Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 14.01.2016, Az.: 7 B 4368/15
Arbeitsunfähigkeit; Lotsgeldverteilung; Seelotse
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 14.01.2016
- Aktenzeichen
- 7 B 4368/15
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 43168
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 28 Abs 3 SeelotG
- § 28 Abs 1 SeelotG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Auch im Falle lang anhaltender Arbeitsunfähigkeit muss die Seelotsenbrüderschaft die Beiträge, die der Versorgung des Seelotsen und seiner Hinterbliebenen für den Fall des Alters, der Berufsunfähigkeit und Todes dienen, weiterhin für den erkrankten Seelotsen abführen.
2. Einer Entscheidung der Seelotsenbrüderschaft, den erkrankten Seelotsen im Übrigen von der Verteilung der Lotsgelder auszuschließen, stehen die Regelungen des SeeLG nicht entgegen.
Tenor:
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 27. November 2015 (Az. 7 A 4367/15) wird wiederhergestellt, soweit sie sich dagegen richtet, dass die Antragsgegnerin nicht mehr die Beiträge für die Dt. Rentenversicherung, die GAK-Altlastkasse (GAK-Altlast), die Gemeinsame Unterstützungskasse (GUK), die Gemeinsame Übergangskasse (GÜK), die Kölner Pensionskasse (KPK) und die Bundeslotsenkammer (BLK-Beitrag) für den Antragsteller abführt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller zu 2/3 und die Antragsgegnerin zu 1/3.
2. Der Streitwert wird auf 42.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen den Ausschluss aus der Verteilung der Lotsgelder durch die Antragsgegnerin.
Der Antragsteller ist Lotse und Mitglied der Antragsgegnerin.
Er ist seit dem 11. September 2013 ohne Unterbrechung arbeitsunfähig krankgeschrieben. Mit Bescheid vom 3. Februar 2014 untersagte ihm die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt vorübergehend und bis auf weiteres die Berufsausübung als Seelotse, da er nach dem Ergebnis einer ärztlichen Untersuchung über sein Seh- und Hörvermögen und die Farbtauglichkeit vorübergehend nicht für den Seelotsenberuf geeignet sei.
In Anwendung des § 9 Abs. 3 Satz 1 ihrer Verteilungsordnung (VerteilO) reduzierte die Antragsgegnerin den Anteil des Antragstellers an der Verteilung der Lotsgelder zunächst auf 80 % und später auf 60 %.
Am 26. Mai 2015 befasste sich die Mitgliederversammlung der Antragsgegnerin mit der Frage der weiteren Einbeziehung des Antragstellers in die Verteilung der Lotsgelder. Sie entschied, dass hierzu eine Urabstimmung durchzuführen sei. Die Urabstimmung sah folgende Entscheidungsvorschläge vor:
Ab 11.09.2015 keine Teilnahme an der Lotsgeldverteilung |
---|
Ab 11.09.2015 ermäßigt sich der Anspruch auf 40 % des vollen Anteils, ab 11.03.2016 auf 20 %, ab 11.09.2016 auf Null |
Die Urabstimmung wurde bis zum 14. Juli 2015 durchgeführt und kam zu folgendem Ergebnis, welches die Antragsgegnerin am 15. Juli 2015 aushängte:
Ab 11.09.2015 keine Teilnahme an der Lotsgeldverteilung | 83 Stimmen |
---|---|
Ab 11.09.2015 ermäßigt sich der Anspruch auf 40 % des vollen Anteils, ab 11.03.2016 auf 20 %, ab 11.09.2016 auf Null | 23 Stimmen |
Nicht abgestimmt | 3 Stimmen |
Umschlag fehlt | 1 Stimme |
Gesamt | 110 Stimmen |
Mit Schreiben vom 20. Juli 2015 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zur beabsichtigten Reduzierung seines Anteils an der Lotsgeldverteilung auf Null an.
Der Antragsteller erklärte hierzu mit Schreiben vom 10. August 2015, dass er Klage gegen den Beschluss der Mitgliederversammlung erheben werden, um sich und seine Angehörigen zu schützen.
Mit Schreiben vom 12. August 2015 trug der Antragsteller durch seinen Prozessbevollmächtigten vor, dass er von der Antragsgegnerin zumindest Zuwendungen in Höhe des Existenzminimums erhalten müsse. Dem SeeLG zufolge müsse sie die Versorgung der Seelotsen sicherstellen.
Mit Bescheid vom 17. August 2015 nahm die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Wirkung ab dem 11. September 2015 vollständig aus der Lotsgeldverteilung heraus und ordnete die sofortige Vollziehung an. Ihre Mitglieder hätten dies mit der Urabstimmung mehrheitlich entschieden. Sie sei verpflichtet, diese Entscheidung umzusetzen. Infolge dieser Entscheidung werde sie nunmehr auch keine Beiträge mehr für den Antragsteller abführen. Die Beiträge für die Dt. Rentenversicherung, die GAK-Altlastkasse (GAK-Altlast), die Gemeinsame Unterstützungskasse (GUK), die Gemeinsame Übergangskasse (GÜK), die Kölner Pensionskasse (KPK), die Rechtsschutz-, die Haftpflicht-, und die Unfallversicherung sowie die Bundeslotsenkammer (BLK-Beitrag) müsse der Antragsteller ab sofort eigenständig begleichen.
Der Antragsteller legte mit Schreiben vom 17. September 2015 Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Zur Begründung führte er aus, dass seine vollständige Herausnahme aus der Lotsgeldverteilung gegen § 9 VerteilO verstoße. Danach sei zwar eine weitere Reduzierung des Anteils (über 60 % hinaus) möglich, nicht jedoch eine vollständige Herausnahme aus der Verteilung. Dies sei mit § 28 SeeLG nicht vereinbar. Er sei bislang lediglich arbeitsunfähig. Bis zur Feststellung einer Berufsunfähigkeit müsse die Antragsgegnerin ihm zumindest das Existenzminimum einschließlich einer angemessenen Sozialversicherung gewährleisten.
Zudem sei die Urabstimmung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Er sei nicht bereits im Vorfeld zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert und nicht hinreichend über das Verfahren informiert worden. Es hätte bei der Entscheidungsfindung auch berücksichtigt werden müssen, dass seine Erkrankung auf einen Arbeitsunfall zurückzuführen sei.
Die Antragsgegnerin befasste sich in ihrer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 7. Oktober 2015 mit dem Widerspruch des Antragstellers und beschloss, den Widerspruch zurückzuweisen.
Sie wies den Widerspruch des Antragstellers mit Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2015 zurück und lehnte seinen Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung ab. § 9 VerteilO schließe die Möglichkeit der Reduzierung des Anteils an der Lotsgeldverteilung auf Null ein. Die Urabstimmung sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Der Einwand des Antragstellers, er sei nicht vorab zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert worden, sei unbeachtlich. Er sei zu der Mitgliederversammlung am 26. Mai 2015, auf der die Angelegenheit erörtert und die Durchführung der Urabstimmung beschlossen worden sei, ordnungsgemäß eingeladen worden und hätte dort Gelegenheit gehabt, sich zu äußern. Zudem sei er vor dem Erlass des Bescheides angehört worden. Der Antragsteller sei in Anbetracht seiner anhaltenden Erkrankung auch gehalten gewesen, eigenständig Maßnahmen zur Vorsorge zu treffen.
Der Antragsteller hat am 27. November 2015 Klage erhoben und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragt.
II.
1. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers vom 27. November 2015 (Az. 7 A 4367/15) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 17. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2015, mit dem sie den Antragsteller aus der Verteilung der Lotsgelder herausgenommen hat, ist zulässig und teilweise - soweit er sich dagegen wendet, dass die Antragsgegnerin nicht mehr die Beiträge für die Dt. Rentenversicherung, die GAK-Altlastkasse (GAK-Altlast), die Gemeinsame Unterstützungskasse (GUK), die Gemeinsame Übergangskasse (GÜK), die Kölner Pensionskasse (KPK) und die Bundeslotsenkammer (BLK-Beitrag) für ihn abführt - begründet. Im Übrigen ist sein Antrag unbegründet.
Für den Erfolg eines Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist entscheidend, ob das private Interesse eines Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage höher als das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes zu bewerten ist. Bei dieser Interessenabwägung sind mit der im vorläufigen Verfahren gebotenen Zurückhaltung auch die Aussichten des Begehrens im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. Bei einer offensichtlich Erfolg versprechenden Klage überwiegt das Suspensivinteresse des Betroffenen jedes denkbare öffentliche Vollzugsinteresse. Der Antrag ist dagegen in aller Regel unbegründet, wenn der Antragsteller im Verfahren zur Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, insbesondere wenn die angegriffene Verfügung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtmäßig ist.
Hier wird die Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2015 voraussichtlich Erfolg haben, soweit er sich dagegen wendet, dass die Antragsgegnerin nicht mehr die Beiträge für die Dt. Rentenversicherung, die GAK-Altlast, die GUK, die GÜK, die KPK und die BLK für ihn abführt.
Gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 6 SeeLG obliegt es der Lotsenbrüderschaft insbesondere, Maßnahmen zu treffen, die eine ausreichende Versorgung der Seelotsen und ihrer Hinterbliebenen für den Fall des Alters, der Berufsunfähigkeit und Todes gewährleisten, und die Durchführung dieser Maßnahmen zu überwachen.
Dem Rechnung tragend hat die Antragsgegnerin in ihrer Satzung in § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 geregelt, dass von den eingenommenen Lotsgeldern die Beiträge einzubehalten und an die zuständigen Stellen abzuführen sind, die für die Altersversorgung der Mitglieder nach Maßgabe der Nr. 6, für die Verwaltungsaufgaben der Lotsenbrüderschaft (Körperschaftsausgaben) und für einen Ausgleich gemäß § 35 Abs. 2 Nr. 6 SeeLG, sofern dafür entsprechende Gelder im Lotsgeldtarif eingerechnet worden sind, erforderlich werden.
Das (nach Einbehalt und Abführung) verbleibende Lotsgeld ist gemäß § 3 Abs. 5 der Satzung nach Maßgabe der Lotsgeldverteilungsordnung an die Mitglieder zu verteilen.
Folglich regelt die Verteilungsordnung, nach deren § 9 Abs. 3 die Antragsgegnerin den Anteil des Antragstellers auf Null reduziert hat, nur die Verteilung des nach Einbehalt und Abführung der Beiträge im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 der Satzung verbleibenden Lotsgeldes. Nur dieser verbleibende Teil des Lotsgeldes ist der Reduzierung nach § 9 Abs. 3 VerteilO zugänglich, nicht jedoch die Beiträge im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 der Satzung. Um solche Beiträge handelt es sich bei den o.g. Positionen. Die Beiträge für die Dt. Rentenversicherung, die GAK-Altlast, die GUK, die GÜK und die KPK sind bereits nach dem Vortrag der Antragsgegnerin solche im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 a) und Nr. 6 der Satzung (Altersversorgung bzw. Berufsunfähigkeitsvorsorge). Die Beiträge für die Bundeslotsenkammer sind Beiträge im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 b) der Satzung (Körperschaftsausgaben).
Im Übrigen ist die Reduzierung des Anteils des Antragstellers an der Lotsgeldverteilung rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Entscheidung der Antragsgegnerin, den Antragsteller nicht mehr an der Verteilung der (verbleibenden) Lotsgelder teilhaben zu lassen, steht im Einklang mit den Vorschriften der VerteilO. Auch steht höherrangiges Recht, insbesondere das SeeLG, der Rechtmäßigkeit der Entscheidung nicht entgegen.
Gemäß § 9 Abs. 1 lit a) VerteilO nehmen grundsätzlich sowohl kranke als solche Seelotsen, denen vorläufig oder vorübergehend die Berufsausübung untersagt wurde, an der Verteilung der Lotsgelder teil. Gemäß § 9 Abs. 3 VerteilO ermäßigt sich der Anspruch bei der Verteilung der Lotsgelder bei kranken und solche Seelotsen, denen vorläufig oder vorübergehend die Berufsausübung untersagt wurde, im 3. Halbjahr auf 80 % und im 4. Halbjahr auf 60 %. Bei noch längerer Krankheit wird durch Urabstimmung mit einfacher Mehrheit über die Höhe und Dauer weiterer Zuwendungen entschieden.
Hier bestand beim Antragsteller eine „noch längere Krankheit“ in diesem Sinne. Da die Krankschreibung des Antragstellers seit dem 11. September 2013 besteht, endete das 4. Halbjahr am 10. September 2015. Die Antragsgegnerin führte aufgrund des in der Mitgliederversammlung am 26. Mai 2015 getroffenen Beschlusses die nach § 9 Abs. 3 Satz 3 VerteilO erforderliche Urabstimmung über die weitere Teilhabe des Antragstellers an der Lotsgeldverteilung ab dem 11. September 2015 durch. Ausweislich des Aushangs über das „Ergebnis der Urabstimmung über weitere Zuwendungen an den Kollegen ..............“ vom 15. Juli 2015 entschieden die Mitglieder der Antragsgegnerin mehrheitlich, dass der Antragsteller ab dem 11. September 2015 nicht mehr an der Lotsgeldverteilung teilnimmt. Durchgreifende Bedenken hinsichtlich der Durchführung der Urabstimmung bestehen nicht. Der Antragsteller hat insoweit auch keine substantiierten Einwände erhoben.
Der konkreten Entscheidung der Antragsgegnerin, den Antragsteller vollständig von der Verteilung des Lotsgeldes auszuschließen, - soweit es nicht die Beiträge nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 der Satzung betrifft (s.o.) - stehen auch weder die Regelungen der VerteilO, noch die der Satzung oder des SeeLG entgegen. Anders als der Antragsteller meint, ermöglicht die Regelung des § 9 Abs. 3 Satz 3 VerteilO nicht nur die weitere graduelle Reduzierung der Teilhabe an der Lotsgeldverteilung, sondern auch die Beendigung der Teilhabe. Dem steht auch nicht § 28 Abs. 3 SeeLG entgegen. Danach hat die Verteilungsordnung die Anteile des Seelotsen für den Fall einer Erkrankung sowie einer vorläufigen oder vorübergehenden Untersagung der Berufsausübung zu regeln. Sie kann dabei von der sonst vorgesehenen Verteilung abweichen.
Die Entscheidung der Antragsgegnerin widerspricht auch nicht ihren gesetzlich und in der Satzung festgelegten Pflichten. Gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 6 SeeLG und § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 der Satzung obliegt es der Lotsenbrüderschaft, Maßnahmen zu treffen, die eine ausreichende Versorgung der Seelotsen und ihrer Hinterbliebenen für den Fall des Alters, der Berufsunfähigkeit und Todes gewährleisten, und die Durchführung dieser Maßnahmen zu überwachen.
Wie bereits ausgeführt, besteht die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Abführung der Beiträge in diesem Sinne unabhängig von der Entscheidung nach § 9 Abs. 3 Satz 3 VerteilO fort, da die VerteilO nur die Verteilung des nach Abführung der Beiträge im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 der Satzung verbleibenden Lotsgeldes regelt.
Folglich genügt die Antragsgegnerin insoweit ihren gesetzlichen und satzungsmäßigen Aufgaben zur Daseinsvorsorge ihrer Mitglieder. Hierbei ist zudem zu berücksichtigen, dass der Beruf des Seelotsen den freien Berufen zuzuordnen ist (vgl. § 21 Abs. 1 SeeLG). Als Angehöriger eines freien Berufes obliegt es ihm daher grundsätzlich selbst, Vorkehrungen für seine Versorgung zu treffen. Dieser Grundsatz hat allein im Bereich der Versorgung für den Fall des Alters, der Berufsunfähigkeit und des Todes durch die entsprechende gesetzliche Regelung im SeeLG eine Einschränkung erfahren. Der Gesetzgeber hat in seiner Gesetzesbegründung hierzu ausgeführt (BT-Drs. 02/393 vom 25. März 1954, Seite 15):
„Die Seelotsen sind nach dem Entwurf Gewerbetreibende. Es ist daher ihre eigene Angelegenheit, Vorkehrungen für ihre und ihrer Hinterbliebenen Versorgung zu treffen. Andererseits hat der Bund ein starkes Interesse daran, dass sich die Seelotsen bei der Ausübung ihres gefahrvollen Berufs nicht durch die Ungewissheit über ihre Versorgungslage beeinträchtigen lassen. Es wird daher der Brüderschaft zur Pflicht gemacht, Maßnahmen für eine ausreichende Versorgung zu treffen und die Durchführung dieser Maßnahmen zu überwachen.“
Gemeint ist hiermit ausweislich des unmissverständlichen Wortlauts der gesetzlichen Regelung ausschließlich die Versorgung der Seelotsen und ihrer Hinterbliebenen für den Fall des Alters, der Berufsunfähigkeit und des Todes, nicht jedoch die Versorgung für den Fall anhaltender Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit. Insoweit obliegt die Verantwortung für Vorsorgemaßnahmen nach den allgemeinen Grundsätzen der Angehörigen der freien Berufe dem Seelotsen selbst.
Die Entscheidung der Antragsgegnerin, den Antragsteller im Anwendungsbereich der VerteilO von der Verteilung der („verbliebenen“) Lotsgelder auszuschließen, ist auch nicht ermessensfehlerhaft im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO. Hiernach ist das Gericht darauf beschränkt, die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin darauf zu prüfen, ob ihre Entscheidung deshalb rechtswidrig ist, weil sie die gesetzlichen Grenzen des ihr eingeräumten Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.
Gemäß § 9 Abs. 3 Satz 3 VerteilO wird bei „noch längerer Krankheit“ durch Urabstimmung über Höhe und Dauer weiterer Zuwendungen entschieden. Die VerteilO gibt damit vor, dass eine Entscheidung über über Höhe und Dauer der weiteren Zuwendungen zu treffen ist, nicht jedoch welche Entscheidung. Der Antragsgegnerin stand somit ein Auswahlermessen zu.
Die Entscheidung der Antragsgegnerin lässt hier keine durchgreifenden Ermessensfehler erkennen. Zwar enthält der Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. August 2015 keine ausdrücklichen Ermessenserwägungen und sogar den Passus, der Unterzeichner sei als Ältermann verpflichtet, die Entscheidung der Mitglieder der Lotsenbrüderschaft umzusetzen. Dies steht der Annahme einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung aber deswegen nicht durchgreifend entgegen, weil der Bescheid ausdrücklich auf die durchgeführte Urabstimmung verweist. Mit der durchgeführten Urabstimmung sowie der diese vorbereitenden Mitgliederversammlung hat die Antragsgegnerin ihr Auswahlermessen ausgeübt und dies auch hinreichend dokumentiert. Aus dem dem Gericht vorliegenden Auszug aus dem Protokoll zur Mitgliederversammlung vom 26. Mai 2015 ergibt sich, dass die Mitglieder der Antragsgegnerin in dieser Mitgliederversammlung den Sachverhalt sowie verschiedene Handlungsoptionen erörtert haben. Infolge dieser Erörterung beschloss die Mitgliederversammlung, zwei verschiedene Möglichkeiten in der Urabstimmung zur Wahl zu stellen, nämlich einerseits die weitere stufenweise Absenkung des Anteils des Antragstellers und andererseits die vollständige Einstellung der Teilnahme an der Lotsgeldverteilung. Dies geschah ausweislich des Aushangs über das „Ergebnis der Urabstimmung über weitere Zuwendungen an den Kollegen ..............“. Zudem hat die Antragsgegnerin ihre Ermessenserwägungen in ihrem Widerspruchsbescheid 26. Oktober 2015 und auch im Laufe des gerichtlichen Verfahrens ergänzt.
Der Rechtmäßigkeit des Widerspruchsbescheides steht nicht durchgreifend entgegen, dass die Mitgliederversammlung am 7. Oktober 2015, in der der Umgang mit dem Widerspruch des Antragstellers erörtert wurde, möglicherweise nicht beschlussfähig war. Gemäß § 10 Abs. 1 der Satzung ist die Mitgliederversammlung beschlussfähig, wenn mindestens ein Drittel der Mitglieder anwesend ist. Ausweislich des Protokolls über die Mitgliederversammlung vom 7. Oktober 2015 sind lediglich 30 Stimmen - und damit weniger als ein Drittel der Anzahl der Mitglieder der Antragsgegnerin - bei der Abstimmung über die Zurückweisung des Widerspruchs abgegeben worden. Da die Satzung jedoch keine Regelung enthält, dass für die Entscheidung über den Widerspruch eines ihrer Mitglieder ein vorangegangener förmlicher Beschluss der Mitgliederversammlung erforderlich ist, ist dies mit Blick auf die Rechtmäßigkeit des Widerspruchsbescheides unschädlich.