Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 18.03.2009, Az.: L 2 R 195/07

Anrechnungszeit; Anrechnungszeittatbestand; Aufbaustudium; EG; EU; Europäische Union; Fachhochschule; Frankreich; französisches Ingenieurhochschulstudium; französisches Universitätsstudium; Gemeinschaftsrecht; gesetzliche Rentenversicherung; Gleichheitsgrundsatz; Gleichheitssatz; Hochschulausbildung; Hochschulbesuch; Hochschule; Hochschulstudium; Ingenieur; Ingenieurhochschulstudium; Maitrise; Maitrise de Sciences Physiques; Rentenversicherung; Schulausbildung; soziale Sicherheit; Studium; Verfassungsmäßigkeit; Verfassungswidrigkeit; Vormerkung; Vormerkungsverfahren; Wanderarbeitnehmer

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
18.03.2009
Aktenzeichen
L 2 R 195/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 50448
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 27.02.2007 - AZ: S 29 R 62/05

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Auch die Zeit eines sich an den Abschluss einer "Maitrise de Sciences Physiques" anschließenden französischen Ingenieurhochschulstudiums kann als Anrechnungszeit in Form des Hochschulbesuchs nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI berücksichtigt werden.

Tenor:

Das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 27. Februar 2007 wird aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 8. Oktober 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. Januar 2005 wird geändert. Die Beklagte wird verurteilt, die Zeiten der Ausbildung vom 1. September 1991 bis 9. Juli 1993 als Anrechnungszeiten vorzumerken.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin aus beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

1

Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Vormerkung von Zeiten der schulischen Ausbildung in H. als Anrechnungszeiten im Zeitraum vom 01. September 1991 bis 09. Juli 1993.

2

Die 1969 in H. geborene Klägerin besuchte die gymnasiale Oberstufe des Institut I. in J., welche sie am 10. Juli 1987 mit der Reifeprüfung (Diplome du Baccalaureat) abschloss. Anschließend absolvierte sie an der Université Paris-Sud in der Zeit von Oktober 1987 bis Juni 1989 ein zweijähriges Grundstudium, welches sie mit dem Erwerb des Diplome d´études universitaire générales (D.E.U.G.) beenden konnte. Das darauf folgende Hauptstudium ("2éme cycle"), gegliedert in zwei voneinander getrennte Studienjahre, hat die Klägerin ebenfalls erfolgreich abgeschlossen. Nach Ablauf des 3. Studienjahres erhielt sie zunächst die sog. "Licence de Sciences Physiques". Das zweite Studienjahr des Hauptstudiums schloss die Klägerin im Juni 1991 sodann mit dem Erwerb der "Maitrise de Sciences Physiques" ab. Schließlich wurde die Klägerin im September 1991 an der Nationalen Hochschule für angewandte Wissenschaften (Institut National des Sciences Appliquèes - INSA) in K. aufgenommen und erwarb am 09. Juli 1993 den Abschluss des "Diplome d´ Études Approffondies" (D.E.A.). Ihr wurde das Diplom für den Ingenieur der Nationalen Hochschule für angewandte Wissenschaften von K. verliehen.

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Im Rahmen eines von der Klägerin im September 2004 gestellten Antrages auf Kontenklärung merkte die Beklagte die Zeiten schulischer Ausbildung vom 30. November 1986 bis 30. September 1987 (Schulausbildung bzw. Überbrückungszeit) und vom 01. Oktober 1987 bis 30. Juni 1991 (Hochschulausbildung) als Anrechnungszeittatbestände vor. Zugleich lehnte sie die Vormerkung der Zeit vom 01. September 1991 bis 09. Juli 1993 als Anrechnungszeit ab, weil diese nach Ablegung der Abschlussprüfung zurückgelegt worden sei.

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Den dagegen erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass es sich bei dem Studium an der Ingenieurschule INSA von K. nicht um ein Doppelstudium, sondern um ein Aufbaustudium gehandelt habe. Für ein Ingenieurstudium seien in H. mindestens fünf Jahre vorgesehen. Eine Möglichkeit das Ingenieurdiplom zu erlangen bestehe darin, vor dem Eintritt ein Magister an einer Universität abzuschließen und anschließend direkt im vierten Jahrgang der Ingenieurschule einzusteigen. Der Abschluss Magister allein genüge nicht, um den Beruf eines Ingenieurs ausüben zu können.

5

Mit Widerspruchsbescheid vom 07. Januar 2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Hierzu führte sie im Wesentlichen aus, dass die Klägerin bereits im Juni 1991 an der Universität Paris-Sud ihr dortiges Studium mit dem Erwerb der "Maitrise" abgeschlossen und im Anschluss daran ein auf Erlangung des Abschlusses Ingenieur gerichtetes Aufbaustudium abgeschlossen habe. Bei dem Abschluss "Maitrise" handele es sich um einen vollwertigen Hochschulabschluss, der die Ausübung eines ein Hochschulstudium voraussetzenden Berufes ermögliche.

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Im sich anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Braunschweig hat die Klägerin im Wesentlichen dargelegt, dass es mit der "Maitrise de Sciences Physiques" nicht möglich sei, einen Beruf auszuüben. Vielmehr seien weitergehende Abschlüsse notwendig.

7

Das SG Braunschweig hat die Klage mit Urteil vom 27. Februar 2007 abgewiesen und zur Begründung auf den Inhalt des angefochtenen Widerspruchsbescheides verwiesen. Ergänzend hat das SG Braunschweig ausgeführt, dass nach den Empfehlungen zur Einführung neuer Studienstrukturen und - abschlüsse in Deutschland des Wissenschaftsrates (WR) vom 21. Januar 2000 der Abschluss der "Maitrise" dem deutschen Diplom/Magister vergleichbar sei. Damit verfüge die Klägerin über einen vollwertigen Hochschulabschluss.

8

Gegen das ihr am 09. März 2007 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 02. April 2007 beim SG Braunschweig eingegangenen Berufung. Sie ist weiterhin der Auffassung, einen Anspruch auf Vormerkung weiterer Anrechnungszeittatbestände zu haben. Der Abschluss einer "Maitrise" ermögliche keinen direkten Einstieg in das Berufsleben. Es sei richtig, dass die "Maitrise" bestimmte Berechtigungen zum Eintritt in den französischen Staatsdienst beinhalte. Voraussetzung sei das Bestehen einer von zwei weiteren Prüfungen (concours), namentlich der Capes (certificat d`aptitude au professorade l`enseignemont du second degré) oder der Aggregation.

9

Die Klägerin beantragt,

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1. das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 27. Februar 2007 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 08. Oktober 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07. Januar 2005 abzuändern und

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2. die Beklagte zu verurteilen, die Zeiten der Ausbildung vom 01. September 1991 bis 09. Juli 1993 als Anrechnungszeiten vorzumerken.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung abzuweisen.

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Sie hält das angefochtene Urteil des SG Braunschweig für zutreffend und die Bescheide für rechtmäßig. Ergänzend trägt die Beklagte vor, dass "DEA-Studium", das nach erfolgreich absolvierter Hochschulausbildung (Erwerb der "Maitrise" oder eines vergleichbaren Abschlusses) zurückgelegt werden könne und von der Klägerin selbst als Aufbaustudium bezeichnet worden sei, diene vor allem der Vertiefung erworbener Studieninhalte bzw. einer zusätzlichen fachlichen Fundierung der Kenntnisse innerhalb des selben oder eines angrenzenden Fachgebietes. Insoweit stelle das "DEA" eine Art Zwischenprüfung im Hinblick auf eine mögliche Promotion dar.

15

Der Senat hat die Klägerin im vorbereitenden schriftlichen Verfahren und deren Ehemann im Termin zur mündlichen Verhandlung angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls nebst Anlage verwiesen.

16

Dem Senat haben außer den Prozessakten die Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht erhoben und damit zulässig. Sie ist auch begründet.

18

Das Urteil des SG Braunschweig und der Bescheid der Beklagten vom 08. Oktober 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07. Januar 2005 sind rechtswidrig. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Vormerkung (weiterer) Zeiten einer schulischen Ausbildung als Anrechnungszeiten betreffend den Zeitraum vom 01. September 1991 bis 09. Juli 1993 zu.

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Rechtsgrundlage für die streitige Vormerkung von Anrechnungszeittatbeständen ist § 149 Abs. 5 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Nach dieser Vorschrift stellt der Versicherungsträger, nachdem er das Versicherungskonto geklärt hat, die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest. Über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten wird erst bei Feststellung einer Leistung entschieden (Satz 3).

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Infolgedessen wird im Rahmen eines Vormerkungsverfahrens nur geprüft, ob der behauptete Anrechnungszeittatbestand nach seinen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen erfüllt ist. Über die Anrechenbarkeit und Bewertung dieser Zeiten kann erst bei Eintritt des Leistungsfalles, bei der Berechnung der Rente, entschieden werden. Selbst wenn mithin derzeit im Einzelfall jegliche leistungsrechtliche Auswirkung einer Ausbildung als Anrechnungszeit verneint werden könnte, könnte die Vormerkung einer derartigen Anrechnungszeit nicht allein mit dieser Begründung abgelehnt werden, weil sich zum Zeitpunkt des Leistungsfalls das bei der Berechnung der Leistung anzuwendende Recht geändert haben kann; entscheidend ist, ob nach derzeitigem Recht generell die Möglichkeit besteht, dass der Sachverhalt in einem künftigen Leistungsfall rentenversicherungsrechtlich erheblich werden kann. Nach alledem dient das Vormerkungsverfahren dazu, das Vorhandensein von Anrechnungszeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht für den künftigen Leistungsfall vorab zu klären. Demnach beurteilt sich die Frage, ob der Tatbestand einer rentenrechtlichen Zeit vorzumerken ist, nach der im jeweils maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt gültigen materiellen Rechtslage (BSG, Urteil vom 16.12.2007, 4 RA 67/97, SozR 3-2600 § 58 Nr 13 mwN).

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Die Zeiten des Besuchs der INSA in K. vom 01. September 1991 bis 09. Juli 1993 sind als Anrechnungszeiten einer schulischen Ausbildung vorzumerken. Nach § 58 Abs.1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI sind Anrechnungszeiten Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch höchstens bis zu 8 Jahren.

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Die zuvor aufgeführten Vormerkungsvoraussetzungen sind im Falle der Klägerin erfüllt. Nachgewiesen ist, dass die Klägerin in dem streitgegenständlichen Zeitraum nach vollendetem 17. Lebensjahr eine Hochschule, die Nationale Hochschule für angewandte Wissenschaften (INSA) zu K.) besucht hat. Auch bildet das in H. mit dem Erwerb der "Maitrise" im Juni 1991 erfolgreich abgeschlossene Hauptstudium nicht bereits zu Lasten der Klägerin das Ende der Hochschulausbildung mit der Folge, dass die Vormerkung weiterer - zeitlich nachfolgender - Studienzeiten als Anrechnungszeittatbestände ausscheidet.

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Der im Gesetz nicht definierte Begriff Hochschulbesuch (= Hochschulausbildung) ist gleichbedeutend mit dem des Hochschulstudiums. Dem Vormerkungsanspruch steht insoweit nicht bereits entgegen, dass die Ausbildungszeit im Ausland zurückgelegt worden ist. Der Anrechnungszeittatbestand einer Hochschulausbildung ist nicht auf Ausbildungen im Inland beschränkt (BSG, Urteil vom 02.11.1983, 11 RA 82/82, SozR 2200 § 1259 Nr. 80; Urteil vom 26.06.1991, 8 RKn 15/89, SozR 3-2200 § 1259 Nr. 6). Berücksichtigung finden kann jedoch nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 27.11.1991, 4/1 RA 65/90, SozR 3-2200 § 1259 RVO Nr. 9 mwN) grundsätzlich nur eine einzige erfolgreich abgeschlossene Hochschulausbildung als Anrechnungszeit. Nach Erreichen des ersten möglichen Abschlusses sind weitere Ausbildungsabschnitte an einer Hochschule keine Anrechnungszeittatbestände. Dies gilt erst recht, wenn ein Studium nur der Vertiefung, Auffrischung oder gar dem erstmaligen Erwerb der Kenntnisse gilt, deren Nachweis eine bereits erfolgreich abgelegte Abschlussprüfung dient. Das Gesetz berücksichtigt nicht jede Berufsausbildung als Anrechnungszeit, sondern nur bestimmte typische Ausbildungszeiten mit geregeltem Ausbildungsgang. Hierbei ist die Hochschulausbildung nur bis zu dem Abschluss zu berücksichtigen, der den Weg ins Berufsleben erstmals rechtlich eröffnet (BSG, Urteil vom 27.11.1991, 4/1 RA 65/90, aaO).

24

Letzteres war bei der Klägerin nicht bereits mit erfolgreichem Abschluss des zwei Studienjahre umfassenden Hauptstudiums durch Erlangung der "Maitrise" im Juni 1991 der Fall.

25

Mit erfolgreichem Abschluss lediglich des zweiten Abschnitts eines dreigliedrigen französischen Universitätsstudiums der Ingenieurwissenschaften war die Klägerin jedenfalls für die hier maßgeblichen bundesdeutschen Verhältnisse erkennbar nicht berechtigt, einen Ingenieurberuf auszuüben. Der Ausbildungserfolg ist vielmehr erst mit dem Erwerb des Abschlusses des Diplome d`Ètudes Approffondies (D.E.A.) am 9. Juli 1993 eingetreten. Mithin war die Klägerin auch erst beginnend ab diesem Zeitpunkt berechtigt, in Deutschland einen ein Ingenieurstudium voraussetzenden Beruf zu ergreifen und auszuüben. Letzteres stellt auch die Beklagte nicht in Abrede.

26

Dass dabei nicht die "rechtlichen" Verhältnisse im Ausland - hier: Frankreich - maßgeblich sind, ergibt sich bereits aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 27. November 1991 (Urteil, 4/1 RA 65/90, SozR 3-2200 § 1259 Nr. 9), der sich der Senat insoweit anschließt. Mit Ausstellung einer Gleichwertigkeitsbescheinigung ist danach ein in der ehemaligen DDR absolviertes Studium der Staats- und Rechtswissenschaften, erfolgreich abgeschlossen mit der juristischen Diplom-Prüfung, der Weg ins Berufsleben erstmals rechtlich eröffnet worden. In diesem Sinne stellt der von der Klägerin in Frankreich absolvierte Abschluss der Maitrise keinen ordnungsgemäßen ersten rechtlichen Hochschulabschluss dar. Es handelt sich vielmehr um eine als Abschluss nach bundesdeutschen Maßstäben nicht hinreichende Vorprüfung.

27

Die dargelegte Rechtsansicht des Senats steht im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union (EU).

28

Einerseits würde bereits die über Art. 18 Abs.1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25. März 1957 (BGBl. II, 766 - EGV) gewährleistete Freizügigkeit der Klägerin als Unionsbürgerin innerhalb der Gemeinschaft beeinträchtigt, wenn in einem Mitgliedsstaat absolvierte Vorprüfungen in einem anderen Mitgliedsstaat als eine die Hochschulausbildung abschließende Prüfung anzusehen wäre und nachfolgende Zeiten schulischer Ausbildung keine Berücksichtigung finden könnten. Vielmehr ergibt sich aus Art. 149 Abs. 1 EGV das Ziel der Gemeinschaft und der Mitgliedsstaaten, nämlich die Entwicklung einer qualitativ hochstehenden Bildung. Konkret beschreibt Art. 149 Abs. 2 zweiter Spiegelstrich EGV die Förderung der Mobilität der Lernenden und Lehrenden, auch durch die Förderung der akademischen Anerkennung der Diplome und Studienzeiten.

29

Ferner stützt sich die vom Senat vertretene Auffassung auf sekundäres Gemeinschaftsrecht in Gestalt der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 1495.7. 1971 S. 2). Zwar enthält Art. 45 Abs. 1 EWG 1408/71 kein allgemeines Gleichstellungsgebot für Anspruchsvoraussetzungen, sondern verpflichtet die mitgliedschaftlichen Träger lediglich, bei der Prüfung speziell der versicherungsrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen die nach fremdmitgliedstaatlichem gesetzlichen Rentenversicherungsrecht zurückgelegten Versicherungs- und Wohnzeiten mit den innerstaatlichen Zeiten zusammenzurechnen, soweit sie nicht auf dieselbe Zeit entfallen. Insbesondere haben jedoch die Wartezeiten, im Falle der Klägerin die Wartezeit von 35 Jahren als Voraussetzung für den Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte (§ 50 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI), auf die nach Maßgabe des § 51 Abs. 3 SGB VI alle Kalendermonate mit rentenrechtlichen Zeiten - mithin auch Anrechnungszeiten nach § 54 Abs. 1 und 4 SGB VI iVm § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI Zeiten einer schulischen Ausbildung - angerechnet werden, anspruchsbegründenden bzw. -erhaltenen Charakter i.S. des § 45 Abs. 1 EWG 1408/71 und sind deshalb wie mitgliedstaatliche Rentenzeiten zu berücksichtigen (vgl. auch BSG, U. v. 8.12.2005 - B 13 RJ 40/04 R - SozR 4-2600 § 53 Nr. 1 zum gemeinschaftsrechtlichen Gebot zur Gleichstellung von Aufschubtatbeständen). Als Studierende ist die Klägerin ausdrücklich gemäß Art. 2 Abs. 1 EWG 1408/71 vom persönlichen Geltungsbereich umfasst.

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Schließlich ist die von der Beklagten vertretene Auffassung mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) unvereinbar. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwert. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfGE 112, 50 [BVerfG 09.11.2004 - 1 BvR 684/98]). Die unterschiedliche Behandlung derjenigen Versicherten, die ein Ingenieurstudium mit der Diplomprüfung in Deutschland abschließen und zweifelsohne bis zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich Anspruch auf Vormerkung Zeiten schulischer Ausbildung als Anrechnungszeittatbestände haben, gegenüber denjenigen Versicherten, die - wie die Klägerin - im Ausland nach dortigen Maßstäben ein dreigliedrigeres Ingenieurstudium absolvieren und sich einer abschließenden Diplom-Prüfung unterziehen, um sodann erstmals jeweils Zugang zu einem Ingenieurberuf zu erlangen, ist durch sachliche Gründe nicht zu rechfertigen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.

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Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegt nicht vor.