportpreis" die vereinbarten 280 DM für jeden Möbelwagenmeter angegeben. Auch die der Klägerin übersandte Rechnung der Beklagten spricht für einen Frachtvertrag. Das ist jetzt auch die Auffassung der Beklagten.

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Sie bezeichnet die mit der Klägerin begründeten Rechtsbeziehungen als einen "Beförderungsvertrag" (S. 2 ihres Schriftsatzes vom 29. April 1981).

18

Zwischen dem Angestellten B. und der Beklagten ist kein Vertrag zu Stande gekommen. Für die Annahme, die Klägerin habe den Beförderungsvertrag im Namen ihres Angestellten geschlossen, gibt es keinen Anhalt. In dem internationalen Frachtbrief sind zwar außer ihm auch die Beklagte als Frachtführer und die Firma H. als nachfolgender Frachtführer genannt. Die Beklagte hat diesen Vordruck jedoch nicht unterschrieben. Das Schriftstück ist zudem erst nach dem 27. März 1979 zu Stande gekommen, d.h. nach dem fernmündlich-fernschriftlichen Zustandekommen des Vertrages unter den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits. Dass die Klägerin Versicherungsnehmerin der A. AG und dass der Angestellte der Klägerin aufgrund dieses Vertrages der Versicherte waren, besagt nichts anderes.

19

Für die Rechtsbeziehungen der Parteien gilt deutsches Recht. Das wird auch von ihnen selbst genauso gesehen. Maßgeblich sind die Beförderungsbedingungen für den Möbelverkehr als Bestandteil der Verordnung TS Nr. 4/61 über den Tarif für den Möbelverkehr mit Kraftfahrzeugen vom 21. Juli 1961. Für die Inlandsstrecke ergibt sich das aus Art. 1 Nr. 4 Buchst. c CMR, wonach dieses Übereinkommen nicht "für die Beförderung von Umzugsgut" gilt, sowie aus dem zwingenden Charakter der Verordnung vom 21. Juli 1961. Ob die Parteien für die Auslandsstrecke die CMR vereinbaren konnten, stehe dahin; denn sie haben sich dieser Rechtsordnung nicht unterwerfen wollen und es somit bei der Geltung der BefBMö auch für die Beförderung des Gutes im Ausland belassen. Fernmündlich und fernschriftlich haben die Parteien eine Aufspaltung des Vertrages nicht vereinbart. Den internationalen Frachtbrief haben weder die Klägerin noch die Beklagte unterschrieben. Die vorgedruckte Klausel über die schlechthin für die gesamte Beförderung vorgesehene Geltung der CMR betrifft sie daher nicht. Für die Anwendung der BefBMö auch auf den ausländischen Streckenteil spricht im Übrigen der Vermerk auf der Rechnung der Beklagten vom 24. April 1979, für Möbeltransporte gälten die BefBMö. Es kommt hinzu, dass die Beklagte vor dem Vertrag vom 27. März 1979 schon des Öfteren für die Klägerin tätig geworden war, wobei sie im Schriftwechsel regelmäßig und unwidersprochen Briefbögen mit dem erwähnten Vermerk über die Geltung der BefBMö verwendet hatte. Schließlich war es die Klägerin selbst, die der Beklagten am 21. Juli 1979 geschrieben hatte, sie verlange Schadensersatz, und zwar "nach Maßgabe der Beförderungsbedingungen für den Möbelverkehr mit Kraftfahrzeugen" (Ablichtung des Schreibens als Anlage zur Klageschrift vom 13. Juni 1980).

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Nach §9 Abs. 1 BefBMö haftet die Beklagte als Beförderungsunternehmer für den gänzlichen oder teilweisen Verlust und die Beschädigung des Gutes. Nach §10 Abs. 1 Nr. 3 a.a.O. ist diese Haftung nicht ausgeschlossen. Der Schaden ist nicht infolge höherer Gewalt entstanden; denn der Diebstahl war kein außergewöhnliches Ereignis, das auch durch die äußerste und nach der Lage der Sache von den Beteiligten zu erwartenden Sorgfalt nicht hätte verhindert werden können. Wenn der Fahrer S. das Fahrzeug auf einem bewachten Platz abgestellt hätte, wäre der Wagen zur Tatzeit nicht gestohlen worden.

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Nach §11 Abs. 2 Nr. 2 a.a.O. haftet der Unternehmer höchstens mit 2.000 DM für jeden Möbelwagenmeter, der zur Erfüllung des Vertrages benötigt wird. Das gilt nach Abs. 5 a.a.O. nicht, wenn der Unternehmer den Schaden grob fahrlässig verursacht hat. So ist es hier. Die Beklagte hat sich zur Erfüllung des Beförderungsvertrages der Firma H. als Unterfrachtführer bedient, und diese Firma hat mit dem Transport die Arbeiter S., B. und R. beauftragt. Deren Verschulden muss sich die Beklagte gemäß §12 BefBMö anrechnen lassen.

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Im Frühjahr 1979 war den Frachtführern und Spediteuren die Diebstahlsgefahr längst bekannt. Das HANDELSBLATT hatte in einem mit dem Datum 7. Dezember 1976 veröffentlichten Artikel mit der Überschrift "In I. verschwinden immer mehr Lkw-Transporte" u.a. daraufhingewiesen, dass Diebe und Räuberbanden im Jahre 1975 rund 5.000 internationale Lastwagentransporte hätten verschwinden lassen; Schwerpunkt des organisierten Diebstahls seien die L. (deren Hauptstand M. ist) und die alpinen Grenzübergänge nach I. (Ablichtung des Artikels als Anlage zu dem Schriftsatz der Klägerin vom 13. Oktober 1980). Das Nachrichtenmagazin D. S. hatte in seiner Ausgabe vom 4. September 1978 einen langen Artikel mit der Überschrift "Täglich geht die Falltür auf" und der Bezeichnung des Titelbildes mit dem Satz: "Lastzüge am Brenner: Zwischen Alpen, M. und V. ein Bermuda-Dreieck für Brummis" veröffentlicht und darauf hingewiesen, dass ein Merkblatt den Fahrern zu mehr Umsicht rate (S. 65: "Unvermeidliche Aufenthalte möglichst kurz halten"); ferner: "Auf Auslandstouren sollen Lkw mit zwei statt nur einem Fahrer besetzt sein ..." (a.a.O., Ablichtung des Artikels als Anlage zu dem vorgenannten Schriftsatz). Vor allem aber ist hervorzuheben, dass der Bundesverband des Deutschen Güterfernverkehrs (BDF) e.V. aus F. im Herbst 1978 in Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizei, dem Transportgewerbe und dem Deutschen Transport-Versicherungs-Verband Merkblätter entworfen und herausgegeben hatte, in denen auf die Diebstähle besonders hingewiesen wurde. So heißt es in dem einen Merkblatt: Durch Diebstahl von Waren und Fahrzeugen im Transportbereich entstünden der Volkswirtschaft jährlich Millionenverluste. Auf Auslandsfahrten sollten die Lastkraftwagen möglichst mit zwei Fahrern besetzt werden, damit die Fahrzeuge durchgehend bewacht werden könnten. Die Wagen sollten nur auf bewachten Parkplätzen abgestellt werden. In einem anderen "Merkblatt für Berufskraftfahrer" (Ablichtung als Anlage zu dem Schriftsatz der Klägerin vom 10. November 1980) heißt es, "Brummer-Kapitäne" sollten wachsam sein und den Lkw-Kidnappern keine Chance geben und für Aufenthalte unterwegs möglichst bewachte Parkplätze wählen, vor allem bei Auslandsfahrten, und wenn das nicht gehe, sollten sie den Lastkraftwagen möglichst im Blickfeld behalten und überhaupt den Wagen unter der "ständigen Kontrolle" halten (a.a.O.).

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Der Fahrer S. und seine Begleiter haben sich an diese Ratschläge nicht gehalten. Sie haben den Wagen nicht auf einem bewachten Parkplatz abgestellt, obwohl ihnen das möglich und zumutbar gewesen wäre. Sie hatten auch keinen triftigen Grund, das Fahrzeug allein zu lassen. Den Empfänger des Gutes hätte einer von ihnen anrufen können. Auch zum Essen hätten sie nacheinander gehen können. Es hätte sogar genügt, wenn einer von ihnen Getränke und Speisen zum Verzehr im Fahrerhaus geholt hätte, sofern sie nicht ohnehin die notwendige Verpflegung mit sich führten und deshalb das Fahrzeug nur für kurze Pausen hätten verlassen müssen.

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Wenn sich der Fahrer und seine Begleiter hieran gehalten hätten, wäre der Diebstahl zur Tatzeit verhindert worden. So aber haben sie sich über das Nächstliegende hinweg gesetzt und das Fahrzeug während eines erheblichen Zeitraums sich selbst überlassen und es nicht einmal in Sichtweite behalten, wodurch bei einem Diebstahl die Fahndung sofort hätte eingeleitet und wesentlich erleichtert werden können. Zudem ist das Aufsuchen einer vom Abstellort Hunderte von Metern entfernten Gaststätte und das Bestellen von Speisen und Getränken ein Vorgang, der es den ihre Umgebung regelmäßig genau beobachtenden Tätern ermöglicht, sich in aller Ruhe an das Fahrzeug heran zu machen und den besten Zeitpunkt zum Aufbrechen des Wagens und zum Wegfahren zu bestimmen. Dieses Verhalten des Fahrers und seiner Begleiter ist besonders leichtfertig und kommt einer Preisgabe des Fahrzeugs nahe. Mit Recht hat das Landgericht daher grobe Fahrlässigkeit angenommen. Dabei ist auch die subjektive Seite des Vorganges beachtet; denn für den Berufskraftfahrer S. gab es unter Berücksichtigung aller erkennbaren Umstände nach der Überzeugung des Senats keinen Anlass, sich so leichtsinnig zu verhalten und eine derartige Gefährdung des Wagens zuzulassen.

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Gegenüber alledem kann die Beklagte nicht einwenden, die Bewachung eines Lastkraftwagens sei wegen der damit verbundenen Gefahren für Leib und Leben nicht zu verantworten gewesen. Mit diesem Einwand lässt sich der Vorwurf, der Fahrer der Firma H. habe es unterlassen, das Fahrzeug auf einem bewachten Parkplatz abzustellen, ohnehin nicht entkräften. Träfe das Vorbringen der Klägerin zu, so hätten der Fahrer und seine Begleiter das Fahrzeug ohne triftigen Grund, der nicht ersichtlich ist, überhaupt nicht auf einen unbewachten Parkplatz abstellen und verlassen dürfen. Im Übrigen ist nichts Hinreichendes dafür vorgetragen, dass es zurzeit des Diebstahls, von den immer denkbaren Ausnahmen abgesehen (auch D. S. schildert einen - freilich glimpflich verlaufenen - Fall von Gewaltanwendung, S. 65 a.a.O.), in I. Banden gegeben hat, die Lastkraftwagen, wenn nötig, unter Überwindung jedweden Widerstandes des Fahrers und des sonstigen Begleitpersonals stahlen. Noch im Herbst 1978 hat der Bundesverband des Deutschen Güterfernverkehrs Merkblätter herausgegeben, die eine Besetzung des Fahrzeugs mit mehreren Personen empfohlen haben. Dem Schriftsatz der Beklagten vom 20. Mai 1981 ist hierzu nur zu entnehmen, dass sich die Auskünfte des Herrn D. vom Bundeskriminalamt und des Herrn Dr. C. vom Bundesverband für Güterfernverkehr auf ein künftig zu beachtendes Verhalten bezogen haben (" ... welche Empfehlungen und Ratschläge ... in Zukunft ...", S. 1 a.a.O.).

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Schließlich kommt es nicht darauf an, dass es sich um einen Möbeltransport handelte. Der Fahrer S. und seine Begleiter hätten den Wagen auf keinen Fall während einer so langen Zeit unbewacht zurücklassen und sich in eine Hunderte von Metern entfernt liegenden Gaststätte zum Essen begeben dürfen. Sie mussten damit rechnen, dass unter diesen Umständen auch ihr Wagen für Diebe interessant werden könne. Wenn es die Firma H. unterlassen hat, sie hierüber aufzuklären und entsprechend anzuweisen, dann haben sich die Verantwortlichen dieser Firma grob fahrlässig verhalten.

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Der Schaden ist dem Angestellten B. entstanden. Die Klägerin darf ihn geltend machen, weil sie nach den Grundsätzen der sog. Liquidation im Drittinteresse hierzu berechtigt ist. Dieser Anspruch auf den Ersatz des Drittschadens ist mit der Regulierung, d.h. mit der Zahlung der 150.000 DM an die Klägerin auf die A. AG kraft Gesetzes übergegangen, §67 Abs. 1 Satz 1 VVG. Der dort genannte "Anspruch auf Ersatz des Schadens" ist auch der Liquidationsanspruch (Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 22. Aufl., 1980, §67 Anm. 2 a m.N.).

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Das Ergebnis wäre nicht anders, wenn die an den Grundsätzen der Liquidation im Drittinteresse jüngst erhobene Kritik als berechtigt anerkannt wird (vgl. Rüßmann im [Alternativ-]Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 1980, Anm. 97 vor §§249-253, sowie hierzu Hagen, NJW 1981, 1255); denn dann wäre der Angestellte B. von der Schutzwirkung des Frachtvertrages begünstigt und wäre gegenüber der Beklagten unmittelbar anspruchsberechtigt gewesen. Dieser Anspruch wäre dann kraft Gesetzes (§67 Abs. 1 Satz 1 VVG) auf die A. AG und von dieser auf Grund der Abtretung vom 7. November 1979 auf die Klägerin übergegangen.

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Der Klageanspruch ist nicht verjährt. Die Verjährungsfrist beträgt ein Jahr, §13 Abs. 1 BefBMö. Sie beginnt mit dem Tage der Ablieferung der Sendung, Abs. 2 a.a.O.. Sie wurde hier also am 6. April 1979 in Gang gesetzt. Am 5. März 1980 erklärte die G.-Versicherung AG (G.) für die Beklagte, gegenüber der Klägerin auf die Einrede der Verjährung bis zum 30. Juni 1980 zu verzichten. Am 24. März 1980 gab sie eine inhaltsgleiche Erklärung für die Firma H. ab. Ab November 1979 war die Klägerin erneut die Inhaberin des Liquidationsanspruchs. Die Erklärungen der Firma G. bezogen sich auch hierauf. Die Klägerin hatte der Beklagten mit dem Schreiben vom 21. Juni 1979 klar gemacht, dass sie für "den eingetretenen Schaden" bei dem "Transport des Umzugsgutes von Herrn B. ...-Diebstahl des gesamten Lastzuges-"(Ablichtung des Schreibens als Anlage zur Klageschrift vom 13. Juni 1980) Ersatz verlange. Mit dem Schreiben vom 21. Januar 1980 hatte sie den Schaden auf 150.000 DM beziffert und hierzu ausgeführt, dass sie sich mit Herrn B. wegen des ihm entstandenen Schadens auf diesen Betrag geeinigt habe. Schließlich hatte sie der Firma G. mit dem Schreiben vom 19. Februar 1980 "die Abtretungserklärung des Herrn B. als Nachweis unserer Legitimation" übersandt (Ablichtung des Schreibens als Anlage zu dem Schriftsatz der Klägerin vom 11. April 1981). Daher bestand am 5. und am 24. März 1980 kein Zweifel an der Art des von der Klägerin erhobenen Anspruchs. Die Klageschrift ist der Beklagten am 25. Juni 1980 und somit in unverjährter Zeit zugestellt worden.

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Nach alledem wird die Berufung zurückgewiesen.

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Die Nebenentscheidungen beruhten auf §97 Abs. 1, auf §708 Nr. 10 und auf §711 Satz 1 ZPO sowie auf §546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.