Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 20.01.2016, Az.: 11 A 1093/15
Aufenthaltserlaubnis; humanitäre Gründe; Betreuer
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 20.01.2016
- Aktenzeichen
- 11 A 1093/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2016, 43178
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 25 Abs 5 AufenthG
- § 1896 BGB
- Art 8 MRK
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zu den (engen) Voraussetzungen, unter denen dem Betreuer einer sich rechtmäßig in Deutschland aufhältigen Person, mit der der Betreuer nicht verwandt ist, ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 EMRK zustehen kann.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Der am 4. Dezember 19.. geborene Kläger ist serbischer Staatsangehöriger.
Er reiste am 6. Juni 2012 mit seiner Ehefrau und zwei minderjährigen Kindern (geb. 2006 und 2010) in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sein Asylantrag wurde mit bestandskräftigem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 3. August 2012 als offensichtlich unbegründet abgelehnt (vgl. VG Osnabrück, Beschluss vom 23. August 2012 - 5 B 68/12 -; Urteil vom 3. Dezember 2012 - 5 A 192/12 -).
Am 27. November 2012 reiste er freiwillig nach Serbien aus und kehrte am 4. März 2013 in die Bundesrepublik Deutschland zurück. Nach erneuter freiwilliger Ausreise am 19. April 2013 reiste er am 21. Mai 2013 mit seiner Familie und seinem Vater in die Bundesrepublik Deutschland ein und wird seither geduldet. Ein Asylfolgeantrag des Klägers ist mit Bescheid des Bundesamtes vom 28. Mai 2013 bestandskräftig abgelehnt worden (vgl. VG Osnabrück, Beschluss vom 17. Juni 2013 - 5 B 78/13 -; Urteil vom 4. November 2013 - 5 A 168/13 -).
Das Amtsgericht Osnabrück verurteilte den Kläger am 7. November 2013 wegen Betruges zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen. Am 19. März 2015 erhielt der Kläger vom Amtsgericht Norden wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in zwei Fällen einmal in Tateinheit mit vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen.
Am 20. Dezember 2013 bestimmte das Amtsgericht Norden den Kläger zum Betreuer von Herrn D. S., geb. am 19. September 1981. Das Bundesamt stellte bezüglich diesem mit Bescheid vom 26. Juli 2012 ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG fest, so dass ihm vom Beklagten am 21. Februar 2013 erstmals eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG erteilt worden ist, die bis 20. Februar 2016 verlängert wurde.
Am 22. September 2014 beantragte u.a. der Kläger bei dem Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 AufenthG bzw. § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG und verwies darauf, dass er zum Betreuer von Herrn S. bestimmt worden sei. Dieser sei dauerhaft an paranoider Schizophrenie und Epilepsie erkrankt und bedürfe weitgehender Hilfe rund um die Uhr. Er, der Kläger, erledige sämtliche Einkäufe, führe den Haushalt, wasche die Wäsche und versorge ihn. Der bisherige Betreuer, der Vater von Herrn S., sei seit September 2014 in Haft und aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen worden. Herr S. solle deshalb in die gemeinsame Wohnung der Familie einziehen. Der Berufsbetreuer, der Zeuge T., kümmere sich um die rechtlichen Angelegenheiten, er um die persönlichen Dinge. Herr S. könne kein Deutsch, so dass die Verständigung mit dem Berufsbetreuer nicht möglich sei. Im Laufe der Monate habe sich ein Vertrauensverhältnis aufgebaut, so dass Herr S. auf seine Unterstützung angewiesen sei.
Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 29. Januar 2015, zugestellt am 2. Februar 2015, ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG scheide schon deshalb aus, weil der Aufenthaltsgrund nicht in der Person des Klägers liege. Eine Anwendung des § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG sei deshalb nicht möglich, weil der Kläger vollziehbar ausreisepflichtig sei. Zudem lägen keine humanitären oder persönlichen Gründe in der Person des Klägers vor. Herr S. habe zudem einen Berufsbetreuer und es sei nicht nachvollziehbar, weshalb für ihn ein zweiter Betreuer bestellt worden sei. Es sei nicht amtsärztlich nachgewiesen worden, dass der Kläger 24-stündiger Betreuung bedürfe, zumal der Kläger auch nicht pflegerisch ausgebildet sei. Er sei auch gar nicht in der Lage, diese Betreuung sicherzustellen, weil er eine eigene Familie einschließlich eines schwerkranken Vaters habe. Für Haushaltstätigkeiten sei ein Betreuer nicht erforderlich. Die Verständigung zwischen Herrn T. und Herrn S. müsse nicht zwingend über den Kläger erfolgen. Allein eine Betreuerbestellung rechtfertige zudem noch keine Legalisierung des Aufenthalts. Die Duldung reiche zur Unterstützung von Herrn S. aus. Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG seien nicht erfüllt, weil eine freiwillige Ausreise des Klägers möglich sei.
Am 2. März 2015 hat der Kläger Klage erhoben. Mit einstweiliger Anordnung vom 19. Januar 2016 hat das Amtsgericht Norden den Kläger wegen dessen Straftaten als Betreuer von D. S. entlassen.
Der Kläger reichte zur Begründung seiner Klage einen Bericht der Ubbo-Emmius-Klinik vom 6. März 2012 sowie Bescheinigungen des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Stefan Maas vom 19. März 2012, 11. Dezember 2013 sowie 5. Januar und 14. Oktober 2015 sowie eine Stellungnahme des Zeugen T. vom 22. September 2015 ein. Er hat ferner auf ein amtsärztliches Gutachten vom 30. Oktober 2012 verwiesen. Die im vorliegenden Verfahren eingeholte amtsärztliche Stellungnahme vom 11. Juni 2015 bestätige die Erkrankung von Herrn S. und schildere Verhaltensweisen, die auch schon in der früheren Beurteilung des Gesundheitsamtes Erwähnung gefunden hätten. Zudem sei der Beklagte ausdrücklich mit einer Betreuung von Herrn S. einverstanden gewesen. Der Kläger legte zudem im Schriftsatz vom 14. Oktober 2015 im Einzelnen dar, welche Betreuungsmaßnahmen er in Bezug auf D. S. durchführt.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen und den Bescheid des Beklagten vom 29. Januar 2015 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er erwidert im Wesentlichen: Nachbarn hätten bei einem am 2. September 2015 vorgesehenen Hausbesuch mitgeteilt, dass Herr S. das Haus sehr wohl alleine verlassen könne. Bei einem Hausbesuch am 13. Januar 2016 habe sich die Situation wie bei einem Treffen unter Bekannten dargestellt. Eine 24-stündige Betreuung sei nicht erforderlich. Zudem wurden amtsärztliche Stellungnahmen vom 11. Juni, 11. August und 15. September 2015 eingereicht. Wegen der während des gerichtlichen Verfahrens abgeurteilten Straftaten werde erwogen, den Kläger auszuweisen.
Das Gericht hat Herrn M. T. in der mündlichen Verhandlung als Zeugen vernommen. Wegen des Beweisthemas und des Beweisergebnisses wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Rechtsstreits, die Akte des Betreuungsverfahrens 9 XVII S792 beim Amtsgericht Norden und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung.
Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Der Ausländer darf allerdings nicht verschuldet an der Ausreise gehindert sein. Ein solches Verschulden liegt insbesondere vor, wenn der Ausländer zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Ausreisehindernisses nicht erfüllt (§ 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass diese Vorschrift voraussetzt, dass sowohl die zwangsweise Abschiebung als auch die freiwillige Ausreise in das Heimatland ausscheiden muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 2009 - 1 C 19.08 - NVwZ 2010, 918; Urteil vom 27. Juni 2006 - 1 C 14.05 - InfAuslR 2007, 4, 5 f.).
Die freiwillige Ausreise des Klägers ist insbesondere nicht aus rechtlichen Gründen unmöglich. Zum einen folgt dies nicht aus Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK unter dem Aspekt des Familienschutzes, weil der Kläger mit Herrn S. nicht verwandt ist.
Zum anderen ergibt sich dies auch nicht aus Art. 8 EMRK unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Privatlebens von Herrn D. S..
Zum Privatleben im Sinne dieser Vorschrift gehört auch die Summe aller persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, die für das Leben jedes Menschen konstitutiv sind. Nach Absatz 2 der Vorschrift sind allerdings verhältnismäßige Eingriffe in dieses Recht möglich (vgl. EGMR, Urteil vom 16. Juni 2005 - 60654/00 - InfAuslR 2005, 349; BVerwG, Beschluss vom 21. Februar 2011 - 2 BvR 1392/10 - InfAuslR 2011, 235, 236 f.; Meyer/Ladewig, EMRK, Rn. 67 zu Art. 8).
Dementsprechend können - anders als offenbar der Beklagte meint - auch Beziehungen unter Nichtverwandten grundsätzlich ein Ausreisehindernis begründen. Allerdings gewährt der Schutz des Privatlebens aus Art. 8 EMRK in aller Regel kein Recht auf Einreise und Aufenthalt entgegen den entsprechenden nationalen Bestimmungen (vgl. EGMR a.a.O.). Daher kann allein der Schutz des Privatlebens nur in sehr seltenen Fällen das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts überwiegen.
Bezogen auf die hier zu beurteilende Fallgestaltung eines Betreuers einer hier rechtmäßig lebenden Person ist daher für die Annahme eines Ausreisehindernisses aus Art. 8 EMRK Voraussetzung, dass (a) die gerichtlich angeordnete Betreuung fortbesteht, (b) der Betreute auf die Lebenshilfe der anderen Personen angewiesen ist, welche (c) nur durch den Betreuer und nicht eine andere Person erbracht werden kann, weil zu dem Betreuten eine besondere emotionale Verbundenheit besteht und es (d) ausgeschlossen erscheint, dass die Betreuungsleistungen durch vorrangig hierzu berufene Familienmitglieder erbracht werden können.
Im Falle des Klägers fehlt es an den Voraussetzungen zu (a) und (d).
Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung war der Kläger nicht mehr Betreuer des Klägers. Das Amtsgericht Norden hat ihn mit einstweiliger Anordnung vom 19. Januar 2016 von dieser Tätigkeit entlassen und der Entscheidung sofortige Wirksamkeit beigemessen. Dass der Kläger erwägt, gegen den genannten Beschluss des Amtsgerichts Norden Beschwerde einzulegen, ändert hieran nichts.
Der hilfsweise gestellte Antrag des Klägers, das Verfahren bis zu einer abschließenden Entscheidung über die Betreuung nach § 94 VwGO auszusetzen, wird zum einen in Ausübung des gerichtlichen Ermessens („kann“, vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Rn. 6 zu § 94 m.w.N.) abgelehnt. Denn der Kläger hat im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Erhebung einer Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Norden vom 19. Januar 2016 zunächst nur erwogen. Zum anderen sprechen gegen die Aussetzung prozessökonomische Erwägungen, weil das Verfahren im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits weitgehend gefördert war. Der Grund für die einstweilige Anordnung des Amtsgerichts Norden lag zudem in den Straftaten des Klägers und damit in seiner Sphäre. Abgesehen davon ist die Entscheidung des Amtsgerichts Norden auch nicht entscheidungserheblich, weil die Voraussetzungen für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG auch aus einem weiteren Grunde nicht gegeben sind.
Es erscheint nämlich hier naheliegend, dass Herr D. S. von gegenüber dem Kläger vorrangigen Familienangehörigen betreut werden kann. Zwar steht der Vater, Herr Demo S., hierfür nicht mehr zur Verfügung, weil dieser zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, sich seit September 2013 in Haft befindet und auch aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen worden ist (vgl. dazu das inzwischen beendete Verfahren 11 A 2974/15). Der Zeuge T. hat aber mit Schreiben vom 22. Juli 2015 (Bl. 209 der Beiakte 005) für Herrn S. bei dem Beklagten einen Umverteilungsantrag gestellt, auf verwandtschaftliche Beziehungen in der Umgebung von Köln hingewiesen und vorrangig die in Kerpen lebende Fatima S. angeführt. Nach den Angaben des Zeugen T. in der mündlichen Verhandlung handelt es sich hierbei um eine Tante von D. S.. Er hat ferner bestätigt, dass in der Region Kerpen weitere Verwandte von ihm leben. Im Jahre 2015 seien diese Angehörigen mehrmals in Norden gewesen und hätten sich bereit erklärt, sich aus familiärer Verbundenheit um D. S. zu kümmern. Das Gericht hat keinen durchgreifenden Anhaltspunkt dafür, dass diese Bereitschaft inzwischen entfallen ist. Dass sich D. S. - wie der Zeuge T. berichtet hat - inzwischen entschlossen hat, doch in Norden wohnhaft zu bleiben und hierbei auch von seinem Vater unterstützt wird, ist wegen der Vorrangigkeit der Pflege durch Familienangehörige ohne maßgebliche rechtliche Bedeutung. Auch dass die Stadt Kerpen mit Schreiben vom 16. September 2015 (Bl. 217 der Beiakte 005) die Zustimmung zur Änderung der Wohnsitzauflage verweigert und der Beklagte deshalb wohl inzwischen einen diesbezüglichen ablehnenden Bescheid erlassen hat, vermag eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Denn Herr S. hätte hiergegen mit beachtlichen Erfolgsaussichten verwaltungsgerichtliche Klage erheben können.
Zur Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten weist das Gericht ergänzend darauf hin, dass die obigen Voraussetzungen zu (b) und (c) vorliegen.
Es bestehen keine Zweifel, dass Herr D. S. wegen einer schwerwiegenden Erkrankung auf Lebenshilfe anderer angewiesen ist. Nach der amtsärztlichen Stellungnahme vom 30. Oktober 2012 im Betreuungsverfahren (Bl. 25 ff. der Beiakte 003) leidet dieser an einer paranoiden Schizophrenie mit Angststörung und idiopathischer Epilepsie. Mit ihm sei ein Gespräch nicht möglich. Er habe sich während der amtsärztlichen Untersuchung geweigert, Platz zu nehmen und sei im Zimmer herumgegangen. Er sei geistig abwesend gewesen und hätte teilweise Selbstgespräche geführt. Er habe zudem irrationale abwegige Vorstellungen geäußert. Er sei aufgrund der Behinderung nicht in der Lage, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen, so dass eine Betreuung erforderlich sei. Herr S. sei realitätsfern und nicht in der Lage, seinen Willen frei zu bestimmen und nach den gewonnenen Erkenntnissen konsequent zu handeln. Nach einem Protokoll einer Sitzung beim Amtsgericht Norden am 16. Januar 2013 (Bl. 36 der Beiakte 003) war nach amtsrichterlicher Einschätzung offensichtlich, dass Herr S. betreuungsbedürftig ist. Ein Gespräch mit ihm sei nicht möglich gewesen, er habe den Gerichtssaal verlassen.
Eine Verbesserung des Gesundheitszustandes ist nicht festzustellen. Nach den nicht zweifelhaften Attesten des behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Stefan Maas vom 5. Januar und 14. Oktober 2015 besteht bei Herrn S. weiter eine Epilepsie und Psychose. Wegen der Ausprägung sei eine umfassende Betreuung rund um die Uhr erforderlich. Er bedürfe Hilfestellungen auch in alltäglichen Verrichtungen wie der Körperhygiene, der Zubereitung des Essens und der Versorgung der Wohnung. In der amtsärztlichen Stellungnahme vom 15. September 2015 heißt es, dass der Herr S. an einer chronischen psychischen Erkrankung leide und von dem Kläger betreut werde. In der amtsärztlichen Stellungnahme vom 11. Juni 2015, die aufgrund eines Hausbesuches abgegeben worden ist, sind zwar Zweifel an der medizinischen Diagnose geäußert worden. Andererseits hat der Kläger aber zutreffend darauf hingewiesen, dass die dort erwähnte fehlende Gesprächsbereitschaft von Herrn S. kein neuer Gesichtspunkt ist, sondern dies den früheren oben dargestellten Befunden entspricht. Auch ergeben sich aus den genannten im vorliegenden Verfahren eingeholten amtsärztlichen Stellungnahmen keine hinreichend eindeutigen Äußerungen, die die obigen Feststellungen in Frage stellen könnten, zumal Herr S. nach den Angaben des Zeugen T. in der mündlichen Verhandlung auch von der Pflegekasse als pflegebedürftig eingestuft worden ist. Erst recht kann sich dies nicht aus den Vermerken der Mitarbeiter der Ausländerbehörde vom 2. September 2015 und 13. Januar 2016 über Hausbesuche in den Wohnungen des Klägers bzw. Herrn S.s ergeben, weil sie nicht über die erforderliche Sachkunde verfügen und auch lediglich punktuelle Beobachtungen gemacht werden konnten.
Der Kläger hat im Schriftsatz vom 14. Oktober 2015 auch glaubhaft im Einzelnen geschildert, welche Betreuungsmaßnahmen er in Bezug auf Herrn S. durchführt. Er hat dargelegt, dass er bei Herrn S. übernachte oder dieser in seiner Wohnung schlafe. Er bereite ihm das Frühstück vor und achte darauf, dass er seine Medikamente einnehme. Er müsse ihn duschen. Er sei insoweit „wie ein Kind“. Herr S. könne sich zwar allein anziehen, müsse aber insoweit kontrolliert werden. Er, der Kläger, übernehme die Hausarbeiten und bereite ihm das Mittagessen vor. Er müsse ihn bei ausgedehnten Spaziergängen begleiten und kümmere sich um das Abendessen. Er gehe zudem häufiger mit ihm zum Arzt und einmal im Monat in die Justizvollzugsanstalt, um dessen Vater zu besuchen. Er kümmere sich auch um die Wäsche. Er betrachte Herr S. inzwischen als Bestandteil seiner Familie. Der Zeuge T. hat diese Angaben des Klägers, die er auch ihm gegenüber in ähnlicher Weise gemacht hat, nicht in Zweifel gezogen und berichtet, dass der Kläger und Herr S. recht häufig gemeinsam in seinem Betreuungsbüro vorsprechen würden.
Der Kläger kann auch nicht durch eine andere Betreuungsperson außerhalb der Familie von Herrn S. ersetzt werden. Nach der schriftlichen Stellungnahme des Zeugen T. vom 22. September 2015 besteht inzwischen eine intensive Beziehung, die über eine einfache Pflege hinausgehe. In der mündlichen Verhandlung hat er angeführt, dass das Verhältnis sehr innig und familiär sei. Der Kläger und Herr S. lebten praktisch zusammen. Für Herrn S. würde eine Welt zusammenbrechen, wenn der Kläger ausreisen müsste. Die Feststellungen in den Vermerken der Mitarbeiter der Ausländerbehörde des Beklagten vom 2. September 2015 und 13. Januar 2016 können eine andere Beurteilung auch insoweit nicht rechtfertigen. Bei dem Hausbesuch am 13. Januar 2016 wurde zudem festgestellt, dass sich Herr S. in der Wohnung der Familie des Klägers aufgehalten hat.
Der Kläger hätte allerdings auch bei Vorliegen aller besonderen Erteilungsvoraussetzungen keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Denn es besteht wegen der aus dem Tatbestand ersichtlichen Straftaten, die zu Geldstrafen in Höhe von insgesamt 140 Tagessätzen geführt haben, ein Ausweisungsinteresse (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Dass ein Ausnahmefall vorliegt, ist nicht erkennbar.
Der Beklagte könnte allerdings nach Ermessen von dieser allgemeinen Regelerteilungsvoraussetzung absehen (§ 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Insoweit wird darauf hingewiesen, dass das Ermessen zwar nicht zu Lasten des Klägers reduziert sein dürfte (vgl. Ziff. 5.3.2.2 der AVV zum AufenthG). Angesichts dessen, dass der Kläger sich erst seit knapp drei Jahren wieder in Deutschland aufhält und dennoch bereits zwei Mal straffällig geworden ist, sprechen allerdings gute Gründe dafür, die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis abzulehnen. Es ist zwar auch zu berücksichtigen, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers bei einer Aufenthaltsgewährung aus humanitären Gründen typischerweise nicht von der Einhaltung der Voraussetzungen aller allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen ausgegangen werden kann und durch die Anwendung des § 25 Abs. 5 AufenthG grundsätzlich sog. Kettenduldungen vermieden werden sollen (vgl. BT -Drs. 15/420, S. 70 und 80). Andererseits zeigt aber gerade die erhebliche Verurteilung zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in zwei Fällen, dass von dem Kläger erhebliche Gefahren für die Allgemeinheit ausgehen.