Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 08.01.2016, Az.: 5 B 4510/15
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 08.01.2016
- Aktenzeichen
- 5 B 4510/15
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 43007
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 11 Abs 1 AufenthG
- § 11 Abs 7 AufenthG
- § 60 Abs 7 S 1 AufenthG
Tenor:
Die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und Bewilligung von Prozesskostenhilfe werden abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Antragsteller begehren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage (- 5 A 4509/15 -) gegen die im Bescheid des Bundesamtes vom 13. November 2015 enthaltene Abschiebungsandrohung (Nr. 5 des Bescheides), die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes gem. § 11 Abs. 7 AufenthG (Nr. 6 des Bescheides) sowie die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gem. § 11 Abs. 1 AufenthG (Nr. 7 des Bescheides) nach § 80 Abs. 5 VwGO.
Der Antrag, über den gem. § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG der Einzelrichter entscheidet, hat keinen Erfolg.
Er ist bereits unzulässig, soweit er auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gem. § 11 Abs. 1 AufenthG gerichtet ist. Mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung - die hinsichtlich der nach § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG vom Amts wegen zu treffenden Befristungsentscheidung gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AufenthG entfällt - begehren die anwaltlich vertretenen Antragsteller eine Suspendierung der von der Antragsgegnerin getroffenen Befristungsentscheidung. Im Falle des Obsiegens würde folglich das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG unbefristet gelten. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen die Befristungsentscheidung nach § 11 Abs. 2 AufenthG kann daher die Rechtsstellung des betroffenen Ausländers nicht verbessern, so dass für einen dahingehenden Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt (Nds. OVG, Beschluss vom 14. Dezember 2015 - 8 PA 199/15 -, juris).
Im Übrigen ist der Antrag zulässig, insbesondere gem. § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, weil die aufschiebende Wirkung der Klage gem. § 75 Abs. 1 AsylG bzw. § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, Satz 2 AufenthG ausgeschlossen ist.
Soweit der Antrag zulässig ist, ist er jedoch nicht begründet, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht bestehen.
1. Soweit sich die Klage gegen die Entscheidung über den Asylantrag (§ 13 Abs. 2 AsylG) richtet, ist Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens gem. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG (zunächst) die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) ausgesprochene Abschiebungsandrohung, wobei das Gericht vorliegend auch die Einschätzung des Bundesamtes zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen hat, dass der geltend gemachte Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft - ihre Anerkennung als Asylberechtigte verfolgen die Antragsteller im gerichtlichen Verfahren nicht weiter - offensichtlich nicht besteht.
Eine Offensichtlichkeit ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 bis 5 oder des § 29a AsylG erfüllt sind oder wenn nach vollständiger Erforschung des Sachverhalts an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen keine Zweifel bestehen und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand der Rechtsprechung und Lehre) sich eine Ablehnung des Antrags geradezu aufdrängt (BVerfG, Beschlüsse vom 20. April 1988 - 2 BvR 1506/87 -, NVwZ 1988, 717, und vom 8. November 1991 - 2 BvR 1351/91 -, InfAuslR 1992, 72 [BVerfG 04.12.1991 - 2 BvR 657/91]). Dies wird bei Geltendmachung einer kollektiven Verfolgungssituation in der Regel nur bei gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung in Betracht kommen und ausnahmsweise bei Erkenntnissen, die auf regelmäßig eindeutigen und widerspruchsfreien Auskünften und Stellungnahmen sachverständiger Stellen beruhen (BVerfG, Beschlüsse vom 12. Juli 1983 - 1 BvR 1470/82 -, BVerfGE 65, 76, und vom 13. Oktober 1983 - 2 BvR 888/93 -, InfAuslR 1993, 390 [BVerfG 13.10.1993 - 2 BvR 888/93]). Bei der Geltendmachung von Einzelverfolgungsmaßnahmen kann sich eine Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich aufdrängen, wenn die im Einzelfall geltend gemachte Gefährdung des Asylsuchenden den von Art. 16a Abs. 1 GG vorausgesetzten Grad der Verfolgungsintensität nicht erreicht, die behauptete Verfolgungsgefahr allein auf nachweislich gefälschten oder widersprüchlichen Beweismitteln beruht oder sich das Vorbringen des Asylbewerbers insgesamt als unglaubhaft oder als unschlüssig erweist (BVerfG, Beschlüsse vom 12. Juli 1983, a.a.O., und vom 27. Februar 1990 - 2 BvR 186/89 -, InfAuslR 1990, 199).
Ausgesetzt werden darf die Abschiebung nur dann, wenn ernstliche Zweifel an dem Offensichtlichkeitsurteil oder an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung bestehen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG). Diese sind dann zu bejahen, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung - und ihr vorgehend das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes - einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1516/93 -, BVerfGE 94,166).
Im gemäß § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 1 und 4, § 3a - 3e AsylG) offensichtlich nicht vor (§ 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1 AsylG). Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht gem. § 77 Abs. 2 AsylG auf die Begründung des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Bezug, der es folgt.
Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsteller im Falle ihrer Rückkehr mit flüchtlingsrelevanten staatlichen oder nichtstaatlichen Maßnahmen zu rechnen haben, sind nicht ersichtlich. Sie haben sich in der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Wesentlichen auf gesundheitliche Gründe für ihre Ausreise berufen. Zwar hat der Antragsteller zu 1) darüber hinaus Probleme der Kinder in der Schule berichtet, die darauf beruhten, dass die Kinder zum Teil nicht im Herkunftsland geboren sind. Die verbalen Anfeindungen in der Schule hätten dazu geführt, dass die Kinder weinend nach Hause gekommen seien und zum Teil nicht mehr zur Schule gegangen seien.
Diese behaupteten Probleme waren offensichtlich nicht fluchtauslösend, zumal die Antragsteller ausdrücklich die gesundheitlichen Probleme als Ausreisegrund benannt haben. Im Übrigen sind die diesbezüglichen Schilderungen der Familienmitglieder widersprüchlich und daher nicht glaubhaft. Die älteste Tochter hat in ihrer Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zudem geschildert, dass sie aufgrund eines sog. Mobbings wegen ihrer Mutter und ihrer Geburt im Ausland bereits seit 2014 – und damit deutlich vor der Ausreise – nicht mehr zur Schule gegangen sei (Bl. 26 der Beiakte 001 im Verfahren 5 A 4431/15). Weiterhin hat die Antragstellerin zu 2) in der Anhörung - im Widerspruch zu der Darstellung des Antragstellers zu 1) und der Darstellung der Tochter - ausgeführt, dass die älteste Tochter die Schule habe abbrechen müssen, da den Eltern eine finanzielle Unterstützung nicht mehr möglich gewesen sei.
Gründe für die Gewährung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) liegen hiernach ebenso wenig wie ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG vor.
Das Gericht vermag auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu erkennen.
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Diese ist u.a. dann gegeben, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit alsbald nach der Rückkehr ins Heimatland, die wesentliche oder gar lebensbedrohliche Verschlimmerung einer Krankheit zu erwarten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 - 9 C 58.97 -, BVerwGE 105, 383, 387), wobei in zeitlicher Hinsicht ein Prognosezeitraum von etwa einem Jahr angemessen ist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 22. März 2006 - 10 LA 287/05 -). Zu berücksichtigen ist dabei, ob dem Ausländer die erforderlichen therapeutischen Maßnahmen individuell zugänglich sind, insbesondere finanziert werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2002 - 1 C 1.02 -, NVwZ-Beilage 2003, 53). Dies muss zudem nicht nur im Heimatort des Betroffenen gelten, sondern die Gefahr muss landesweit gegeben sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. April 1997 - 9 C 38.96 -, BVerwGE 104, 265, 267). Ausreichend ist, dass die Erkrankung danach im Grundsatz hinreichend auf dem rechtlich maßgeblichen Landesniveau behandelbar ist, so dass konkrete Gefahren für Leib und Leben ausgeschlossen werden können. Die u.U. bestehende Möglichkeit einer weiteren Verbesserung der gesundheitlichen Situation im Rahmen einer medizinischen Behandlung im Ausland ist dabei nicht der Maßstab für eine Entscheidung nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Unter Zugrundelegung dieser Kriterien und unter zusammenfassender Betrachtung aller relevanten Umstände und Aspekte ist eine solche Gefahr im Fall der Antragsteller voraussichtlich nicht gegeben.
Der Antragsteller zu 1) hat für seine Person lediglich die unsubstantiierte Behauptung aufgestellt, er sei wohl allgemein krank, fühle sich manchmal schlecht und leide bei längerem Reden unter Luftnot. Dass eine wesentliche oder gar lebensbedrohliche Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes zu erwarten steht, ist nicht ansatzweise dargetan.
Eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ergibt sich auch nicht aus der hinsichtlich der Antragstellerin zu 2) geltend gemachten psychischen Erkrankung. Dabei handelt es sich nach der im vorläufigen Bericht der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des …-Krankenhauses vom 15. Mai 2015 - im Anschluss an eine stationäre Behandlung seit dem 18. April 2015 - gestellten Diagnose um eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome (ICD10: F32.2). Die Diagnose knüpft an den von der Antragstellerin zu 2) in der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geschilderten Tod eines Sohnes in Schweden vor sechs Jahren und ihre Schilderung einer Vergewaltigung durch Polizisten in Ungarn auf dem Weg in die Bundesrepublik Deutschland im Januar bzw. Februar 2015 an. Der vorläufige Bericht endet mit der therapeutischen Empfehlung einer ambulanten psychiatrischen Behandlung. Die - über weite Strecken im Wortlaut vollständig identischen - ärztlichen Atteste des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B. vom 14. August und 25. Oktober 2015 führen aus, dass bei der Antragstellerin zu 2) diagnostisch vom Vorliegen einer Depression vor dem Hintergrund einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) auszugehen sei. Die Diagnosen einer schweren Depression (ICD10: F32.2) und einer PTBS (ICD10: F43.1) hätten übernommen werden können, so dass es insbesondere zwingend notwendig erscheine, die weitere Behandlung in einer hinreichend sicheren Umgebung ausreichend lange durchführen zu können. Demnach würde jede Unterbrechung der Behandlung und insbesondere eine erzwungene Rückführung in die Heimat und somit den Ort der traumatischen Erfahrungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine akute depressive und suizidale Dekompensation der Antragstellerin zu 2) nach sich ziehen. Der im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Krankenhausaufenthaltsbescheinigung des … Krankenhauses vom 9. Dezember 2015 zum stationären Aufenthalt der Antragstellerin zu 2) seit dem 8. Dezember 2015 lassen sich über die stichwortartige Diagnose einer schweren depressiven Episode (ICD10: F32.2) keine weiteren Informationen zum Gesundheitszustand oder Behandlungsbedarf der Antragstellerin zu 2) entnehmen. Gleiches gilt für die unter dem 23. Dezember 2015 erneut ausgestellte Bescheinigung über den fortdauernden stationären Aufenthalt der Antragstellerin zu 2).
Es kann dahinstehen, ob die vorgelegten ärztlichen Unterlagen den formalen Anforderung genügen. Daran bestehen insbesondere hinsichtlich der ärztlichen Atteste des Facharztes Dr. B. erhebliche Zweifel. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 -, BVerwGE 129, 251; Beschluss vom 26. Juli 2012 - 10 B 21.12 -, juris) gehört zur Substantiierung des Vorbringens einer psychischen Erkrankung wie einer PTBS angesichts der Unschärfen des Krankheitsbilds und seiner vielfältigen Symptomatik regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Die Atteste des Dr. B. lassen bereits nicht erkennen, worauf der Facharzt die Diagnose einer PTBS stützt. Soweit er zunächst auf einen Arztbericht der Psychiatrie W. rekurriert und daran anknüpfend ausführt, die Diagnosen ICD10: F32.2 und ICD10: F43.1 könnten „übernommen“ werden, bleibt der Ursprung dieser Diagnose zumindest bzgl. der PTBS (ICD10: F43.1) unklar. Der dem Gericht allein vorliegende vorläufige Bericht des … Krankenhauses vom 15. Mai 2015 trifft an keiner Stelle eine Aussage zum Vorliegen einer PTBS und kann daher nicht als Anknüpfungspunkt für eine Übernahme der Diagnose durch den Facharzt dienen.
Soweit die Antragsteller geltend machen, für den aktuellen stationären Aufenthalt der Antragstellerin zu 2) im ... Krankenhaus sei eine über die Krankhausaufenthaltsbescheinigungen vom 9. und 23. Dezember 2015 hinausgehende ärztliche Dokumentation für sie gegenwärtig nicht erreichbar, lässt sich - unter Berücksichtigung damit verbundener Erschwernisse für die Darlegung und Substantiierung des Vortrags - auch bei der Annahme, dass die in den Krankenhausaufenthaltsbescheinigungen gestellte (Kurz-) Diagnose zutrifft, anhand der dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel kein Abschiebungsverbot feststellen.
Das Gericht geht davon aus, das sich im Kosovo psychische Erkrankungen, inklusive PTBS, grundsätzlich behandeln lassen (so schon Nds. OVG, Urteil vom 8. Juni 2011 - 8 LB 221/09 -; VGH BW, Urteil vom 4. Februar 2010 - A 11 S 331/07 -; vgl. auch Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo/Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylVfG, Stand: September 2015, Seite 26 ff.; Auskunft der Deutschen Botschaft in Pristina an Bay.VG vom 13. März 2014; Urteile des erkennenden Gerichts vom 23. Januar 2013 - 5 A 1634/11 - und - 5 A 1201/11 -, vom 27. März 2013 - 5 A 3085/10 -, vom 18. Februar 2015 - 5 A 6247/13 -, vom 25. März 2015 - 5 A 439/15 -; Beschluss des erkennenden Gerichts vom 27. April 2015 - 5 B 1336/15 -). Den grundsätzlich vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsland kann auch nicht entgegengehalten werden, der Antragstellerin zu 2) sei eine Rückkehr in das Herkunftsland aufgrund ihrer Erkrankung nicht zumutbar. Soweit der Facharzt Dr. B. in seinem Attest vom 25. Oktober 2015 ausführt, eine Rückführung in die Heimat würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine akute depressive und suizidale Dekompensation der Antragstellerin zu 2) nach sich ziehen, kann dieser Einschätzung nicht gefolgt werden. Als Begründungselement für seine Prognose führt der Facharzt aus, dass es sich bei der Heimat der Antragstellerin zu 2) um den Ort der traumatischen Erfahrungen handele. Dieser Zusammenhang findet hingegen in den Ausführungen der Antragsteller nicht ansatzweise eine Stütze. Die Antragstellerin zu 2) hat vielmehr im Asylverfahren ausschließlich traumatische Ereignisse außerhalb des Kosovos (Tod des Sohnes in Schweden; Vergewaltigung in Ungarn) geschildert. Danach ist nicht ersichtlich, dass einer Rückkehr in den Kosovo eine vom Facharzt Dr. B. befürchtete dekompensierende Wirkung innewohnen könnte. Eine solche Gefahr im Herkunftsland ist sich schließlich auch nicht in dem Bericht des ... Krankenhauses zu der ebenfalls aufgrund der Diagnose einer schweren depressiven Episode (ICD10: F32.2) erfolgten stationären Behandlung im April/Mai 2015 erwähnt. Im Ergebnis besteht für den Einzelrichter keine Veranlassung, aufgrund der aktuellen erneuten stationären Behandlung bei identischer Diagnose vom Vorliegen einer - rechtlich maßgeblichen - überwiegenden Wahrscheinlichkeit einer schwerwiegenden Dekompensation alsbald nach der Rückkehr in das Herkunftsland auszugehen. Konkrete Tatsachen, die u.U. auf eine Dekompensations- oder eine sonstige Retraumatisierungsgefahr hindeuten könnten, wurden von den Antragstellern im gerichtlichen Verfahren nicht benannt und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Es bestehen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die im Kosovo im Grundsatz vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten der Antragstellerin zu 2) individuell aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich sein werden. Die Antragstellerin zu 2) hat in der Anhörung bereits ausgeführt, dass sie aufgrund eines Traumas nach dem Tod ihres Sohnes durch einen Psychiater im Herkunftsland medikamentös behandelt worden sei. Lediglich für Gespräche zur Aufarbeitung sei von ihr ein besonderes Honorar verlangt worden, dass sie nicht haben bezahlen können. Deswegen sei sie „so damit zu Recht gekommen“ (Bl. 49 der Beiakte 001). Beim Vorliegen einer psychischen Erkrankung bzw. Traumatisierung können Rückkehrer aus Deutschland unmittelbar nach ihrer Rückkehr in den Kosovo kostenlos Hilfs- und Unterstützungsleistungen des Rückkehrprojektes URA II in Anspruch nehmen. Bestandteil dieser Leistungen ist unter anderem ein Behandlungs- oder Medikamentenzuschuss von 75,00 EUR (http://bit.ly/1IyXbeT, Stand: 12. Juni 2015). Psychologen, die in Deutschland im Rahmen des Projektes URA II zu Trauma-Spezialisten geschult worden sind, bieten eine professionelle Behandlung für psychisch erkrankte Rückkehrer an und/oder sind bei der Vermittlung von qualifizierten Behandlungsplätzen behilflich (Auswärtiges Amt, a.a.O., Seite 26). Alle Rückkehrer können von den Psychologen des Projektes URA II eine professionelle Behandlung psychischer Erkrankungen erhalten bzw. vermittelt URA psychisch kranken Personen entsprechende Behandlungsmöglichkeiten bei kosovarischen Ärzten (Auswärtiges Amt, a.a.O., Seite 29). Selbst im Fall der im gerichtlichen Verfahren allgemein behaupteten Mittellosigkeit kommt darüber hinaus - zusätzlich - eine finanzielle Unterstützung durch die im Kosovo lebende Großfamilie in Betracht. Das Bundesverwaltungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung (vgl. Beschluss vom 1. Oktober 2001 - 1 B 185.01 -, Buchholz 402.240, § 53 AusIG Nr. 51, Rn. 2 nach juris) davon aus, dass die mögliche Unterstützung durch Angehörige im In- und Ausland in die gerichtliche Prognose, ob bei Rückkehr eine Gefahr für Leib oder Leben besteht, mit einzubeziehen ist. Auch vor diesem Hintergrund kommt ihrer Behauptung gegenüber dem Bundesamt keine weitere Bedeutung zu, sie habe sich eine weitergehende - über die medikamentöse Behandlung durch einen Psychiater hinausreichende - psychiatrische Behandlung nicht leisten können.
Die von den Antragstellern aufgrund des fortwährenden Krankenhausaufenthaltes der Antragstellerin zu 2) nicht als gegeben erachtete Reisefähigkeit weist keinen originären Zielstaatenbezug i.S.d. § 60 Abs. 7 AufenthG auf. Insoweit könnte allenfalls eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung in Betracht zu ziehen sein. Die Entscheidung hierüber obliegt indes nicht der zum Erlass der Abschiebungsandrohung berufenen Antragsgegnerin, vgl. § 34 Abs. 1 AsylG. Es ist Sache der Ausländerbehörde, ggf. im Rahmen einer Aufenthaltsbeendigung fortbestehenden Beschwerden mit Medikamenten oder in sonstiger Weise (geeignete Reisebegleitung) Rechnung zu tragen.
Schließlich hat das Bundesamt zu Recht eine Ausreisefrist von einer Woche unter Androhung der Abschiebung gesetzt. Diese folgt aus §§ 34, 36 Abs. 1 AsylG und § 59 AufenthG.
2. Soweit sich die Antragsteller gegen die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Anordnung und Befristung des behördlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise (Nr. 6 des Bescheides) wenden, hat der Antrag keinen Erfolg. Gem. § 11 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 AufenthG kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gegen einen Ausländer, dessen Asylantrag nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung zu befristen, § 11 Abs. 7 Satz 4 AufenthG.
Es handelt sich hierbei um eine anwendbare Rechtsgrundlage für die behördliche Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots durch die Beklagte. Insbesondere verstößt die Norm nicht gegen europäisches Recht oder Verfassungsrecht. Ein von den Antragstellern pauschal behaupteter Verstoß gegen die sog. Rückführungsrichtlinie ist nicht erkennbar. Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 - Rückführungsrichtlinie - (ABl. EU Nr. L 348 vom 24. Dezember 2008 S. 98) eröffnet ausdrücklich die Möglichkeit, dass in anderen als den in Art. 11 Abs. 2 Satz 1 Rückführungsrichtlinie genannten Fällen die Rückkehrentscheidung (Art. 3 Nr. 4 Rückführungsrichtlinie) mit einem Einreiseverbot (Art. 3 Nr. 6 Rückführungsrichtlinie) einhergeht. Mit diesen Vorgaben ist das in § 11 Abs. 7 AufenthG geregelte Einreise- und Aufenthaltsverbot grundsätzlich vereinbar. Nicht andere ergibt sich aus den Erwägungsgründen. Die Rückführungsrichtlinie soll die Migrationspolitik um eine wirksame Rückkehrpolitik mit klaren, transparenten und fairen Vorschriften ergänzen (4. Erwägungsgrund) und im Einklang mit allgemeinen Grundsätzen des EU-Rechts sollen Entscheidungen gemäß dieser Richtlinie auf Grundlage des Einzelfalls und anhand objektiver Kriterien getroffen werden (6. Erwägungsgrund). Auch hieraus lässt sich nichts dafür herleiten, dass die einzelfallbezogene behördliche Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 7 Nr. 1 AufenthG gegen unionsrechtliche Vorgaben verstößt.
Ein solcher Verstoß ergibt sich – entgegen der Rechtsauffassung der Antragsteller –auch nicht daraus, dass es weder eine einheitliche europäische Liste sicherer Herkunftsstaaten gibt noch eine einheitliche Anerkennung des Kosovos durch alle EU-Mitglieder vorliegt. Art. 37 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes - Asylverfahrensrichtlinie - (ABl. EU Nr. L 180 vom 29. Juni 2013 S. 60) berechtigt die Mitgliedstaaten ausdrücklich dazu, Rechts- oder Verwaltungsvorschriften beizubehalten oder zu erlassen, aufgrund deren sie im Einklang mit Anhang I sichere Herkunftsstaaten bestimmen können. Die Staaten, die ein Mitgliedstaat gem. Art. 37 Asylverfahrensrichtlinie als sicherer Herkunftsstaaten bestimmt hat, sind der Kommission mitzuteilen, vgl. Art. 37 Abs. 4 Asylverfahrensrichtlinie. Danach war die Antragsgegnerin grundsätzlich berechtigt den Kosovo nach Art. 16a Abs. 3 GG i.V.m. § 29a Abs. 2 AsylG als sicheren Herkunftsstaat zu bestimmen. Das Fehlen einer einheitlichen europäischen Liste sicherer Herkunftsstaaten – einschließlich des Kosovos – ist daher unschädlich und steht einer nationalstaatlichen Liste sicherer Herkunftsstaaten nicht entgegen. Dem kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass der Kosovo bislang nicht von allen EU-Mitgliedern als Staat anerkannt wurde. In Ermangelung eines einheitlichen europäischen Staatsbegriffs ist – auch bei der Auslegung der Asylverfahrensrichtlinie – auf die völkerrechtliche Anerkennung durch den jeweiligen EU-Mitgliedsstaat abzustellen, der zur Umsetzung im nationalen Recht verpflichtet ist.
Soweit die Antragsteller im Hinblick auf die Vereinbarkeit des § 11 Abs. 7 AufenthG mit höherrangigem Recht anführen, das von der Antragsgegnerin ausgesprochene Einreise- und Aufenthaltsverbot sei nicht auf die Bundesrepublik Deutschland beschränkt sondern gelte in allen Staaten, die Vertragsparteien des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen - SDÜ - sind, folgt hieraus ebenfalls keine Rechtswidrigkeit der bundesgesetzlichen Eingriffsermächtigung. § 11 Abs. 7 AufenthG hat lediglich die Einreise und den Aufenthalt bezogen auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland zum Gegenstand, vgl. § 11 Abs. 7 Satz 3 i.V.m. § 11 Abs. 1 AufenthG. Die Verweigerung der Einreise in andere Mitgliedsstaaten ergibt sich hieraus nicht. Diese findet ihre Grundlage vielmehr im Europarecht. Gem. Art. 13 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Buchstabe d) i.V.m. Art. 2 Nr. 7 der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen - Schengener Grenzkodex - (ABl. EU Nr. L 105 S. 1) i.V.m. Art. 96 Abs. 1 SDÜ knüpft die Verweigerung der Einreise an die nationale Ausschreibung an die auf einer Entscheidung der zuständigen Verwaltungsbehörden und Gerichte beruht, wobei die Verfahrensregeln des nationalen Rechts zu beachten sind. Die diesbezüglichen Entscheidungen können u.a. darauf beruhen, dass der Drittausländer ausgewiesen, zurückgewiesen oder abgeschoben worden ist, wobei die Maßnahme nicht aufgeschoben oder aufgehoben worden sein darf, ein Verbot der Einreise oder des Aufenthalts enthalten oder davon begleitet sein muss und auf der Nichtbeachtung des nationalen Rechts über die Einreise oder den Aufenthalt von Ausländern beruhen muss, Art. 96 Abs. 3 SDÜ. Da ein auf der Grundlage des § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnetes Einreise- und Aufenthaltsverbot - für das Bundesgebiet - danach nur vermittels einer eigenständigen unionsrechtlichen Überleitung eine Fernwirkung betreffend die Einreise in andere Staaten zeitigt, kann der bundesgesetzlichen Norm selbst insofern keine Europarechtswidrigkeit innewohnen. Im Übrigen können die Mitgliedstaaten - trotz eines in einem anderen Mitgliedstaat verhängten Einreiseverbotes - grundsätzlich für ihr Territorium Aufenthaltstitel oder eine sonstige Aufenthaltsberechtigung für Drittstaatsangehörige ausstellen, vgl. Art. 11 Abs. 4 Rückführungsrichtlinie, Art. 25 Abs. 1 Satz 2 SDÜ. U.a. aus diesen Gründen wäre Rechtsschutz gegen das Verbot der Einreise in einen anderen Vertragsstaat dort zu erlangen, vgl. Art. 13 Abs. 3 Schengener Grenzkodex.
Die Voraussetzungen des danach anwendbaren § 11 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 AufenthG sind hier erfüllt.
Über die Dauer der Sperrfrist entscheidet die zuständige Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 11 Abs. 7 Satz 3, Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Das Gericht hat nur zu prüfen, ob die in § 114 VwGO genannten besonderen Voraussetzungen eingehalten werden, d.h. ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes gegeben sind, ob der Erlass des Verwaltungsaktes auf Ermessensfehlern beruht und ob eine Unterlassung einer rechts- und ermessensfehlerfreien Entscheidung der Behörde beim betroffenen Ausländer zu einer Rechtsverletzung führt. Die in § 11 Abs. 7 Satz 5 AufenthG geregelte Grenze von einem Jahr bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots wurde nicht überschritten. Ermessensfehler sind nicht erkennbar. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat im Bescheid zutreffend festgestellt, dass die Antragsteller im Bundesgebiet über keine wesentlichen Bindungen verfügen, die im Rahmen der Ermessensprüfung zu berücksichtigen wären. Soweit die Antragsteller geltend machen, zahlreiche Verwandte, d.h. ein Bruder samt seiner Familie, lebten seit ca. 20 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland und verfügten dort teilweise über die deutsche Staatsangehörigkeit bzw. einen gesicherten Aufenthaltsstatus, ergibt sich hieraus keine andere Bewertung. Dass hier lebende Verwandte auf die Anwesenheit der Antragsteller angewiesen sind ist - ebenso wie umgekehrt eine Angewiesenheit der Antragsteller auf die Anwesenheit der hier lebenden Verwandten weder dargetan noch sonst ersichtlich. Zumal darüber hinaus auch nichts dafür ersichtlich ist, dass sich die Antragsteller aufgrund der familiären Beziehungen in den letzten Jahren in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hätten, steht das auf 10 Monate befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot nicht erkennbar außer Verhältnis zum dem gesetzlichen Zweck, aus generalpräventiven Erwägungen einer Überlastung des Asylverfahrens durch offensichtlich nicht schutzbedürftige Personen entgegenzuwirken und die entsprechenden Kapazitäten vielmehr für die Prüfung der Asylanträge tatsächlich schutzbedürftiger Personen einzusetzen (vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 38).
3. Gemäß §§ 166 VwGO, 114 Satz 1 ZPO ist Prozesskostenhilfe demjenigen zu gewähren, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Daran gemessen ist der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe entsprechend der obigen Ausführungen mangels hinreichender Erfolgsaussichten unbegründet.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).